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Staatsverschuldung und Generationengerechtigkeit
Staatsverschuldung und Generationengerechtigkeit
8. Dezember 2013 |
Autor: Andreas Burth
In der öffentlichen Diskussion werden die Begriffe
Staatsverschuldung und
Generationengerechtigkeit oftmals im selben Atemzug genannt. So wird
teilweise argumentiert, dass Staatsschulden per se nicht generationengerecht seien, da sie nachfolgenden Generationen den Schuldendienst in Form
von Zinsen und Tilgung aufbürden. Erst ein schuldenfreier Staat entspräche demnach einer generationengerechten Haushalts- und Finanzpolitik. In diesem
Zusammenhang ist indes darauf hinzuweisen, dass die beiden Begriffe Staatsverschuldung und Generationengerechtigkeit im finanzwirtschaftlichen
Sinne nicht synonym sind.
Übersetzung des Begriffs der Generationengerechtigkeit in haushalterische Größen
Generationengerechtigkeit (auch: intergenerative Gerechtigkeit) ist ein ethisches Leitbild, das im Kontext der Staatsfinanzen allgemein definiert ist
als ein Zustand, in dem die aktuelle Generation im Rahmen der öffentlichen Leistungserstellung nur so viele Ressourcen verbraucht
(Ressourcenverbrauch) wie sie auch selbst erwirtschaftet
(Ressourcenaufkommen). Vor diesem Hintergrund stellt sich nun die Frage, wie diese
recht abstrakte Definition haushalts- und finanzwirtschaftlich übersetzt werden kann: Konkret ist erstens zu fragen, was eine "Generation"
ist, zweitens wie der Umfang der erwirtschafteten bzw. verbrauchten Ressourcen erfasst werden kann und drittens wie der öffentliche Sektor
abgegrenzt werden kann.
Das erste Problem betrifft die Definition des Begriffs "Generation". So könnte man z.B. die Altersgruppe der 30- bis 50-Jährigen als eine "Generation"
definieren; oder die der 31- bis 51-Jährigen; oder die der 32- bis 52-Jährigen usw. Ebenso könnte man alternativ zum 20-Jahreszeitraum z.B. auch einen
25-Jahreszeitraum oder einen gänzlich anderen Zeitraum als eine "Generation" festlegen. Mit anderen Worten: Aufgrund der stetigen Geburt neuer Menschen
sind die Grenzen zwischen Generationen fließend und kaum fest definierbar.
Im Haushaltsrecht bedient man sich daher dem Hilfskonstrukt der "interperiodischen Gerechtigkeit", um das abstrakte Leitbild der Generationengerechtigkeit
in monetäre Größen der öffentlichen Haushalts- und Finanzwirtschaft zu übersetzen. Demnach sollen sich idealtypischerweise in jeder Teilperiode, d.h. in jedem
Haushaltsjahr, der
finanzielle Ressourcenverbrauch und das finanzielle Ressourcenaufkommen entsprechen. Um haushalts- und finanzpolitische Spielräume (z.B. für eine
antizyklische Fiskalpolitik) zu schaffen, wird häufig auch ein im fünfjährigen Zeitraum der
mittelfristigen (Ergebnis- und) Finanzplanung ausgeglichener
Ressourcensaldo als generationengerecht angesehen.
Aufbauend auf vorstehenden Überlegungen ist im zweiten Schritt zu fragen, über welche haushalterischen Größen sich die beiden noch immer abstrakten
Begriffe "Ressourcenverbrauch" und "Ressourcenaufkommen" abbilden lassen. Das klassische
kameralistische Finanzwesen umfasst als Kerngrößen die
Einnahmen und die
Ausgaben, d.h. Zahlungsströme. Diese Größen sind jedoch nicht imstande den "Ressourcenverbrauch" und das "Ressourcenaufkommen" vollständig und
periodengerecht abzubilden. Wird z.B. eine neue Autobahnbrücke gebaut, so belasten die hierfür zu leistenden Ausgaben diejenige Generation, die die
Ressource "Autobahnbrücke" baut. Verbraucht wird die Ressource "Autobahnbrücke" jedoch in den Folgejahren von denjenigen Generationen, die mit ihrem
Kraftfahrzeug über die Brücke fahren.
