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Einführung des neuen kommunalen Haushaltsrechts in Baden-Württemberg
Einführung des neuen kommunalen Haushaltsrechts in Baden-Württemberg
Ein Interview mit Manuel Just (Bürgermeister der Gemeinde Hirschberg)
21. Januar 2008
Die Stadt Rauenberg hat zu Beginn des Jahres 2006 auf
das neue Haushalts- und Rechnungswesen umgestellt.
Der Haushaltsplan 2007 ist nun bereits das zweite Werk
auf Basis des neuen kommunalen Haushaltsrechts.
HaushaltsSteuerung.de sprach dazu mit dem ehemaligen
Kämmerer von Rauenberg und derzeitigen Bürgermeister von
Hirschberg an der Bergstraße, Manuel Just (Bild).
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HaushaltsSteuerung.de: Herr Just, erst einmal herzlichen
Glückwunsch zu Ihrer Wahl als Bürgermeister von Hirschberg.
Waren Ihre Erfahrungen im Finanzbereich aus Rauenberg für die
Bewerbung in Hirschberg hilfreich?
Just: Naja, ich würde eher sagen, dass meine grundsätzlichen Verwaltungskenntnisse,
welche ich mir während des Studiums an der Fachhochschule in Kehl, aber auch während
meiner fünfjährigen Tätigkeit als Kämmerer der Stadt Rauenberg erworben habe,
hilfreich waren. Die Finanzen selber sind sicherlich ein wichtiger Baustein in der heutigen
Zeit, wo es auch in den öffentlichen Haushalten mehr und mehr darauf ankommt
betriebswirtschaftlich zu denken. Auch wenn der ein oder andere Wähler im Einzelnen
vielleicht nicht genau weiß, was dahinter steckt, spürt er wohl trotzdem, dass gerade ein
Bürgermeister mit finanzwirtschaftlichem Sachverstand bestimmt nicht von Nachteil sein
kann.
HaushaltsSteuerung.de: Zurück nach Rauenberg: Die Kommune gehört zu den ersten
Pionieren bei der Umsetzung des neuen kommunalen Haushalts- und Rechnungswesens
in Baden-Württemberg. Was hat Sie bewegt, diesen Weg zu gehen? Von wem kam die
Initialzündung – aus dem Rat oder aus der Verwaltung?
Just: Zunächst sollte man in der Tat festhalten, dass wir zwar eine der ersten
Kommunen in Baden-Württemberg waren, die eigentliche Pionierarbeit jedoch der
Gemeinde Wiesloch gebührt! Rauenberg ist gemeinsam mit Stetten am kalten Markt
lediglich die Gemeinde, welche die Doppik als erste auf der Basis des Referentenentwurfs
zur Reform des neuen Haushaltsrechts in Baden-Württemberg eingeführt hat.
Die Initiative selbst hat wohl viele Väter. Neben meiner Person und dem Bürgermeister
Frank Broghammer, bestärkte mich in der Entscheidung, das neue Haushaltsrecht über
die Experimentierklausel nach §146 der Gemeindeordnung einzuführen aber vor allem
mein ehemaliger Professor von der Fachhochschule Kehl, Klaus Notheis. Da auch "mein
Team" der Kämmerei für dieses Thema zugänglich war, galt es nur noch den
Gemeinderat von dem Vorhaben zu überzeugen!
HaushaltsSteuerung.de: Wie hat die Politik bzw. wie haben die Räte auf die Neuerung
reagiert? Gab es Schulungen? Und wie kommen die Räte mit dem neuen System und
dem Vokabular zurecht? Haben die Informationen aus der kaufmännischen Buchführung
Eingang in die Diskussionen der Politik gefunden?
Just: Zunächst einmal muss man sagen, dass der Gemeinderat die damalige
Entscheidung für eine frühzeitige Umstellung einstimmig getroffen hat und damit
insbesondere der Kämmerei einen gewaltigen Vertrauensvorschuss erteilt hat.
In Bezug auf die Verwaltung kann man festhalten, dass wir zu allererst mit internen
Schulungen gestartet sind, um sich so mit der Rechtslage und den Änderungen und
Systematiken vertraut zu machen.
Die Teilnahme als ständige Vertreter in den Sitzungen der Datenzentrale und dem
Rechenzentrum waren darüber hinaus ebenfalls sinnvoll und hilfreich.
Wir haben mehr oder weniger zwei Projektgruppen gebildet. Eine Steuerungsgruppe,
welche mit den Amtsleitern und dem Bürgermeister besetzt war; und eine Projektgruppe
die nur mit den Mitarbeiterinnen der Kämmerei und mir besetzt war. Letztere hatte auch
rund 90% der Arbeit zu bewältigen. D.h. ich habe die Erfahrung gemacht, dass es zwar
wichtig ist, das "ganze Haus" mitzunehmen in diesem Prozess - doch die Hauptarbeit
bleibt bei der Finanzverwaltung, sprich der Kämmerei.
Für die Gemeinderäte ist die Veränderung ebenfalls von grundlegender Natur gewesen!
Neben betriebswirtschaftlichen Elementen wie z.B. Abschreibungen und Rückstellungen
ändert sich auch die Darstellung des Haushaltsplans mit dem Wechsel von den bisherigen
Unterabschnitten (welche vergleichbar mit Kostenstellen sind) zu Produkten vollständig.
Dies war rückblickend betrachtet ein massiver Eingriff in die Darstellung des Planwerks.
