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HaushaltsSteuerung.de » Weblog » Zur Bestimmung und Analyse der öffentlichen Schulden

Zur Bestimmung und Analyse der öffentlichen Schulden
16. April 2015  |  Autor: Andreas Burth



Sofern in den Medien über öffentliche Finanzen berichtet wird, ist der Stand der öffentlichen Schulden sehr häufig Gegenstand der Berichterstattung. Dabei wird regelmäßig suggeriert, es gäbe den einen Schuldenstand. Tatsächlich gibt es diesen jedoch nicht. Es kommt vielmehr stets auf die Abgrenzung an. Abhängig von der verwendeten Abgrenzung ergeben sich für die gleiche öffentliche Einheit zum selben Stichtag erheblich abweichende Schuldenstände. Es gibt zahllose Faktoren, die die Höhe der Verschuldung beeinflussen. Aus diesem Grund ist es wichtig, bei der Darstellung des Schuldenstandes immer auch deutlich zu machen, welche Abgrenzung der öffentlichen Verschuldung verwendet worden ist.

Der vorliegende Beitrag zielt darauf ab, wichtige Faktoren darzustellen, die die Höhe des Schuldenstandes determinieren. Auf diese Faktoren ist zu achten ist, wenn der Schuldenstand einer einzelnen öffentlichen Körperschaft, einer Gruppe von Körperschaften oder der Gesamtheit aller Körperschaften berichtet werden soll.

Überblick:
- Welche öffentlichen Einheiten werden einbezogen?
- Welche Schuldenarten werden einbezogen?
- Handelt es sich um Rechnungsdaten, Plandaten oder eine Mischung aus beiden?
- Wird eine Schuldenkonsolidierung vorgenommen oder werden die Schulden aufaddiert?
- Welches Datum bzw. welcher Zeitraum wird betrachtet?
- In welcher Form sind die Schulden angegeben?
- Wann sind staatsübergreifende Vergleiche durchführbar?
- Was ist bei Zeitvergleichen zu beachten?
- Wird das Finanzvermögen in Abzug gebracht?
- Welche Faktoren können zur Feinauswahl bei Körperschaftsvergleichen genutzt werden?
- Abschließende Anmerkungen
- Weitere Informationen



Welche öffentlichen Einheiten werden einbezogen?

Die erste Frage, die sich bei der Analyse von Schuldenständen stellt, ist, welche öffentliche Einheiten in die Untersuchung einbezogen werden. Infrage kommen zunächst allgemein die Kommunen (Städte/Gemeinden und Gemeindeverbände), die Gliedstaaten/Länder und der Bund/Zentralstaat. Gegenstand kann sowohl eine einzelne Körperschaft, eine Gruppe von Körperschaften oder die Gesamtheit der Körperschaften (Gesamtstaat) sein. Ferner können im weiteren Sinne auch
Parafisken als öffentliche Einheiten betrachtet werden und in die Bestimmung des Schuldenstands einbezogen werden. Zu den Parafisken zählen z.B. die Sozialversicherungsträger, die Kirchen und die Kammern (z.B. Handwerkskammern, Industrie- und Handelskammern). Die Sozialversicherungen werden häufig in den gesamtstaatlichen Schuldenstand einbezogen. Bei Kirchen, Kammern etc. ist dies zumeist nicht der Fall.