In der Kameralistik kann von einem in Einnahmen und Ausgaben ausgeglichenen Staatshaushalt folglich nicht abgeleitet werden, dass eine
generationengerechte Haushalts- und Finanzpolitik betrieben worden ist. So ist es denkbar, dass trotz eines Defizits in Einnahmen und Ausgaben
nur so viele Ressourcen verbraucht wurden wie erwirtschaftet worden sind, d.h. es ist trotz eines kameralistischen Haushaltsdefizits generationengerecht
gewirtschaftet worden. Umgekehrt ist es ebenso denkbar, dass trotz eines Überschusses in Einnahmen und Ausgaben mehr Ressourcen verbraucht worden sind
als erwirtschaftet wurden (nicht generationengerechte Politik). Politik und Verwaltung steuern hinsichtlich des ethischen Leitbilds der Generationengerechtigkeit in der Kameralistik folglich
"im Dunkeln". Niemand weiß, ob generationengerecht gewirtschaftet worden ist, da die zur Beurteilung der Generationengerechtigkeit notwendigen
Ressourcendaten nicht abgebildet werden.
Um das beschriebene Problem zu lösen, ist in Deutschland insb. auf kommunaler Ebene und z.T. auch auf Landesebene die sog.
Doppik eingeführt worden,
deren grundsätzliche Funktionsweise an das kaufmännische Rechnungswesen nach HGB angelehnt ist (unter Anpassung an die Besonderheiten des
öffentlichen Sektors). Die Doppik vermag über die in ihr abgebildeten, neuen Größen
"Erträge" und
"Aufwendungen" das zuvor beschrieben Problem
zu lösen, da diese beiden Größen die finanzwirtschaftliche Übersetzung der Begriffe "Ressourcenaufkommen" und "Ressourcenverbrauch" darstellen.
So wird beispielsweise das zuvor beschriebene Autobahnbrücken-Problem in der Doppik gelöst, indem die Nutzung der Autobahnbrücke in Form von
Abschreibungen
als Aufwand erfasst wird. Die Doppik bildet den Ressourcenverbrauch damit vollständig und periodengerecht in Form von Aufwendungen
und das Ressourcenaufkommen in Form von Erträgen ab. Erträge und Aufwendungen werden im
Ergebnishaushalt geplant. Die Rechnungslegung erfolgt in der
Ergebnisrechnung.
Es lässt sich damit festhalten, dass das ethische Leitbild der Generationengerechtigkeit nicht in der Kameralistik, sondern erst in der Doppik in
haushalts- und finanzpolitische Größen übersetzt werden kann. Das doppische Haushalts- und Rechnungswesen stellt somit eine Grundvoraussetzung dafür dar,
eine generationengerechte Haushalts- und Finanzpolitik betreiben zu können. Von einer generationengerechten Haushalts- und Finanzpolitik kann dabei
generell dann gesprochen werden, wenn die öffentlichen Finanzen in Erträgen und Aufwendungen ausgeglichen sind (sog. "Ergebnisausgleich"). Zuweilen
wird statt des allgemeinen Ergebnisausgleichs im Speziellen auch auf den sog. "ordentlichen Ergebnisausgleich" abgezielt. Der ordentliche Ergebnisausgleich
ist definiert als der ausgeglichene Saldo aus
ordentlichen Erträgen und
ordentlichen Aufwendungen. Vorteil an dieser Betrachtung ist u.a., dass
außerordentliche Vorgänge (z.B. Vermögensveräußerung unter/über Buchwert) ausgeblendet werden, wodurch die Kenngröße weniger manipulierbar wird.