Doch "unterm Strich" ist meines Erachtens schon die verstärkt geführte Diskussion über
Abschreibungen bzw. den kompletten Ressourcenverbrauch und die Auswirkungen auf
eine nun vollständige Bilanz als Erfolg zu werten.
Der Rest, sprich das Arbeiten mit Zielen und Kennzahlen wird sich von Zeit zu Zeit
entwickeln müssen.
HaushaltsSteuerung.de: Hatten die Räte oder der Bürgermeister nicht die Angst, dass
mit der Abbildung des gesamten Ressourcenverbrauchs plötzlich ganz neue Fragen im
Hinblick auf eine generationengerechte Finanzpolitik gestellt werden?
Just: Natürlich war und ist die Befürchtung seitens der politischen Vertreter vorhanden.
Doch das größere Problem in dieser Betrachtung war, dass in der für die Stadt Rauenberg
langen Phase der Umstellung eine Vergleichbarkeit mit anderen Gemeinden abhanden
kommt. Dies kann insbesondere für die Motivation, sich selbst treu zu bleiben schwer
werden, wenn man - aufgrund der Darstellungsform - ständig über deutlich "schlechtere
Finanzsituationen" berät als andere Gemeinden obwohl es diesen auch nicht besser (oder
schlechter) geht. Aber ich denke dieses Problem wird sich nach und nach lösen.
HaushaltsSteuerung.de: Rauenberg gilt mit knapp 8.000 Einwohnern nicht als
Großstadt. Gerade viele Akteure aus kleinen Gemeinden haben derzeit die Befürchtung,
dass der Nutzen aus der Reform der Haushaltswirtschaft den Einführungsaufwand
(Vermögensbewertung, IuK, Schulungen) nicht rechtfertigt. Wie ist ihre Einschätzung
dazu?
Just: Der Nutzen steht für mich sowohl für größere als auch für kleinere Gemeinden
außer Frage. Was vielleicht ein Problem und damit schon eher fragwürdig erscheint ist
der mit der Umstellung einhergehende Aufwand, welcher für eine kleinere Kommune in
der Tat schwerer zu meistern ist als für eine größere Kommune.
Dies liegt an mehreren Komponenten. Zum einen ist das notwendige Know-how bei
kleineren Kommunen nicht in dem notwendigen Umfang vorhanden, bzw. muss sich erst
langwierig erarbeitet werden, und zum anderen sind die Aufgabegebiete der
Amtsleiter/innen und Sachbearbeiter/innen oftmals so vielschichtig, dass es schwer ist
sich auf eine solche Mammutaufgabe zu konzentrieren!
Ich bin jedoch der Überzeugung, dass gerade kleinere Gemeinden mehr und mehr von
den Erfahrungen der "ersten Umstellungsgemeinden" profitieren werden. Je länger der
Prozess läuft, desto weniger Kinderkrankheiten werden die Rechtslage, deren Auslegung
sowie die dazugehörige EDV haben.
HaushaltsSteuerung.de: Gibt es die berühmten "Effizienzpotentiale" bei der KLR-Einführung
nur auf dem Papier und würden Sie deren Einführung in "geeigneten
Bereichen" oder flächendeckend empfehlen?
Just: Nein, die gibt es tatsächlich! Insbesondere beim Aufbau der Kosten- und
Leistungsrechnung haben die Kommunen die Möglichkeit, wieder einmal sämtliche
Kostenstellen, Kostenarten und Kostenträger "links zu machen" und sich, seine
Leistungen und die Kostensituation zu hinterfragen.
Je nachdem wie detailliert eine jede Kommune ihre KLR aufbaut, können
Effizienzpotentiale wohl ständig und in sämtlichen Bereichen generiert werden. Allein dies
ist meines Erachtens schon Grund genug die KLR flächendeckend und nicht nur für die
kostenrechnenden Einrichtungen einzuführen.
Positiver Nebeneffekt bildet eine solche KLR insbesondere auch für die Land auf und Land
ab durchzuführenden Verwaltungsgebührenkalkulationen. Denn diese wird um Längen
einfacher bei der Vorlage von detailliertem Zahlenmaterial.
HaushaltsSteuerung.de: Wie geht es in Hirschberg weiter? Planen Sie auch hier die
Einführung des neuen kommunalen Haushalts- und Rechnungswesens oder wollen Sie
zunächst abwarten, ob aus der gegenwärtigen Experimentierklausel bzw. dem
Referentenentwurf zur Erneuerung des Haushaltsrechts eine gesetzliche Grundlage wird?
Just: Naja, was Hirschberg betrifft besteht ja - zumindest mittelfristig betrachtet - keine
Wahlmöglichkeit, ob wir das neue kommunale Haushaltsrecht einführen oder nicht. Denn
nach meinem Kenntnisstand wird der Gesetzesentwurf zur Reform des kommunalen
Haushaltsrechts noch in diesem Jahr verabschiedet und in Kraft treten, so dass der
Umstellungszeitraum bei 7 Jahren spätestens am 31.12.2015 gesetzlich ab- bzw.
ausläuft. D.h. bis dahin müssen wir uns entsprechend neu aufgestellt haben.
Aufgrund meiner Erfahrungen möchte ich jedoch mein "eigenes Haus" nicht überfordern
und werde eine längere Projektzeit als die in Rauenberg von gerade einmal rund 2 Jahren
vorsehen. D.h. wir werden uns zwei bis 3 Jahre vornehmen, so dass wir mit dem ersten
doppischen Haushalt frühestens zum Jahre 2011 planen können.
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