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Steuerung mit Doppik (einschließlich kritischer Anmerkungen zum vollkonsolidierten Gesamtabschluss)
Steuerung mit Doppik (einschließlich kritischer Anmerkungen zum vollkonsolidierten Gesamtabschluss)
19. Februar 2015 |
Autor: Martin Richter (Gastbeitrag)
1. Steuerung als Lernprozess
Hauptziel der Einführung des kaufmännischen Rechnungswesens in Kommunen ("Doppik") war und ist eine bessere Steuerung. Vor allem soll
eine bessere interne Steuerung bewirkt werden, und zwar auf den beiden Ebenen "Gemeindevertretung - Verwaltungsspitze" sowie
"Verwaltungsspitze - nachgeordnete Organisationseinheiten (einschließlich Beteiligungen, Sondervermögen usw.)". Inhaltlich lässt
sich dieses Formalprinzip "bessere Steuerung" mit der Generationengerechtigkeit, mit der stetigen Aufgabenerfüllung (z.B. § 75 Abs. 1 GO NRW)
und mit besseren Entscheidungen zugunsten der Bürger (bzw. weniger Steuern) konkretisieren. Andererseits zeigen Befragungen, dass die
Umstellung von Kameralistik auf Doppik zwar "technisch" vollzogen worden ist. Die neue Steuerungslogik wird jedoch noch nicht gelebt.1
Um es überspitzt zu formulieren: man hat zurzeit den Aufwand, während sich der Nutzen der Reform noch nicht eingestellt hat - bzw.
teilweise auch noch nicht wahrgenommen wird.
Die Ursachen für diese Diskrepanz zwischen Aufwand und Nutzen sind vielfältig. Einen wesentlichen Anteil haben konzeptionelle Mängel im
Rechtsrahmen sowie handwerkliche Mängel bei der Umsetzung der rechtlichen Anforderungen. Beispiele für konzeptionelle Mängel sind die unter
Steuerungsaspekten völlig verunglückte Normierung der Rückstellung für unterlassene Instandhaltung sowie die überflüssige originäre
Finanzrechnung (zum Gesamtabschluss siehe unten Abschnitt 3). Beispiele für Umsetzungsdefizite sind/waren das unterentwickelte Doppik-Wissen
der Akteure, ein unzureichendes Projektmanagement und die fehlende projektbegleitende Prüfung durch die Rechnungsprüfung.2
Eine Ursache für den noch geringen Steuerungsnutzen dürften aber auch Fehlvorstellungen sein, wie ein neuer Rechnungsstil eine bessere
Steuerung bewirken kann. Teilweise hat man den Eindruck, dass "deus ex machina"-Vorstellungen bestehen, d.h. die bessere Steuerung
automatisch mit der Umstellung auf Doppik verknüpft ist. Vergleichbare Missverständnisse bestehen gegenüber der Kosten- und Leistungsrechnung.
Diese kann die Wirtschaftlichkeit verbessern, muss es aber keineswegs. Entscheidend für die positiven Steuerungswirkungen ist die jeweils
sachgerechte Einführung der Instrumente in Verbindung mit einer zweckadäquaten Nutzung der Informationen.
Rechnungswesen, d.h. spezifische Formen der Erzeugung und Präsentation von Informationen, haben zum einen direkte Verhaltens(rück)wirkungen.
So ist z.B. hinreichend gesichert, dass regelmäßige Aufzeichnungen von Ausgaben das Ausgabeverhalten von Menschen verändern. Diese
Veränderungsprozesse laufen häufig unbewusst ab. So dürfte z.B. die Verpflichtung, Rückstellungen für finanzielle Risiken zu bilden, zu
einem ausgeprägteren Risikobewusstsein führen - mit der Folge, dass die Entscheidungsträger in ihren Entscheidungen Risiken tendenziell
eher berücksichtigen und deshalb auch seltener von den negativen (u.U. auch vermeidbaren) Folgen des Risikoeintritts überrascht werden.3
Der unvollständige Katalog der Rückstellungsgründe in den GemHVO ist für die Entstehung eines Risikobewusstseins allerdings weniger
förderlich, ganz abgesehen davon, dass er dem Vollständigkeitsgebot der Gemeindeordnungen widerspricht.4
Zum anderen liefern Rechnungswesen Anregungs- und Entscheidungsinformationen. Anregungsinformationen schaffen Aufmerksamkeit. Sie
rücken Sachverhalte in das Blickfeld der Entscheidungsträger, die, wenn sie weiter verfolgt werden, zu Entscheidungen führen und
positive Steuerungswirkungen entfalten können. Im Unterschied dazu gehen Entscheidungsinformationen direkt in Entscheidungskalküle ein,
wie z.B. Kosten in Kostenvergleichsrechnungen, oder sie verweisen auf Entscheidungsspielräume bzw. begrenzen Entscheidungen, wie z.B.
