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HaushaltsSteuerung.de » Weblog » Historische Entwicklung der kommunalen Kassenkredite seit 1960

Historische Entwicklung der kommunalen Kassenkredite seit 1960
20. November 2016  |  Autor: Andreas Burth



Einige Kommunen in Deutschland haben in der Vergangenheit enorme Kassenkredite angehäuft. Das Problem der Kassenkreditschulden ist auf kommunaler Ebene daher ein relativ häufig diskutiertes Thema. Kassenkredite sind eine Verschuldungsform, die eigentlich der kurzfristigen Liquiditätssicherung dient (ähnlich einem Kontokorrentkredit oder Dispokredit im privaten Bereich). Tatsächlich werden die Kassenkredite jedoch von einigen Kommunen zur Finanzierung laufender Defizite zweckentfremdet. Dies ist u.a. deshalb problematisch, weil den Kassenkrediten - im Gegensatz zu den Investitionskrediten - keine materiell geschaffenen Vermögenswerte (z.B. Schulgebäude, Brücke) gegenüber stehen. Die in Form von konsumtiven Kassenkrediten angesammelten Lasten werden demnach nachrückenden Generationen aufgebürdet, ohne dass diesen Generationen aus der Verschuldung (z.B. in Form investiv geschaffener Vermögenswerte) ein Vorteil erwächst. Hohe dauerhafte Kassenkreditbestände (z.B. von 500 Euro je Einwohner oder mehr) sind ein Indikator für ein Wirtschaften über die eigenen Verhältnisse.

Die Kassenkredite haben v.a. Anfang des Jahrtausends enorm zugenommen. Eine erkennbare Trendwende konnte trotz guter konjunktureller Rahmenbedingungen, sehr niedriger Zinsen und mehrerer Landesprogramme für konsolidierungsbedürftige Kommunen noch immer nicht eingeleitet werden. Die Anstrengungen der Kommunen - aber auch der Länder (z.B. über die Kommunalaufsicht) - sind daher weiter zu intensivieren.

Aufschlussreich ist vor dem Hintergrund der Kassenkreditproblematik aber auch ein Blick in die Vergangenheit. So wäre es interessant zu fragen, wann und in welchen Ländern das Problem ausufernder Kassenkreditschulden seinen Anfang nahm. Um dieser Frage nachzugehen, wird für die kommunalen Kern- und Extrahaushalte differenziert nach Flächenländern untersucht, wie sich die Kassenkredite seit dem Jahr 1960 entwickelt haben.

Überblick:
- Pro-Kopf-Kassenkredite 2015 im Ländervergleich
- Entwicklung der Pro-Kopf-Kassenkredite seit 1960
- Entwicklung der absoluten Höhe der Kassenkredite seit 1960
- Weitere Informationen



Pro-Kopf-Kassenkredite 2015 im Ländervergleich

Im Ländervergleich zum 31.12.2015 wird deutlich, dass die Länder Saarland, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Hessen auf kommunaler Ebene die größten Kassenkreditprobleme haben. Die Pro-Kopf-Kassenkredite dieser Länder sind als sehr hoch (Hessen) bis extrem hoch (Saarland) einzustufen. Zu beachten ist, dass die Kassenkredite innerhalb dieser Länder keineswegs homogen verteilt sind. Die Summenwerte zeigen jedoch, dass eine beträchtliche Zahl der Kommunen dieser Länder in den vergangenen Jahren in starkem Ausmaß über ihre Verhältnisse gewirtschaftet hat.

