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Staatsverschuldung und Staatsdefizit von Island
Staatsverschuldung und Staatsdefizit von Island
13. Mai 2016 |
Autor: Andreas Burth
Island ist zwar Mitglied des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR), es handelt sich jedoch nicht um einen Mitgliedsstaat der
Europäischen Union (EU). Der im Norden Europas gelegene Inselstaat zählte über einige Jahre zu den EU-Beitrittskandidaten.
Der im Jahr 2009 eingereichte Beitrittsantrag wurde allerdings im Jahr 2015 wieder zurückgezogen. Mit 329.100 Einwohnern zum
1.1.2015 ist Island einer der kleinsten europäischen Staaten. Auf Deutschland übertragen entspricht die Bevölkerungszahl
Islands in etwa der eines größeren Landkreises (z.B. Landkreis Heilbronn mit 329.500 Einwohnern zum 31.12.2014). Vergleichsweise
groß fällt mit rund 103.000 Quadratkilometern die Landfläche Islands aus. Island ist damit flächenmäßig etwas kleiner als die
beiden süddeutschen Bundesländer Baden-Württemberg (etwa 35.750 Quadratkilometer) und Bayern (etwa 70.550 Quadratkilometer)
zusammen. Island ist folglich als ein relativ dünn besiedeltes Land einzustufen.
Aus ökonomischem Blickwinkel wurde Island im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise ab 2008 eine größere mediale Aufmerksamkeit
zuteil. So kam es Ende 2008 aufgrund der Krise zu finanziellen Schwierigkeiten in den drei größten Banken Islands (Landsbanki,
Glitnir und Kaupthing), die in der Folge verstaatlicht wurden. Die Krisenjahre hinterließen auch im Staatshaushalt von Island
deutliche Spuren.
Der vorliegende Beitrag zielt darauf ab, die Entwicklung der Staatsschulden, der Staatseinnahmen und -ausgaben sowie des
Staatsüberschusses bzw. -defizits in den Jahren ab 2000 zu untersuchen. Dabei wird auch betrachtet, welche Auswirkungen die zuvor kurz
skizzierte Krise auf die Staatsfinanzen Islands hatte.
Überblick:
- Methodische Anmerkungen
- Entwicklung der Staatsverschuldung
- Entwicklung der Staatseinnahmen und Staatsausgaben
- Entwicklung des Überschusses bzw. Defizits
- Weitere Informationen
Methodische Anmerkungen
Datengrundlage der Schuldendaten dieses Beitrags ist die AMECO-Datenbank der Europäischen Kommission. Die Datenbank enthält neben
Zahlen zu den 28 EU-Mitgliedsstaaten auch Werte für andere europäische Staaten, wie z.B. Island. Die AMECO-Datenbank umfasst derzeit i.d.R.
statistische Daten für die Jahre bis 2015 und Prognosedaten für die Jahre 2016 und 2017. Die Prognosedaten werden von der
Generaldirektion für Wirtschaft und Finanzen (GD ECFIN) im Auftrag der Europäischen Kommission berechnet. Der Prognosecharakter
der Werte für die Jahre 2016 und 2017 ist bei der Interpretation der hier berichteten Schuldenstände zu berücksichtigen.
Die verwendete Abgrenzung der Staatsverschuldung ist der
konsolidierte Bruttoschuldenstand des gesamten
Sektors Staat auf Basis des
Europäischen Systems Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen 2010 (ESVG 2010). Der Sektor Staat ist die Summe der
Kern- und
Extrahaushalte
von Bund/Zentralstaat, Gliedstaaten (sofern vorhanden), Kommunen und Sozialversicherung.
