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Zur Bedeutung öffentlicher Unternehmen
Zur Bedeutung öffentlicher Unternehmen
13. November 2016 |
Autor: Andreas Burth
Bund, Länder und Kommunen können ihre Aufgaben in der Kernverwaltung wahrnehmen. Darüber hinaus haben sie die Möglichkeit,
öffentliche Unternehmen
zu gründen und diese mit der Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben zu betrauen. Der Bund,
die 16 Länder und die rund 12.000 Kommunen machen in unterschiedlichem Ausmaß von dieser Möglichkeit Gebrauch. Insgesamt
hatten Bund, Länder und Kommunen zum 31.12.2013 15.314 öffentliche Unternehmen (8.950 hiervon in der Rechtsform der GmbH).
Auf kommunaler Ebene werden tendenziell von größeren Kommunen (z.B. kreisfreie Städte) mehr Aufgaben auf kommunale Unternehmen
ausgelagert als in kleineren Kommunen. Die Unterschiede im Auslagerungsgrad kommunaler Aufgaben erschweren interkommunale
Vergleiche von Finanzkennzahlen (z.B. Schuldenstand). Die Vergleichbarkeit ist umso besser, je vollständiger die Finanzwirtschaft
der kommunalen Unternehmen in den Finanzkennzahlenvergleich einbezogen wird. Dies gilt im Grundsatz analog auch für die Länder.
Daten zum Auslagerungsgrad einzelner Gebietskörperschaften sind statistisch häufig nur eingeschränkt zugänglich. Allerdings erlaubt
es die Statistik, relativ umfangreiche Analysen für den Bund, die Gesamtheit der Länder und die Gesamtheit der Kommunen der
Flächenländer durchzuführen. Vor diesem Hintergrund zielt der vorliegende Beitrag darauf ab, für Bund, Länder und Kommunen
das Ausmaß der Aufgabenverlagerung auf öffentliche Unternehmen kennzahlenbasiert zu untersuchen. Hierbei werden jeweils die
Kennzahlausprägungen für die
Kernhaushalte den Kennzahlausprägungen für die öffentlichen Unternehmen gegenübergestellt.
Überblick:
- Allgemeine Vorbemerkungen, Begriffe und Kennzahlen
- Unternehmen des Bundes
- Unternehmen der Länder
- Unternehmen der Kommunen
- Fazit
- Weitere Informationen
Allgemeine Vorbemerkungen, Begriffe und Kennzahlen
Die zu Analysezwecken verwendeten Daten sind dem Statistischen Bundesamt entnommen worden. Die genauen Quellen sind jeweils
unter den Tabellen und Abbildungen aufgeführt. Bei allen Zahlen handelte es sich um die aktuellsten Zahlen, die zum Zeitpunkt der Abfassung
dieses Beitrags verfügbar waren. Dies ist zumeist das Jahr 2015. In einzelnen Fällen wird auch auf Daten aus dem Jahr 2013
oder 2014 zurückgegriffen, da noch keine neueren Werte abrufbar waren. Untersucht werden in diesem Beitrag nur Bund, Länder
und Kommunen. Die gesetzlichen Sozialversicherungsträger (inkl. Bundesagentur für Arbeit) bleiben demnach außen vor.
In den Tabellen 3 bis 8 sowie in den Abbildungen 1 und 2 dieses Beitrags werden eine Reihe von Fachbegriffen und Kennzahlen genutzt. Wichtige Fachbegriffe
werden in Tabelle 1 kurz erläutert. Tabelle 2 geht auf die verwendeten Kennzahlen ein.
Tabelle 2 enthält kurze Definitionen der Kennzahlen, die zum Vergleich von Kernhaushalten und öffentlichen Unternehmen genutzt
werden. Generell ist versucht worden, Kernhaushalte und öffentliche Unternehmen auf Basis möglichst gut vergleichbarer
Kennzahlen zu untersuchen. Zumeist sind direkte Vergleiche auch möglich, da dieselbe Kenngröße verwendet wird. In einigen
Bereichen ist diese Vergleichbarkeit jedoch nicht oder nur eingeschränkt gegeben. Diese Vergleiche vermitteln ungeachtet ihrer
Einschränkungen jedoch zumindest ein grobes Gefühl für die Größenordnung der jeweiligen Finanzvolumina.
Beispielsweise können aus Gründen der Datenverfügbarkeit beim Investitionsvolumen mit den Kennzahlen "Sachinvestitionen" und
"Zugang an Sachanlagen" keine identischen Kenngrößen verwendet werden. Sie bilden jedoch inhaltlich sehr ähnliche Konstrukte
ab. Ferner werden beim Investitionsvolumen aus Gründen der Datenverfügbarkeit verschiedene Jahre betrachtet (2013 vs. 2015).
Auch aus dieser zeitlichen Komponente resultieren Limitationen in der Vergleichbarkeit.
