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Pro-Kopf-Primärsaldo und Pro-Kopf-Zinsausgaben 2014 von Bund, Ländern und Kommunen in Deutschland
Pro-Kopf-Primärsaldo und Pro-Kopf-Zinsausgaben 2014 von Bund, Ländern und Kommunen in Deutschland
7. Juli 2015 |
Autor: Andreas Burth
Der Begriff
Primärsaldo (bzw. Primärüberschuss/-defizit) ist in den letzten Monaten in der Medienberichterstattung
häufiger gefallen. Zumeist ging es dabei um die Beurteilung der Lage der griechischen Staatsfinanzen. Im Hinblick
auf Deutschland hat sich im EU-Vergleich (siehe Links unten) gezeigt, dass hierzulange in den letzten Jahren z.T.
deutliche Primärüberschüsse erwirtschaftet wurden. Aus den analysierten EU-Werten zum Gesamtstaat ist allerdings
nicht ersichtlich, auf welche Einheiten in Deutschland diese Primärüberschüsse hauptsächlich entfallen. Der
vorliegende Beitrag untersucht daher die Pro-Kopf-Primärsalden von Bund, Ländern und Kommunen für das Jahr 2014
und stellt die Werte auch der Höhe der Pro-Kopf-Zinsausgaben gegenüber.
» Primärsalden 2014 der 28 EU-Länder im Vergleich, Blog-Eintrag vom 5. Juli 2015
Autor: Andreas Burth
» Primärüberschüsse bzw. Primärdefizite der EU-Länder im Vergleich, Blog-Eintrag vom 22. Februar 2015
Autor: Andreas Burth
Überblick:
- Methodische Anmerkungen
- Pro-Kopf-Primärsaldo und Pro-Kopf-Zinsausgaben nach Ebenen
- Pro-Kopf-Primärsaldo und Pro-Kopf-Zinsausgaben der 16 Länder
- Pro-Kopf-Primärsaldo und Pro-Kopf-Zinsausgaben der Kommunen der 13 Flächenländer
- Weitere Informationen
Methodische Anmerkungen
Datengrundlage der Analyse ist die
Kassenstatistik 2014 des Statistischen Bundesamtes. Die Kassenstatistik
berichtet die
bereinigten Einnahmen und
Ausgaben für die
Kernhaushalte und
Extrahaushalte (sog.
öffentlicher Gesamthaushalt). Außen vor bleiben bei den einzelnen Ländern und Kommunen die gemeinsamen Extrahaushalte.
Zu beachten ist, dass die Kassenstatistik (noch) keine Daten zum
öffentlichen Bereich (Kernhaushalte plus
Extrahaushalte plus sonstige
FEUs) abdeckt. Mithin wird nicht das vollständige kommunale Auslagerungsportfolio in
die Untersuchung einbezogen. Gerade bei den Kommunen ist diese methodische Einschränkung relevant, da Kommunen
(gilt v.a. für größere Kommunen) im Durchschnitt einen verhältnismäßig großen Teil ihrer Aufgaben in Form von
sonstigen FEUs (z.B. kommunale Krankenhäuser, Verkehrsunternehmen sowie Ver- und Entsorgungsunternehmen in der
Rechtsform der GmbH) wahrnehmen.
Methodisch sei des Weiteren darauf hingewiesen, dass die von der Kassenstatistik genutzten Abgrenzungen der verschiedenen Größen
von der Abgrenzung der Eurostat-Statistiken abweichen können.
Ferner ist zu berücksichtigen, dass die Kassenstatistik noch nach
kameraler Logik arbeitet.
Doppische Erträge
und Aufwendungen werden bislang nicht berichtet. Folglich ist keine Beurteilung der
intergenerativen Gerechtigkeit
der Haushalts- und Finanzpolitik durchführbar. Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass die Kassenstatistik teilweise
noch mit vorläufigen Ist-Daten arbeitet. Die Daten der Kassenstatistik können daher von den später veröffentlichten
(finalen) Ist-Daten der
Rechnungsstatistik abweichen. Ein Vorteil der Kassenstatistik ist gleichwohl, dass deren Daten
sehr viel früher publiziert werden.
Gegenstand des vorliegenden Beitrags ist der Primärsaldo. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass
es verschiedene, z.T. auch deutlich komplexere Berechnungsformeln für den Primärsaldo gibt. Im vorliegenden Blog-Eintrag verwendet
wird die folgende, einfache Berechnungssystematik:
Der Primärsaldo ist der Saldo aus den bereinigten Einnahmen und Ausgaben unter Herausrechnung der Zinsausgaben
an den öffentliche Bereich und an andere Bereiche. Besagte Herausrechnung der Zinsausgaben wird vorgenommen,
indem die Zinsausgaben zu dem Saldo der bereinigten Einnahmen und Ausgaben hinzuaddiert werden. Hintergrund
dieses Vorgehens ist, dass die Zinsausgaben in den bereinigten Ausgaben bereits als Ausgabeposition negativ
erfasst worden sind. Das Hinzuaddieren der Zinsausgaben neutralisiert diese Position.