Bisher angesprochen worden ist ein Defizit im Ergebnis bzw. ein ausgeglichenes Ergebnis. Offen geblieben ist, inwiefern ein Überschuss in Erträgen
und Aufwendungen generationengerecht ist. Überschüsse implizieren, dass von einer Generation weniger Ressourcen verbraucht werden als sie erwirtschaftet
hat. Sofern ein solcher Überschuss nur leicht positiv und damit nahe am Ausgleich liegt, ist dieser ebenfalls als generationengerecht zu beurteilen.
Insbesondere zur Vorsorge für etwaige Konjunktureintrübungen können kleinere Überschüsse als sinnvoll eingestuft werden, um die Überschüsse
im Bedarfsfall einsetzen zu können.
Ist der Überschuss jedoch sehr hoch, kann man davon sprechen, dass die aktuelle Generation zugunsten künftiger Generationen "ausgebeutet" wird. Hohe
Überschüsse in Erträgen und Aufwendungen sind demnach i.d.R. als nicht generationengerecht zu kategorisieren.
Vor diesem Hintergrund ist im Regelfall tatsächlich ein Ausgleich (d.h. weder ein Defizit noch ein Überschuss) anzustreben, um generationengerecht
zu wirtschaften. Da es faktisch jedoch kaum möglich ist, Erträge und Aufwendungen auf den Cent genau abzustimmen, sind leichte Defizite bzw. Überschüsse
als akzeptabel einzustufen, sofern sich die Defizite bzw. Überschüsse im Zeitablauf ausgleichen (mit leichter Tendenz zum Überschuss).
Trotzdem besteht in Bezug auf Überschüsse ein entscheidender Unterschied zu den Defiziten: Die heutige
Generation (in diesem Fall die Überschüsse produzierende Generation) hat i.d.R. die Möglichkeit durch Wahrnehmung des aktiven/passiven Wahlrechts die politischen Budgetentscheidungen selbst zu beeinflussen. Kommende
Generationen (insb. die ungeborenen oder noch nicht wahlberechtigten Generationen) haben diese Möglichkeit nicht. Insofern können theoretisch selbst hohe Überschüsse
zu Gunsten nachrückender Generationen durchaus legitim sein, sofern die heutige Generation es politisch wünscht, nachfolgende Generationen zu begünstigen (Vererbungsfunktion).
Bei Defiziten gilt dies umgekehrt nicht, da kommende Generationen hier belastet und zugleich "vor vollendete Tatsachen" gestellt werden.
Das dritte angesprochene Problem betrifft die Frage, welche Wirtschaftssubjekte zum öffentlichen Sektor zu zählen sind. Außer Frage steht hierbei,
dass die Kernverwaltungen von Bund, Ländern, Kommunen und Sozialversicherungen dazu zu zählen sind. Etwas schwieriger wird es indes bei den
Auslagerungen, d.h. bei den
öffentlichen Fonds, Einrichtungen und Unternehmen (FEUs). So ist beispielsweise zu fragen, ob ein zu im Eigentum der öffentlichen Hand
befindliches Unternehmen, das öffentliche Aufgaben (z.B. Wasser/Abwasser, ÖPNV, Straßenreinigung, Abfallbeseitigung) erbringt, zum öffentlichen Sektor
zu zählen ist.