Ein weiteres Beispiel ist das jährliche Finanzvolumen, bei dem ebenfalls liegt keine direkte Vergleichbarkeit vorliegt. Dies
liegt zum einen an der Betrachtung unterschiedlicher Jahre (2013 vs. 2015), was sich erneut durch die Datenverfügbarkeit
begründet. Zum anderen sind die bereinigten Einnahmen/Ausgaben nicht synonym zu den Erträgen/Aufwendungen.
Hinsichtlich der Daten der öffentlichen Unternehmen zu den vier Kennzahlen "Anzahl", "Erträge", "Aufwendungen" sowie "Zugang an Sachanlagen" sei zudem darauf
hingewiesen, dass hier aus Gründen der Datenverfügbarkeit nur die kaufmännisch buchenden Unternehmen
erfasst sind. Hinzu kämen folglich noch die zu diesen vier Kennzahlen nicht abrufbaren Daten der kameral buchenden
Unternehmen. Nach Auskunft des Statistischen Bundesamtes wird ein Unternehmen in der Statistik als "kaufmännisch buchend" kategorisiert, wenn es nach
Eigenbetriebsrecht, Landeshaushaltsrecht, HGB, KHBV, PBV, IAS/IFRS oder sonstiger kaufmännischer Systematik (z.B. SVRV) Rechnung legt.
Bitte beachten Sie die zuvor beschriebene Limitation bei der Interpretation der besagten vier Kennzahlen.
Unternehmen des Bundes
In der Gesamtbetrachtung ist für den Bund festzustellen, dass der Bund den
überwiegenden Teil seiner Aufgaben noch im Kernhaushalt wahrnimmt. Gleichwohl sind die absoluten Volumina der Unternehmen des Bundes ebenfalls
hoch. Die Zahlen zu den Bundesunternehmen verdeutlichen, dass für eine vollständige Beurteilung der Bundesfinanzen neben den
Finanzen des Bundeskernhaushalts auch die Finanzen der Bundesunternehmen zu untersuchen sind.
Insgesamt entfallen 38,59 Prozent der Beschäftigten im Bundesbereich auf die Unternehmen des Bundes. Besonders hohe
Ausgliederungsquoten finden sich in den Aufgabenbereichen "Energie- und Wasserwirtschaft, Gewerbe, Dienstleistungen"
sowie "Verkehrs- und Nachrichtenwesen". Der Aufgabenbereich "Allgemeine Dienste" fällt demgegenüber fast ausschließlich
in den Bundeskernhaushalt.
Unternehmen der Länder
Für die meisten Kennzahlen ist bei den Ländern zu beobachten,
dass die Kernhaushalte höhere Kennzahlausprägungen aufweisen. Allerdings sind auch für die Unternehmen der Länder hohe
absolute Werte festzustellen. Hieran wird deutlich, dass es auf Landesebene ebenfalls relevant ist, neben den Landeskernhaushalten
die Unternehmen der Länder in Finanzkennzahlenvergleiche einzubeziehen.
Im Landesbereich sind 31,02 Prozent der Beschäftigten den Landesunternehmen zuzurechnen. Hohe Ausgliederungsquoten finden
sich z.B. in den Aufgabenbereichen "Gesundheit, Umwelt, Sport und Erholung", "Energie- und Wasserwirtschaft, Gewerbe,
Dienstleistungen" und "Verkehrs- und Nachrichtenwesen". Im Aufgabenbereich "Bildungswesen, Wissenschaft, Forschung,
Kulturelle Angelegenheiten" überwiegen die Beschäftigten in den Kernhaushalten, wenngleich auch hohe absolute Fallzahlen in den
Landesunternehmen zu beobachten sind. Wie schon bei Bund ist der Bereich "Allgemeine Dienste" sehr stark durch die
Kernhaushalte geprägt.
Im Vergleich der Länder ist der Auslagerungsgrad keineswegs homogen. Erste Anhaltspunkte zum Ausmaß der Heterogenität gibt
der Ländervergleich in Abbildung 1. Der Ländervergleich enthält Daten zur Höhe der Pro-Kopf-Verschuldung der Länder zum
31.12.2015 (hier:
Schulden beim öffentlichen Bereich und
Schulden beim nicht-öffentlichen Bereich), wobei zwischen den
Schulden der Kernhaushalte der Länder und den Schulden der Unternehmen der Länder differenziert wird.
Aus Abbildung 1 ist ersichtlich, dass die Stadtstaaten tendenziell mehr Schulden in öffentlichen Unternehmen haben als die
Flächenländer. Ein Grund dürfte der Umstand sein, dass Stadtstaaten neben Landesaufgaben auch die kompletten kommunalen
Aufgaben selbst wahrnehmen. Mit dem umfangreicheren Aufgabenportfolio steigen auch die Möglichkeiten zur Gründung
öffentlicher Unternehmen.
Unternehmen der Kommunen
Die Kernhaushalte der Kommunen und die kommunalen Unternehmen erreichen bei vielen Kennzahlen gleichsam hohe absolute Größenordnungen.
Bei einigen Kennzahlen überwiegen die kommunalen Kernhaushalte, bei anderen die kommunalen Unternehmen. In der Tendenz fallen
die Werte der kommunalen Unternehmen etwas höher aus (eine Ausnahme sind z.B. die Beschäftigtenzahlen). Hieran wird erkennbar,
dass es gerade für kommunale Finanzkennzahlanalysen wichtig ist, auch die kommunalen Unternehmen zu berücksichtigen.
