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Die Doppik-Einführung: Auch ein Konzept für den Bund?
Die Doppik-Einführung: Auch ein Konzept für den Bund?
Ein Interview mit Otto Fricke (Vorsitzender des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages)
20. März 2009
Während zahlreiche Kommunen in Deutschland bereits von
der Kameralistik auf die Doppik umgestiegen sind und sich
auch in Ländern mit Wahlrecht viele Kommunen für die
Doppik entscheiden, zeichnet sich auf Bundesebene ein
anderer Weg ab. Nach den Plänen des
Bundesfinanzministeriums soll statt der Doppik eine
erweiterte, moderne Kameralistik eingeführt werden.
HaushaltsSteuerung.de sprach hierzu mit Otto Fricke
(FDP) (Bild), dem Vorsitzenden des Haushaltsausschusses des
Deutschen Bundestages.
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HaushaltsSteuerung.de: Herr Fricke, der Vorsitz des Haushaltsausschusses ist in
Zeiten der Finanzmarktkrise sicher keine einfache Aufgabe. Bleibt da noch genügend
Zeit, um außerhalb des Tagesgeschäftes eigene haushaltspolitische Akzente zu setzen?
Fricke: In Zeiten einer solchen Krise, wie wir sie gegenwärtig zu beobachten haben, sind
haushaltspolitische Akzente nur im Stillen zu leisten. Die Nachfrage der Medien richtet sich
ganz wesentlich auf die großen Probleme, wie Finanzmarkt, HRE und Opel.
Dennoch muss man gerade jetzt als Kontrolleur der Exekutive aufpassen, an welcher
Stelle mit weniger Sorgfalt das Steuerzahlergeld ausgegeben wird.
HaushaltsSteuerung.de: Das Bundesfinanzministerium spricht von einer anstehenden
Einführung einer „modernen“ erweiterten Kameralistik auf Bundesebene. Auf der
kommunalen Ebene entscheiden sich in den Ländern mit Optionsrecht zwischen
erweiterter Kameralistik und Doppik die Mehrzahl der Kommunen für die Doppik-Einführung:
Scheinbar gilt hier die erweiterte Kameralistik nicht als "modern". Gelten für
den Bund hier andere Bedingungen oder Voraussetzungen als für die Kommunen?
Fricke: Die Frage, welches "Bilanzrecht", das Richtige oder das Moderne ist, muss jede
Ebene für sich selber entscheiden. Maßgeblich ist dabei, dass es keine Vergleichbarkeit
gibt, und dass die entsprechenden "Schnittstellen" im Haushaltsgrundsätzegesetz
geregelt sind. Ich persönlich lehne die Doppik ab, da sie insbesondere Möglichkeiten des
Parlamentes in einem erheblichen Maße einschränkt, da die Steuerung fast nur noch über
abstrakte Zielerklärung etc. erfolgt, während die eigentlichen finanziellen
Rahmenbedingungen kaum noch parlamentarisch festgestellt werden können.
Im Übrigen gelten natürlich für den Bund vollkommen andere Bedingungen und
Voraussetzungen als für das Haushaltswesen der Kommunen. Dieses gilt sowohl für die
Frage der Beschaffung, als auch für die Frage von Investitionen und Ähnlichem.
Schließlich ist noch daran zu erinnern, dass rein verfassungsrechtlich es sich bei den
Stadt- und Gemeinderäten nicht um Parlamente handelt, so dass das Haushaltsrecht
auch aus diesem Grunde auf kommunaler Ebene anders zu betrachten ist.
HaushaltsSteuerung.de: Mit Einführung der erweiterten Kameralistik wird es auf
Bundesebene schwer möglich sein, eine "konsolidierte Konzernbilanz" unter Integration
der ausgelagerten Einheiten aufzustellen. Wäre das nicht für die Schaffung von mehr
Transparenz zwingend notwendig? Sollte man unter Fortführung dieses Gedankens nicht
lieber gleich die Doppik auf Bundesebene einführen?