das Guthaben auf dem Bankkonto oder die Information, dass das Budget aufgebraucht ist. Die Abgrenzung zwischen beiden Informationskategorien
ist fließend.
Jede Gestaltung von Informationsinstrumenten (Rechnungswesen) sollte auf einer Informationsbedarfsanalyse aufbauen. Diese Erkenntnis
ist eigentlich trivial; sie ist allerdings bei der Gestaltung des doppischen Rechtsrahmens nicht hinreichend beachtet worden, zumindest
für einen Außenstehenden in nicht erkennbarer Weise. Stattdessen orientierte man sich sehr stark am privatwirtschaftlichen HGB-Modell.
Dabei wurde übersehen, dass die Schnittmenge zwischen den Zwecken eines HGB-Abschlusses und eines kommunalen Abschlusses nicht sehr
groß ist. Vielmehr sind - abgesehen vom Rechenschaftszweck - die Unterschiede zwischen beiden Abschlüssen gravierend.5
In der praktischen Handhabung kann das Defizit einer fehlenden Informationsbedarfsanalyse weitgehend kompensiert werden, wenn bei
allen konkreten Bilanzierungsentscheidungen, z.B. bei der Abgrenzung des Vermögensgegenstandes "Straße" oder Pauschalierungen bei
der Ermittlung der Einzelwertberichtigungen, zuerst gefragt wird, welche Informationen für eine möglichst effektive Steuerung erforderlich
bzw. geeignet sind. Erst danach sollte geprüft werden, welche Anforderungen der Rechtsrahmen stellt. Widersprüche zwischen dem
Steuerungszweck und dem Wortlaut der Normen sollten dann teleologisch gelöst werden. Dem gesetzlichen Steuerungszweck, in den
Gemeindeordnungen festgelegt, sollte als sog. "overriding principle" Vorrang gewährt werden vor den Detailregelungen in den
niederrangigen GemHVO, Richtlinien und sonstigen Interpretationen wie FAQs (frequently asked questions). Der Vorrang des Gesetzeszwecks,
auch wenn dieser schwer feststellbar ist und in der Regel aus dem Gesamtzusammenhang erschlossen werden muss, entspricht auch der
vorherrschenden juristischen Auslegungslehre.
Zwischen dem Erkennen von Informationsbedarfen und der Nutzung von Informationen bestehen Wechselwirkungen. Einerseits begünstigt
ein zutreffendes Erkennen von Informationsbedürfnissen ihre spätere Nutzung. Umgekehrt ergeben sich aber auch aus der Nutzung der
Informationen vielfältige Hinweise auf eine verbesserte Erfassung und Verarbeitung der Informationen und/oder ihrer Präsentation.6
Allerdings ist keineswegs selbstverständlich, dass Entscheidungsträger ihre Informationsbedarfe erkennen. Erst recht kann nicht
davon ausgegangen werden, dass vorhandene Informationen auch genutzt werden. Die Nutzung neuer/andersartiger Informationen wird
insbesondere dann erschwert, wenn die Entscheidungsträger durch ein anderes Rechnungswesen (Kameralistik) nachhaltig vorgeprägt sind.
Wegen der Vielfalt von Entscheidungssituationen, der hohen Dynamik der Umwelt und des jeweiligen konkreten situativen Kontextes
lassen sich für die Nutzung von Informationen allgemeine Regeln nur auf einem sehr hohen Abstraktionsniveau aufstellen. In aller
Regel ist deshalb die konkrete Nutzung von Informationen für Entscheidungen ein längerer erfahrungsgestützter Lernprozess. Insofern
ist die Beobachtung, dass die Nutzung der doppischen Informationen noch zu wünschen übrig lässt, nicht überraschend. Dieser Lernprozess
lässt sich durch formale Ausbildungen nur unterstützen, aber nicht ersetzen. Allerdings können gezielte Hinweise der kommunalen
Rechnungsprüfung, wie man doppische Informationen nutzt, ihn wesentlich abkürzen.
