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HaushaltsSteuerung.de » Weblog » Schulden in der kommunalen Doppik

Schulden in der kommunalen Doppik
20. März 2011  |  Autor: Marc Gnädinger



Dass die Kommunalverschuldung in einigen Kommunen mittlerweile bedrohliche Bestände aufweist, dürfte unbestreitbar sein. Das ist auch keine Frage des Haushaltsrechts. Einziger Unterschied zwischen neuem (doppischem) und altem (kameralem) Haushaltsrecht ist, dass mit dem Ressourcenverbrauchskonzept die Kommunalverschuldung in ihrer Gänze sichtbar wird. Im alten Haushaltsrecht und in der noch immer auf dem alten Recht fußenden Kommunalfinanzstatistik blieben insbesondere Rückstellungen als Schuldenkategorie unberücksichtigt. Damit wird statistisch regelmäßig ein viel zu niedriges Bild der tatsächlichen Kommunalverschuldung wiedergegeben. Mit Einführung der Doppik stehen fortan ausführlichere Informationen zur Kommunalverschuldung zur Verfügung. Ob daraus, also aus dem Vorhandensein der zusätzlichen Informationen, ein Umdenken in der Kommunalpolitik von hohen Schulden betroffener Gemeinden und Gemeindeverbände resultiert, hängt aber noch immer von den Kommunalpolitikern selbst ab.

Perspektivisch wird es vielerorts darauf ankommen, die zuweilen hohe Kommunalverschuldung maßgeblich zurück zu führen. Umso bedauerlicher ist es, dass mit Einführung des neuen Haushaltsrechts eine kaum zu überschauende Konfusion entstanden ist. Begriffe im Kontext der Verschuldung werden unterschiedlich definiert und Schuldenbegrenzungsregeln uneinheitlich restriktiv aufgestellt. Für den (länderübergreifenden) Austausch zur notwendigen Rückführung von Kommunalschulden ist diese Situation nicht hilfreich.

Nach § 61 Gemeindehaushaltsverordnung Baden-Württemberg werden Schulden definiert als "Rückzahlungsverpflichtungen (Verbindlichkeiten) aus Anleihen, Kreditaufnahmen und ihnen wirtschaftlich gleichkommenden Vorgängen sowie aus der Aufnahme von Kassenkrediten (§ 52 Abs. 4 Nr. 4.1 bis 4.3)". Nach dieser gesetzlichen Normierung gehören beispielsweise Rückstellungen oder auch Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen sowie Transferleistungen nicht zu den Schulden. Damit ist die Definition von Schulden in Baden-Württemberg wesentlich enger gefasst, als in anderen Ländern.

Das Land Brandenburg hat dem hingegen eine ausführlichere Definition des Schuldenbegriffs vorgenommen, die eher dem Wesen des neuen Haushaltsrechts gerecht wird, als die baden-württembergische Rechtsregel. Nach § 2 Kommunale Haushalts- und Kassenverordnung Brandenburg sind Schulden sämtliche Verpflichtungen gegenüber Dritten, zum Beispiel Rückzahlungsverpflichtungen aus Kreditaufnahmen und ihnen wirtschaftlich gleichkommenden Rechtsgeschäften, die Aufnahme von Kassenkrediten sowie die Rückstellungen. Der maßgebliche Unterschied zur baden-württembergischen Regel liegt in der zusätzlichen Berücksichtigung der Rückstellungen, die in Brandenburg ebenfalls zu den Schulden gezählt werden, wie es dem System der Doppik entspricht.

Auch wenn Rückstellungen hinsichtlich ihrer Existenz und ihrer Höhe unsicher sind, gehören sie trotzdem zu den Schulden einer Kommune. Sie haben lediglich einen anderen Charakter als Verbindlichkeiten. Die heterogene Bedeutung von Verbindlichkeiten und Rückstellungen im Kontext der Kommunalschulden wird beispielsweise im Leitfaden zur Bilanzierung und Bewertung für Mecklenburg-Vorpommern herausgearbeitet. Hier heißt es: "Schulden (im engeren Sinn) sind gekennzeichnet durch eine am Bilanzstichtag bestehende Auszahlungs- oder Leistungsverpflichtung gegenüber Dritten aufgrund von Gesetz, Vertrag oder faktischem Leistungszwang, die hinreichend konkretisiert bzw. greifbar ist. Die Höhe und Fälligkeit der Schuld muss nicht mit Sicherheit feststehen. Genauso wenig verlangt die Greifbarkeit die sichere Existenz der Schuld. Nach dem Grad der Sicherheit hinsichtlich Existenz (Schuldgrund) und Betrag (Schuldhöhe) werden Schulden unterschieden in Verbindlichkeiten und Rückstellungen. Verbindlichkeiten sind hinsichtlich Existenz und Betrag sichere Schulden."

Gerade Rückstellungen sind neben den Verbindlichkeiten (alle am Bilanzstichtag dem Grunde, der Höhe und der Fälligkeit nach feststehende Verpflichtungen ggü. Dritten) eine bedeutende Schuldenkategorie in der Doppik. Sie werden für ungewisse Verbindlichkeiten gebildet, die am Abschlussstichtag dem Grunde oder der Höhe nach unsicher sind.