Interkommunale Vergleiche auf Basis von reinen Kernhaushaltszahlen können zu verzerrten Ergebnissen führen.
Mit einer Auslagerungsquote von 49,76 Prozent halten sich die Kernhaushalte der Kommunen und die kommunalen Unternehmen bei
den Beschäftigtenzahlen nahezu genau in der Waage. Sehr hohe Auslagerungsquoten sind in den Aufgabenbereichen "Gesundheit
und Sport" sowie "Ver- und Entsorgung" zu beobachten. Die geringsten Auslagerungsquoten sind den Aufgabenbereichen "Sicherheit
und Ordnung", "Schulträgeraufgaben" sowie "Innere Verwaltung" zuzurechnen.
Wie zuvor bei den Ländern ist auch zwischen den Kommunen keineswegs ein homogener Grad der Auslagerung kommunaler Aufgaben
festzustellen. Während einige Kommunen einen sehr großen Teil ihrer Aufgaben ausgegliedert haben, erfüllen andere Kommunen
alle ihre Aufgaben über die Kernverwaltung. Aktuelle einzelkommunale Daten zum Auslagerungsgrad sind nicht für alle Kommunen
in Deutschland verfügbar. Möglich ist jedoch - analog zu den 16 Ländern in Abbildung 1 - ein Ländervergleich zur
Pro-Kopf-Verschuldung zum 31.12.2015 (hier: Schulden beim öffentlichen Bereich und Schulden beim nicht-öffentlichen Bereich).
Besonders hoch ist die ausgegliederte Pro-Kopf-Verschuldung z.B. in den Kommunen Baden-Württembergs. Relativ niedrig fällt
sie demgegenüber beispielsweise in den Kommunen Schleswig-Holsteins aus.
Fazit
Bund, Länder und Kommunen haben einen Teil ihrer Aufgaben auf öffentliche Unternehmen verlagert. Während der ausgelagerte
Anteil bei einigen Gebietskörperschaften niedriger ausfällt, ist er in anderen merklich höher. Besonders stark ist der
Auslagerungstrend auf kommunaler Ebene ausgeprägt.
Es ist im vorstehenden Beitrag deutlich geworden, dass es nicht ausreicht, den Kernhaushalt einer Gebietskörperschaft zu
untersuchen, um deren Finanzlage zu beurteilen. Vielmehr sind für ein vollständiges Bild und insbesondere für aussagekräftige
Vergleiche auch die Finanzen der öffentlichen Unternehmen zu berücksichtigen.
Einige statistische Publikationen ermöglichen bei einzelnen Kennzahlen (z.B. Schuldenstand) eine Addition von Kernhaushalt(en) und
öffentlichen Unternehmen. Bereits hierdurch kann die Analyse auf eine verbesserte Datengrundlage gestellt werden. Gleichwohl
ist zu berücksichtigen, dass die reine Addition von Finanzdaten zu Doppelzählungen führen kann. Im Idealfall sollten die Finanzen
des Kernhaushalts daher mit den Finanzen der öffentlichen Unternehmen
konsolidiert werden. Hierzu braucht es allerdings die
Doppik und insbesondere den doppischen
Gesamt-/Konzernabschluss. Der Bund, die Mehrzahl der Länder (Ausnahmen: Hamburg und
Hessen) sowie ein Teil der Kommune (v.a. in Baden-Württemberg, Bayern, Schleswig-Holstein und Thüringen) nutzen jedoch
weiterhin die
Kameralistik
oder nur Rudimente der Doppik. Die Kameralistik sieht keine solchen Gesamt-/Konzernabschlüsse vor.
Die Finanzstatistik hat ebenfalls noch kameralen Charakter.
Von dem aktuell laufenden
EPSAS-Projekt
der EU könnte allerdings auf absehbare Zeit die Initialzündung für eine doppische Finanzstatistik
und ein EU-weit harmonisiertes öffentliches Rechnungswesen auf doppischer Basis ausgehen. Es bleibt in diesem
Sinne spannend, das Projekt weiterhin zu verfolgen.
» EPSAS.eu
Autoren: Andreas Burth, Dennis Hilgers
Weitere Informationen
Weiterführende Informationen zur Steuerung öffentlicher Unternehmen können Sie über folgende Seiten abrufen.
» Blog-Einträge zum Thema "Beteiligungs- und Konzernsteuerung"
Hrsg.: HaushaltsSteuerung.de
» Linksammmlung zu Gesamt-/Konzernabschlüssen
Hrsg.: HaushaltsSteuerung.de
» Linksammlung zu Gesamtabschluss-Richtlinien
Hrsg.: HaushaltsSteuerung.de
» Linksammlung zu Beteiligungsrichtlinien und Public Corporate Governance Kodizes
Hrsg.: HaushaltsSteuerung.de
» Linksammlung zu Beteiligungsberichten
Hrsg.: HaushaltsSteuerung.de
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