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HaushaltsSteuerung.de » Weblog » Kommunaler Finanzierungssaldo der 28 EU-Staaten im Verhältnis zu den kommunalen Einnahmen

Kommunaler Finanzierungssaldo der 28 EU-Staaten im Verhältnis zu den kommunalen Einnahmen
24. April 2015  |  Autor: Andreas Burth



Kürzlich ist auf HaushaltsSteuerung.de für das Jahr 2013 ein EU-Ranking zu den kommunalen Schulden im Verhältnis zu den kommunalen Einnahmen veröffentlicht worden. Dabei hat sich gezeigt, dass die Kommunen in Deutschland zu den am höchsten verschuldeten in der EU zählen. Dies lässt sich als Indiz für eine tendenziell kritische kommunale Finanzlage in Deutschland sehen. Gleichwohl ist auch darauf hinzuweisen, dass eine reine Betrachtung der Schulden nur ein einseitiges Bild der finanziellen Situation zeichnet. Zur Ergänzung der Schulden-Sicht bietet sich insbesondere eine zusätzliche Analyse des kommunalen Finanzierungssaldos (Differenz aus Einnahmen und Ausgaben) an. Auch hier erscheint es sinnvoll, die Kenngröße ins Verhältnis zu den Einnahmen zu setzen, um z.B. staatsübergreifende Unterschiede im kommunalen Aufgabenportfolio zu neutralisieren.

Überblick:
- Methodische Vorbemerkungen
- Kommunale Schulden zum 31.12.2013 und 31.12.2014 im Verhältnis zu den kommunalen
  Einnahmen 2013 und 2014

- Kommunaler Finanzierungssaldo 2014 im Verhältnis zu den kommunalen Einnahmen 2014
- Durchschnittlicher Finanzierungssaldo 2006 bis 2014 im Verhältnis zu den durchschnittlichen
  Einnahmen 2006 bis 2014

- Kommunaler Finanzierungssaldo im Verhältnis zu den kommunalen Einnahmen 2006 bis 2014 im
  Zeitvergleich

- Weitere Informationen



Methodische Vorbemerkungen

Der vorliegende Blog-Eintrag untersucht auf vergleichender Grundlage die Finanzen der Kommunen der einzelnen 28 EU-Mitglieder, der EU-28 (Summe der 28 EU-Mitglieder zum 1.1.2015) und der Euro-19 (Summe der 19 Mitglieder der Eurozone zum 1.1.2015). Außen vor bleiben - von einzelnen Ausnahmen abgesehen - die anderen drei Teilsektoren (Bund/Zentralstaat, Gliedstaaten/Länder und Sozialversicherung). Die gewählte Abgrenzung ist jeweils die von Eurostat praktizierte Abgrenzung nach dem Europäischen System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnung (ESVG 2010). Quellen sind die folgenden beiden Eurostat-Finanzstatistiken: Defizit/Überschuss, Schuldenstand des Staates und damit zusammenhängende Daten [gov_10dd_edpt1] und Staatseinnahmen, -ausgaben und Hauptaggregate [gov_10a_main].

Der Beitrag setzt den Finanzierungssaldo (und die Schulden) ins Verhältnis zu den Einnahmen. Dieses Vorgehen ist gewählt worden, da insbesondere Pro-Kopf-Vergleiche und Vergleiche in Prozent des BIP daran kranken, dass sie Unterschiede im Aufgabenportfolio unberücksichtigt lassen. Besonders problematisch ist dies potenziell im Vergleich von bundesstaatlich aufgebauten Staaten (Belgien, Deutschland, Österreich, Spanien) mit zentralstaatlich organisierten Staaten (alle übrigen 24 EU-Staaten). Ein EU-Vergleich auf Basis der Kommunalschulden im Verhältnis zu den kommunalen Einnahmen hat konkret v.a. folgende Vorteile:
  • Unterschiede in der Wirtschaftskraft werden über das Volumen der kommunalen Einnahmen indirekt berücksichtigt (je höher das BIP, desto höher sind i.d.R. auch die erzielten Einnahmen)
  • Einwohnerunterschiede verzerren die Kenngröße nicht (die Einwohnerzahl lässt sich gewissermaßen herauskürzen)
  • Die kommunalen Einnahmen sind (neben den kommunalen Ausgaben) ein Spiegelbild des kommunalen Aufgabenportfolios im jeweiligen EU-Mitglied
  • Die Einnahmen als Referenzgröße für den Finanzierungssaldo (oder die Schulden) geben Hinweise im Hinblick auf die "Finanzierbarkeit" von Defiziten (oder Schulden)
  • Bei Zeitvergleichen wird die jährliche Preissteigerung indirekt berücksichtigt, da die Inflation alle Geldgrößen (hier: Finanzierungssaldo, Schulden, Einnahmen, Ausgaben) in gleichem Maße betrifft (die jährliche Inflationsrate lässt sich quasi herauskürzen)
Im Hinblick auf den Finanzierungssaldo und die Veränderung des Schuldenstandes sei darauf hingewiesen, dass beide Größen nicht identisch abgegrenzt sind. So gibt es beispielsweise Vorgänge, die zwar den Schuldenstand verändern, aber keinen Einfluss auf den Finanzierungssaldo haben.