Ländervergleich über die Pro-Kopf-Kassenkredite in den Kern- und Extrahaushalten der Kommunen der Flächenländer zum 31.12.2015 (in Euro je Einwohner)

Als Begründung für die Kassenkredite wird von Krisenkommunen regelmäßig auch darauf verwiesen, dass die Rahmenbedingungen so schwierig seien, dass es gar nicht möglich sei, den Haushalt ohne Kassenkredite zu führen. Dass schwierige Rahmenbedingungen jedoch keine glaubwürdige Ausrede für hohe Kassenkreditbestände sind, verdeutlichen mehrere frühere Blog-Einträge auf HaushaltsSteuerung.de. Darin konnte gezeigt werden, dass es selbst in Krisenländern wie Hessen oder Nordrhein-Westfalen mehrere Beispiele für Kommunen gibt, die trotz besonders problematischer Rahmenbedingungen (z.B. geringe Steuereinnahmen, zergliederte Siedlungsstruktur, schwierige Soziallage, starke Bevölkerungsrückgänge) kassenkreditfrei sind. Hieran wird deutlich: Wer will, der kann. Bekräftigt wird diese Erkenntnis auch durch die Kassenkreditsituation der Kommunen in Sachsen. In Sachsen sind - unabhängig von den Rahmenbedingungen - fast alle Gemeinden kassenkreditfrei. Insgesamt betrachtet dürften die Rahmenbedingungen in Sachsen auch kaum besser sein als z.B. in Hessen oder Nordrhein-Westfalen. Sachsen hat gemessen am Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt eine deutlich geringere Wirtschaftskraft als Hessen und Nordrhein-Westfalen.

» Stark zersiedelte Gemeinden in Hessen ohne Kassenkredite, Blog-Eintrag vom
    20. Oktober 2015

    Autor: Andreas Burth

» Gemeinden in Nordrhein-Westfalen ohne Kassenkredite trotz eines starken
    Bevölkerungsrückgangs, Blog-Eintrag vom 11. September 2015

    Autor: Andreas Burth

» Kreisangehörige NRW-Gemeinden ohne Kassenkredite trotz schwieriger
    Rahmenbedingungen im Sozialbereich, Blog-Eintrag vom 8. September 2015

    Autor: Andreas Burth

» Kassenkreditfreie Gemeinden in Nordrhein-Westfalen mit geringer
    Steuereinnahmekraft, Blog-Eintrag vom 6. September 2015

    Autor: Andreas Burth

» Steuerschwache Gemeinden in Hessen ohne Kassenkreditschulden, Blog-Eintrag vom
    4. September 2015

    Autor: Andreas Burth

» Kassenkreditschulden der Städte und Gemeinden in Sachsen, Blog-Eintrag vom
    16. September 2015

    Autor: Andreas Burth



Entwicklung der Pro-Kopf-Kassenkredite seit 1960

Wie aus Tabelle 1 hervor geht, waren die kommunalen Kassenkredite lange Zeit kein echtes Problem in Deutschlands Kommunen. Bis einschließlich 1981 hatte kein Land Pro-Kopf-Kassenkredite von über 100 Euro je Einwohner. Das erste Land, das diese Schwelle überschritt, war bezeichnenderweise das heutige Krisenland Nr. 1: das Saarland. Allerdings gelang es den Kommunen im Saarland in den Folgejahren das Wachstum der Kassenkredite zu stoppen. Bis 1993 konnten die saarländischen Kommunen ihre Pro-Kopf-Kassenkredite auf 67 Euro je Einwohner zurückführen. In den Folgejahren drehte sich das Bild im Saarland jedoch wieder. Die Kassenkredite stiegen im Saarland von da ab in jedem Vorjahresvergleich an. Zugleich hatte ununterbrochen seit 1992 kein anderes Flächenland höhere Pro-Kopf-Kassenkredite als das Saarland. Die Schwelle von 100 Euro je Einwohner wurde 1995 erneut durchbrochen. Bereits 2000 wurde die Marke von 500 Euro je Einwohner überschritten. Nur wenige Jahre später, im Jahr 2006, fiel auch die Grenze von 1.000 Euro. Seit 2014 liegt das Niveau sogar über 2.000 Euro je Einwohner. Dem schlechten Beispiel des Saarlandes sind die Kommunen mehrerer Länder gefolgt. Zu nennen sind v.a. Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Hessen. Niedersachsen hatte zeitweise ähnlich hohe Kassenkreditschulden wie die zuvor genannten Länder. Den Kommunen in Niedersachsen gelang es jedoch, das Kassenkreditniveau wieder deutlich unter 500 Euro je Einwohner herabzusenken.