In der Steuerung mit Doppik haben Kennzahlen einen prominenten Platz erhalten.7 Fraglich ist allerdings, ob den Verwendern
von Kennzahlen die Aussagekraft, vor allem aber auch die Grenzen von Kennzahlen hinreichend bewusst sind. Kennzahlen vollziehen
eine zweifache Reduktion. Sie beschränken sich zum einen auf quantifizierbare Sachverhalte8, d.h. alle nicht-quantifizierbaren
Sachverhalte, obwohl auch diese entscheidungsrelevant sein können, werden ausgeklammert. Zum anderen reduzieren sie eine in der
Regel sehr komplexe Realität auf eine Punktgröße. Diese Eigenschaft erklärt ihre Beliebtheit. Übersehen wird dabei jedoch, dass
bei einer sachgerechten Interpretation von Kennzahlen beide Reduktionen wieder rückgängig gemacht werden müssen. Kennzahlen haben
deshalb im Wesentlichen nur Signalfunktion ("Anregungsinformationen"), d.h. ein Abweichen von einem Referenzwert ist ein Signal,
die Ursachen dafür vertieft zu analysieren.9 In jedem Fall setzt die zutreffende Interpretation von Kennzahlen sehr viel Erfahrung
und Hintergrundwissen voraus.
Im folgenden Abschnitt wird an zwei konkreten Beispielen aufgezeigt, wie das doppische System zu einer besseren Steuerung
beigetragen hat. Im abschließenden Abschnitt wird dann untersucht, ob der vollkonsolidierte Gesamtabschluss geeignet ist,
die Steuerungsbedürfnisse im "Konzern Stadt" zu erfüllen.
2. Zwei Beispiele für eine bessere Steuerung durch das doppische System
2.1 Vermietung von Gebäuden
Eine Kommune hatte 15 Wohn- und Verwaltungsgebäude vermietet und die Verwaltung dieser Gebäude einem Verwalter übertragen.
Bei der Prüfung der Eröffnungsbilanz wurde dieser Sachverhalt festgestellt. Der für die Prüfung der liquiden Mittel zuständige
Prüfer forderte daraufhin den Verwaltervertrag sowie die Abrechnung des Verwalters zum Eröffnungsbilanzstichtag an. Das
Liegenschaftsamt legte den Verwaltervertrag zeitnah vor, nicht jedoch die Verwalterabrechnung, weil - so die Begründung -
diese wegen einer längeren Krankheit der Sachbearbeiterin noch nicht hätte erstellt werden können. Der Prüfer reagierte
erstaunt, dass man einerseits dem Verwalter regelmäßig eine Vergütung zahle, dieser aber eine vertragliche Leistung nicht
erbringe; es sei sein Problem, den Ausfall der Sachbearbeiterin zu kompensieren, zumal nach einer so langen Verzögerung.
Das Liegenschaftsamt nahm den Hinweis auf und legte zwei Wochen später die Verwalterabrechnung vor. Diese wies ein Bankguthaben
in Höhe von 100.000 Euro auf. Da der Verwalter dieses Guthaben für die Kommune nur treuhänderisch hielt, wurden die liquiden Mittel
in der Eröffnungsbilanz entsprechend erhöht.
In einem zweiten Schritt hat der Prüfer dann das Liegenschaftsamt um objektbezogene Abrechnungen für die letzten drei Jahre
gebeten, um die Notwendigkeit einer außerplanmäßigen Abschreibung auf die Gebäudewerte besser abschätzen zu können (diese waren
in der Eröffnungsbilanz nicht mit dem Ertragswert, sondern mit einem Ersatzwert bewertet worden). Eine Analyse dieser
objektbezogenen Abrechnungen zeigte dann, dass drei Objekte dauerdefizitär waren, bei einem insgesamt positiven Ergebnis über
alle Gebäude. Der Prüfer fragte daraufhin (ironisch), ob es Absicht sei, die Mieter dieser drei Objekte zu subventionieren?
