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Der kommunale Kassenkredit als regionales Krisenphänomen
Der kommunale Kassenkredit als regionales Krisenphänomen
26. Februar 2011 |
Autor: Marc Gnädinger
Unter Kassenverstärkungskrediten
werden die kurzfristigen Verbindlichkeiten statistisch erfasst,
welche die Gebietskörperschaften zur Überbrückung vorübergehender Kassenanspannungen eingehen. Zu den
statistisch erfassten Kassenverstärkungskrediten rechnen neben den
Kassenkrediten von Kreditinstituten
auch Geldmarkttitel (Schatzwechsel, unverzinsliche Schatzanweisungen), soweit sie zur kurzfristigen
Kassenverstärkung bestimmt sind.
Die kommunalen Kassenverstärkungskredite sind in den letzten Jahren permanent gestiegen. Allein zwischen
dem 31.12.2000 und dem 31.12.2009 sind diese Schulden der Gemeinden, Gemeindeverbände und kameral buchenden
Zweckverbände von 6.950 Mio. Euro auf 34.700 Mio. Euro gewachsen. Selbst in den Jahren besonders hoher
positiver
kommunaler Finanzierungssalden, also insbesondere in den Jahren 2007 und 2008, sind die Kassenkreditniveaus
angestiegen. Im Zuge der Finanzkrise hat sich das Wachstum zuletzt noch einmal stark beschleunigt.
Das rapide Wachstum der Kassenverstärkungskredite in der Summenbetrachtung für die Kommunen aller Flächenländer
wird regelmäßig als Beleg zur Untermauerung einer insgesamt problematischen Kommunalfinanzsituation herangezogen.
Als haushaltspolitische ultima ratio sind Kassenkredite in der Tat ein gewichtiger Anhaltspunkt für die Erklärung
krisenhafter Finanzumstände. Da diesen Verbindlichkeiten keinerlei Vermögenswerte gegenüberstehen, bleibt als
Konsequenz ihrer Vereinnahmung ausschließlich der fiskalische Belastungseffekt künftig anfallender Schuldendienstzahlungen.
Damit unterscheiden sich Kassenkredite auch von den fundierten Schulden (Kreditmarktschulden und Schulden bei
öffentlichen Haushalten), die durch materiell geschaffene Werte gedeckt sind. Kassenkredite werden hingegen für
laufende Ausgaben aufgenommen. Und mancherorts ist aus dem ursprünglich zur kurzfristigen Liquiditätssicherung gedachten
Kassenkredit (umgangssprachlich als "Kommunaler Dispo" bezeichnet) eine Dauereinrichtung auf hohem Niveau
geworden.
Eine gewisse Rolle für das im Vergleich zu den
fundierten Schulden starke Kassenkreditwachstum der letzten Jahre mögen
in gewissem Umfang auch die gegenwärtig niedrigen Zinsen für diese Schuldenart gespielt haben. Der
Zinsspread ist
zuweilen beachtlich. Auf der anderen Seite muss an dieser Stelle aber auch das hohe Zinsänderungsrisiko bedacht werden.
Als alleiniger Bestimmungsfaktor oder sogar Beweis einer kritischen Haushalts- und Verschuldungssituation aller Gemeinden
und Gemeindeverbände taugen Kassenkredite allerdings nicht. Gerade im Bereich der Kassenkredite gibt es innerhalb der
kommunalen Landschaft eine ausgeprägte Problemkonzentration.
Der Detailblick offenbart eine sichtbare Heterogenität in Bezug auf die Inanspruchnahme dieser Schuldenart bereits bei
Betrachtung einzelner Flächenländer bzw. ihrer Kommunen - innerhalb einzelner Flächenländer ist die Situation i.d.R.
ebenfalls höchst heterogen. In Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen und weiten Teilen von Thüringen spielen Kassenkredite
Ende des Jahres 2009, mit Ausnahme einzelner Regionen, faktisch kaum eine Rolle. Äußerst problematisch erscheint die
Situation hingegen in Nordrhein-Westfalen (963 Euro pro Kopf), Rheinland-Pfalz (1.152 Euro pro Kopf) und dem Saarland
(1.350 Euro pro Kopf). Im Bereich dieses Trios haben die Pro-Kopf-Kassenkredite das Niveau von 1.000 Euro pro Kopf
überschritten oder stehen kurz davor.
Bemerkenswert ist, dass sowohl das einwohnerschwächste (Saarland), wie auch das einwohnerstärkste (Nordrhein-Westfalen)
Flächenland von hohen Niveaus betroffen sind. Auffällig ist aber auch ein anderer Umstand in Bezug auf die Einwohner.
Nordrhein-Westfalen und das Saarland sind die beiden Länder mit den höchsten Durchschnittsgemeindegrößen. In
Rheinland-Pfalz, dem dritten Land in benanntem Krisentrio, ist das anders. Hier handelt es sich um das Land mit den
einwohnerschwächsten Städten und Gemeinden. Der Blick in die kommunale Familie von Rheinland-Pfalz verrät allerdings,
dass auch hier insbesondere die tendenziell einwohnerstärkeren kreisfreien Städte von hohen Kassenkreditniveaus
betroffen sind.
Im doppischen Haushaltsrecht spielen Kassenkredite eine indirekte Rolle für den Haushaltsausgleich auf der
Ergebnisebene. Grundsätzlich sind Kassenkredite ein "Kind" der Finanz- und Vermögensebene. Allerdings spielen
die aus dem Kassenkredit resultierenden Zinsen inkl. etwaiger Personal- und Sachaufwendungen für das
Schuldenmanagement direkt in die Ergebnisebene des Haushaltes hinein. Je höher der Kassenkreditbestand und der
aus ihm resultierende Zinsaufwand sind, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Haushaltsausgleichwaage
in ein Ungleichgewicht kommt. Übersteigen letztlich die ordentlichen Aufwendungen die ordentlichen Erträge, so
lebt die entsprechende Kommune auf Kosten kommender Generationen. Gleichwohl spielen in das Ergebnis
selbstverständlich auch andere Ertrag- und Aufwandkomponenten hinein, die letztlich in Kombination mit dem Zinsaufwand
den Ausschlag dafür geben, ob die Haushaltsausgleichswaage im Gleichgewicht bleibt.
Zum Zusammenhang von Kassen- und Investitionskrediten und dem Prinzip interperiodischer Gerechtigkeit können nachfolgende online verfügbare Artikel einen vertieften Einblick ermöglichen:
» Einführung und Weiterentwicklung des neuen kommunalen Haushalts- und Rechnungswesens unter besonderer Berücksichtigung des ethischen Leitbilds der intergenerativen Gerechtigkeit
Autoren: Andreas Glöckner, Marc Gnädinger, Thomas Grieger
» Generationengerechte Haushaltswirtschaft - Schuldenverbot, HGrGMoG und Ergebnisausgleich
Autoren: Edmund Fischer, Marc Gnädinger
Weitere Informationen zum Stand kommunaler Kassenkredite können insbesondere der Schuldenstatistik öffentlicher Haushalte entnommen werden:
» Schulden der öffentlichen Haushalte - Fachserie 14 Reihe 5
Ein umfassendes Informationsangebot zum Stand sowie zur Entwicklung der Kommunalverschuldung
in den Flächenländern finden Sie hier:
» Staatsverschuldung in Deutschland
Hrsg.: HaushaltsSteuerung.de
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