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HaushaltsSteuerung.de » Themen » Weitere Artikel » Interkommunale Kooperationen im Haushaltswesen: Ein Zukunftsmodell?

Interkommunale Kooperationen im Haushaltswesen: Ein Zukunftsmodell?
Ein Interview mit Michaela Wild (Leiterin der Stadtkasse und NKHR-Projektleiterin in Albstadt)

6. August 2008



Kooperationen zwischen Unternehmen sind in der Privatwirtschaft weit verbreitet. Dass so etwas auch zwischen Kommunen funktionieren kann, beweisen die Stadt Albstadt und die Gemeinde Stetten am kalten Markt (Baden- Württemberg). Die beiden Kommunen haben sich 2004 entschieden im Bereich des Haushalts- und Kassenwesens eng zusammenzuarbeiten.

HaushaltsSteuerung.de sprach hierzu mit Michaela Wild (Bild), der Leiterin der Stadtkasse und NKHR-Projektleiterin von Albstadt.

Michaela Wild, Albstadt

HaushaltsSteuerung.de: Frau Wild, die Stadtkasse Albstadt kooperiert bei der Einführung des Neuen Kommunalen Haushalts- und Rechnungswesens (NKHR) mit der Gemeinde Stetten am kalten Markt. Wie sieht diese Zusammenarbeit im Detail aus und wie kam es dazu?

Wild: Auf Initiative des Bürgermeisters der Gemeinde Stetten am kalten Markt, Herr Gregor Hipp, wurde von der Gemeinde Stetten und der Stadtkasse Albstadt ein bislang einmaliges Konzept der interkommunalen Zusammenarbeit im Kassenwesen entwickelt und realisiert. Von der Idee bis zur Realisierung des gesamten Konzepts waren lediglich 3 Monate notwendig. Ab 01.01.2004 wurden die gesamten Kassengeschäfte von Stetten am kalten Markt per öffentlich-rechtlicher Vereinbarung auf die Stadtkasse Albstadt übertragen. Der von Albstadt fortan als Dienstleistung geführte Aufgabenbereich umfasst neben der Buchführung/Buchhaltung auch die Abwicklung des Zahlungsverkehrs, die Verwaltung der Kassenmittel, das Mahnwesen sowie Maßnahmen zur Betreibung und Einleitung der Zwangsvollstreckung. Die Finanz- und Planungshoheit verbleibt dagegen bei der Gemeinde Stetten. Stetten ist somit weiterhin für die Erstellung des Haushaltsplans, die Anlagenbuchhaltung, das Anordnungswesen, die Stundung, Niederschlagung und den Erlass von Hauptforderungen sowie die Erstellung der Jahres- und Vermögensrechnung zuständig. Das Konzept "Stadtkasse als Dienstleister für kleine Kommunen" soll dabei vor allem dem stetig steigenden Kostendruck in diesem Bereich gerecht werden.
Begleitend hierzu wurde zwischen Albstadt und Stetten eine Vereinbarung über einen gemeinsamen Liquiditätsverbund getroffen. Dieser soll beiden Kommunen höhere Zinseinnahmen bei der Anlage von größeren Geldmengen sichern.
Gleichzeitig wurde das bis dahin in Stetten eingesetzte landeseinheitliche EDV-Verfahren für das Finanzwesen "FIWES Classic" durch die Branchensoftware "SAP for Public Sector" abgelöst. Auf Grund des vorhandenen Know-Hows vom Albstädter Umstieg auf SAP im Jahr 2002 und der Zusammenarbeit mit dem Software-Implementierungspartner KIRU (Kommunale Informationsverarbeitung Reutlingen-Ulm) konnte dabei auf externe Beratung verzichtet werden.

HaushaltsSteuerung.de: Wie beurteilen Sie aus heutiger Sicht den Erfolg der Kooperation?

Wild: Für beide Kommunen ergeben sich aus der Kooperation beachtliche Vorteile. Die Gemeinde Stetten am kalten Markt profitiert von mehr Wirtschaftlichkeit durch die langfristige Senkung der Personal- und Sachkosten sowie den Wegfall der Vertretungsproblematik bei Ausfallzeiten. Die Stadt Albstadt erhält für die erbrachten Leistungen einen Kostenersatz und steigert durch die höhere Auslastung die Effizienz und Effektivität der Stadtkasse.
Auch die wesentlichen politischen Aspekte dürfen dabei nicht außer acht gelassen werden. Die Zusammenarbeit zwischen Stetten am kalten Markt (Landkreis Sigmaringen) und Albstadt (Zollernalbkreis) ist eine einzigartige kommunale Partnerschaft über Landkreisgrenzen hinweg. Ebenfalls sorgt die Positionierung der Stadtkasse Albstadt als "Dienstleister" dafür, dass die Rolle der Stadt als Mittelzentrum gestärkt wird.
Auf Grund der erfolgreichen und innovativen Kooperation war es im Frühjahr 2005 möglich, die Kooperation um das Pilotprojekt "Einführung des Neuen Kommunalen Haushalts- und Rechnungswesens (NKHR) in Stetten am kalten Markt in Zusammenarbeit mit der Stadtkasse Albstadt" auszuweiten. Den Kooperationspartnern gelang es, den Haushalt der Gemeinde zum 01.01.2006 umzustellen und gleichzeitig – als erste Kommune in Baden-Württemberg - eine Eröffnungsbilanz unter neuem Recht vorzulegen. Die Pilotierung erfolgte auf einem hohen betriebswirtschaftlichen Niveau und wäre ohne die interkommunale Zusammenarbeit so nicht leistbar gewesen.

