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Die Rolle von Kennzahlen im neuen doppischen Haushaltsrecht
Die Rolle von Kennzahlen im neuen doppischen Haushaltsrecht
Ein Interview mit Prof. Dr. Gunnar Schwarting (Geschäftsführer des Städtetags Rheinland-Pfalz)
27. März 2009
Mit der Einführung der kommunalen Doppik wurden seitens
des Gesetzgebers verschiedene Zielsetzungen verbunden: So
sollen z.B. die Transparenz der Haushaltswirtschaft erhöht
und die Steuerungsmöglichkeiten verbessert werden. Eine
entscheidende Rolle spielen in diesem Zusammenhang
Finanzkennzahlen und produktorientierte Kennzahlen.
HaushaltsSteuerung.de sprach zu diesem Thema mit Prof. Dr.
Gunnar Schwarting (Bild), dem Geschäftsführer des Städtetages
Rheinland-Pfalz und Honorarprofessor an der Deutschen
Hochschule für Verwaltungswissenschaften (DHV) in Speyer.
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HaushaltsSteuerung.de: Herr Professor Schwarting, die Einführung der Doppik führt
dazu, dass zum Teil abenteuerlich anmutende interkommunale Bilanzpostenvergleiche
(z.B. auf Basis der Eigenkapitalquoten) angestellt werden.1 Fürchten Sie, dass derartige
Vergleiche in Zukunft zunehmen werden, z.B. durch Pressevertreter?
Schwarting: Da die Doppik neu ist, wird die öffentliche Aufmerksamkeit sicherlich höher
sein als im bisherigen kameralistischen System. Ob und inwieweit Medien
Kennzahlenvergleiche zu Finanzdaten erstellen werden, lässt sich nur schwer beurteilen.
In der Vergangenheit waren Leistungsvergleiche großräumiger Art eher die Regel.
HaushaltsSteuerung.de: Im Sinne der interkommunalen Vergleichbarkeit sind
Finanzkennzahlvergleiche sicher nichts per se schlechtes. Woran liegt es, dass
interkommunale Finanzkennzahlenvergleiche auf Basis doppischer Informationen so
schwierig sind? Was muss bei interkommunalen Finanzkennzahlenvergleichen auf Basis
der Doppik beachtet werden? Sind die Anforderungen hier höher, als bei den
vorhandenen Kennzahlenvergleichen auf Grundlage kameraler Daten?
Schwarting: Die Anforderungen an Kennzahlenvergleiche sind grundsätzlich in allen
Systemen gleichartig. Entscheidend ist, dass die ermittelten Kennzahlen aussagefähig
sind und für die betreffenden Vergleichskommunen auf gleicher Basis erhoben worden
sind. So differieren bspw. Aufwendungen für Abschreibungen bereits dann, wenn je nach
Landesrecht unterschiedliche Nutzungszeiträume zu Grunde gelegt werden. Deshalb
müssen Kennzahlen – dies allerdings ist recht aufwendig – zunächst "gleichnamig"
gemacht werden.
HaushaltsSteuerung.de: Wie schätzen Sie die Unterschiede in den doppischen
Rechtsgrundlagen der Bundesländer ein – führen diese in letzter Konsequenz dazu, dass
gegenwärtig keine sinnvollen Finanzkennzahlenvergleiche zwischen Kommunen
(unterschiedlicher Bundesländer) praktiziert werden können? Und ist das nicht vor dem
Hintergrund, dass ein Ziel der Doppik-Einführung ein Mehr an Transparenz ist, paradox?
Was wäre zu tun, um derartige Probleme zu lösen?
Schwarting: In der Tat besitzen die haushaltsrechtlichen Regelungen zwischen den
Bundesländern und innerhalb der Bundesländer zahlreiche Freiheitsgrade, die von den
Kommunen ausgefüllt werden können. Insofern müssen über Vergleichsringe oder
ähnliche Einrichtungen Kennzahlenvergleiche erarbeitet werden, die tragfähig sind und
Hinweise für die eigene Arbeit liefern.
HaushaltsSteuerung.de: Ein anderes Thema: Einige Länder haben ihren Kommunen
auch vorgegeben über produktorientierte Kennzahlen output- bzw. wirkungsorientiert zu
steuern. Halten Sie das für sinnvoll?
Schwarting: Das neue Haushaltsrecht erhebt den Anspruch, die Steuerung zu
unterstützen; deshalb ist der Ansatz, Steuerung über produktbezogene Kennzahlen auch
einzulösen, sehr vernünftig. Die bisher vorliegenden Kennzahlensets sind dagegen stark
"finanzlastig". Im Moment ist eine produktorientierte Steuerung allerdings nur auf der
Basis von Informationen aus der eignen Kommune möglich.
HaushaltsSteuerung.de: Ausgehend von dem Prinzip der kommunalen
Selbstverwaltung definieren die Verantwortlichen vor Ort die steuerungsrelevanten Ziele
und Kennzahlen in Eigenverantwortung. Wäre es nicht sinnvoll, dass bei Leistungen die in
vergleichbarer Manier in allen Kommunen erbracht werden, auch einheitliche Kennzahlen
verwendet werden? Das würde doch den Prozess des "Lernen vom Besten" beflügeln,
oder? Wer wäre ggf. geeignet, einen derartigen Prozess der Bildung von
"Standardkennzahlen" anzustoßen?
Schwarting: Dass größere Vergleichsgruppen sinnvoll und nützlich sein könnten, wird
niemand bestreiten. Das könnten Kommunen in einer Region, Kommunen eines
gleichartigen Funktionstyps oder Kommunen geclustert nach spezifischen Merkmalen
sein. Ein Beispiel mag hier Schweden sein, das über den schwedischen
Kommunalverband jährlich eine größere Menge an Kennzahlen publiziert.
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1 Vgl. z.B. Magin, Christian: Kommunale Doppik: (Miss-)Verständnisse und Weiterentwicklungen, erschienen in:
der gemeindehaushalt (2007), 108. Jahrgang, Heft 8, Seite 175-180, abgerufen unter:
http://www.hfvspeyer.de/muehlenkamp/Publikationen/Missverst%C3%A4ndnisse%20und%20Weiterentwicklungen.pdf, Zugriff
am 03. Januar 2009, S. 6 ff. der Internetversion.
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