Aufbauend darauf ist in einem nächsten Schritt zu fragen, in welchem Maße ausgegliederte Einheiten (z.B. Abwasser GmbH, die zu 100% im Eigentum einer Stadt steht) in die Betrachtung integriert werden. So ist es denkbar, nur die Kernhaushalte, die Kernhaushalte und einen Teil der Auslagerungen oder die Kernhaushalte und "alle" Auslagerungen zusammen auszuweisen. Um ein möglichst hohes Maß an Vergleichbarkeit bei heterogenen Ausgliederungsgraden zu gewährleisten, bietet es sich an, möglichst viele Auslagerungen mit einzubeziehen. Die Statistiken des Statistischen Bundesamtes unterscheiden zwischen den Kernhaushalten auf der einen Seite und den Extrahaushalten und sonstigen FEUs (= Auslagerungen) auf der anderen Seite. Zu beachten ist hierbei allerdings, dass die Abgrenzungen der Auslagerungen im Zeitablauf häufiger überarbeitet/erweitert worden sind, was teilweise die Aussagekraft von Zeitvergleichen schmälert. Auch ist zu beachten, dass die Abgrenzungen der Begriffe nicht unbedingt zwischen den einzelnen Statistiken einheitlich sein müssen (z.B. Kassenstatistik vs. Schuldenstatistik). Hier sind die Methodik-PDFs der jeweiligen Statistik zu studieren, um methodische Feinheiten herauszuarbeiten.

Kategorisierung von Kernhaushalten, Extrahaushalten und sonstigen FEUs gemäß Schalenkonzept der Schuldenstatistik

Bei einzelnen Begriffen muss man auch darauf achten, wie der Verfasser sie interpretiert. So wird z.B. häufig von Kommunen gesprochen, faktisch angesprochen sind aber nur die Städte und Gemeinden oder nur die Städte, Gemeinden und Landkreise (ohne weitere Gemeindeverbände). Zu beachten sind in diesem Zusammenhang auch die im nationalen Ländervergleich oder auch im staatsübergreifenden Vergleich unterschiedlichen kommunalen Strukturen. So unterscheiden sich z.B. die kommunalen Strukturen in Nordrhein-Westfalen von den kommunalen Strukturen in Rheinland-Pfalz. In Rheinland-Pfalz gibt es beispielweise unterhalb der Kreisebene noch Verbandsgemeinden. Auch sind die kreisfreien Städte in Rheinland-Pfalz im Durchschnitt deutlich kleiner als die kreisfreien Städte in Nordrhein-Westfalen. Ebenso unterscheiden sich die deutschen Kommunalstrukturen von den Kommunalstrukturen z.B. der USA. So gibt es in den USA beispielsweise eigenständige School District Governments, die ebenfalls zur kommunalen Familie zu zählen sind.

Neben der kommunalen Ebene sind auch Besonderheiten auf der Ebene der Gliedstaaten zu beachten. So haben viele Staaten (z.B. 24 von 28 EU-Staaten) keine Gliedstaaten-Ebene, da sie zentralstaatlich aufgebaut sind. In der EU haben laut Eurostat-Statistik nur Belgien, Deutschland, Österreich und Spanien einen Staatsaufbau mit einer Gliedstaaten-Ebene. Ähnliche Strukturen haben z.B. auch die Schweiz (Kantone) und die USA (Bundesstaaten). Bei den einzelnen Gliedstaaten können ebenfalls besondere Merkmale gegeben sein. So gibt es z.B. in Deutschland (Berlin, Bremen, Hamburg) und in Österreich (Wien) einen Spezialfall der Gliedstaaten, die sog. Stadtstaaten. Diese Stadtstaaten nehmen neben Landesaufgaben auch kommunale Aufgaben wahr und sind damit sowohl ein Land als auch eine Kommune. Aus diesem Grund werden Stadtstaaten manchmal beim kommunalen Schuldenstand und manchmal beim Länderschuldenstand ausgewiesen. Im Falle Deutschlands ist es der Regelfall, dass die Schulden der Stadtstaaten zu den Schulden der Länder gezählt werden.



Welche Schuldenarten werden einbezogen?

