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EPSAS: EU erwägt europaweite Harmonisierung öffentlicher Rechnungslegungsstandards
EPSAS: EU erwägt europaweite Harmonisierung öffentlicher Rechnungslegungsstandards
15. März 2013 |
Autor: Andreas Burth
Ausgangssituation
Ein wesentliches Problem des deutschen
Haushaltsrechts besteht darin, dass die Rechtsnormen einen hohen Grad an
Heterogenität aufweisen: Erstens existieren aktuell drei verschiedene Rechnungssysteme
(Kameralistik,
erweiterte Kameralistik,
Doppik) parallel zueinander. Zweitens sind die Rechtsvorschriften innerhalb desselben Rechnungssystems
uneinheitlich (z.B. unterschiedliche Gliederungs-, Bewertungs- und Haushaltsausgleichsvorschriften in der Doppik).
Drittens werden ungleiche Begrifflichkeiten für denselben Sachverhalt verwendet (z.B. Kassenkredite vs. Liquiditätskredite).
Folge dieser Heterogenität sind z.B. Vergleichbarkeitsprobleme und ein vermindertes Maß an Transparenz.
» Projekt "Rechtsvergleich Doppik"
Hrsg.: KGSt, Bertelsmann Stiftung
» Linksammlung zum deutschen Haushaltsrecht
Hrsg.: HaushaltsSteuerung.de
Die Heterogenität des Haushaltsrechts vergrößert sich, sofern der Blick über den deutschen Tellerrand hinaus auf die EU
ausgeweitet wird. So weist beispielsweise das deutsche Haushaltsrecht zusätzliche Unterschiede zum österreichischen Haushaltsrecht
auf. Selbiges gilt für andere EU-Mitglieder. Ein denkbarer Ansatz zur Lösung dieses Heterogenitätsproblems bestünde hierbei
darin, nicht nur eine nationale, sondern vielmehr eine internationale bzw. EU-weite
Harmonisierung haushaltsrechtlicher Vorschriften anzustreben.
Die Idee der "EPSAS"
In diesem Sinne hat die Europäische Kommission bzw. das Statistische Amt der Europäischen Union (Eurostat) im vergangenen Jahr
eine öffentliche Konsultation ("public consultation") zur Eignung der sog.
"International Public Sector Accounting Standards" (IPSAS) für die Anwendung in EU-Mitgliedstaaten initiiert. Bei den IPSAS
handelt es sich um internationale
Rechnungslegungsstandards für den öffentlichen Sektor.
Die Ergebnisse dieser öffentlichen Konsultation liegen inzwischen vor. Sie zeigen, dass rund 38% der Teilnehmer die Eignung
bejahen, 31% sie teilweise bejahen und 28% sie verneinen (3% sind sich unsicher). Die überwiegende Mehrheit geht demzufolge
davon aus, dass die IPSAS (ganz oder zumindest in Teilen) ein geeignetes Rechnungssystem für EU-Mitgliedsstaaten darstellen.
Gleichzeitig werden die IPSAS in ihrer aktuellen Form jedoch auch kritisch gesehen. So wird in mehreren Bereichen ein
Fortentwicklungsbedarf bei den IPSAS identifiziert.
» Public Consultation: Summary of Responses [Englisch]
Hrsg.: Europäische Kommission, Eurostat
» Links zu den einzelnen Antworten auf die öffentliche Konsultation [jeweils in Englisch]
Hrsg.: Europäische Kommission, Eurostat
» IPSAS: Links zu den offiziellen, englischen Volltext-Versionen der einzelnen Standards
Hrsg.: HaushaltsSteuerung.de (Hrsg. der verlinkten Standards: IFAC/IPSASB)
Aufbauend auf diesen Ergebnissen hat die Europäische Kommission einen Report (zzgl. eines nur in englischer Sprache
verfügbaren "working document") zur Eignung der IPSAS für den öffentlichen Sektor formuliert. Hierin wird erwägt, die sog.
"European Public Sector Accounting Standards" (EPSAS) einzuführen. Bei diesen EPSAS würde es sich konkret um EU-weit
einheitliche Rechnungslegungsstandards für den öffentlichen Sektor handeln, die an den IPSAS angelehnt wären und doppischen
Charakter hätten. Die IPSAS würden hierbei jedoch voraussichtlich nicht eins-zu-eins übernommen werden. Vielmehr
werden - wo nötig - Anpassungen vorgenommen und zusätzliche Standards entwickelt werden müssen, um Abhilfe hinsichtlich
der im Rahmen der öffentlichen Konsultation identifizierten, verschiedenen Defizite der IPSAS zu schaffen.