Der Primärsaldo ist eine wichtige Kenngröße zur Beurteilung der Finanzlage einer öffentlichen Einheit (Bund,
Land, Kommune). Grundidee des Primärsaldos ist es dabei, dass die Leistung von Zinsausgaben für aufgelaufene
Schulden nicht zu den Kernaufgaben öffentlicher Einheiten zählt. Daher werden die Zinsausgaben aus dem Saldo
eliminiert. Im Ergebnis zeigt der Primärsaldo an, ob die Einnahmen in ihrer Höhe genügen, um die Ausgaben für
die Erfüllung der öffentlichen Kernaufgaben (innere Sicherheit, äußere Sicherheit, Bildung, Forschung, Soziales
etc.) komplett zu decken. Ist der Primärsaldo negativ (Primärdefizit), so reichen die Einnahmen nicht aus, um
die Ausgaben für die Kernaufgaben zu finanzieren. Ist er positiv (Primärüberschuss), sind die Einnahmen höher
als sie zur Erfüllung der Kernaufgaben notwendig wären.
Zur Interpretation des Primärsaldos ist allerdings zusätzlich die öffentliche Verschuldung bzw. die daraus
resultierende Zinslast zu berücksichtigen. Lägen die (verzinslichen) Schulden bei 0,00 Euro, würde ein
ausgeglichener Primärsaldo genügen. Im Fall der
Schuldenfreiheit entspricht der Primärsaldo dem Saldo aus
bereinigten Einnahmen und Ausgaben. Ist die öffentliche Einheit indes verschuldet (was heute der Regelfall
ist), hat selbige Primärüberschüsse zu erwirtschaften, um das Wachstum der Verschuldung zu stoppen. Genau
genommen muss der Primärüberschuss größer sein als die Zinsausgaben, um eine Rückführung der Schulden zu ermöglichen.
Pro-Kopf-Primärsaldo und Pro-Kopf-Zinsausgaben nach Ebenen
Aus Abbildung 1 sind die Primärsalden des Bundes, der 16 Länder (d.h. inkl. Stadtstaaten) und der
Kommunen der 13 Flächenländer ersichtlich. Im Hinblick auf unmittelbare Primärsaldo-Vergleiche zwischen
den unterschiedlichen Ebenen (Bund, Länder und Kommunen) ist darauf hinzuweisen, dass diese aufgrund
abweichender Aufgabenportfolios schwierig sind. Relevanter ist vor diesem Hintergrund die Gegenüberstellung
von Primärsaldo (blau) und Zinsausgaben (grau).
Die nachfolgende Abbildung zeigt, dass alle drei Ebenen Primärüberschüsse erwirtschaften. Die Kommunen
kommen auf 43,34 Euro je Einwohner und die Länder auf 247,15 Euro je Einwohner. Den höchsten
Pro-Kopf-Primärüberschuss hat der Bund. Die Notwendigkeit eines so hohen Primärüberschusses ergibt sich
aus der Notwendigkeit, mit dem Primärüberschuss die ebenfalls sehr hohen Zinsausgaben des Bundes in Höhe
von 419,80 Euro je Einwohner decken zu müssen. Die Zinsausgaben fallen bei Ländern und Kommunen deutlich
niedriger aus. Bei den Ländern liegen sie bei 231,28 Euro je Einwohner. Im Falle der Kommunen der
Flächenländer berichtet die Statistik Zinsausgaben in Höhe von 52,10 Euro je Einwohner, d.h. das kommunale
Zinsausgabenniveau liegt nochmals deutlich niedriger als bei den Ländern. Die Primärüberschüsse reichen im
Jahr 2014 nur bei den Kommunen nicht aus, um die Zinsausgaben in voller Höhe zu finanzieren.
Informationen zum Stand der Schulden von Bund, Ländern und Kommunen finden Sie über folgenden Link.
» Vergleich der Schulden von Bund, Ländern und Kommunen, Blog-Eintrag vom 22. Juni 2015
Autor: Andreas Burth
Pro-Kopf-Primärsaldo und Pro-Kopf-Zinsausgaben der 16 Länder
Im Jahr 2014 haben ausnahmslos alle Flächenländer und Stadtstaaten Primärüberschüsse erwirtschaftet.
Bezüglich der Daten zu den beiden Bundesland-Typen ist vorab darauf hinzuweisen, dass Flächenländer und Stadtstaaten
nur sehr eingeschränkt miteinander vergleichbar sind. Grund hierfür ist, dass Stadtstaaten neben Landesaufgaben
auch kommunale Aufgaben wahrnehmen. Aus dem verschiedenartigen Aufgabenportfolio erwachsen auch unterschiedliche
Ausgabenotwendigkeiten und Einnahmeerzielungsmöglichkeiten.