Eine zentrale Determinante des Schuldenstandes ist der Umfang der einbezogenen
Schuldenarten. Dieser Umfang hängt zunächst vom zugrundeliegenden Rechnungsstil ab. Generell gilt dabei, dass ein kamerales System weniger Schuldenarten berichtet als ein doppisches System, wobei die kameralen Schulden i.d.R. in voller Höhe auch in der Doppik ausgewiesen werden (ggf. allerdings unter einer anderen Bezeichnung). Eine vollständige Abbildung des öffentlichen Schuldenstandes ermöglicht erst eine doppische Betrachtung. Die Statistiken von Eurostat und dem Statistischen Bundesamt haben noch kameralen Charakter. Abgebildet werden demzufolge nur die Geldschulden. Die sonstigen Verbindlichkeiten und die Rückstellungen, welche erst in der Doppik systematisch berichtet werden, fehlen.

Die neue Schuldenstatistik des Statischen Bundesamtes differenziert seit 2010 zwischen folgenden Schuldenarten: In der Kassenstatistik werden untenstehende Schuldenarten berichtet: Zum konsolidierten Bruttoschuldenstand nach Maastricht-Vertrag finden man Daten zu folgenden Schuldenarten:
  • Bargeld und Einlagen
  • Schuldverschreibungen
  • Kredite
In der Doppik wird unterschieden zwischen Verbindlichkeiten (inkl. Geldschulden) und Rückstellungen. Die weitere Untergliederung dieser beiden Schuldenarten kann sich im Detail unterscheiden. Die kommunale Doppik in Hessen kennt z.B. folgende Schuldenarten:
  • Rückstellungen
    • Rückstellungen für Pensionen und ähnliche Verpflichtungen
    • Rückstellungen für Umlageverpflichtungen nach dem Finanzausgleichsgesetz und für Verpflichtungen im Rahmen von Steuerschuldverhältnissen
    • Rückstellungen für die Rekultivierung und Nachsorge von Abfalldeponien
    • Rückstellungen für die Sanierung von Altlasten
    • sonstige Rückstellungen
  • Verbindlichkeiten
    • Verbindlichkeiten aus Anleihen
    • Verbindlichkeiten aus Kreditaufnahmen für Investitionen und Investitionsförderungsmaßnahmen
    • Verbindlichkeiten aus Kreditaufnahmen für die Liquiditätssicherung
    • Verbindlichkeiten aus kreditähnlichen Rechtsgeschäften
    • Verbindlichkeiten aus Zuweisungen und Zuschüssen, Transferleistungen, Investitionszuweisungen und -zuschüssen, Investitionsbeiträgen
    • Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen
    • Verbindlichkeiten aus Steuern und steuerähnlichen Abgaben
    • Verbindlichkeiten gegenüber verbundenen Unternehmen und gegen Unternehmen, mit denen ein Beteiligungsverhältnis besteht, und Sondervermögen
    • sonstige Verbindlichkeiten
Neben den oben beispielhaft dargestellten Schuldenarten-Systematiken gibt es noch weitere. Auf deren Vorstellung ist aus Gründen der Übersichtlichkeit verzichtet worden. Letztlich gilt es, bei Schuldenanalysen stets darauf zu achten, welche Schuldenarten konkret einbezogen werden und wie diese definiert sind.

Grundsätzlich gilt, dass nicht notwendigerweise alle verfügbaren Schuldenarten einer Systematik berichtet werden (müssen). Je nach Ziel der Analyse kann sich die Betrachtung z.B. auch auf eine einzelne Schuldenart begrenzen. Ein typisches Beispiel ist ein Vergleich der Kassenkreditbestände. Kassenkredite gelten als ein finanzieller Krisenindikator, da sie für laufende Ausgaben aufgenommen werden, nicht durch Vermögenswerte gedeckt sind und einem hohen Zinsänderungsrisiko unterliegen.

