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Entwicklung des vierteljährlichen Finanzierungssaldos von Bund, Ländern, Kommunen und Sozialversicherung
Entwicklung des vierteljährlichen Finanzierungssaldos von Bund, Ländern, Kommunen und Sozialversicherung
21. März 2015 |
Autor: Andreas Burth
Der
Finanzierungssaldo ist eine der wichtigsten statistischen Kenngrößen zur Beurteilung der finanziellen Situation öffentlicher
Gebietskörperschaften. Er berechnet sich, indem von den
bereinigten Einnahmen die
bereinigten Ausgaben abgezogen werden. Das
Statistische Bundesamt berichtet die Finanzierungssalden quartalsweise, was regelmäßig relativ aktuelle Analysen der Staatsfinanzen
(inkl. Kommunalfinanzen) ermöglicht. Der vorliegende Beitrag zielt darauf ab, anhand des Finanzierungssaldos die vierteljährliche Entwicklung der
Finanzlage in den letzten elf Quartalen aufzuzeigen.
Überblick:
- Methodische Anmerkungen
- Entwicklung des Finanzierungssaldos des Gesamtstaats
- Entwicklung des Finanzierungssaldos des Bundes
- Entwicklung des Finanzierungssaldos der Sozialversicherung
- Entwicklung des Finanzierungssaldos der Länder
- Entwicklung des Finanzierungssaldos der Kommunen der Flächenländer
Methodische Anmerkungen
Verwendet werden in den nachfolgenden Analysen Daten aus der Statistik über die vierteljährlichen Kassenergebnisse des öffentlichen
Gesamthaushalts (Fachserie 14 Reihe 2) (kurz:
Kassenstatistik). Die neueste Kassenstatistik deckt das 1.-3. Quartal 2014 ab. Die
Auswertungen im vorliegenden Beitrag erstrecken sich über den Zeitraum 1. Quartal 2012 bis 3. Quartal 2014. Hierbei wird auch bei den
Daten des Jahres 2012 auf kassenstatistische Daten zurückgegriffen, da für das Jahr 2012 zwar bereits Rechnungsergebnisse vorliegen,
diese aber nur die Kernhaushalte abdecken. Im Folgenden sollen jedoch neben den
Kernhaushalten auch die
Extrahaushalte einbezogen werden (sog.
öffentlicher Gesamthaushalt). Nachteil einer ausschließlichen Verwendung der Kassenstatistik ist, dass die Kassendaten teilweise
noch vorläufigen Charakter haben und demzufolge weniger valide sind als Rechnungsdaten. Allerdings ist davon auszugehen, dass sich diese
Unschärfen über die summierte Betrachtung mehrerer Gebietskörperschaften größtenteils nivellieren, sodass die Kassenstatistik gerade auf
aggregierter Ebene wertvolle Informationen liefert.
Der vorliegende Beitrag untersucht den Finanzierungssaldo. Zu beachten ist, dass es sich dabei um eine kamerale, zahlungsorientierte
Kennzahl handelt. Auf Basis des Finanzierungssaldos sind aufgrund der fehlenden
Ressourcenverbrauchsorientierung keine Aussagen zur
Generationengerechtigkeit der Finanzpolitik möglich. Dies ermöglicht erst der
doppische Saldo aus (ordentlichen) Erträgen und Aufwendungen
(inkl. Finanzerträgen und -aufwendungen). Selbiger wird statistisch jedoch noch nicht berichtet, da der Bund, die meisten Länder und einige
Kommunen (und damit ein Großteil der öffentlichen Budgetvolumina) immer noch
kameral rechnet und daher auch die Finanzstatistik weiterhin
nach kameraler Logik aufgebaut ist.
Im Hinblick auf die staatlichen Teilsektoren werden der Bund, die EU-Anteile, die Länder, die Kommunen und die Sozialversicherung
abgedeckt. Die EU-Anteile werden hierbei nur im Abschnitt "Gesamtstaat" einbezogen. Auf einen eigenen Abschnitt zum vierteljährlichen
Finanzierungssaldo der EU-Anteile ist verzichtet worden, da die auf die EU entfallenden bereinigten Einnahmen und Ausgaben in allen
Quartalen exakt dieselbe Höhe annehmen, d.h. der Finanzierungssaldo ist in jedem Quartal exakt null.