Oder (ernsthaft) ob die Defizite nur temporär seien, z.B. wegen einer Häufung von Instandhaltungsmaßnahmen?
Einige Monate später - bei der Prüfung des Jahresabschlusses - berichtete die Sachbearbeiterin im Liegenschaftsamt dem Prüfer
(stolz), dass sie die Verwalterabrechnung bereits im Februar angefordert und erhalten habe. Sie habe auch die objektbezogenen
Abrechnungen auf Auffälligkeiten durchgesehen. Bei einem der drei dauerdefizitären Gebäude war der Beschluss zum Verkauf
gefasst worden. Bei dem zweiten Objekt war eine sehr niedrige Miete für einen Jugendklub Ursache für das Defizit; hier war
vorgesehen, die Miete marktgerecht anzupassen und gleichzeitig dem Jugendclub einen entsprechenden Zuschuss zu gewähren. Das
dritte Objekt befand sich noch in der Prüfung. Das gleiche galt für den Verwaltervertrag. Dieser war seit 15 Jahren auch
bezüglich der Verwaltervergütungen unverändert, obwohl die Zahl der Objekte sich in diesem Zeitraum deutlich reduziert hatte.
Offensichtlich war dieser Vertrag jahrelang nicht mehr in die Hand genommen worden. Wegen vergleichbarer Beobachtungen in
anderen Bereichen der Verwaltung hatten die Prüfer zur Verbesserung des Vertragsmanagements ein Vertragsregister empfohlen.
In diesem sollten auch die Termine und Zuständigkeiten für die Vertragsüberprüfung geregelt werden. Bei diesem Steuerungsmittel
musste allerdings noch Überzeugungsarbeit geleistet werden.
In diesem Beispiel gab das Vollständigkeitsprinzip der Doppik den ersten Anstoß, ob nämlich ggf. bilanzierungspflichtiges
Vermögen von einem Treuhänder verwaltet wird. Auch die Detailanalyse der Wirtschaftlichkeit der einzelnen vermieteten Gebäude
war eine Folge der Doppik; zu jedem Bilanzstichtag müssen alle Aktiva daraufhin untersucht werden, ob Anhaltspunkte für
außerplanmäßige Abschreibungen bestehen. Diese Anstöße führten dann zu weiteren Aktivitäten des Liegenschaftsamtes und im
Ergebnis zu einer verbesserten Steuerung. In diesem Beispiel war die Wirkung nicht nur einmalig, vielmehr waren grundlegende
Verhaltensänderungen die Folge - sicherlich zum Nutzen dieser Kommune.
2.2 Forderungsmanagement
Bei der Prüfung von Eröffnungsbilanzen hat sich häufig gezeigt, dass Forderungen entweder nicht vollständig erfasst worden
sind; z.T. erfolgte die Einbuchung erst bei Zahlungseingang. Oder die Forderungen, nachgewiesen in jährlichen
Haushaltseinnahmereste-Listen, waren wegen ihres Alters verjährt oder faktisch uneinbringlich.10 Diese Verwaltungspraxis führte
neben den Zins- und Liquiditätsverlusten zu nennenswerten Vermögenseinbußen. Hinzuweisen ist auch auf den deutlich erhöhten
Verwaltungsaufwand für die Bearbeitung der Forderungen, der mit einer solchen Praxis verbunden ist.
Demgegenüber erzwingt das Vollständigkeitsprinzip der Doppik eine Erfassung aller Forderungen. Zugleich "sanktioniert" die
Doppik ein schlechtes Mahnwesen in Norm des Niederstwertprinzip (Zeitwertprinzip: "beizulegender Stichtagswert"). Über die
Verpflichtung, Einzel- und Pauschalwertberichtigungen für die zu erwartenden Zahlungs- und Zinsausfälle und den erhöhten
Arbeitsaufwand zu bilden, führt ein schlechtes Mahnwesen zu entsprechend höheren Aufwendungen in der Ergebnisrechnung. Es
wird damit unmittelbar haushaltswirksam.