Kommunale Schulden zum 31.12.2013 und 31.12.2014 im Verhältnis zu den kommunalen Einnahmen 2013 und 2014

Wie bereits zuvor erwähnt, ist eine Analyse zum kommunalen Schulden-Einnahmen-Verhältnis für das Jahr 2013 bereits im Weblog von HaushaltsSteuerung.de eingestellt worden. Am 21.4.2015 sind nun auch Daten für das Jahr 2014 von Eurostat publiziert worden. Nachfolgende Abbildung zeigt vor diesem Hintergrund die Höhe der kommunalen Schulden zum 31.12.2014 im Verhältnis zu den kommunalen Einnahmen 2014. Nachrichtlich ebenfalls noch einmal ausgewiesen sind die jeweiligen Daten für 2013. Bei den 2013er-Daten zu beachten ist allerdings, dass diese aufgrund von Überarbeitungen/Verbesserungen des Datenmaterials, die von Eurostat vorgenommen wurden, von den Zahlen des früheren Blog-Eintrags abweichen können.

Aus Abbildung 1 wird deutlich, dass das Gesamtbild des Jahres 2014 (erwartungsgemäß) dem des Jahres 2013 ähnelt. In der Tendenz sind die Schuldenstände leicht gestiegen. Sehr deutlich gestiegen sind die Schulden v.a. in den drei EU-Mitgliedern mit den am höchsten verschuldeten Kommunen (Zypern, Portugal und Belgien). Merkliche Reduktionen sind v.a. in Spanien, Rumänien und in Ungarn festzustellen. Besonders interessant ist dabei Ungarn. Dort ist Jahr 2014 fast der komplette verbliebene Schuldenstand der Kommunen abgebaut worden. Ende 2014 haben die ungarischen Kommunen nur noch Schulden in Höhe von 145,0 Mio. Euro (Ende 2013 waren es noch 1.561,1 Mio. Euro). Es ist somit zu vermuten, dass viele ungarische Kommunen zum 31.12.2014 bereits
schuldenfrei sind.

Die deutschen Kommunen sind im EU-Vergleich weiterhin am sechshöchsten verschuldet, wenngleich die Schulden im Verhältnis zu den Einnahmen leicht reduziert worden sind. Zum 31.12.2014 liegen die deutschen Kommunalschulden bei 67,52 Prozent der Einnahmen. Im Vergleich zu Bund und Ländern in Deutschland ist dies ein noch relativ niedriger Schuldenstand. Der Bund kommt zum 31.12.2014 auf Schulden in Höhe von 360,49 Prozent der Einnahmen, die Länder auf Schulden im Umfang von 175,56 Prozent der Einnahmen.

Kommunale Schulden zum 31.12.2013 und 31.12.2014 in Prozent der kommunalen Einnahmen 2013 und 2014 - Vergleich der 28 EU-Mitglieder



Kommunaler Finanzierungssaldo 2014 im Verhältnis zu den kommunalen Einnahmen 2014

Im Verhältnis des Finanzierungssaldos zu den Einnahmen zeigt sich, dass im Jahr 2014 die Kommunen in Ungarn (15,07 Prozent der Einnahmen), Spanien (8,43 Prozent der Einnahmen) und Griechenland (8,10 Prozent der Einnahmen) die höchsten Überschüsse verzeichnen. Der hohe Überschuss der ungarischen Kommunen kann dabei den starken Schuldenabbau im Jahr 2014 (siehe oben) erklären. Auch die deutschen Kommunen erwirtschaften 2014 mit 0,58 Prozent der Einnahmen einen Überschuss.