Bei der Umrechnung absoluter Werte in die Größe "Euro je Einwohner" sind stets die Einwohnerzahlen zum 31.12.2013 zugrunde gelegt
worden (jeweils auf Basis des Zensus 2011).
Methodisch ist des Weiteren darauf hinzuweisen, dass die vierteljährliche Kassenstatistik die Quartalsdaten des 2., 3. und 4.
Quartals nicht separat ausweist, sondern immer nur das 1.-2. Quartal, das 1.-3. Quartal und das 1.-4. Quartal als jeweils einen Wert
berechnet. Die Quartalsdaten des 2., 3. und 4. Quartals werden daher unter Abzug der Daten der jeweils vorangegangenen Statistik bestimmt.
So wird z.B. der Wert für das 4. Quartal berechnet, indem von dem Wert für das 1.-4. Quartal der Wert für das 1.-3. Quartal abgezogen wird.
Vorteil dieser Methode ist es, dass hierüber Quartalsdaten zum Finanzierungssaldo bestimmt werden können. Nachteilig ist, dass dadurch
etwaige nachträgliche Revisionen der vorangegangenen Quartale gesammelt im jeweils letzten Quartal ihren Niederschlag finden. Dies ist
bei der Interpretation der Quartalsdaten zu beachten.
Das Statistische Bundesamt veröffentlicht mit jeder neuen Quartalsstatistik auch (z.T. bereits revidierte) Vergleichswerte zum
entsprechenden Vorjahreszeitraum. Bei den Berechnungen sind stets die am spätesten veröffentlichten Werte zum jeweiligen Zeitraum
verwendet worden. So wurden beispielsweise der Kassenstatistik zum 1.-3. Quartal 2014 auch die Werte für den Zeitraum 1.-3.
Quartal 2013 entnommen. Aus der Kassenstatistik zum 1.-3. Quartal 2013 wurden wiederum nur die Werte für den Zeitraum 1.-3. Quartal 2012 verwendet usw.
Wichtig ist der Hinweis, dass der Berichtskreis der vierteljährlichen Kassenergebnisse des öffentlichen Gesamthaushalts ab dem 1. Vierteljahr 2014
um Zweckverbände und rechtlich selbstständige Organisationen ohne Erwerbszweck für Wissenschaft, Forschung und Entwicklung (F&E-Einheiten),
die nach den Kriterien des Europäischen Systems Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen (ESVG) 2010 dem Sektor Staat zuzurechnen sind, erweitert
wurde. Die herangezogenen Eckwertetabellen für die jeweiligen Vorquartale wurden in den Statistiken ab dem 1. Vierteljahr 2014 vom Statistischen Bundesamt - soweit möglich - an den erweiterten Berichtskreis sowie
methodisch an den aktuellen Stand angepasst. Die beschriebene methodische Überarbeitung führt allerdings zu Einschränkungen in der zeitlichen Vergleichbarkeit. Bitte
beachten Sie diese Limitation bei der Interpretation der Daten.
Entwicklung des Finanzierungssaldos des Gesamtstaats
Tabelle 1 enthält Daten zum Finanzierungssaldo des Gesamtstaats. Der Gesamtstaat ist hier die Summe aus Bund, EU-Anteilen, Ländern,
Kommunen und Sozialversicherung (jeweils unter Berücksichtigung der Kern- und Extrahaushalte).
Auffällig ist im Vergleich der einzelnen Quartale, dass das erste Quartal eines Jahres typischerweise das Quartal mit den geringsten
bereinigten Einnahmen ist. Demgegenüber verzeichnet der Gesamtstaat i.d.R. die höchsten Einnahmen des Jahres im 4. Quartal. Bei den
bereinigten Ausgaben werden die niedrigsten Ausgaben zumeist im 2. Quartal geleistet. Auffällig ist darüber hinaus, dass im
2. und 4. Quartal Finanzierungsüberschüsse und im 1. und 3. Quartal Finanzierungsdefizite berichtet werden. Dieser unterjährige Zyklus
ist ausnahmslos im kompletten Analysezeitraum zu beobachten.