Da das doppische System in Deutschland noch relativ jung ist und vom Bund, vielen Ländern und einem Teil der Kommunen nicht genutzt wird, basieren die meisten in den Medien diskutierten Schuldenstände aus Gründen der Datenverfügbarkeit noch auf einer kameralen Systematik. Folge ist allerdings auch, dass diese Schuldenstände regelmäßig zu gering berichtet werden, da die Kameralistik nur einen Ausschnitt der öffentlichen Verschuldung abzubilden vermag. Insbesondere die ungewissen Verbindlichkeiten (sog. Rückstellungen, z.B. für Pensionen) fehlen gänzlich. Falls möglich, sollte daher stets auf doppische Schuldenstände zurückgegriffen werden.

Öffentliche Einheiten sind nicht nur beim nicht-öffentlichen Bereich (z.B. Kreditinstitute) verschuldet. So kann z.B. eine Kommune auch einen Kredit beim Land aufgenommen haben. Inwieweit derartige "staatsinterne" Schulden in den Schuldenstand integriert werden, ist ebenfalls eine Frage, die die Höhe des Schuldenstandes beeinflusst. In vielen Betrachtungen werden Schulden dieser Art nicht einbezogen. Dies gilt v.a. bei Schuldenständen für hohe Aggregationsebenen (z.B. Gesamtstaat), da sich Schulden und Forderungen hier direkt aufwiegen. Auf niedrigeren Ebenen erscheint es im Gegensatz dazu durchaus angebracht, auch Schulden bei anderen öffentlichen Einheiten zu integrieren, da das korrespondierende Vermögen nicht beim Betrachtungsgegenstand liegt.

Zusätzlich zu den Verbindlichkeiten und Rückstellungen können auch Eventualverbindlichkeiten (z.B. Bürgschaften) Berücksichtigung finden. In den meisten Abgrenzungen werden diese nicht zum Schuldenstand gezählt oder separat berichtet.

Es ist des Weiteren darauf hinzuweisen, dass für den gleichen Sachverhalt nicht notwendigerweise dieselben Begriffe genutzt werden. Ein klassisches Beispiel sind die Kassenkredite, die teilweise auch als Kredite zur Liquiditätssicherung, Kassenverstärkungskredite, Liquiditätskredite etc. bezeichnet werden. Manchmal werden dieselben Begriffe auch inhaltlich anders verwendet. So weist z.B. die Kassenstatistik einige Schulden bei den Kassenkrediten aus, die in der Schuldenstatistik in Teilen bei den (kurzfristigen) Wertpapierschulden und Krediten beim nicht-öffentlichen Bereich berichtet werden. Im Falle des Landes Nordrhein-Westfalen führte dies z.B. im Jahr 2014 zu einem Unterschiedsbetrag im zweistelligen Milliardenbereich.



Handelt es sich um Rechnungsdaten, Plandaten oder eine Mischung aus beiden?

Allgemein gilt, dass man sich bei Schuldenanalysen auf möglichst valide Daten stützen will. Konkret sind dies Rechnungsdaten, d.h. Ist-Daten. Rechnungsdaten haben jedoch ein Problem: Sie werden meist erst mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung veröffentlicht. Plandaten liegen demgegenüber häufig bereits sehr früh vor. Schuldenuhren basieren z.B. regelmäßig auf Plandaten. Das Problem der Plandaten besteht wiederum darin, dass sie von den tatsächlichen Ist-Werten sehr deutlich abweichen können. Schuldenanalysen stehen demzufolge in einem Spannungsfeld zwischen Validität und Aktualität der Daten.

Beispiele für Plandaten zur Verschuldung sind Planbilanzen (sofern diese aufgestellt werden), die Berichterstattung der EU-Mitgliedsstaaten an Eurostat im Rahmen des Verfahrens bei übermäßigem Defizit (VÜD) und entsprechende Planungen im jährlichen
Haushaltsplan. Ist-Daten finden sich z.B. in Haushalts- und Jahresrechnungen, Jahresabschlüssen und Gesamt- bzw. Konzernabschlüssen. Auch bei der Schuldenstatistik handelt es sich weitgehend um Ist-Daten, wobei nachträgliche Korrekturen vorkommen werden können. Nicht zuletzt gibt es auch Veröffentlichungen, die sich teilweise auf Ist-Daten und teilweise auf vorläufige Ist-Daten stützen. Ein Beispiel ist die Kassenstatistik des Statistischen Bundesamtes. Auch in der VÜD-Berichterstattung der EU-Mitgliedsstaaten an Eurostat finden sich für die vergangenen Jahre Schuldendaten, die nur teilweise final sind.



