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Entwicklung der Staatsfinanzen von Griechenland
Entwicklung der Staatsfinanzen von Griechenland
8. Januar 2016 |
Autor: Andreas Burth
In den vergangenen Jahren standen die Staatsfinanzen Griechenlands regelmäßig im Fokus des öffentlichen Interesses. Auch auf
HaushaltsSteuerung.de sind die griechischen Finanzen mehrfach untersucht worden. Nach einigen turbulenteren Monaten ist es
jüngst wieder etwas ruhiger um Griechenland geworden. In der Zwischenzeit sind gleichwohl wieder neue Daten zu den griechischen
Staatsfinanzen veröffentlicht worden. Vor diesem Hintergrund soll dieser Beitrag einen kurzen Blick auf die aktuelle Finanzlage
und die prognostizierte weitere Entwicklung werfen.
Die Europäische Kommission publiziert regelmäßig Finanzdaten zu den EU-Mitgliedsstaaten. Neben einer Vergangenheitsbetrachtung
ermöglicht ein im Herbst 2015 veröffentlichtes Datenangebot auch einen Blick in die nähere Zukunft. Im Falle Griechenlands
liegen Daten für die Jahre 2006 bis 2017 vor. Im Hinblick auf die Jahre 2015 bis 2017 ist darauf hinzuweisen,
dass es sich noch um Prognosewerte handelt. Die Prognosen wurden vom Directorate General Economic and Financial Affairs (DG ECFIN) erstellt.
Inwieweit sich die Prognosezahlen bewahrheiten, wird abzuwarten sein. Die Werte bis 2014 entstammen der Statistik.
Die Finanzdaten werden nach der Systematik des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit (VÜD) (engl. Excessive Deficit Procedure
(EDP)) auf Basis von ESA 2010 erhoben. Sie decken folglich den Gesamtstaat (Zentralstaat, Kommunen, Sozialversicherung) ab
und berücksichtigen neben den
Kernhaushalten auch die
Extrahaushalte.
Aus untenstehender Tabelle ist die Entwicklung wichtiger Einnahme- und Ausgabearten ersichtlich. Dabei wird deutlich, dass die
Einnahmen seit Ausbruch der jüngsten Krise im Jahr 2009 deutlich zurückgegangen sind. 2015 sollen sie ihren vorläufigen Tiefpunkt
erreichen. Erst für die Jahre 2016 und 2017 erwartet Griechenland wieder eine leichte Erholung der Staatseinnahmen. Vom
Vorkrisenniveau sind die Staatseinnahmen allerdings noch deutlich entfernt.
Auf der Ausgabenseite sind in Griechenland merkliche Konsolidierungsergebnisse festzustellen. Von einst 128,4 Mrd. Euro im Jahr
2009 sind die Gesamtausgaben auf 88,7 Mrd. Euro im Jahr 2014 gefallen (Verringerung um 30,9 Prozent). Nach einem kurzen Anstieg im Jahr 2015
sollen sie in den Jahren 2016 und 2017 nochmals leicht zurückgehen.
Ausgabenkürzungen sind in verschiedenen Bereich deutlich zu erkennen. So hat z.B. das Volumen der
Bruttoinvestitionen abgenommen. Auch die Sozialleistungen verzeichnen erkennbare Rückgänge. Ebenso sind die
Arbeitnehmerentgelte für Staatsbeschäftigte gesunken. Lediglich die Subventionen haben im Volumen deutlich zugelegt.
Die Auswirkungen der Rettungsmaßnahmen für Griechenland werden v.a. in den Zinsausgaben deutlich. Trotz eines noch immer sehr
hohen Schuldenstandes
sind die Zinsausgaben von 15,1 Mrd. Euro im Jahr 2011 auf 7,0 Mrd. Euro im Jahr 2014 gefallen (Rückgang
um 53,6 Prozent).