Im oben beschriebenen Kontext gilt der Grundsatz, dass öffentliche Fonds, Einrichtungen und Unternehmen immer dann zum öffentlichen Sektor zu zählen
sind, wenn sie den Kernverwaltungen wirtschaftlich zuzurechnen sind. Die Kernverwaltungen können folglich als "Mutter" im
"Konzern Gebietskörperschaft"
angesehen werden, während die öffentlichen Fonds, Einrichtungen und Unternehmen ihre "Töchter" darstellen. In der Privatwirtschaft wird das beschriebene
Problem über den sog. Konzernabschluss gelöst, der die Jahresabschlüsse von Mutter- und Tochterunternehmen in
konsolidierter Form zusammenfasst. Ein
analoges Konstrukt gibt es auch in der Doppik: Man spricht hier i.d.R. vom
Gesamtabschluss (manchmal auch vom Konzernabschluss oder vom konsolidierten
Jahresabschluss). Dieser fasst die Jahresabschlüsse der Auslagerungen/FEUs mit dem Jahresabschluss der Kernverwaltung zu einer Einheit zusammen. Erträge
und Aufwendungen werden im Gesamtabschuss in der
Gesamtergebnisrechnung ausgewiesen.
Aufbauend auf obigen Ausführungen kann somit zusammengefasst werden, dass eine generationengerechte Haushalts- und Finanzpolitik idealtypischerweise
dann vorliegt, wenn pro Jahr (oder zumindest je 5-Jahres-Zeitraum der mittelfristigen Planung) die Gesamtergebnisrechnung einer jeden öffentlichen
Gebietskörperschaft in (ordentlichen) Erträgen und Aufwendungen ausgeglichen ist. Sofern das Haushaltsrecht für die Auslagerungen/FEUs vollständige
Gewinnabführungs- bzw. Verlustabdeckungspflichten im Haushalt der Kernverwaltung vorschreibt, kann alternativ auch der (ordentliche) Ausgleich von
Ergebnishaushalt und Ergebnisrechnung auf Ebene der Kernverwaltungen angestrebt werden. Regelungen, die doppisch rechnende Gebietskörperschaften zum
Ergebnisausgleich in der Kernverwaltung verpflichten, finden sich auch bereits im doppischen Haushaltsrecht.
Sofern eine Gebietskörperschaft ein Defizit im Erträgen und Aufwendungen aufweist, ist dieses möglichst zeitnah vollständig abzubauen, um ein Leben auf Kosten künftiger
Generationen zu verhindern. Man spricht in diesem Kontext von der sog.
Haushaltskonsolidierung. Haushaltskonsolidierungsmaßnahmen können an der Aufwands-
oder an der Ertragsseite ansetzen und zielen darauf ab, die Generationengerechtigkeit der Haushaltswirtschaft wieder herzustellen.
Begriff der Staatsverschuldung
In den bisherigen Ausführungen außen vor blieb die Staatsverschuldung und deren Einfluss auf die Generationengerechtigkeit bzw. den Ausgleich von
(ordentlichen) Erträgen und Aufwendungen. Um die Auswirkungen staatlicher Verschuldung auf den Ergebnisausgleich zu untersuchen, ist zunächst
darzustellen, welche Formen Staatsverschuldung annehmen kann.
In der öffentlichen Diskussion wird Staatsverschuldung i.d.R. gleichgesetzt mit der Summe der staatlichen
Geldschulden. Geldschulden sind die Summe
aus den
Wertpapierschulden,
Krediten und
Kassenkrediten. Diese Definition der Staatsverschuldung greift indes zu kurz. Im doppischen Sinne
ist damit zwar der Großteil der
Verbindlichkeiten (nicht berücksichtigt sind z.B. Verbindlichkeiten aus Lieferung und Leistung) abgedeckt. Gleichwohl bleiben die
Rückstellungen, d.h. die ungewissen Verbindlichkeiten, gänzlich außen vor. So bilden insb. die
Pensionsrückstellungen eine voluminöse
Schuldenart, die in der öffentlichen Diskussion um die Staatsverschuldung kaum Beachtung findet. Ein Grund hierfür ist, dass die
Schuldenstatistik des
Statistischen Bundesamtes und auch die Definition des
Maastricht-Schuldenstandes noch kameralistischen Charakter haben und daher primär auf die Geldschulden
abspielen. Die erst in der Doppik erfassten Rückstellungen werden statistisch gänzlich ausgeblendet. Ihre Höhe ist im Hinblick auf den Gesamtstaat folglich
unbekannt und kann daher auch nicht in die öffentliche Diskussion einfließen.