Die höchsten Defizite finden sich 2014 auf Malta (-4,38 Prozent der Einnahmen), in Belgien (-3,91 Prozent der Einnahmen) und in Finnland (-3,65 Prozent der Einnahmen). Insgesamt betrachtet ist die Kommunalfinanzlage in der EU 2014 relativ stabil. Sowohl die EU-28 als auch die Euro-19 sind im Finanzierungssaldo 2014 nahezu exakt ausgeglichen (mit minimalem Überschuss).

Interessant ist die Beobachtung, dass sich in der Gruppe der Überschussländer fast alle Krisenländer finden: Spanien, Griechenland und Portugal sind Teil der Top-5 und auch Italien hat 2014 einen Überschuss im kommunalen Finanzierungssaldo. In der Gruppe der Krisenländer ist einzig Irland 2014 auf kommunaler Ebene defizitär, wenngleich das Defizit mit -0,05 Prozent der Einnahmen minimal ausfällt. In besagten Krisenländern scheinen die Finanzprobleme gegenwärtig auf anderen Ebenen (insb. Bund/Zentralstaat) stärker auszufallen.

Kommunaler Finanzierungssaldo 2014 in Prozent der kommunalen Einnahmen 2014 - Vergleich der 28 EU-Mitglieder



Durchschnittlicher Finanzierungssaldo 2006 bis 2014 im Verhältnis zu den durchschnittlichen Einnahmen 2006 bis 2014

Ein Problem der oben vorgenommenen reinen Betrachtung des Jahres 2014 ist, dass solche Ein-Jahres-Daten beim Finanzierungssaldo anfällig gegenüber Einmaleffekten sind. Es bietet sich daher an, die Kenngrößen in einem Mehrjahreshorizont zu untersuchen, um diese Einmaleffekte zu nivellieren. Zum Zweck des Ranking-Erstellens eignet sich dafür insbesondere die Bildung eines arithmetischen Mittels der einzelnen Jahreswerte. Dies wird hier für die Jahre 2006 bis 2014 vorgenommen. Besagter Zeitraum hat den Vorteil, dass er sowohl die guten Jahre vor der Finanzkrise, die Jahre der Finanzkrise und die Jahre der Erholungsphase nach der Finanzkrise einbezieht. Es wird somit ein Großteil der Phasen eines typischen Konjunkturzyklus abdeckt.

Im Durchschnitt der Jahre 2006 bis 2014 ist festzustellen, dass nur vier EU-Mitgliedsstaaten auf kommunaler Ebene Überschüsse berichten. Es sind dies Luxemburg (5,43 Prozent der Einnahmen), Ungarn (3,10 Prozent der Einnahmen), Griechenland (2,08 Prozent der Einnahmen) und Deutschland (1,54 Prozent der Einnahmen). Gerade das Ergebnis für Deutschland steht damit in einem interessanten Kontrast zur Verschuldungslage. Spannend sind auch die Überschüsse der griechischen Kommunen. Trotz der tiefen Wirtschaftskrise in Griechenland scheinen die griechischen Kommunalfinanzen in einem soliden Zustand zu sein. Dies steht in einem deutlichen Widerspruch zur sonst üblichen Wahrnehmung der Lage der öffentlichen Finanzen in Griechenland.

Am kritischsten ist die Situation in Lettland mit einem durchschnittlichen Finanzierungsdefizit in Höhe von -6,17 Prozent der Einnahmen. Auch die Kommunalfinanzen der Niederlande sind in den letzten Jahren offenbar in eine Schieflage geraten (durchschnittlicher Finanzierungssaldo: -3,83 Prozent der Einnahmen). Die Euro-19 bzw. EU-28 liegen im Durchschnitt der Jahre 2006 bis 2014 bei Defiziten von -1,38 Prozent der Einnahmen bzw. von -1,41 Prozent der Einnahmen, d.h. im deutlich negativen Bereich.