Entwicklung des Finanzierungssaldos des Bundes
Wie der Gesamtstaat hat auch der Teilsektor "Bund" im ersten Quartal i.d.R. geringe Einnahmen und hohe Ausgaben. In der
Folge ergeben sich in diesem Quartal auch merkliche Defizite. Generell zeigt sich im Hinblick auf den Finanzierungssaldo des Bundes der
analoge Rhythmus wie beim Gesamtstaat (d.h. Überschüsse im 2. und 4. sowie Defizite im 1. und 3. Quartal). Zugleich ist zu beobachten,
dass der Bund maßgeblich die gesamtstaatlichen Defizite verursacht. Die übrigen Teilsektoren (Länder, Kommunen, Sozialversicherung)
erwirtschaften im Durchschnitt Überschüsse oder nur geringe Defizite (siehe nachfolgende Abschnitte).
Entwicklung des Finanzierungssaldos der Sozialversicherung
Die gesetzliche Sozialversicherung verzeichnet im Durchschnitt Finanzierungsüberschüsse in Höhe von 19 Euro je Einwohner. Die höchsten
Quartalsüberschüsse erwirtschaftet die Sozialversicherung im 4. Quartal. Der niedrigste Finanzierungssaldo des jeweiligen Jahres ist
stets im ersten Quartal zu beobachten.
Interessant zu festzustellen ist bei der gesetzlichen Sozialversicherung des Weiteren, dass sie einen relativ stetigen, leicht wachsenden
Verlauf der bereinigten Ausgaben aufweist. Die bereinigten Einnahmen sind demgegenüber merklich schwankungsanfälliger.
Entwicklung des Finanzierungssaldos der Länder
Die Summe der 16 Länder hat im Durchschnitt der elf Quartale nur leichte Defizite von etwa 6 Euro je Einwohner. Das schlechteste
Quartal ist jeweils das 1. Quartal, während das 2. und 3. Quartal die vergleichsweise besten sind. Die Einnahmen sind i.d.R. im 4.
Quartal am höchsten. Gleiches gilt für die Ausgaben.
Relevant für die Beurteilung der Finanzlage der Landesebene ist ein Ländervergleich. Beim Ländervergleich in Tabelle 5 ist allerdings
zu beachten, dass Stadtstaaten und Flächenländer aufgrund des unterschiedlichen Aufgabenportfolios nicht miteinander vergleichbar sind.
So nehmen Stadtstaaten neben den Landesaufgaben auch das kommunale Aufgabenportfolio wahr. Dies zeigt sich auch in folgender Tabelle,
in der auffällig ist, dass das Einnahme- und Ausgabeniveau der Stadtstaaten etwa doppelt so hoch liegt wie bei den Flächenländern.
Stadtstaaten und Flächenländer sind nur in der gleichen Abbildung ausgewiesen worden, um nicht mit zu vielen Grafiken arbeiten zu müssen.
Beim Vergleich der Flächenländer (nur 1.-3. Quartal 2014) fällt auf, dass die wirtschaftsstärkeren westdeutschen Länder geringere
Einnahmen verzeichnen als die wirtschaftsschwächeren ostdeutschen Länder. Dies verdeutlich die starken Umverteilungswirkungen der Mechanismen des
Bund-Länder-Finanzausgleichs. Ausgabeseitig sind die Unterschiede geringer. Bemerkenswert ist ferner, dass ausschließlich westdeutsche
Länder defizitär sind. Alle ostdeutschen Länder verzeichnen im Finanzierungssaldo Überschüsse. Die einzigen westdeutschen Länder mit
Überschüssen sind Bayern und Niedersachsen.
Bei den Stadtstaaten weist nur Bremen ein (deutliches) Defizit aus. Hamburg und auch Berlin berichten für das 1.-3. Quartal 2014
signifikante Überschüsse. Gerade Berlin überrascht hier positiv, zumal das Land tendenziell eher im Ruf steht, große Finanzprobleme
zu haben. Das hohe Defizit Bremens ist weniger überraschend, da auch dieser Stadtstaat seit längerem finanzielle Schwierigkeiten hat.
