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HaushaltsSteuerung.de » Themen » Doppik-Praxisberichte » Modernisierung des Haushalts- und Rechnungswesens in Hamburg

Modernisierung des Haushalts- und Rechnungswesens in Hamburg
Ein Interview mit Dr. Michael Freytag (Finanzsenator der Freien und Hansestadt Hamburg)

11. Februar 2009



Als erstes Bundesland in Deutschland hat die Freie und Hansestadt Hamburg (FHH) die Doppik in der Landesverwaltung eingeführt. Im November 2008 wurde erstmals auch der Konzernabschluss vorgelegt, der neben der Kernverwaltung auch alle ausgelagerten Einheiten und Unternehmensbeteiligungen einschließt. Hamburg gehört damit zu den Vorreitern bei der Reformierung des öffentlichen Haushalts- und Rechnungswesens.

HaushaltsSteuerung.de sprach mit dem Hamburger Finanzsenator Dr. Michael Freytag (CDU) (Bild), über Umstellungskosten, Stolperfallen im Umstellungsprozess und wichtige Kennzahlen in der Konzernbilanz.

Dr. Michael Freytag (CDU), Finanzsenator der Freien und Hansestadt Hamburg

HaushaltsSteuerung.de: Herr Dr. Freytag, Hamburg ist das erste Bundesland, das eine Konzernbilanz aufgestellt hat. Wie lange haben die Vorarbeiten gedauert, bis dieses stolze Ergebnis eingefahren werden konnte? Wie hoch waren die Umstellungskosten von der Kameralistik auf die Doppik insgesamt?

Freytag: Die Konzernbilanz baut auf die kaufmännische Bilanz in der Kernverwaltung der Freien und Hansestadt Hamburg auf. Das Projekt zur Einführung des kaufmännischen Rechnungswesens insgesamt wurde 2003 eingesetzt, die Eröffnungsbilanz der FHH 2006 vorgelegt. Die reinen Arbeiten an der Konzernbilanz begannen mit ersten konzeptionellen Vorarbeiten im Jahr 2005, dauerten also etwa 3,5 Jahre. Insgesamt hat das Projekt 4,6 Mio. Euro gekostet.

HaushaltsSteuerung.de: Glauben Sie, dass es in absehbarer Zeit Nachahmer auf der Landesebene geben wird? Würden Sie anderen Ländern empfehlen auch den Schritt in die Doppik zu gehen?

Freytag: Ich denke, dass bald weitere Länder den Schritt in die Doppik gehen. Neben der Schaffung der rechtlichen Rahmenbedingungen auf staatlicher Ebene - HGrG-Novelle und Mindeststandards für die staatliche Doppik - hat Hamburg mit Vorlage der ersten Konzernbilanz den Boden für eine solche Entwicklung vorbereitet. Nur über die Doppik kann auch auf Landesebene eine Gesamtschau über die wirtschaftliche Betätigung einer Gebietskörperschaft und ihrer Beteiligungen erstellt und die politische Steuerungsfähigkeit der öffentlichen Haushalte spürbar verbessert werden. Gerade in Zeiten knapper öffentlicher Gelder ist Transparenz über Verschuldung und Vermögensverzehr unverzichtbar. Da dies nur über doppelte Buchführung geht, empfehle ich sie uneingeschränkt.
Der öffentliche Haushalt heutiger kameraler Prägung spiegelt nur einen Teil der Finanz- und Vermögenslage wider, da viele Vermögensgegenstände und Schulden in öffentlichen Unternehmen, Anstalten, Stiftungen und anderen Einheiten ausgelagert sind. Für Verwaltung, Politik und auch den Bürger ist es daher zunehmend schwieriger, sich einen Überblick über die komplexe Gesamtlage zu verschaffen - auch weil fast alle öffentlichen Unternehmen bereits kaufmännisch buchen. Dass die Doppik eine Vielzahl von Widersprüchen, Fehlern, Risiken und Gefahrenquellen in der bisherigen kameralen Buchführung aufzeigt (zum Beispiel werden in der Kameralistik bestehende Forderungen gegen die öffentliche Hand nicht dargestellt), ist ein weiterer Grund, ihre Einführung anderen Bundesländern nahezulegen. Auch der Aspekt, dass nur mit einem konsolidierten Konzernabschluss der öffentlich geführten Diskussion über sogenannte Schatten- und Nebenhaushalte begegnet werden kann, spricht für ihre Einführung.

HaushaltsSteuerung.de: Was müssen reformwillige Länder Ihrer Meinung nach besonders beachten? Wo gibt es Stolperfallen und Risiken, die es im Umstellungsprozess zu umschiffen gilt?

Freytag: Aktuell ist auf Länderebene die Kameralistik noch gesetzlich vorgeschrieben. Folglich müssen aus dem EDV-Rechnungslegungssystem die Doppik und die Kameralistik gleichermaßen bedient werden. Die technischen Voraussetzungen hierfür zu schaffen, ist sicherlich eine der größten Herausforderungen. Umso wichtiger ist es, dass das Haushaltsgrundsätzegesetz noch in dieser Legislaturperiode dahingehend geändert wird, dass auch eine ausschließlich doppische Buchführung möglich ist.
Da vor Einführung der Doppik eine Erstinventarisierung der gesamten Vermögenswerte und Schulden des Landes durchgeführt werden muss, besteht eine der größten Herausforderungen darin, rechtzeitig die konzeptionellen und personellen Voraussetzungen für eine Anlagenbuchhaltung zu schaffen. Eine öffentliche Gebietskörperschaft ist keine Schraubenfabrik. Es gibt keine Standardlösungen. Bei der Erstbewertung in Hamburg stellten sich z.B. die Fragen, wem der Elbtunnel gehört oder mit welchem Wert Seen, Parks oder das Rathaus anzusetzen waren. Um sich nicht zu verzetteln, ist es überdies sinnvoll, Wertgrenzen und Vereinfachungsverfahren festzulegen.