Der konsolidierte Bruttoschuldenstand wird auch im Kontext der Vorgaben des Maastricht-Vertrags berechnet. Insbesondere für Staaten
wie Island, die nicht in der EU liegen, ist allerdings darauf hinzuweisen, dass hier methodische Brüche in der Datenüberleitung vorliegen
können. Es ist davon auszugehen, dass in Island andere Systematiken zur Bestimmung der Staatsschulden bzw. zur Abgrenzung öffentlicher
Einheiten verwendet werden. Hieraus können sich für Island einzelne Unschärfen ergeben, die sich in ihrer Summe nicht notwendigerweise
gegenseitig ausgleichen. Das Ausmaß dieser Unschärfen ist im Falle Islands für Externe jedoch kaum zu quantifizieren, weshalb Vergleiche
mit den 28 EU-Staaten von verminderter Aussagekraft sein können. Dies gilt es bei der Interpretation der Schuldendaten Islands zu beachten.
Zur Bestimmung der Höhe der Staatseinahmen, Staatsausgaben und des Staatsüberschusses/Staatsdefizits von Island ist in Ergänzung
zur AMECO-Datenbank auf Eurostat-Statistiken zurückgegriffen worden. Darin sind jedoch nur Daten bis einschließlich 2015 enthalten
(jeweils statistische Daten). Die Größen Staatseinahmen, Staatsausgaben und Staatsüberschuss/Staatsdefizit basieren ebenfalls auf
dem ESVG 2010, wenngleich auch hier einzelne Unschärfen bestehen können (siehe oben).
Islands Währung ist die Isländische Krone (Abkürzung: ISK). Mitte Mai 2016 erhielt man für eine Isländische Krone etwa 0,007 Euro.
Demnach entsprach ein Euro rund 140 Isländischen Kronen.
Entwicklung der Staatsverschuldung
Bis einschließlich 2007 handelte es sich bei Island um einen eher gering verschuldeten Staat. Mit Schulden in Höhe von 27,3 Prozent des nominalen
Bruttoinlandsprodukts (BIP)
konnten die Staatsfinanzen als solide eingestuft werden. Mit dem Einbruch der Krise änderte sich die Finanzlage jedoch
erheblich. Bis 2011 stieg die
Schuldenquote auf 95,1 Prozent des nominalen BIP an. In den Folgejahren konnte die Schuldenquote
wieder reduziert werden. Zum 31.12.2015 beläuft sich die Verschuldung auf 66,2 Prozent des
nominalen BIP. Für die kommenden Jahre wird eine weitere Verbesserung der Schuldenquote prognostiziert. Ende 2017 soll die
Verschuldung noch eine Höhe von 50,8 Prozent des nominalen BIP haben.
Die oben beschriebene Schuldenentwicklung zeigt sich auch anhand der absoluten Zahlen. Ende des Jahres 2007 war Island noch mit
372,8 Mrd. Isländischen Kronen verschuldet. Bis zum Höchststand der absoluten Schuldenhöhe im Jahr 2012 (1.645,9 Mrd. Isländische
Kronen) war indes ein Abstieg um 341,5 Prozent festzustellen. In den Folgejahren sank der Schuldenstand tendenziell ab (auf
1.461,0 Mrd. Isländische Kronen Ende 2015). Der absolute Schuldenabbau fällt jedoch weniger deutlich aus als bei der Schuldenquote
in Abbildung 1. Dies lässt auf eine (nominal) wachsende Volkswirtschaft schließen. Für das Jahr 2017 wird eine Verschuldung in Höhe
von 1.259,7 Mrd. Isländischen Kronen prognostiziert.
Entwicklung der Staatseinnahmen und Staatsausgaben
Abbildung 3 zeigt die zeitliche Entwicklung der Staatseinnahmen und Staatsausgaben in Prozent des nominalen BIP.
Die oben beschriebene Krise schlug sich auch in den Staatseinnahmen und Staatsausgaben nieder. So sanken die Staatseinnahmen
von 45,9 Prozent des nominalen BIP im Jahr 2007 auf 38,8 Prozent des nominalen BIP im Jahr 2009. Demgegenüber stiegen die Staatsausgaben von 41,0 Prozent des
nominalen BIP im Jahr 2007 sprunghaft auf 55,7 Prozent des nominalen BIP im Jahr 2008 an. Auch die Jahre 2009 und 2010 waren mit
48,5 bzw. 49,4 Prozent des nominalen BIP durch überdurchschnittlich hohe Staatsausgaben geprägt. In Folgejahren "normalisierte" sich die Einnahme-
und Ausgabesituation indes wieder.