Im Saldo der Einnahmen und Ausgaben (sog. Finanzierungssaldo) ist das einstige Defizit von 36,0 Mrd. Euro (2009) auf ein
Defizit von 6,3 Mrd. Euro im Jahr 2014 verringert worden. 2017 soll das Defizit nur noch bei 3,9 Mrd. Euro liegen.
Eine weitere Kenngröße zur Beurteilung der Finanzlage ist der
Primärsaldo. Er bestimmt sich aus dem
Finanzierungssaldo unter
Herausrechnung der Zinsausgaben. Der Primärsaldo entspricht damit dem Finanzierungssaldo für den Fall, dass Griechenland keine
verzinslichen Schulden hätte. Der Primärsaldo ist 2014 erstmals wieder positiv (Primärüberschuss von 0,7 Mrd. Euro). 2015 soll
er sich in ein Primärdefizit von 0,4 Mrd. Euro umkehren, um in den Jahren 2016 und 2017 wieder in den positiven Wertebereich zu
drehen. Für 2017 wird ein Primärüberschuss von 3,2 Mrd. Euro erwartet.
Für Griechenland nutzen die "Institutionen" (früher als "Troika" bezeichnet) eine abweichende Definition des Primärsaldos.
Weitere Informationen hierzu können Sie nachfolgendem Beitrag entnehmen.
» Primärüberschüsse bzw. Primärdefizite der EU-Länder im Vergleich, Blog-Eintrag vom 22. Februar 2015
Autor: Andreas Burth
Im Kontext des Maastricht-Vertrags werden Vorgaben zur maximalen Höhe des Finanzierungssaldo gemacht. Demnach soll das
Finanzierungsdefizit eine Höhe von 3,0 Prozent des nominalen
Bruttoinlandsprodukts (BIP) nicht überschreiten. Die Daten
in obiger Tabelle berichten den Finanzierungssaldo nur in absoluter Höhe. In Abbildung 1 wird die Kenngröße daher in
Prozent des nominalen BIP dargestellt. Dabei wird deutlich, dass Griechenland fast im kompletten Betrachtungszeitraum die
3-Prozent-Defizitgrenze überschreitet. Das höchste Defizit ist für das Jahr 2009 festzustellen (Defizit von 15,2
Prozent des nominalen BIP). Erst 2017 soll die Vorgabe wieder eingehalten werden (Defizit von 2,2 Prozent des nominalen BIP).
Nach Maastricht-Vertrag wird neben dem Defizit auch der Schuldenstand in Prozent des nominalen BIP als eine zentrale
Kenngröße zur Beurteilung der Finanzlage betrachtet. Seit 2006 haben die Staatsschulden deutlich zugenommen. Infolge eines
Schuldenschnitts
ist nur im Jahr 2012 ein (temporärer) Rückgang festzustellen. In den Folgejahren sind die Schulden
im Verhältnis zur Wirtschaftskraft allerdings weiter gestiegen. 2016 soll die Verschuldung mit 199,7 Prozent des nominalen
BIP nahezu die 200-Prozent-Grenze erreichen. Erst 2017 wird für Griechenland ein fallender Schuldenstand pronostiziert. Die Maastricht-Vorgabe
einer Staatsverschuldung von maximal 60 Prozent des nominalen BIP wird in allen Jahren deutlich überschritten.
Weitere Datenangebote und Analysen zu den griechischen Staatsfinanzen finden Sie z.B. auf folgenden Seiten.
» Staatsverschuldung und Staatsdefizit von Griechenland
Hrsg.: HaushaltsSteuerung.de
» Schuldenuhr zu den Staatsschulden von Griechenland
Hrsg.: HaushaltsSteuerung.de
» Kommunalfinanzen in Griechenland, Blog-Eintrag vom 28. März 2015
Autor: Andreas Burth
» Struktur des Staatshaushalts von Griechenland, Blog-Eintrag vom 18. März 2015
Autor: Andreas Burth
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