HaushaltsSteuerung.de: Nach dem Regierungsentwurf zur Modernisierung des Haushaltsgrundsätzegesetzes (HGrG) soll künftig der alte §33a HGrG entfallen. Der Parallelbetrieb von Doppik und kameralem System entfällt damit. Was sagen Sie dazu, dass die Länder, die auf die Doppik umstellen, aber auch weiterhin für statistische Zwecke Daten nach Gruppierungs- und Funktionenplan liefern müssen? Führt das nicht dazu, dass weiterhin faktisch ein kamerales System betrieben werden muss, oder vertrauen Sie hier auf Überleitungsmöglichkeiten aus der Finanzrechnung?

Freytag: Die Haushaltsreform darf nicht dazu führen, dass die Vergleichbarkeit unserer Finanzdaten verloren geht. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Berlin-Urteil noch einmal eindringlich verdeutlicht, wie wichtig vergleichbare Daten auch für die Bewertung der Finanzbeziehungen zwischen den Bundesländern sind. Wir vertreten daher eine klare Linie: Die Anforderungen der Statistik sind gesetzlich definiert und nicht disponibel. Hamburg hat zur Bedienung dieser Anforderungen eine Überleitungsrechnung aus der Finanzrechnung konzipiert. Wir wissen, dass auch bei ausschließlich doppelter Buchführung die berichtsstatistischen Erfordernisse bedient werden können.

HaushaltsSteuerung.de: Zur letzten Bürgerschaftswahl in Hamburg hat HaushaltsSteuerung.de eine Analyse der Wahlprogramme im Hinblick auf die Aussagen zur Doppik-Einführung vorgenommen. Die Parteien und die Politik scheinen ein sehr wohlwollendes Verhältnis zur Doppik zu haben. Jeder möchte diesen Erfolg für sich verbuchen. Was wurde in Hamburg an Überzeugungsarbeit geleistet? Was hat dazu geführt, dass die Politik (geschlossen) hinter dem Umstellungsprozess steht?

Freytag: Die Reform des öffentlichen Haushalts- und Rechnungswesens ist in Hamburg kein neues Thema. Die Haushaltsreform wird in Hamburg seit Mitte der 1990er Jahre überparteilich getragen und fortentwickelt. So gibt es bei uns bereits seit über zehn Jahren mit den "gelben Seiten", den Produktinformationen, eine aufgaben- und kennzahlenorientierte Haushaltsdarstellung, die als zusätzliche Information dem kameralen Zahlenwerk beiliegt. Mit der Einführung des Neuen Steuerungsmodells haben wir in Hamburg in ausgewählten Bereichen eine Kosten- und Leistungsrechnung eingeführt. Die Einführung der Doppik wurde in Hamburg im Jahre 2003 von allen in der damaligen Bürgschaft vertretenen Parteien beschlossen. Dieser überparteiliche Konsens hängt in Hamburg vielleicht auch mit der hanseatischen, kaufmännischen Tradition zusammen. Vielen Mitgliedern der Hamburgischen Bürgerschaft ist das kamerale System fremd und liegt das kaufmännische näher.

HaushaltsSteuerung.de: Zum Abschluss noch einmal zurück zur Konzernbilanz: Welche Zahlen und Kennzahlen aus der Konzernbilanz stehen Ihrer Ansicht nach im Mittelpunkt des politischen Interesses? Kristallisieren sich bereits Zahlen heraus, die den Politikern als besonders wichtig erscheinen?

Freytag: Mit einem positiven Ergebnis von 798 Mio. Euro tritt Hamburg den Beweis an, dass auch staatliche Gebietskörperschaften mit einer kaufmännischen Bilanzierung schwarze Zahlen schreiben können. Natürlich weicht das kaufmännische Jahresergebnis vom kameralen Ergebnis ab. Die Gründe liegen vor allem in der Berücksichtigung des Wertverzehrs beim Anlagevermögen (Abschreibungen) und von Rückstellungen für Pensionen. Abschreibungen, Forderungen, Verbindlichkeiten und Rückstellungen kennt das kamerale Haushaltswesen nicht, sie sind jedoch von besonderem politischen Interesse, weil ohne sie eine realistische Einschätzung der wirtschaftlichen Lage nicht möglich ist.
Hamburg hat z.B. im Konzernabschluss 2007 Abschreibungen von rund 1,3 Mrd. Euro ausgewiesen. Die Rückstellungen betrugen zusammen gar rund 23 Mrd. Euro, davon mit rd. 20 Mrd. Euro der größte Anteil für Pensionsrückstellungen für die Mitarbeiter der Verwaltung.
Daneben stößt die Entwicklung des Eigenkapitals auf besonderes Interesse. Auf Ebene des Konzerns FHH konnte im Jahr 2007 ein Eigenkapital-Zuwachs um 1,1 Mrd. Euro von 2,7 Mrd. Euro auf 3,8 Mrd. Euro erzielt werden.




©  Andreas Burth, Marc Gnädinger