HaushaltsSteuerung.de: Halten Sie das Modell für übertragbar auf andere Kommunen? Wenn ja, was würden Sie diesen als Tipp mit auf den Weg geben?

Wild: Das Modell "Stadtkasse als Dienstleister für kleine Kommunen" hat sich bewährt. Bis heute gab es weder Misserfolge noch Konflikte, da die frühzeitige Einbeziehung der Mitarbeiter, Gemeinderäte und Bürger für eine breite Akzeptanz sorgte. Auf Grund meiner positiven Erfahrung mit der "Interkommunalen Zusammenarbeit", empfehle ich folgende wesentliche Punkte zu beachten:
Neue Strategien, Abläufe und Entwicklungen müssen unbedingt offen kommuniziert werden. Die gesamten finanziellen Folgen der Kooperation sollten im Vorfeld analysiert und in Modellrechnungen umgesetzt werden. Des Weiteren sind die Entscheidungen im Kooperationsprozess gemeinsam von den Vertretern der beteiligten Kommunen zu treffen und schriftlich festzuhalten.
Neben der uneingeschränkten Unterstützung durch Politik und Verwaltung besteht der zentrale Erfolgsfaktor wohl darin, dass die Kooperationspartner "miteinander statt übereinander reden". Sie sollen sich nicht als Konkurrenten, sondern als Partner mit gleicher Interessenlage sehen. Hierbei ist besonders darauf zu achten, dass die "Chemie zwischen den Akteuren" stimmt und sie sich gegenseitig Vertrauen.
Nur wenn sich die Kooperationspartner mit dem Leitspruch "Gemeinsam sind wir stark" identifizieren können und gemäß diesem Motto auch handeln, ist es möglich das die beteiligten Kommunen das angestrebte Ziel der Win-Win-Situation erreichen.

HaushaltsSteuerung.de: Abschließend noch einmal zum NKHR selbst: Man sagt, dass sich mit der Abbildung des gesamten Ressourcenverbauchs in der Doppik und der Zuordnung zur Leistungsseite (Produkte) die Transparenz des Verwaltungshandelns steigern ließe. Können Sie diese Aussage bestätigen?

Wild: Die Kameralistik ist für die Ressourcensteuerung eines komplexen, demokratischen und dezentral organisierten Gemeinwesen nicht mehr geeignet, da sie nur den Geldverbrauch pro Periode abbildet. Sie liefert ein verzerrtes Bild der Wirklichkeit und suggeriert Politik und Verwaltung einen real nicht existierenden finanzwirtschaftlichen Handlungsspielraum.
Damit die kommunalen Leistungen nicht von Folgegenerationen bezahlt werden müssen, sieht das NKHR eine Umstellung auf ein ressourcenverbrauchsorientiertes Haushalts- und Rechnungswesen vor. Künftig werden nicht nur die Zahlungsvorgänge (Geldverbrauch) sondern auch die nicht zahlungswirksamen Größen erfasst.
Da das Augenmerk des Neuen Kommunalen Haushalts- und Rechnungswesen auf den Ergebnissen des Verwaltungshandelns liegt, rückt das einzelne Produkt (die einzelne Leistung) der Verwaltung in den Mittelpunkt der Betrachtung.
Der neue Haushalt weist konkret an einem Produkt aus, welche Ergebnisse mit welchen eingesetzten Mitteln erzielt werden sollen und nicht allein, wie bisher, wie viel Geld eingesetzt wird. Die Steuerung im öffentlichen Sektor wird sich folglich nicht mehr am Input sondern am Output orientieren.
Zur weiteren Verbesserung der Steuerung werden die Produkte mit Zielen und Kennzahlen, die ebenfalls im Haushalt auszuweisen sind, verknüpft.
Auf Basis dieser Daten wird es möglich sein, Zielvereinbarungen zwischen Politik und Verwaltung zu treffen. Kommunale Wünsche und ihre Finanzierbarkeit können somit zukünftig besser und gerechter in Einklang gebracht werden.




©  Andreas Burth, Marc Gnädinger