Wird eine Schuldenkonsolidierung vorgenommen oder werden die Schulden aufaddiert?

Werden die Schulden mehrerer öffentlicher Einheiten zusammengefasst, stellt sich die Frage, ob die Schulden schlicht aufaddiert werden oder ob eine
Konsolidierung erfolgt. In der Praxis sind beide Vorgehensweise anzutreffen.

Die Bestimmung des Schuldenstandes nach Maastricht-Vertrag verlangt eine Konsolidierung der Verschuldung. Konkret werden diejenigen Verbindlichkeiten aus der Berechnung eliminiert, deren entsprechende finanzielle Aktiva von den Teilsektoren des Sektors Staat gehalten werden.

Auch der doppische Gesamt- bzw. Konzernabschluss sieht eine Schuldenkonsolidierung vor. Zwar erfolgt auch bei der Gesamt- bzw. Konzernabschlusserstellung im Rahmen der Summenbilanz ein Aufaddieren der Schulden der einzelnen Einheiten. Die Summenbilanz ist allerdings nur ein Zwischenschritt. Die eigentliche Schuldenkonsolidierung baut darauf auf, indem die zwischen verschiedenen Konzerneinheiten bestehenden Forderungen und korrespondierenden Verbindlichkeiten aufgerechnet werden. Die Konsolidierungsvorschriften können sich im Detail unterscheiden (z.B. aus Vereinfachungsgründen).



Welches Datum bzw. welcher Zeitraum wird betrachtet?

Es mag zunächst trivial erscheinen, dass es relevant ist, welches Datum (Schuldenstand als Bestandsgröße) bzw. welcher Zeitraum (Schuldenstandsveränderung als Stromgröße) herangezogen wird. Allerdings können gerade bei kurzfristigen Schulden, wie den Kassenkrediten, wenige Tage einen großen Unterschied im Schuldenstand ausmachen.

Am häufigsten wird als Stichtag für den Stand der Verschuldung der 31.12. des jeweiligen Jahres genutzt. Ebenfalls regelmäßig anzutreffen sind Schuldenstände zum Quartalsende (31.3., 30.6., 30.9., 31.12.). Möglich sind z.B. auch Mittelwerte aus den Schuldenständen mehrerer Stichtage. Gerade bei schwankungsanfälligen Schuldenarten (z.B. Kassenkredite) kann die Bildung eines Mittelwerts Hinweise zum Ausmaß ihrer Inanspruchnahme liefern.



In welcher Form sind die Schulden angegeben?