Die Finanzlage Bremens wirft hierbei auch die Frage auf, ob ein Zwei-Städte-Staat mit rund 660.000 Einwohnern tatsächlich ein eigenes
Bundesland sein muss.
Entwicklung des Finanzierungssaldos der Kommunen der Flächenländer
Sehr spannend ist die unterjährige Entwicklung des kommunalen Finanzierungssaldos. So erwirtschaften die Kommunen Defizite fast
ausschließlich im ersten Quartal, während die übrigen drei Quartale entweder durch Überschüsse oder nur durch leichte Defizite
geprägt sind. Dies macht deutlich, dass eine ausschließliche Betrachtung des 1. Quartals, des 1.-2. Quartals oder des 1.-3.
Quartals tendenziell ein zu schlechtes Bild der kommunalen Finanzlage zeichnet. Dies gilt auch für den untenstehenden Durchschnittswert
der elf Quartale, da das voraussichtlich vergleichsweise bessere 4. Quartal 2014 noch fehlt. Es ist insofern (mit einer gewissen
Wahrscheinlichkeit) zu erwarten, dass sich der bereits nur leicht defizitäre 11-Quartals-Durchschnittswert bei einer
Durchschnittsbetrachtung von zwölf Quartalen in ein leichtes Plus umkehrt.
Die Quartalsbetrachtung macht in besonderer Weise deutlich, dass vom Finanzierungssaldo des ersten Quartals nur sehr schwer Rückschlüsse
auf den Finanzierungssaldo des Gesamtjahrs gezogen werden können. Insbesondere sollte der Wert des 1. Quartals nicht zwecks Hochrechnung
auf das Gesamtjahr mit vier multipliziert werden. Vielmehr ist tatsächlich das komplette Jahr abzuwarten, um sinnvolle Daten zur
Kommunalfinanzlage zu erhalten.
Die hohen Defizite im ersten Quartal lassen auch Rückschlüsse auf die vermutliche Entwicklung des kommunalen Gesamtschuldenstandes zu.
So dürften die kommunalen Schuldenstände zum 31.3. deutlich höher sein als die Schuldenstände am 31.12. des Vorjahres.
Eine weitere interessante Beobachtung betrifft die unterjährige Entwicklung der Einnahmen und Ausgaben. So sind sowohl die Einnahmen
als auch die Ausgaben tendenziell umso höher, je später im Jahr das Quartal ist. Die unterjährige Zunahme der Einnahmen fällt hierbei
jedoch stärker aus als die unterjährige Zunahme der Ausgaben.
Wie oben dargestellt erreicht die Gesamtheit der Kommunen im Betrachtungszeitraum etwa einen ausgeglichenen Haushalt. Im Ländervergleich
ist dieses Bild jedoch sehr heterogen. In den ersten drei Quartalen des Jahres 2014 erwirtschaften nur die Kommunen in Bayern,
Baden-Württemberg und Thüringen Finanzierungsüberschüsse. Die übrigen Flächenländer haben negative kommunale Finanzierungssalden.
Das mit Abstand höchste Pro-Kopf-Finanzierungsdefizit hat das Saarland. Hier sind massive Konsolidierungsmaßnahmen erforderlich.
Insbesondere die im Ländervergleich sehr niedrigen Pro-Kopf-Einnahmen im Saarland sind auffällig. Vor dem Hintergrund des Grundsatzes
der kommunalen Selbstverwaltung sind insbesondere die politischen Mandatsträger vor Ort gefordert, Einnahmen zu steigern (z.B. über
höhere Realsteuerhebesätze) bzw. Ausgaben zu senken. Finanzielle Unterstützung des Landes scheint in Anbetracht der ebenfalls hohen
Landesdefizite unwahrscheinlich. Die Kommunen werden sich vermutlich - trotz der in Aussicht stehenden massiven Bundeshilfen - v.a.
selbst helfen müssen.
Zu beachten ist bei der Interpretation der Daten des Ländervergleichs, dass das 4. Quartal 2014 noch nicht statistisch verfügbar ist.
Zugleich ist der Finanzierungssaldo des 4. Quartals in den beiden vorangegangenen Jahren deutlich positiv gewesen. Insofern werden sich
die unten aufgeführten Finanzierungssalden auf Jahressicht tendenziell noch verbessern.
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