Ferner zu berücksichtigen ist, dass Schulden nicht nur in den Haushalten der Kernverwaltungen, sondern auch in Auslagerungen/FEUs aufgenommen werden können. Mit der
neuen Schuldenstatistik 2010 ist hier im Hinblick auf die Geldschulden ein großer Schritt nach vorne gemacht worden, indem neben den
Extrahaushalten
nun auch die sonstigen FEUs flächendeckend erfasst werden. Es ist indes darauf hinzuweisen, dass in der öffentlichen Diskussion Staatsschulden noch immer
i.d.R. nach der Abgrenzung des
öffentlichen Gesamthaushalts (= Kernhaushalte + Extrahaushalte) berechnet werden. Die deutschen Staatsschulden erreichen
hier zum 31.12.2012 eine Höhe von etwas mehr als 2,1 Billionen Euro. Die inzwischen mögliche Betrachtung nach der Abgrenzung des
öffentlichen Bereichs
(= Kernhaushalte + Extrahaushalte + sonstige FEUs) wird indes selten verwendet. Hier erreicht der Staatsschuldenstand zum 31.12.2012 bereits eine Höhe
von fast 3 Billionen Euro (siehe:
Gesamte Staatsverschuldung in Deutschland).
Nichtsdestotrotz bleiben in der Schuldenstatistik aufgrund ihrer kameralistischen Konzeption auch die Rückstellungen der Auslagerungen
(= Extrahaushalte + sonstige FEUs) komplett außen vor. Die Höhe der Staatsverschuldung wird damit auch im Bereich der Auslagerungen deutlich zu
niedrig ausgewiesen.
Einfluss der Staatsverschuldung auf den Ergebnisausgleich
Die zuvor dargestellten Schuldenarten (Verbindlichkeiten und Rückstellungen) haben einen indirekten Einfluss auf den Ergebnisausgleich und damit auf
die Generationengerechtigkeit der Haushalts- und Finanzpolitik. So belasten Verbindlichkeiten den Ergebnisausgleich über die hierfür zu leistenden
Zinsaufwendungen. Rückstellungen fließen zum Zeitpunkt der Rückstellungsbildung in Form von Aufwendungen in den Ergebnisausgleich ein. Im weiteren
Sinne können ferner die Aufwendungen für das
Schuldenmanagement (z.B.
anteilige Personalaufwendungen für die im Schuldenmanagement beschäftigten Verwaltungsmitarbeiter) ebenfalls zu den von der Staatsverschuldung verursachten
Ressourcenverbräuchen gezählt werden.
Hierauf aufbauend ist zu fragen, wann eine Staatsverschuldung so hoch ist, das sie nicht mehr generationengerecht ist. Dies ist finanzwirtschaftlich der
Fall, sobald die aus den Schulden erwachsenden Aufwendungen (Zinsaufwendungen, Aufwendungen für Rückstellungsbildung, Aufwendungen für Schuldenmanagement)
so hoch sind, dass der Ergebnisausgleich gefährdet ist bzw. nicht mehr erreicht wird. Solange der Ergebnisausgleich indes dauerhaft gelingt ist der
jeweilige Schuldenstand unter der Generationengerechtigkeits-Maxime als tragbar einzustufen.
Schuldenfreiheit und Generationengerechtigkeit
Zuweilen wird argumentiert, ein schuldenfreier Staat (oder z.B. auch eine schuldenfreie Kommune) sei per se generationengerecht. Dies muss jedoch nicht
notwendigerweise der Fall sein. So erleichtert Schuldenfreiheit zwar den Ergebnisausgleich (geringere/keine Zinsaufwendungen etc.), jedoch kann trotz
eines Schuldenstandes von 0,00 Euro theoretisch dennoch eine nicht generationengerechte Haushalts- und Finanzpolitik betrieben werden: Nämlich dann, wenn
trotz Schuldenfreiheit ein Defizit im Saldo aus (ordentlichen) Erträgen und Aufwendungen ausgewiesen wird. Zentrales Beurteilungskriterium der
Generationengerechtigkeit ist somit stets der doppische Ergebnisausgleich und nicht der Schuldenstand.