Unabhängig von den verschiedenen Methoden der Bestimmung der Höhe der öffentlichen Schulden gibt es auch Unterschiede in deren Angabe. Der klassische Fall ist die Angabe in absoluten Werten (i.d.R. in der Landeswährung, d.h. in Deutschland in Euro; bei internationalen Vergleichen auch in US-Dollar). Daneben gibt es aber auch noch viele weitere Möglichkeiten. Dies sind z.B.:
Auch hier sind diverse Feinheiten zu beachten. So sollten die ins Verhältnis gesetzten Größen hinsichtlich ihrer jeweiligen Abgrenzung deckungsgleich sein (z.B. der Fall, wenn sowohl für die Schulden als auch für die Einnahmen die Abgrenzung des öffentlichen Gesamthaushalts gewählt wird). Dies gilt analog für das Bruttoinlandsprodukt, die Einwohnerzahlen usw. Wird der Schuldenstand ins Verhältnis zu einer Stromgröße gesetzt, wird bei der Stromgröße (z.B. Einnahmen, Bruttoinlandsprodukt) meist ein Zeitraum von einem Jahr herangezogen. Prinzipiell sind aber auch andere Zeiträume möglich (z.B. ein Quartal, zwei Jahre). Auch die Durchschnittsbildung mehrerer Einzelzeiträume ist denkbar. Wird der Schuldenstand ins Verhältnis zu einer anderen Bestandsgröße (z.B. Einwohnerzahl) gesetzt, sollten beide Stichtage so nah wie möglich beieinander liegen. Eine Deckungsgleichheit ist hier allerdings manchmal aufgrund von Limitationen in der Datenverfügbarkeit faktisch nicht umsetzbar. Bei den Einwohnerzahlen ist ein Hinweis einzufügen, auf welcher Zählung (z.B. Zensus 2011) die Daten fußen.

In der grafischen Darstellung (z.B. Balken- oder Säulendiagramm) gibt es verschiedene weitere Darstellungsvarianten. Hier bietet es sich z.B. an, die Balken oder Säulen zu unterteilen nach Schuldenarten, nach Kernhaushalt vs. Auslagerungen oder nach Teilsektoren/Ebenen (im Falle des Gesamtstaats: Bund/Zentralstaat, Gliedstaaten/Länder, Kommunen, Sozialversicherung).



Wann sind staatsübergreifende Vergleiche durchführbar?

Vielfach auf ein sehr hohes Interesse stoßen staatsübergreifende Vergleiche. So ist es zweifelsohne interessant, ob im Durchschnitt die deutschen oder die US-amerikanischen Kommunen höher verschuldet sind. In der Praxis ist die Durchführung derartiger Vergleiche jedoch häufig schwierig. Hintergrund sind diverse Vergleichbarkeitsprobleme, die auftreten können. Ein typischer Fall sind unterschiedliche Abgrenzungen der Verschuldung. Im Zweifelsfall sollte auf staatsübergreifende Vergleiche daher verzichtet werden, wenn nicht klar ist, wie groß die Unterschiede sind.

Die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union haben den Vorteil, dass die von den einzelnen öffentlichen Einheiten berichteten und von Eurostat publizierten Daten einer vergleichbaren Systematik, dem Europäischen System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen (ESVG), folgen. Dies erleichtert staatsübergreifende Vergleiche. Nichtsdestotrotz ist auch hier zu beachten, dass verschiedene weitere Faktoren die Vergleichbarkeit schmälern können. Bei kommunalen Schuldenvergleichen können dies z.B. unterschiedliche Kommunalstrukturen in Verbindung mit einem ungleichen Aufgabenportfolio sein. Schwierigkeiten können insbesondere bei Vergleichen von bundesstaatlich aufgebauten EU-Mitgliedern mit zentralstaatlich strukturierten EU-Mitgliedern gegeben sein. Ein Lösungsansatz besteht darin, keine Pro-Kopf-Vergleiche durchzuführen, sondern stattdessen den Schuldenstand ins Verhältnis zu den Einnahmen zu setzen. Hintergrund ist, dass die Einnahmen (neben den Ausgaben) ein Spiegelbild des Aufgabenportfolios sind.



Was ist bei Zeitvergleichen zu beachten?

Zeitvergleiche sind bei der Schuldenanalyse ein gerne genutztes Instrument. Die Nutzung von Zeitvergleichen ist allerdings weniger trivial als diese zunächst erscheinen mag. Im Falle der Nutzung von Statistiken ist zu beachten, dass die Statistiken im Zeitablauf immer wieder überarbeitet werden. Die Umstellungen können hierbei größer (z.B. Schuldenstatistik 2009 vs. Schuldenstatistik 2010) oder kleiner sein. Besonders schwierig kann sich das Springen zwischen mehreren Statistiken erweisen, da diese (trotz gleicher oder ähnlicher Begriffe) nicht notwendigerweise die gleichen Abgrenzungen nutzen. So kann es z.B. zu Problemen führen, wenn aufbauend auf einer Analyse der Schuldenstatistik für das aktuellste Jahr die Kassenstatistik genutzt wird (da die neue Schuldenstatistik noch nicht veröffentlicht worden ist).

