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Kameralistik, erweiterte
Lexikon zur öffentlichen Haushalts- und Finanzwirtschaft
Kameralistik, erweiterte
Die erweiterte Kameralistik (auf Bundesebene auch: moderne Kameralistik) bezeichnet eine Weiterentwicklung der
einfachen Kameralistik.
Die erweiterte Kameralistik lässt sich als ein im Kern weiterhin kamerales öffentliches
Haushalts- und
Rechnungswesen verstehen (d.h. Planung und
Rechnungslegung erfolgen primär anhand von
Einnahmen und
Ausgaben), das um einzelne an die Betriebswirtschaft angelehnte Elemente ergänzt wird. Eindeutig bestimmt ist der Begriff der erweiterten
Kameralistik hierbei jedoch nicht, da nicht klar definiert ist, um welche Elemente die einfache Kameralistik ausgebaut
werden muss, um von einer erweiterten Kameralistik zu sprechen. Die Reformmodelle der erweiterten Kameralistik können sich aus
diesem Grund z.T. erheblich unterscheiden.
Denkbare Elemente, um die die traditionelle Kameralistik in der erweiterten Kameralistik flächendeckend oder Teilbereichen ergänzt werden kann,
sind insb.:
- Kosten- und Leistungsrechnung (KLR)
- Controlling und
Berichtswesen
- Produkthaushalt
- Output-/wirkungsorientierte
Ziele und
Kennzahlen
- Kontraktmanagement,
Zielvereinbarungen,
Leistungsaufträge
- Bilanz/Vermögensrechnung (ggf. als
Teilvermögensrechnung)
- (dezentrale) Budgetierung
- Benchmarking
- Balanced Scorecard oder
KGSt-Zielfelder
Zu den genannten Elementen kommt häufig ferner eine sog.
haushaltstechnische Globalisierung. Bei der haushaltstechnischen Globalisierung bleibt der
Haushaltsplan im Kern kameral, wird aber hinsichtlich seiner
Titelstruktur verkürzt dargestellt.
Eine "Vollversion" der erweiterten Kameralistik würde alle genannten Elemente enthalten. Grundsätzlich kann indes
bereits von der erweiterten Kameralistik gesprochen werden, sofern zumindest eines der genannten Elemente umgesetzt wird. In diesem Falle
würde es sich jedoch um eine rudimentäre Form der erweiterten Kameralistik handeln.
Ein Element, das von besonderer Bedeutung
ist und daher teilweise als eine wichtige Voraussetzung für das Vorliegen einer erweiterten Kameralistik angesehen wird, ist die
Einführung einer Kosten- und Leistungsrechnung (KLR). Der KLR wird eine große Bedeutung zugerechnet, da sie den
Ressourcenverbrauch in Form von
Kosten abzubilden vermag, wodurch das
Geldverbrauchskonzept
der einfachen Kameralistik um das
Ressourcenverbrauchskonzept
ergänzt wird. Dies ermöglicht es, zu beurteilen, ob die erwirtschafteten Ressourcen in der Rechnungsperiode ausgereicht haben,
um die verbrauchten Ressourcen (Kosten) zu decken.
Befürworter der erweiterten Kameralistik (hier: erweiterte Kameralistik in einer umfangreicheren Form, d.h. mit einem
Großteil der oben genannten Elemente; insb. inkl. KLR) führen regelmäßig an, dass dieses System ähnlich gute
Informationen für Entscheidungsträger liefere wie die
Doppik - gleichzeitig jedoch geringere Umstellungskosten verursache.
Dem halten die Befürworter der Doppik zumeist entgegen, dass die Einführung
einer erweiterten Kameralistik letztlich ähnlich hohe Umstellungskosten verursache wie die Doppik, da z.B. aufgrund der KLR auch
in der erweiterten Kameralistik eine vollständige
Vermögenserfassung und
Vermögensbewertung notwendig ist - denn andernfalls können z.B. keine
Abschreibungen in der
Kostenrechnung bestimmt werden. Insofern wird die erweiterte Kameralistik häufig aus Kostengesichtspunkten als "teurer Umweg zu Doppik" beschrieben, da früher oder später ohnehin ein Umstieg auf die leistungsfähigere Doppik erfolgen müsse.
Darüber hinaus wird an der erweiterten Kameralistik häufig kritisiert, dass sie dazu einlade, weiterhin rein
inputorientiert zu
steuern, da Einnahmen und Ausgaben im Haushalt veranschlagt werden und damit als zentrales Steuerungsinstrument
genutzt werden können. In diesem Kontext wird auch eingewendet, dass die erweiterte Kameralistik i.d.R. ein Denken im Geldverbrauchskonzept (anstatt im Ressourcenverbrauchskonzept) bewahre, da der
haushaltsrechtliche
Haushaltsausgleich weiterhin an die Ausgeglichenheit von Einnahmen und Ausgaben gekoppelt ist (und damit nicht an Ressourcenaufkommen und Ressourcenverbrauch).
Aufgrund dieser rein zahlungsorientierten Haushaltsausgleichsregelungen können keine validen Aussagen über die
Generationengerechtigkeit der
Haushaltswirtschaft getroffen werden. Das Leitbild der Generationengerechtigkeit erfordert die dauerhafte Ausgeglichenheit von Ressourcenverbrauch und Ressourcenaufkommen.
Des Weiteren führen Kritiker der erweiterten Kameralistik meist an, dass die Vermögensrechnung häufig nur als Teilvermögensrechnung
etabliert wird und damit nur ein unvollständiges Bild von Vermögen und
Schulden der Kernverwaltung liefert. Ferner erfolgt keine
Konsolidierung von
Kernhaushalt und
Auslagerungen im Sinne eines
Konzern-/Gesamtabschlusses. Die
Beteiligungs-/Konzernsteuerung wird damit - im Vergleich zur Doppik - erschwert; das "Verstecken" von Schulden in Auslagerungen wird nicht unterbunden.
Eine Form der erweiterten Kameralistik wurde z.B. vom Bundesland Berlin umgesetzt. Auch das Bundesfinanzministerium will
das Haushalts- und
Rechnungswesen des Bundes auf die
erweiterte Kameralistik umstellen.
Siehe auch:
- Haushaltsreformen in Deutschland (Bund, Länder, Kommunen)
- Linksammlung zu den Haushaltsplänen des Bundes (inkl. Haushaltsrechnungen)
- Linksammlung zu den Haushaltsplänen der Länder (inkl. Haushaltsrechnungen)
- Linksammlung zu kameralen Haushaltsplänen deutscher Kommunen
- Linksammlung zu kameralen Jahresrechnungen deutscher Kommunen
- Linksammlung zum Haushaltsrecht in Deutschland
- Linksammlung zu kommunalen Dienstanweisungen (u.a. zur KLR)
- Linksammlung zu Richtlinien aus dem Finanzbereich (u.a. auch KLR-Richtlinien)
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