Darüber hinaus ist anzumerken, dass es streng genommen für einen Staat oder eine einzelne öffentliche Gebietskörperschaft unmöglich ist, komplett schuldenfrei zu sein. So lassen sich zwar die Geldschulden
auf ein Niveau von 0,00 Euro reduzieren - aber insb. die Rückstellungen (z.B. Pensionsrückstellungen) lassen sich nicht auf einen Wert von 0,00 Euro
zurückführen. Im Bereich der Rückstellungen ist stattdessen eine vollständige
Finanzvermögensdeckung anzustreben, um von faktischer Schuldenfreiheit sprechen zu können.
Für weitere Informationen zum Begriff der Schuldenfreiheit sei auf die Lexikon-Definition von HaushaltsSteuerung.de verwiesen.
» Definition des Fachbegriffs "Schuldenfreiheit"
Hrsg.: HaushaltsSteuerung.de
» Blog-Einträge zum Thema "Schuldenfreie Kommunen"
Hrsg.: HaushaltsSteuerung.de
Nicht zuletzt ist auch zu fragen, ob eine staatliche Schuldenfreiheit überhaupt wünschenswert ist. So sind Staatsschulden nicht per se schlecht.
Beispielsweise kann eine temporäre Staatsverschuldung im Rahmen einer antizyklischen Fiskalpolitik zur Überwindung konjunktureller Schwächephasen beitragen.
Ferner stünde ohne Staatsverschuldung die Anlageform "Staatsanleihen" nicht zur Verfügung. Des Weiteren lassen sich über Staatsschulden Ausnahmesituationen,
wie z.B. schwere Naturkatastrophen, "besser" überwinden. Auf der anderen Seite kann ein vorsorgender Staat für derartige Situationen auch entsprechendes
Finanzvermögen aufbauen. Auf diese Art und Weise entstehen kurzfristig Finanzerträge und in Krisenzeiten könnte auf derartige Vermögensbestände zugegriffen werden.
Exkurs: Berücksichtigung nicht-finanzieller Größen im Haushalt
Die bisherigen Ausführungen haben sich einzig und allein auf wirtschaftliche Größen zur Beurteilung der Generationengerechtigkeit beschränkt. Insofern ist
die Frage zu stellen, wie auch nicht-monetäre Faktoren, wie z.B. der Umweltschutz, Eingang in die haushalts- und finanzpolitische Diskussion um die
Generationengerechtigkeit finden können? Dies ist im Haushalts- und Rechnungswesen möglich, indem entsprechende
output-/wirkungsorientierte
Ziele und
Kennzahlen in die Finanzdokumente (Haushaltsplan, Jahresabschluss etc.) eingebracht werden. So ist es beispielweise denkbar bestimmte Umweltschutzziele
für die Verwaltung im Haushalt
zu verankern und deren Zielerreichungsgrad über Kennzahlen zu messen.
Wie kann die Generationengerechtigkeit sichergestellt werden?