Wie bereits erwähnt erwirtschaften die deutschen Kommunen im Betrachtungszeitraum einen durchschnittlichen Finanzierungsüberschuss von 1,54 Prozent der Einnahmen. Gerade im Vergleich zu Bund und Ländern spricht dies für eine positive Finanzlage. So liegt im gleichen Zeitraum der Bund bei einem Finanzierungsdefizit von -7,09 Prozent der Einnahmen. Die Länder erwirtschaften ein Finanzierungsdefizit von -2,36 Prozent der Einnahmen. In Kombination mit den Ergebnissen von obiger Schuldenbetrachtung zeigt dies deutlich auf, dass die Kommunen in ihrer Gesamtheit deutlich geringere Finanzprobleme haben als Bund und Länder. Gleichwohl ist im Kontext der kommunalen Familie Deutschlands auch darauf hinzuweisen, dass die finanzielle Situation hoch heterogen ist. Gerade im Saarland sowie in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Hessen gibt es eine beträchtliche Anzahl Kommunen, deren Haushalte hochgradig konsolidierungsbedürftig sind.

Durchschnittlicher jahresbezogener Finanzierungssaldo 2006 bis 2014 in Prozent der durchschnittlichen jahresbezogenen Einnahmen 2006 bis 2014 - Vergleich der 28 EU-Mitglieder



Kommunaler Finanzierungssaldo im Verhältnis zu den kommunalen Einnahmen 2006 bis 2014 im Zeitvergleich

Eine Schwäche von Durchschnittsbetrachtungen wie in Abbildung 3 ist, dass diese die Schwankungen im Zeitraum nicht aufzeigen. Aus Gründen der Übersichtlichkeit erscheint es wenig zweckmäßig, einen Zeitvergleich für alle 28 EU-Mitglieder einzeln durchzuführen. Daher beschränkt sich der vorliegende Beitrag auf die Kommunen in Deutschland (siehe Abbildung 4). Ergänzend werden zu Vergleichszwecken auch die Werte der Euro-19 und der EU-28 in der Abbildung berichtet. Die neun Zahlenwerte in der Grafik betreffen jeweils Deutschland.

Es zeigen sich gerade im Falle Deutschlands starke Schwankungen im Zeitablauf. Der infolge der Finanzkrise zu verzeichnende Einbruch im kommunalen Finanzierungssaldo ist deutlich zu erkennen und fällt stärker aus als bei den anderen EU-Staaten. Bereits 2011 war der Finanzierungssaldo nach ESVG-Abgrenzung aber schon wieder positiv. Abgesehen vom Jahr 2010 lag Deutschland auch stets über den EU-28 und den Euro-19. Die Kommunen der EU-28 und der Euro-19 sind ihrerseits weniger schwankungsanfällig als die deutschen Kommunen. Eine mögliche Ursache kann sein, dass die deutschen Kommunen hohe Einnahmen aus der Gewerbesteuer generieren. Die Gewerbesteuer ist dadurch charakterisiert, dass sie eine vergleichsweise stark konjunktursensible Steuereinnahmequelle ist.

Die EU-28 und Euro-19 sind seit 2012 im Finanzierungssaldo (nahezu) ausgeglichen. 2014 liegen sie jeweils minimal im Plus.

Kommunaler Finanzierungssaldo in Prozent der kommunalen Einnahmen 2006 bis 2014 im Zeitvergleich - Deutschland, EU-28 und Euro-19 im Vergleich



Weitere Informationen

Ergänzende Informationen zu den Kommunalfinanzen in Deutschland können Sie unter nachfolgenden Links abrufen.

» Verschuldung der Kommunen der Flächenländer in Deutschland
    Hrsg.: HaushaltsSteuerung.de

» Blog-Einträge zum Thema "Schuldenfreie Kommunen"
    Hrsg.: HaushaltsSteuerung.de

» Blog-Einträge zum Thema "Nachhaltigkeitssatzungen & kommunale Schuldenbremsen"
    Hrsg.: HaushaltsSteuerung.de

Weiterführende Datenangebote zur EU-Staatsverschuldung finden Sie über untenstehende Links.

» Schuldenuhren der EU-Mitgliedsstaaten
    Hrsg.: HaushaltsSteuerung.de

» Staatsverschuldung in der Europäischen Union (EU)´
    Hrsg.: HaushaltsSteuerung.de





©  Andreas Burth, Marc Gnädinger