Die zuvor genannten schlechten Beispiele dürfen jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass andere Länder es deutlich besser gemacht haben. Zu nennen sind v.a. Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen und Thüringen. Die vier Länder haben zu keinem der betrachteten Stichtage das Niveau von 100 Euro je Einwohner überschritten. Während Baden-Württemberg und Bayern wirtschaftsstark sind, zählen Sachsen und Thüringen zu den wirtschaftsschwächeren Flächenländern in Deutschland. Insbesondere sind Sachsen und Thüringen deutlich wirtschaftsschwächer als die vier Krisenländer Hessen, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und das Saarland. Hessen bildet mit Baden-Württemberg und Bayern die Gruppe der drei wirtschaftsstärksten Flächenländer Deutschlands. Auch Nordrhein-Westfalen und das Saarland sind keineswegs wirtschaftsschwach. Nordrhein-Westfalen hat von allen Flächenländern das vierthöchste und das Saarland das fünfthöchste Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt. Die gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind insofern in den Krisenländern Hessen, Nordrhein-Westfalen und Saarland keineswegs flächendeckend schlecht.

» Bruttoinlandsprodukt der Jahre 2014 und 2015 in Deutschland im Ländervergleich,
    Blog-Eintrag vom 7. April 2016

    Autor: Andreas Burth

Insgesamt ist auf Basis von Tabelle 1 festzuhalten, dass das Problem der kommunalen Kassenkredite v.a. im Saarland seinen Anfang nahm. Die Kommunen anderer Flächenländer (z.B. Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz) taten es den saarländischen Kommunen jedoch nach und begannen ebenfalls damit, über ihre Verhältnisse zu leben. Von diesen fünf Flächenländern, die bereits im Jahr 2006 Pro-Kopf-Kassenkredite von mindestens 500 Euro je Einwohner hatten, konnte in den Folgejahren lediglich Niedersachsen eine Trendwende einleiten. Für die übrigen vier Krisenländer ist dies noch nicht festzustellen: Dies gilt umso mehr, wenn man die Sondereffekte von landesseitigen Hilfsprogrammen (z.B. Kommunaler Schutzschirm in Hessen oder Stärkungspakt Stadtfinanzen in Nordrhein-Westfalen) heraus rechnet.

Entwicklung der Pro-Kopf-Kassenkredite in den Kern- und Extrahaushalten der Kommunen der Flächenländer zum 31.12. der Jahre 1960 bis 2015 (in Euro je Einwohner)



Entwicklung der absoluten Höhe der Kassenkredite seit 1960

Zur Beurteilung der Frage, ob die kommunalen Kassenkreditschulden in einem Flächenland hoch oder niedrig sind, sind Pro-Kopf-Werte (siehe Tabelle 1) besser geeignet als absolute Werte. Auch für Ländervergleiche sind Pro-Kopf-Daten praktikabler. Allerdings stellen grundsätzlich auch Zahlen zur absoluten Höhe der Kassenkreditschulden eine interessante ergänzende Information dar. Aus diesem Grund werden selbige nachrichtlich in Tabelle 2 berichtet.

Entwicklung der Kassenkredite in den Kern- und Extrahaushalten der Kommunen der Flächenländer zum 31.12. der Jahre 1960 bis 2015 (in Mio. Euro)



Weitere Informationen

Ergänzende Informationen zur Kommunalverschuldung und zu den kommunalen Kassenkrediten können Sie auf HaushaltsSteuerung.de z.B. über nachstehende Links abgerufen werden.

» Verschuldung der Kommunen der Flächenländer in Deutschland
    Hrsg.: HaushaltsSteuerung.de

» Kommunale Kassenkredite, Blog-Eintrag vom 12. April 2016
    Autor: Andreas Burth





©  Andreas Burth, Marc Gnädinger