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EU-Vergleich zu Primärsaldo und Zinsausgaben 2015
EU-Vergleich zu Primärsaldo und Zinsausgaben 2015
23. April 2016 |
Autor: Andreas Burth
Im Blog des Portals HaushaltsSteuerung.de sind bereits mehrere Beiträge zum
Primärsaldo der EU-Mitgliedsstaaten veröffentlicht worden.
Jüngst hat Eurostat neue statistische Daten für das Jahr 2015 online bereitgestellt. Die Daten werden in diesem Blog-Eintrag einer
vergleichenden Analyse über die 28 EU-Mitgliedsstaaten unterzogen. Insbesondere wird auch die Berechnung des Primärsaldos für die
einzelnen Staaten nachvollzogen.
Der Primärsaldo bestimmt sich aus den von Eurostat publizierten Daten, indem zum Finanzierungssaldo nach Maastricht-Vertrag die
Zinsausgaben hinzuaddiert werden. Grund für dieses Vorgehen ist, dass die Zinsausgaben im Finanzierungssaldo nach Maastricht-Vertrag
bereits als Ausgabeposition negativ erfasst worden sind. Das Hinzuaddieren der Zinsausgaben neutralisiert diese Position.
Die Idee hinter der Kennzahl "Primärsaldo" ist es, dass die Zinszahlungen auf die angesammelten Staatsschulden nicht zum Portfolio der eigentlichen
Kernaufgaben eines Staates zählen. Sie werden daher aus dem Saldo eliminiert. Im Ergebnis zeigt der Primärsaldo an, ob die
Staatseinnahmen in ihrer Höhe genügen, um die Staatsausgaben für die Erfüllung der staatlichen Kernaufgaben (Bildung,
Forschung, innere Sicherheit, äußere Sicherheit, Soziales etc.) vollständig zu decken. Ist der Primärsaldo negativ
(Primärdefizit), so reichen die Einnahmen nicht aus, um die Ausgaben für die Kernaufgaben zu finanzieren. Ist er positiv
(Primärüberschuss), nimmt der Staat mehr ein als er zur Erfüllung der Kernaufgaben bräuchte.
Zur Interpretation des Primärsaldos ist indes zusätzlich die Staatsverschuldung zu berücksichtigen. Hätte ein Staat keinerlei
(verzinsliche) Schulden, würde diesem Staat ein ausgeglichener Primärsaldo genügen. Im (fiktiven) Fall der
Schuldenfreiheit entspricht der
Primärsaldo dem Finanzierungssaldo nach Maastricht-Vertrag. Ist ein Staat indes verschuldet (was bei allen 28 EU-Staaten der Fall
ist), hat selbiger Primärüberschüsse zu erwirtschaften, um das Wachstum der Staatsverschuldung zu stoppen. Genau genommen muss der
Primärüberschuss die Zinsausgaben übersteigen, um einen Abbau der Staatsverschuldung zu ermöglichen.
Das oben beschriebene und auch im vorliegenden Blog-Eintrag verwendete Begriffsverständnis des Primärsaldos ist diejenige
Abgrenzung, die zumeist in statistischen Analysen zu den EU-Staatsfinanzen genutzt wird. Auch Eurostat verwendet i.d.R. diese
Abgrenzung. Zu beachten ist allerdings, dass es sich hierbei nicht um die einzige Definition des Begriffs "Primärsaldo"
handelt. So nutzt die Troika
(bzw. "Die Institutionen") z.B. für Griechenland eine abweichende, landesspezifische Definition. Die Troika-Definition kann
in erheblichem Ausmaß von der statistischen Definition abweichen. Weitere Informationen zur Troika-Definition für
Griechenland finden Sie auf folgender Seite.
» Primärüberschüsse bzw. Primärdefizite der EU-Länder im Vergleich, Blog-Eintrag vom 22. Februar 2015
Autor: Andreas Burth
Die höchsten Primärüberschüsse in Prozent des nominalen BIP verzeichnen im Jahr 2015 die Mitgliedsstaaten Deutschland (2,3 Prozent
des nominalen BIP) und Zypern (1,8 Prozent des nominalen BIP). Österreich hat 2015 einen Primärüberschuss von 1,2 Prozent des
nominalen BIP erwirtschaftet. Insgesamt 18 von 28 EU-Staaten haben einen positiven oder zumindest ausgeglichenen Primärsaldo.
Demgegenüber finden sich in zehn EU-Mitgliedern negative Primärsalden. Am höchsten fallen die Primärdefizite in Griechenland (-3,4
Prozent des nominalen BIP), im Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland (-2,1 Prozent des nominalen BIP) und in Spanien
(-2,0 Prozent des nominalen BIP) aus.
Nur in drei EU-Staaten reichen die Primärüberschüsse aus, um die Zinsausgaben zu decken. Es handelt sich um Deutschland, Estland und
Luxemburg (zudem verzeichnet Schweden ein minimales Defizit). Österreich weist ein Finanzierungsdefizit (-1,2 Prozent des nominalen BIP) aus, d.h. der Primärüberschuss
genügt nicht zur Deckung der Zinsausgaben. Am höchsten fallen die Zinsausgaben in Portugal aus (4,6 Prozent des nominalen BIP). Die
geringsten Zinsausgaben hat Estland (0,1 Prozent des nominalen BIP). Der deutsche Staatshaushalt ist 2015 mit Zinsausgaben in Höhe
von 1,6 Prozent des nominalen BIP belastet. In Österreich sind es 2,4 Prozent des nominalen BIP.
Die höchsten Pro-Kopf-Primärüberschüsse haben im Jahr 2015 die Staaten Luxemburg (1.486 Euro je Einwohner) und Deutschland (859 Euro
je Einwohner). Österreich hat einen Primärüberschuss von 472 Euro je Einwohner. In der Gruppe der Staaten mit Primärdefiziten finden
sich die betragsmäßig höchsten Pro-Kopf-Werte im Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland (-817 Euro je Einwohner), in Finnland (-580 Euro je Einwohner)
und in Griechenland (-558 Euro je Einwohner). Die Gruppierung in Primärüberschuss- und Primärdefizit-Staaten entspricht obiger
Gruppierung in Tabelle 1. Gleiches gilt für die Frage, ob die (etwaigen) Primärüberschüsse ausreichen, um die Zinsausgaben in vollem Umfang zu decken.
Das höchste Niveau in den Pro-Kopf-Zinsausgaben aller 28 EU-Staaten verzeichnen Irland (1.458 Euro je Einwohner) und Italien (1.126
Euro je Einwohner). Am geringsten fallen sie in Estland (15 Euro je Einwohner) und Bulgarien (58 Euro je Einwohner) aus. Deutschlands
Pro-Kopf-Zinsausgaben liegen 2015 bei 598 Euro je Einwohner. In Österreich liegt der Wert bei 925 Euro je Einwohner.
Weiterführende Informationen zu den EU-Staatsfinanzen finden Sie beispielsweise unter folgenden Links.
» Schuldenuhren der EU-Mitgliedsstaaten
Hrsg.: HaushaltsSteuerung.de
» Staatsverschuldung in der EU
Hrsg.: HaushaltsSteuerung.de
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