Entsprechend nehmen neben Brandenburg auch andere Länder eine ähnliche Definition des Schuldenbegriffes vor. So werden beispielsweise nach § 58 Gemeindehaushaltsverordnung Doppik Hessen Schulden ebenfalls als sämtliche Verpflichtungen gegenüber Dritten, zum Beispiel Rückzahlungsverpflichtungen aus Kreditaufnahmen und ihnen wirtschaftlich gleichkommenden Vorgängen, Aufnahme von Kassenkrediten und Rückstellungen definiert.

Eine kurze und gleichsam präzise Beschreibung für Schulden nimmt das Saarland in seinen Begriffsbestimmungen nach § 52 Kommunalhaushaltsverordnung vor. Der dortige Wortlaut lautet, dass Schulden "Verbindlichkeiten und Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten" sind.

In § 98 Kommunalhaushaltverordnung Doppik Bayern werden Schulden nicht direkt definiert. Gleichwohl wird der Terminus der Überschuldung dargelegt. Hier heißt es, dass eine Überschuldung vorliegt, wenn die Summe der Schulden größer ist als die Summe des Vermögens.

Unterhalb des Schuldenbegriffs setzt sich das heterogene Bild in Bezug auf die Begrifflichkeiten fort. So z.B. bei den Verbindlichkeiten und den zu ihnen zählenden (Investitions-)Krediten.

In Baden-Württemberg werden Kredite nach § 61 Gemeindehaushaltsverordnung definiert als die unter der Verpflichtung zur Rückzahlung von Dritten oder von Sondervermögen mit Sonderrechnung aufgenommenen Finanzierungsmittel mit Ausnahme der Kassenkredite. Kassenkredite werden damit ausdrücklich von den Krediten separiert. Sie zählen nicht zu den Krediten. Eine im Wortlaut ähnliche Definition der Kredite, bei der ebenfalls Kredite und Kassenkredite dezidiert voneinander getrennt werden, kennt § 98 Kommunalhaushaltsverordnung Doppik Bayern, § 2 Kommunale Haushalts- und Kassenverordnung Brandenburg, § 58 Gemeindehaushaltsverordnung Doppik Hessen, § 59 Sächsische Kommunalhaushaltsverordnung Doppik und § 59 Gemeindehaushaltsverordnung Doppik Schleswig-Holstein.

In § 59 Gemeinehaushalts- und Kassenverordnung Niedersachsen werden Kredite hingegen ohne den expliziten Hinweis auf ihren Unterschied zu den Kassenkrediten erklärt. Hier heißt es zu den Krediten, dass sie als das unter der Verpflichtung zur Rückzahlung von Dritten oder von Sondervermögen mit Sonderrechnung aufgenommene Geldkapital als endgültige Deckungsmittel definiert sind. In der gleichen Vorschrift werden Kassenkredite (in Niedersachsen Liquiditätskredite genannt) als "Kredite zur Überbrückung des verzögerten Eingangs von Deckungsmitteln durch in der Regel kurzfristige Bankverbindlichkeiten, insbesondere Kontokorrentkredite, soweit keine anderen Mittel zur Verfügung stehen" erläutert. Ähnlich verhält es sich nach den Bestimmungen in Thüringen. Nach § 63 Thüringer Gemeindehaushaltsverordnung Doppik werden Kredite bestimmt als das "unter der Verpflichtung zur Rückzahlung von Dritten oder von Sondervermögen mit Sonderrechnung aufgenommenes Geldkapital." Von einer Trennung zu den Kassenkrediten findet sich demnach auch in dieser Bestimmung kein entsprechender Hinweis. Und zu den Kassenkrediten (auch in Thüringen als Liquiditätskredite bezeichnet) findet sich in der gleichen thüringischen Vorschrift der Wortlaut, dass es sich um "Kredite zur Überbrückung des verzögerten Eingangs von Deckungsmitteln durch in der Regel kurzfristige Bankverbindlichkeiten, insbesondere Kontokorrentkredite, soweit keine anderen Mittel zur Verfügung stehen" handelt.

Unter Berücksichtigung des verwirrenden Bildes im Kontext der Definition von Schulden im neuen Haushaltsrecht erscheint eine perspektivische Rechtsharmonisierung als vorteilhaft - nicht zuletzt um den länderübergreifenden Austausch zur Rückführung kommunaler Schulden nicht durch ein verwirrendes Begriffschaos zu beeinträchtigen. Möglich und zweckmäßig wäre eine Einteilung nach nachstehendem Muster.

Empfehlenswerte Kategorisierung von Kommunalschulden in der Doppik

Weitere Informationen zur Behandlung von Schulden in der kommunalen Doppik sowie den zugehörigen Rechtsvorschriften können nachfolgenden online zugänglichen Quellen entnommen werden:

» Kassenkredite in der kommunalen Doppik, Blog-Eintrag vom 1. März 2011
    Autor: Marc Gnädinger

» Kassenkredit-Schuldenbremsen in der kommunalen Doppik, Blog-Eintrag vom 7. März 2011
    Autor: Marc Gnädinger

» Neue Regeln für die Kommunalschuldenbremse(n) in Deutschland (Präsentation
    beim Verwaltungsmanagement-Tag am 17. März 2011 in Linz)

    Referent: Marc Gnädinger

» Rechtsvorschriften: Haushaltsrecht in Deutschland

Ein umfassendes Informationsangebot zum Stand sowie zur Entwicklung der Kommunalverschuldung in den Flächenländern auf Basis finanzstatistischer Daten finden Sie hier:

» Staatsverschuldung in Deutschland
    Hrsg.: HaushaltsSteuerung.de





©  Andreas Burth, Marc Gnädinger