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Der Langenfelder Weg zur schuldenfreien Kommune
Der Langenfelder Weg zur schuldenfreien Kommune
Ein Interview mit Magnus Staehler (Bürgermeister der Stadt Langenfeld)
1. April 2009
Laut Statistischem Bundesamt schleppen die Kommunen in Deutschland Schulden in Höhe von insgesamt etwa 110.000.000.000 Euro
mit sich herum. Dass diese immense Schuldenlast im Interesse künftiger Generationen abgetragen werden sollte, stellen wohl
nur wenige in Frage. Nur wie soll der Teufelskreis von immer neuen Schulden durch die erdrückende Zins- und Tilgungslast
überwunden werden? Die Stadt Langenfeld in Nordrhein-Westfalen hat vorgemacht wie es gehen kann: Durch einen konsequenten
Sparkurs und kreative Ideen gelang es, den Schuldenberg von einst knapp 80 Millionen D-Mark komplett abzubauen.
HaushaltsSteuerung.de sprach hierzu mit Magnus Staehler (CDU) (Bild), dem Bürgermeister der Stadt Langenfeld und Autor
des Buchs "1-2-3 Schuldenfrei".
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HaushaltsSteuerung.de: Herr Staehler, die Stadt Langenfeld hat es in einem mehrjährigen
Konsolidierungsprozess geschafft den Schuldenstand auf Null zu fahren. Wie lange hat es gedauert, bis dieses Ziel erreicht
wurde? Was war der Auslöser? Gab es Zeiten, in denen Sie befürchtet haben, dass Sie mit ihrem Kurs scheitern?
Staehler: Rat und Verwaltung der Stadt Langenfeld ziehen in der Frage der finanziellen
Weitsicht seit 1986 zumindest mit CDU und FDP an einem Strang. Damals hieß das Ziel zunächst, keine neuen Schulden aufzunehmen,
nur das Geld auszugeben, das man einnimmt und die Tilgung der Verbindlichkeiten voranzutreiben. Auslöser dieses ambitionierten
und am 3. Oktober 2008 letztlich realisierten Vorhabens war ein Schuldenberg von damals fast 80 Millionen Mark und eine
entsprechend hohe Zinslast, die unsere Gestaltungsfreiheit zu lähmen drohte. In den 22 Jahren wurde lediglich 1995 kein
ausgeglichener Haushalt vorgelegt. Ein damals von CDU und FDP aufgelegtes Konsolidierungsprogramm brachte uns aber umgehend
wieder auf Kurs in Richtung Schuldenfreiheit.
HaushaltsSteuerung.de: Wie ist es gelungen die politischen Akteure auf einer derartigen
Sparkurs einzustimmen? Und wie sieht es heute aus - befürchten Sie, dass im Zuge des Wahlkampfes ausgabenwirksame Wahlversprechen
gemacht werden, die den Schuldenstand wieder anwachsen lassen? Droht Räten oder Ratskandidaten, die auch in Zeiten des
Wahlkampfes auf Ausgabendisziplin achten, nicht am Ende die Abwahl?
Staehler: Das ist meiner Ansicht nach ein zentrales Problem, warum es in den Ministerien
und Rathäusern unseres Landes nicht nach vorn geht. Viele Politiker scheuen den sicherlich unbeliebten Kurs des Sparens und
fürchten bei jeder geforderten, aber eigentlich finanzpolitisch unverantwortlichen "Nice-to-have"-Anschaffung, beim nächsten
Gang zur Wahlurne den Sessel im Bürgermeisterzimmer zu verlieren. Wir in Langenfeld haben gezeigt, wie es geht, auf Kommunikation
und Transparenz der Bevölkerung gesetzt, und siehe da, zuletzt wurde ich trotz oder wegen Sparpolitik mit fast 71 Prozent der
Stimmen im Bürgermeisteramt bestätigt, meine Partei erhielt zum zweiten Mal in Folge die absolute Mehrheit.
HaushaltsSteuerung.de: Viele kommunale Akteure betonen ja immer wieder, dass sie selbst
keinerlei oder kaum Verantwortung für die Schuldensituation ihrer Stadt oder Gemeinde haben - Schuld an der Lage seien andere,
wie z.B. das Land. Wie beurteilen Sie das? Sind es tatsächlich nur die externen Rahmenbedingungen, die das finanzielle Wohl
und Wehe einer Kommune beeinflussen? Welche Rolle spielen die Akteure vor Ort und insbesondere der Bürgermeister?
Staehler: Es ist richtig, dass die Kommune als letztes Glied in der Reihe der Gebietskörperschaften
öffentlichen Rechts oftmals die Rolle des "letzten, den die Hunde beißen" annehmen müssen, da es sich in Berlin und den
Landeshauptstädten als probates Mittel erwiesen hat, lästige Kosten auf die Kommunen abzuwälzen und in ihren Verteilerschlüsseln
die zu bestrafen, die gute Arbeit leisten. Damit möchte ich aber nicht in das Klagelied vieler Kollegen einstimmen, die sich für
absolut hilflos halten, was die Finanzen im eigenen Hause angeht. Es gibt eine Fülle von Stellschrauben, die auch einen kommunalen
Haushalt auf die Spur bringen können. Wichtig ist aber, dass man den Sparkurs konsequent und auf ganzer Linie verfolgt, denn ein
bisschen Sparen ist wie ein bisschen schwanger - beides geht bekanntlich nicht. Die Bürgermeister müssen hier den Mut zur Entscheidung
und zur langfristigen Finanzpolitik haben. Wenn ich mir heute schon Sorgen mache, was die Wählerschaft oder die Presse von meiner
vielleicht unpopulären Entscheidung halten, bin ich auf dem falschen Dampfer. Eine klare Linie mit einem für die Menschen der Stadt
greifbaren und vor allem positiven Ziel wird meiner Meinung nach von der Bürgerschaft goutiert.