Die Bedeutung eines wirksamen Forderungsmanagements, das von der zeitnahen, periodengerechten und vollständigen Erfassung der
Forderungen bis zum Zahlungseingang bzw. ihrer Ausbuchung reicht, wurde inzwischen erkannt. Die KGSt unterstützte deshalb mit
ihrem Bericht Nr. 8/2009 "Forderungsmanagement - eine Arbeitshilfe" die Einführung von Forderungsmanagement.11
3. Erfüllt der vollkonsolidierte Gesamtabschluss die Steuerungsbedürfnisse im "Konzern Stadt"?
Mit dem kommunalen Gesamtabschluss werden hohe Erwartungen verknüpft.12 Es ist jedoch fraglich, ob dieser - mit dem Regelfall der
Vollkonsolidierung - den kommunalen Steuerungsbedürfnissen gerecht werden kann. Der kommunale Gesamtabschluss lehnt sich eng an
das HGB-Modell der Konzernrechnungslegung an. Damit werden - implizit - dessen Zielsetzungen übernommen. Der HGB-Konzernabschluss
soll vorrangig Informationen über den wirtschaftlichen Wert des Konzerns liefern. Aus dieser Zielsetzung folgen insbesondere die
(aufwändige) Vereinheitlichung von Ansatz, Bewertung und Ausweis sowie die verschiedenen Konsolidierungen. Im Gegensatz dazu
verfolgt der kommunale Gesamtabschluss (ebenso wie der Einzelabschluss für die Kernverwaltung) interne Steuerungszwecke.
Der Informationswert des vollkonsolidierten Gesamtabschlusses für die interne Steuerung ist begrenzt. Er liefert im Wesentlichen
nur Anregungsinformationen über
- die Bedeutung der verselbständigten Aufgabenbereiche in Relation zum Kernhaushalt,
- die Höhe der Schulden und
- die Höhe des Eigenkapitals (als Sicherheits- bzw. Risikomaß).
Er ist darüber hinaus nicht zeitnah haushaltswirksam. Vermögensveränderungen im Beteiligungsbereich werden - in der Regel erst
zeitversetzt - über Ausschüttungen/Kapitalzuführungen und (bei Verlusten) ggf. über außerplanmäßige Abschreibungen auf die
Beteiligungswerte im Haushalt sichtbar.
Diesem begrenzten Informationswert steht ein hoher Aufwand für die Aufstellung eines vollkonsolidierten Gesamtabschlusses gegenüber.
Auch setzt die zutreffende Interpretation der Zahlen eines vollkonsolidierten Gesamtabschlusses ein tiefergehendes Spezialwissen
und viel Erfahrung voraus. Um die genannten Anregungsinformationen zu erzeugen, genügt schon ein additiver Gesamtabschluss. Dieser
ist mit der Summenbilanz in Verbindung mit der Kapitalkonsolidierung vergleichbar. Er verzichtet aber z.B. auf die Vereinheitlichung
der Bilanzierung und die weiteren Konsolidierungen. Er ist deshalb deutlich weniger aufwändig - und sehr einfach zu verstehen.
Eine effektive Steuerung im "Konzern Stadt" muss vorrangig andere Ansatzpunkte wählen:
- Haushaltswirksamkeit des Beteiligungsbereichs durch Anwendung der Eigenkapitalspiegelmethode an Stelle des Anschaffungskostenprinzips
zur Bewertung von Beteiligungen im Kernhaushalt. Bei dieser Bilanzierungsmethode wird der Anreiz genommen, nicht kostendeckende
Aktivitäten in Beteiligungen zu verlagern oder Gewinne dort zu thesaurieren. Es ist dann auch zu erwarten, dass die Stadtverordneten
dem Beteiligungsbereich mehr Beachtung schenken werden als bisher.
- Transparenz der Leistungsverflechtungen: Diese ist z.B. erforderlich, um feststellen zu können, ob die wechselseitigen
Leistungsverflechtungen dem Wirtschaftlichkeitsgebot (Fremdvergleich) entsprechen, die Transferleistungen durch den öffentlichen
Zweck gerechtfertigt sind sowie die Eigenkapitalverzinsung angemessen ist. Die Forderung nach Transparenz steht im diametralen
Gegensatz zur Eliminierung der Leistungsverflechtungen durch Konsolidierung.