Fricke: Ich widerspreche ausdrücklich der Behauptung, dass eine konsolidierte
Konzernbilanz bei einer erweiterten Kameralistik nicht dargestellt werden kann, dieses ist
eine Frage, in welcher Art und Weise der "Erweiterungsteil" dargestellt wird. Hinzu
kommt noch, dass durch die Änderung des Haushaltsgrundsätzegesetzes auch die
"ausgelagerten Einheiten" mit den entsprechenden Schnittstellen haushalterisch versehen
werden müssen.
HaushaltsSteuerung.de: Das Bundesfinanzministerium stellt eine Novellierung des
Haushaltsgrundsätzegesetzes (HGrG) noch für diese Wahlperiode in Aussicht. Mittlerweile
liegt auch ein Regierungsentwurf dazu vor. Halten Sie ein Gesetz noch in dieser
Legislatur für realistisch?
Fricke: Sicherlich ist eine Novellierung des Haushaltsgrundsätzegesetzes in dieser
Legislaturperiode noch möglich. Rein gesetzestechnisch reichen die Fristen hierfür
ausdrücklich aus. Ob es politisch opportun ist, weil solche ganz wesentlichen
Entscheidungen des Gesetzgebers, auch wenn sie in der Öffentlichkeit wenig Widerhall
finden, unter Wahlkampfbedingungen umzusetzen, wage ich jedoch zu bezweifeln. Für
mich kommt persönlich noch hinzu, dass die Verankerung eines Top-Down-Prinzips,
sowie die Frage der Beteiligung der Parlamente an den maßgeblichen Gremien, die die
Feinsteuerung vornehmen (beraten oder mitentscheiden), nicht ausreichend geregelt ist.
Hier muss nun die Koalition sehen, ob sie die Mehrheiten im Bundestag bewegen will und
kann. Schließlich darf ich noch daran erinnern, dass in Zeiten der aktuellen
Finanzmarktkrise und auch der damit verbundenen Haushaltskrise, man sich überlegen
muss, inwieweit die Erfahrung, die wir jetzt gerade machen, nicht noch in das
Haushaltsgrundsätzegesetz einfließen sollten.
HaushaltsSteuerung.de: Bedingt durch die Doppik-Einführung haben viele Kommunen
Probleme bei Bedienung der Finanzstatistik. Was kann getan werden, damit die
Werthaltigkeit und das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Daten der
Finanzstatistik nicht verloren gehen? Können Sie sich vorstellen, dass der Bund und
insbesondere die Länder intervenieren werden (z.B. in Gestalt einer Harmonisierung der
kommunalen Kontenrahmen), wenn die kommunale Ebene die Probleme bei Bedienung
der Finanzstatistik nicht in den Griff bekommt?
Fricke: Die durch die Doppik bedingte Problematik einer nachvollziehbaren
Finanzstatistik wurde von sehr vielen Sachkundigen vor Jahren noch bestritten. Für mich
zeigt es aber deutlich, wie komplex einerseits die Materie ist und wie gefährlich es
andererseits ist, wenn man der Exekutive im "Bilanzrecht" so viel Freiraum lässt.
Um eine ordnungsgemäße Finanzstatistik zu ermöglichen, brauche ich gerade eine klare
Schnittstellendefinition oder um es herunter zu brechen, einen klaren Kontenrahmen, so
wie ich es ja auch von privaten Unternehmen verlange.
Daher würde ich persönlich, eine Entscheidung meiner Fraktion gibt es hierzu noch nicht,
unter einer gewissen Befristung, den Kommunen noch die Möglichkeit geben, die
Probleme der Finanzstatistiken in den Griff zu bekommen, sollte dies nicht möglich sein,
müsste dann eine Vereinheitlichung erfolgen. Anmerken möchte ich aber auch hier, dass
gerade die unterschiedliche Herangehensweise der Kommunen an die Fragen des
kommunalen Kontenrahmens genau zeigt, wie sehr das Bilanzrecht "missbraucht" wird,
um die jeweils gewünschten Zahlen besser darstellen zu können. Wie gut die Doppik
wirklich ist, wird sich für viele Städte und Kommunen erst Ende des Jahres 2010 zeigen,
wenn Rückstellungen, Rücklagen und ähnliche "imaginäre Posten" nicht mehr der Realität
entsprechen können.
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