Wie die vorstehenden Ausführungen gezeigt haben, bedarf es zwingend eines ressourcenorientierten, doppischen Haushalts- und Rechnungswesens, um überhaupt
gezielt eine generationengerechte Haushalts- und Finanzpolitik betreiben zu können. Der Großteil der Kommunen und einige Länder haben diesen Weg bereits
beschritten oder befinden sich im Umstellungsprozess. Der Bund und der überwiegende Teil der Länder (und damit der Großteil des öffentlichen Finanzvolumens)
rechnet indes noch auf Basis der Kameralistik. Diese Gebietskörperschaften können folglich - selbst, wenn sie es wollen würden - keine bewusst
generationengerechte Haushalts- und Finanzpolitik betreiben, da ihnen hierzu die Datengrundlage fehlt. Vor diesem Hintergrund ist es dringend notwendig, dass alle
öffentlichen Körperschaften in Deutschland auf das neue doppische System umsteigen. Der dazu nötige Impuls könnte nach aktuellem Stand ggf. von der
EU-Ebene kommen. Unter dem Schlagwort
"EPSAS" plant die EU ein EU-weit einheitliches doppisches Rechnungswesen für alle öffentlichen Einheiten einzuführen.
Für weitere Informationen zu diesem Thema sei verwiesen auf:
» EPSAS.eu
Autoren: Andreas Burth, Dennis Hilgers
Ein doppisches Haushalts- und Rechnungswesen alleine vermag es allerdings nicht, die Generationengerechtigkeits-Maxime in der Haushalts- und Finanzpolitik
umzusetzen. Sie macht lediglich transparent, ob auf Kosten künftiger Generationen gelebt wird. Um generationengerecht zu wirtschaften, müssen Politik und
Verwaltung ihre Entscheidungen auch tatsächlich am Ergebnisausgleich ausrichten.
Es bedarf daher eines institutionalisierten Anreiz- und Sanktionsmechanismus nach doppischer Logik, der sicherstellt, dass im Staat dauerhaft generationengerecht gewirtschaftet
wird. Angesprochen ist in diesem Kontext insb. das Konzept einer
doppischen/ressourcenverbrauchsorientierten Schuldenbremse, die den Ergebnisausgleich an
eine Sonderabgabe (sog.
Generationenbeitrag) koppelt und hierüber Anreize zum Betreiben einer generationengerechten Haushalts- und Finanzpolitik aufbaut
und zugleich über einen automatischen Sanktionsmechanismus eine nicht-generationengerechte Politik unmöglich macht.
Detaillierte Informationen zum Konzept einer doppischen/ressourcenverbrauchsorientierten Schuldenbremse finden Sie hier:
» Zur Funktionsweise einer doppischen Kommunalschuldenbremse, Blog-Eintrag vom 25. März 2012
Autor: Andreas Burth
» Kommunaler Finanzreport 2013 - Einnahmen, Ausgaben und Verschuldung im Ländervergleich (S. 156 ff.)
Autoren: Andreas Burth, René Geißler, Marc Gnädinger, Dennis Hilgers
Weitere Informationen zu den Themen Staatsverschuldung und Doppik
Informationen zur Staatsverschuldung der EU-Mitgliedsstaaten (hier: nur Geldschulden) können Sie unter nachfolgenden Links abrufen:
» Staatsverschuldung in Deutschland (differenziert nach Bund, Ländern, Kommunen)
Hrsg.: HaushaltsSteuerung.de
» Staatsverschuldung in der Europäischen Union (EU)
Hrsg.: HaushaltsSteuerung.de
» Schuldenuhren zu den Staatsschulden der EU-Mitgliedsstaaten
Hrsg.: HaushaltsSteuerung.de
Weitere Informationen zum ressourcenverbrauchsorientierten, doppischen Haushalts- und Rechnungswesen sind z.B. unter folgenden Links eingestellt:
» Blog-Einträge zum Thema "Doppik"
Hrsg.: HaushaltsSteuerung.de
» Themen-Rubrik "Doppik-Praxisberichte"
Hrsg.: HaushaltsSteuerung.de
» Haushaltsreformen in Deutschland
Hrsg.: HaushaltsSteuerung.de
» Aufsätze zum Thema "Neues Haushalts- und Rechnungswesen"
Hrsg.: HaushaltsSteuerung.de
» Vorträge/Präsentationen zum Thema "Neues Haushalts- und Rechnungswesen"
Hrsg.: HaushaltsSteuerung.de
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