- Ein systematisches Beteiligungsmanagement: Anregungsinformationen durch den Gesamtabschluss, die Haushaltswirksamkeit
des Beteiligungsbereichs durch die Eigenkapitalspiegelmethode sowie die Transparenz der Leistungsverflechtungen können die
Gesamtsteuerung unterstützen - mehr aber nicht. Das wichtigste Instrument bleibt ein systematisches Beteiligungsmanagement.13
Endnoten
1 Vgl. z.B. Hellenbrand/Frischmuth 2012.
2 Vgl. Richter 2012, S. 51 ff.
3 Siehe auch die Forderung nach einem systematischen kommunalen Risikomanagement, vgl. z.B. Hill 2002.
4 Vgl. z.B. für Baden-Württemberg § 95 Abs. 1 GO i.V. m. § 41 GemHVO.
5 Vgl. Richter 2012, S. 52 f. Die aktuelle EPSAS-Diskussion ist von dem gleichen Missverständnis geprägt; zu einem
Vergleich von IPSAS, EPSAS und NKF vgl. Biskoping-Kriening 2014.
6 Nach meinen Beobachtungen wird in der kommunalen Praxis der Präsentation von Informationen (z.B. dem Aufbau von
Tabellen oder der Gestaltung von Bildschirminhalten) noch viel zu wenig Beachtung geschenkt. Dabei ist sie häufig ausschlaggebend
für die Nutzung von Informationen. Die Präsentation ist häufig durch die DV-Systeme vorgeprägt, aber änderbar.
7 Vgl. z.B. den NKF-Kennzahlenset NRW (RdErl. d. Innenministeriums v. 1.10.2008), vgl. aber auch das erläuternde
Handbuch zum NKF-Kennzahlenset NRW
(http://www.mik.nrw.de/fileadmin/user_upload/ Redakteure/Dokumente/Themen_und_Aufgaben/Kommunales/kommunale_finanzen/ nkf_kennzahlenhandbuch.pdf;
Zugriff am 18.2.2015).
8 Missverständlich formuliert deshalb § 12 GemHVO NRW. Statt "Kennzahlen zur Zielerreichung" hätte man besser von
"Maßgrößen" bzw. "Indikatoren" zur Messung der Zielerreichung gesprochen, da nur ein Teil der kommunalen Ziele quantifizierbar ist.
9 Wobei die weitgehende Übereinstimmung mit einem Referenzwert auch nicht immer als Signal interpretiert werden darf,
dass kein Handlungsbedarf/Problem besteht.
10 Vgl. auch KGSt 2009, S. 8: "Der kommunale Forderungseinzug fand bislang nur mäßige Aufmerksamkeit im Verwaltungsalltag."
11 Vgl. KGSt 2009.
12 Zum folgenden vgl. ausführlich Richter 2014.
13 Zu wichtigen Instrumenten vgl. z.B. Richter 2012, S. 140 m.w.N.; vgl. auch Lasar 2014.
Literaturhinweise
Biskoping-Kriening, Ludwig: IPSAS, EPSAS und das NKF, in: der gemeindehaushalt Nr. 2/2014, S. 25-41.
Hellenbrand, Andreas; Frischmuth, Birgit: Evaluierung des neuen Haushalts- und Rechnungswesens:
Stand und Perspektiven der doppischen Steuerung, in: Verwaltung und Management 2011, S. 140-143.
Hill, Hermann: Risiko-Management - ein Instrument zur Vorsorge, in: innovative Verwaltung, Nr. 12/2002, S. 9-12.
KGSt-Bericht Nr. 8/2009: Forderungsmanagement - eine Arbeitshilfe, Köln 2009.
Lasar, Andreas: Ganzheitliche und integrierte Konzernsteuerung in Kommunen -
Entwicklungsstand, Probleme, Empfehlungen, 6. Oktober 2014
(https://www.haushaltssteuerung.de/weblog-ganzheitliche-und-integrierte-konzernsteuerung-in-kommunen-entwicklungsstand-probleme-empfehlungen.html; Zugriff am 19.2.2015)
Richter, Martin: Doppik - Quo Vadis? Eine kritische Bestandsaufnahme, in:
Public Management im Paradigmenwechsel: Staat und Verwaltung im Spannungsfeld von New Public Management,
Open Government und bürokratischer Restauration, hrsg. von Dennis Hilgers, Reinbert Schauer und Norbert Thom, Linz 2012, S. 49-62.
Richter, Martin: Vollkonsolidierung des kommunalen Gesamtabschlusses - eine zweckmäßige Lösung?,
in: Verwaltung und Management 2014, S. 135-141.
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