» Report: Die Eignung der IPSAS für die Mitgliedstaaten
Hrsg.: Europäische Kommission
» Working Document: The Suitability of IPSAS for the Member States [Englisch]
Hrsg.: Europäische Kommission
Ob und in welcher konkreten Form die EPSAS eingeführt werden, ist indes noch nicht entschieden. Die Idee steckt insofern
noch in ihren Anfängen.
Chancen und Kosten für deutsche Gebietskörperschaften
Nichtsdestotrotz erscheint die Idee der "EPSAS" auch für Deutschland interessant zu sein. So steht es wohl außer Frage,
dass das deutsche Haushaltsrecht und hierbei insbesondere das neue doppische Haushaltsrecht einer Harmonisierung (zumindest in Kernbereichen) bedarf.
Die damit verbundenen Harmonisierungsanstrengungen sind folglich ohnehin unausweichlich. In Anbetracht dessen erscheint
es angebracht, auch darüber nachzudenken, ob im Rahmen dieser Haushaltsrechtsharmonisierung nicht zugleich eine internationale
Harmonisierung im Bereich der Rechnungslegungsvorschriften einhergehen sollte. Insbesondere vor dem Hintergrund der europäischen
Staatsschuldenkrise erscheinen die EPSAS hierfür ein geeigneter Rahmen zu sein. So geht von einheitlichen
Rechnungslegungsvorschriften die Chance aus, erstmals eine Vergleichbarkeit von Finanzdaten über Staatsgrenzen hinweg zu schaffen,
was wiederum grenzübergreifende
Benchmarking-Möglichkeiten (einschließlich der damit verbundenen
Effizienz- und
Effektivitätssteigerungspotenziale) eröffnen und die Transparenz öffentlicher Finanzinformationen europaweit verbessern könnte.
So wäre z.B. auch die Finanzlage in Krisenstaaten besser beurteilbar.
Den beispielhaft genannten Chancen stehen gleichwohl die Kosten einer solchen Anpassung gegenüber. Hinsichtlich der Kosten
für eine Anpassung der Rechnungslegungsvorschriften an die EPSAS ist zu unterscheiden zwischen Gebietskörperschaften, die
bereits ein doppisches Rechnungssystem etabliert haben und Gebietskörperschaften, die noch die Kameralistik nutzen.
Für die kameral buchenden Gebietskörperschaften ist davon auszugehen, dass die Kosten für einen Umstieg auf die EPSAS in etwa
so hoch sein würden, wie sie wären, wenn stattdessen "nur" auf die deutsche Doppik umgestellt wird. Schließlich handelt es sich
in beiden Fällen gleichermaßen um
ressourcenverbrauchsorientierte Systeme, die im Kern ähnliche Anforderungen an das Finanzwesen
stellen. Folglich ergäben sich aus Sicht kameral rechnender Gebietskörperschaften vermutlich nur geringe Unterschiede zwischen
einem Umstieg auf die deutsche Doppik vs. einem Umstieg auf die EPSAS.
Anders verhält es sich bei denjenigen Gebietskörperschaften, die bereits heute die Doppik nutzen. Diese Gebietskörperschaften
hätten einen zusätzlichen Harmonisierungsaufwand zu tragen, da sie ihr bisheriges Finanzwesen an verschiedenen Stellen an die EPSAS
anpassen müssten. Gleichwohl kann in doppisch rechnenden Gebietskörperschaften auf vielen bereits abgeschlossenen Vorarbeiten (z.B.
Vermögenserfassung) aufgebaut werden. Ferner besteht, wie oben festgestellt, ohnehin ein dringender Harmonisierungsbedarf im deutschen
Haushaltsrecht. Ein Harmonisierungsaufwand wird für doppisch rechnende Gebietskörperschaften demzufolge sowieso anfallen. Zwar wäre der
Aufwand im Kontext der EPSAS wohl höher einzustufen als im Falle einer rein nationalen Haushaltsrechtsharmonisierung - gleichwohl
erwachsen aus den EPSAS auch zusätzliche Vorteile (siehe oben).
Fazit & Ausblick
Zusammenfassend lässt sich somit feststellen, dass die Idee einer EU-weiten Harmonisierung der Rechnungslegungsstandards
auf Basis der sog. European Public Sector Accounting Standards (EPSAS) ein mittel- bis langfristig auch für Deutschland
sehr interessantes Projekt ist.
Zu diskutieren wäre gleichwohl, wie genau die EPSAS ausgestaltet sein sollten. So ist beispielsweise zu hinterfragen, in
welchem Umfang und in welcher konkreten Form die IPSAS als Grundlage für die EPSAS fungieren können sowie welche zusätzlichen
Vorschriften (z.B. auch angelehnt an deutsche Rechtsregelungen) komplementär entwickelt werden müssen, um die bestehenden
Defizite der IPSAS zu beheben.
Weitere Informationen zu den Themen EPSAS und IPSAS finden Sie auch auf der Webseite
EPSAS.eu.
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