HaushaltsSteuerung.de: Muss der Schuldenstand einer Stadt wirklich auf Null gefahren werden?
Oftmals hört man ja das Argument, dass Schulden nicht unbedingt immer etwas Schlechtes sind, z.B. wenn damit Investitionen
finanziert werden.
Staehler: Das ist die immer wieder zitierte Mär von den "guten Schulden". Allein die Tatsache,
dass jeder Euro, den ich als Kredit aufnehme, einen gewissen Betrag an Zinsen zusätzlich kostet, sollte es mir verbieten über den
positiven Aspekt einer Entschuldung nachzudenken. Selbstverständlich gibt es dringende Investitionen in die Infrastruktur, die über
Kredite finanziert werden müssen, das haben wir in einer stark wachsenden Stadt Langenfeld von den 50ern bis in die frühen 80er auch
getan. Man sollte aber jede Investition auf ihre Dringlichkeit und vor allem auf ihre Folgekosten prüfen. Ein Spaßbad "auf Pump" ist
für mich Betrug am Steuerzahler.
HaushaltsSteuerung.de: Zum Teil wurden in Langenfeld auch ungewöhnliche Maßnahmen praktiziert,
wie z.B. das Verteilen von Besen an die Bevölkerung, "Schuldenfreipartys" oder das Anbringen einer Schuldenuhr. Welche Rolle spielen
derartige Aktionen? Sind sie Teil der Strategie?
Staehler: Es geht bei diesen Aktionen weniger um Strategie, als vielmehr um Identifikation mit
dem gemeinsamen Ziel. Wenn wir eine saubere Stadt möchten, müssen wir nicht nach dem Staat schreien, sondern den Besen in die Hand
nehmen. Möchten wir in einer Stadt leben, die noch finanzielle Gestaltungsspielräume für künftige Generationen bieten soll, müssen
wir in Kauf nehmen, dass nicht jeder Wunschzettelschreiber auf seine Kosten kommt, und wir als erwachsene Sportler eine Hallennutzungsgebühr
bezahlen. Diese Haltung bringt man durch Aktivitäten mit Symbolcharakter an den Mann (die Frau). Als im November 2006 die
Pro-Kopf-Verschuldung unter 100 Euro sank, feierten wir eine U100-Party mit der Bevölkerung. Mehr als 500 Langenfelderinnen und
Langenfelder zahlten dabei freiwillig 99,99 Euro in die Stadtkasse ein, um sich gegen eine Urkunde und einen Platz auf einer
Erinnerungstafel frühzeitig ihrer städtischen Schulden zu entledigen. Besser kann man wohl kaum dokumentieren, dass unsere Bürgerinnen
und Bürger unserem Kurs folgen.
HaushaltsSteuerung.de: Thema Konjunkturpaket: Haben Sie bereits darüber nachgedacht bzw. sich
entschieden, wie die Investitionsmittel in Ihrer Stadt eingesetzt werden? Welche Faktoren haben dabei eine Rolle gespielt? Was würden
Sie Ihren Kollegen in anderen Städten im Kontext des Einsatzes der Mittel empfehlen? In dem Gesetz selbst ist ja beispielsweise
formuliert, dass auch die demografischen Entwicklungen berücksichtigt werden sollen.
Staehler: Zunächst möchte ich zu diesem Thema voranschicken, dass ich der Meinung bin, dass die
50 Milliarden Euro wie ein Tropfen auf dem heißen Stein verpuffen werden. Wir nehmen die uns zugeteilten Mittel aus dem Grund an, da
das nun so spendabel an die Kommunen verteilte Geld schon bald von genau diesen Kommunen zurückgeholt wird. Wenn ich als Beschenkter
schon den Kredit zurückzahlen muss, den der Schenkende dafür aufgenommen hat, möchte ich doch wenigstens das damit von mir selbst
finanzierte Geschenk annehmen. In Langenfeld ist geplant einen Kindergarten-Neubau im Zuge des Ausbaus der U3-Betreuung vorzuziehen
und damit die Vereinbarkeit von Familie und Beruf weiter voranzubringen. Es wäre fatal, mit diesen, für meine Begriffe eher "geliehenen"
Mitteln in folgekostenintensive Projekte zu investieren.
Magnus Staehler hat den Weg zur Entschuldung der Stadt Langenfeld in einem Erfahrungsbericht in Buchform zusammengefasst.
Das Buch "1-2-3 Schuldenfrei: Wie Langenfeld aus Amtsschimmeln Rennpferde machte - die Erfolgsformel zur Sanierung städtischer
Finanzen" ist als WirtschaftsWoche-Sachbuch im Linde Verlag, Wien, erschienen (ISBN 978-3-7093-0226-2).
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