Den
höchsten Primärüberschuss der Flächenländer hat Mecklenburg-Vorpommern mit 457,06 Euro je Einwohner. Der
geringste ist in Hessen zu beobachten (83,53 Euro je Einwohner). Bei den Stadtstaaten kommt Berlin mit
799,95 Euro je Einwohner auf den höchsten Primärüberschuss. Bremen hat mit 387,74 Euro je Einwohner den
niedrigsten Primärüberschuss des Jahres 2014.
Der Primärüberschuss dient insbesondere zur Finanzierung der Zinslast. Beim Vergleich von Zinsausgaben und
Primärüberschuss zeigt sich, dass in sieben Flächenländern (Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen,
Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Schleswig-Holstein) und einem Stadtstaat (Bremen) die
Primärüberschüsse nicht ausreichen, um die Zinsausgaben vollständig zu decken. Besonders deutlich ist
das Auseinanderklaffen von Primärüberschuss und Zinsausgaben in der Freien Hansestadt Bremen. Ebenfalls
merkliche Unterschiede sind in Hessen, im Saarland und in Rheinland-Pfalz zu beobachten (jeweils Unterschied
von mehr als 100 Euro je Einwohner).
In den Ländern mit einem Primärüberschuss unterhalb der Zinsausgaben wird es in einem ersten Schritt darauf
ankommen, die Einnahmen zu steigern und/oder die Ausgaben zu senken, um Einnahmen und Ausgaben (inkl.
Zinsausgaben) möglich zeitnah zum Ausgleich zu bringen. In einem zweiten Schritt sollte durch darüber hinaus
gehende Konsolidierungsmaßnahmen und daraus resultierende Überschüsse mit dem Abbau der Verschuldung begonnen
werden, wodurch auch die Zinsausgaben tendenziell sinken.
Pro-Kopf-Primärsaldo und Pro-Kopf-Zinsausgaben der Kommunen der 13 Flächenländer
Auf kommunaler Ebene können in zehn Flächenländern Primärüberschüsse und in drei Flächenländern Primärdefizite
beobachtet werden. In sieben der zehn Primärüberschuss-Flächenländer reicht der Primärüberschuss aus, um die
kommunalen Zinsausgaben in voller Höhe zu decken. Bei den drei Ländern mit einem Primärüberschuss unterhalb des Zinsausgabeniveaus
handelt es sich um Hessen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein. Die höchsten Primärüberschüsse berichten die
Kommunen in Bayern (153,15 Euro je Einwohner) und Thüringen (137,26 Euro je Einwohner).
Die drei Länder mit Primärdefizit 2014 sind die Krisenländer Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Saarland.
Während Nordrhein-Westfalen (-14,85 Euro je Einwohner) und Rheinland-Pfalz (-17,47 Euro je Einwohner) nur leichte
kommunale Primärdefizite ausweisen, ist dies im Saarland anders. Hier erreicht das Primärdefizit mit -326,43 Euro
je Einwohner besorgniserregende Höhen. Selbst im (hypothetischen) Falle einer kompletten Entschuldung lägen die
Einnahme-Ausgabe-Defizite im Saarland noch immer extrem hoch.
In den Kommunen, deren Primärsaldo nicht ausreicht, um die Zinsausgaben in voller Höhe zu decken, wird es in
Zukunft darauf ankommen, zusätzliche Konsolidierungsmaßnahmen zu beschließen. Diese können auf der Einnahmeseite
(z.B. Hebesatzerhöhungen) und/oder auf der Ausgabeseite (z.B. Personalreduktion durch natürliche Fluktuation)
ansetzen. Besonderer Anstrengungen wird es dabei im Saarland bedürfen. In Anbetracht des dort sehr niedrigen
Einnahmeniveaus wird die Haushaltskonsolidierung im Saarland wahrscheinlich v.a. auf der Einnahmeseite ansetzen (müssen).
Weitere Informationen
Ergänzende Datenangebote zu den Staatsfinanzen Deutschlands sind z.B. unter folgenden Links abrufbar.
» Schuldenuhr zu den Staatsschulden von Deutschland
Hrsg.: HaushaltsSteuerung.de
» Staatsverschuldung und Staatsdefizit von Deutschland (nach Maastricht-Vertrag)
Hrsg.: HaushaltsSteuerung.de
» Staatsverschuldung in Deutschland (differenziert nach Bund, Ländern und Kommunen)
Hrsg.: HaushaltsSteuerung.de
» Zinsuhr zu den staatlichen Zinsausgaben von Deutschland
Hrsg.: HaushaltsSteuerung.de
» Bundeshaushalts-Uhr
Hrsg.: HaushaltsSteuerung.de
» Haushaltsuhren der Länder
Hrsg.: HaushaltsSteuerung.de
» Bund-Länder-Finanzausgleich in Deutschland
Hrsg.: HaushaltsSteuerung.de
» Subventionen des deutschen Staates
Hrsg.: HaushaltsSteuerung.de
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