Neben den Werten im Verhältnis zur Wirtschaftskraft ist auch die Entwicklung der absoluten Einnahme- und Ausgabeniveaus relevant. Sie werden in
Abbildung 4 dargestellt. Anhand der absoluten Werte wird ebenfalls deutlich, dass sich die Staatsfinanzen Islands in den letzten
Jahren wieder erholt haben. Im Jahr 2015 belaufen sich die Staatseinnahmen auf 931,1 Mrd. Isländische Kronen und die
Staatsausgaben auf 941,9 Mrd. Isländische Kronen.
Entwicklung des Überschusses bzw. Defizits
Die Abbildungen 5 und 6 zeigen den Finanzierungssaldo (Finanzierungsüberschuss oder Finanzierungsdefizit) für die Jahre 2000 bis
2015. Der Finanzierungssaldo ist die Differenz aus den Staatseinnahmen und den Staatsausgaben. Zu beachten ist, dass der
Finanzierungssaldo und die Schuldenstandsveränderung eines Jahres nicht identisch abgegrenzt sind. So gibt es beispielsweise
Vorgänge, die die Verschuldung erhöhen/senken, jedoch den Finanzierungssaldo unberührt lassen. Dies ist bei der Interpretation
der Verschuldungshöhe in den Abbildungen 1 und 2 in Kombination mit dem Finanzierungssaldo in den Abbildungen 5 und 6 zu beachten.
Im Verhältnis zur Wirtschaftskraft verzeichnete Island in den Jahren vor der Krise deutliche Überschüsse. Diese wandelten sich
indes mit Ausbruch der Krise in erhebliche Defizite. Das höchste Defizit ist dem Jahr 2008 zuzurechnen (-13,1 Prozent des nominalen
BIP). In den Folgejahren war in der Tendenz ein Abbau des Defizits zu beobachten. Für das Jahr 2014 konnte der Finanzierungssaldo
nahezu wieder ausgeglichen werden (-0,1 Prozent des nominalen BIP). Im Jahr 2015 liegt der Finanzierungssaldo bei -0,5 Prozent
des nominalen BIP.
Abbildung 6 stellt in Ergänzung zu Abbildung 5 die Entwicklung der absoluten Höhe des Überschusses bzw. Defizits des isländischen
Staates im Zeitablauf dar. Der Finanzierungssaldo konnte demnach von -202,4 Mrd. Isländische Kronen im Jahr 2008 auf -10,7 Mrd.
Isländische Kronen im Jahr 2015 verbessert werden.
Weitere Informationen
Ergänzende Analysen zu den öffentlichen Finanzen anderer europäischer Nationen können beispielsweise über untenstehende
Links abgerufen werden.
» Schuldenuhren der EU-Mitgliedsstaaten
Hrsg.: HaushaltsSteuerung.de
» Staatsverschuldung in der EU
Hrsg.: HaushaltsSteuerung.de
» Entwicklung der Staatsverschuldung von Mazedonien, Blog-Eintrag vom 13. Mai 2016
Autor: Andreas Burth
» Entwicklung der Staatsverschuldung von Albanien, Blog-Eintrag vom 12. Mai 2016
Autor: Andreas Burth
» Entwicklung der Staatsverschuldung von Serbien, Blog-Eintrag vom 11. Mai 2016
Autor: Andreas Burth
» Entwicklung der Staatsverschuldung von Montenegro, Blog-Eintrag vom 11. Mai 2016
Autor: Andreas Burth
» Staatsfinanzen der Schweiz: Einnahmen, Ausgaben und Defizit/Überschuss im Zeitvergleich, Blog-Eintrag vom 25. April 2016
Autor: Andreas Burth
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