Zeitvergleichsprobleme können indes nicht nur in der Statistik entstehen. So kann z.B. auch das
Haushaltsrecht ähnliche Effekte haben. Beispielhaft genannt sei die Umstellung von der Kameralistik auf die Doppik.

Wird lediglich eine einzelne Körperschafte (z.B. eine Stadt) im Zeitablauf untersucht, können einzelne Auslagerungen Zeitvergleiche stark verzerren. Wurden beispielsweise vormals die Aufgaben des Abwasser-Bereichs im Kernhaushalt erbracht und wird diese Aufgabe (inkl. der damit verbundenen Schulden) nun auf eine GmbH in 100%ig städtischem Eigentum übertragen, so werden Zeitvergleiche, die sich rein auf den Kernhaushalt beziehen, zu sprichwörtlichen "Äpfel-Birnen-Vergleichen".



Wird das Finanzvermögen in Abzug gebracht?

Öffentliche Schulden werden zumeist im Sinne der
Bruttoverschuldung berichtet, d.h. das Finanzvermögen oder das realisierbare Vermögen (für die es ebenfalls verschiedene Berechnungsverfahren gibt) wird i.d.R. nicht in Abzug gebracht. Nichtsdestotrotz werden derartige Netto-Berechnungen durchaus durchgeführt. Man spricht - in Abgrenzung zum Begriff der Bruttoverschuldung - in diesem Zusammenhang von der Nettoverschuldung (Schulden abzgl. Finanzvermögen bzw. realisierbares Vermögen). Das Vermögen wird manchmal auch als negative Staatsverschuldung bezeichnet - in Abgrenzung zur positiven Staatsverschuldung (= Schulden). Die Begriffe "positiv" und "negativ" sind hierbei nicht normativ/wertend zu verstehen. Vielmehr zeigt der Begriff "negativ" nur auf, dass es sich um das Gegenstück zur (positiven) Verschuldung handelt.

Problematisch ist im öffentlichen Sektor, die tatsächliche Umsetzung der Bestimmung des realisierbaren Vermögens. So ist z.B. beim Rathaus strittig, ob es zum realisierbaren Vermögen zu zählen ist oder zum nicht-realisierbaren Vermögen. Auch ist zu bedenken, dass nicht das ganze Vermögen, das als realisierbar kategorisiert worden ist, tatsächlich zur Schuldentilgung eingesetzt werden kann. So gibt es beispielsweise eiserne Kassenreserven, die zum Zweck der Sicherstellung der Zahlungsfähigkeit genutzt werden und daher nicht zur Schuldentilgung verwendet werden können. Auch ist Finanzvermögen teilweise anderweitig gebunden (z.B. Festgeld). Dies gilt analog für die Schulden, die nicht notwendigerweise unmittelbar tilgbar sind (sofern man Vorfälligkeitsentschädigungen vermeiden will).



Welche Faktoren können zur Feinauswahl bei Körperschaftsvergleichen genutzt werden?

Ein absoluter Schuldenstand von z.B. 100.000.000 Euro oder ein Pro-Kopf-Schuldenstand von z.B. 1.000 Euro je Einwohner ist zunächst nur beschränkt aussagekräftig. Aussagekraft erfahren Schuldenstände v.a. durch Vergleiche mit anderen oder mittels Durchführung eines Zeitvergleichs. Generell ist anzustreben, Vergleiche mit Körperschaften durchzuführen, die sich möglichst ähnlich sind (völlig identische Körperschaften können i.d.R. nicht identifiziert werden; dies ist allerdings auch nicht notwendig, da für ein "Lernen von anderen" ein hinreichend großer Grad an Ähnlichkeit ausreicht).

Zumeist kommt eine Kombination mehrerer Faktoren zum Einsatz. Denkbar sind beispielsweise:
  • Einwohnerzahl (vorgenommen wird i.d.R. eine Gliederung in Einwohner-Größenklassen (z.B. kreisangehörige Städte/Gemeinden mit 20.000 bis 29.999 Einwohnern))
  • Körperschaft-Typ (als ein Spiegelbild des Aufgabenportfolios)
    • Kommunaltypen: kreisfreie Städte, kreisangehörige Gemeinden, Landkreise etc.
    • Gliedstaat-Typen: Stadtstaaten, Flächenländer
  • Steuerkraft oder Ertrags-/Einnahmekraft
  • Auslagerungsgrad (gemessen an Einnahmen/Erträgen oder Schulden)
  • Fläche
  • Einwohnerdichte
  • Wirtschaftskraft (i.d.R. gemessen am nominalen Pro-Kopf-BIP)
  • Zentralörtliche Funktion (bei Städten/Gemeinden)
  • Bundesland-Zugehörigkeit (bei Kommunen)
  • Demographische Faktoren (z.B. Altersstruktur, Bevölkerungswachstum)


Abschließende Anmerkungen

Zusammenfassend ist festzustellen, dass es eine große Anzahl von Faktoren gibt, die bei der Bestimmung von Schuldenständen und der Durchführung von schuldenbasierten Analysen zu beachten sind. Auch der vorliegende Beitrag erhebt hier keinen Anspruch auf Vollständigkeit, d.h. es gibt über die genannten Punkte hinaus noch einige weitere Faktoren (z.B. Fragen der Schuldenbewertung, wie die Frage nach dem Zinssatz zur Diskontierung von Pensionsrückstellungen). In der Folge schleichen sich sehr schnell unbeabsichtigte methodische Fehler ein. Auch Finanzexperten sind davor keinesfalls gefeit. Manchmal lassen sich "Fehler" aufgrund von Limitationen in der Verfügbarkeit der Daten auch gar nicht vermeiden, d.h. mehr als ein Hinweis auf die bestehende Limitation ist nicht möglich, wenn man auf die Analyse nicht gänzlich verzichten will. In jedem Falle braucht es einige Zeit, bis man ein Gefühl für die Feinheiten von Schuldenanalysen bekommt.



Weitere Informationen

Datenangebote zur öffentlichen Verschuldung finden Sie auf HaushaltsSteuerung.de u.a. auf den folgenden Seiten.

» Schuldenuhren der EU-Mitgliedsstaaten
    Hrsg.: HaushaltsSteuerung.de

» Schuldenuhr zur Staatsverschuldung der USA
    Hrsg.: HaushaltsSteuerung.de

» Staatsverschuldung in der Europäischen Union (EU)
    Hrsg.: HaushaltsSteuerung.de

» Staatsverschuldung in Deutschland
    Hrsg.: HaushaltsSteuerung.de

» Blog-Einträge zum Thema "Verschuldung & Haushaltskonsolidierung"
    Hrsg.: HaushaltsSteuerung.de

Seiten und PDF-Dokumente mit ergänzenden methodischen Hinweisen zur öffentlichen Verschuldung sind über untenstehende Links abrufbar.

» Methodische Erläuterungen zur Schuldenuhr der USA
    Hrsg.: HaushaltsSteuerung.de

» Methodische Hinweise zu den Schuldenuhren der EU-Mitgliedsstaaten
    Hrsg.: HaushaltsSteuerung.de

» Methodische Hinweise zur Staatsverschuldung in Deutschland
    Hrsg.: HaushaltsSteuerung.de





©  Andreas Burth, Marc Gnädinger