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Grundsicherung für Kommunen - eine Antwort auf die kommunale Finanznot?
Grundsicherung für Kommunen - eine Antwort auf die kommunale Finanznot?
9. April 2016 |
Autor: Gunnar Schwarting (Gastbeitrag)
In seinem neuesten Gemeindefinanzbericht beschreibt der Deutsche Städtetag die kommunale Finanzsituation sehr zurückhaltend
mit dem Begriff der "regionalen Disparitäten". Dahinter verbirgt sich - die keineswegs neue - erschreckende Erkenntnis, dass
es neben einer Vielzahl von Kommunen mit einer auskömmlichen oder gar erfreulichen Finanzlage eine große Zahl gibt, die selbst
in guten Steuerjahren ihren Haushalt nicht ausgleichen können. Sie häufen seit Jahren immer höhere Liquiditätskredite an, um
ihren laufenden Aufwand bestreiten zu können. Gleichzeitig müssen sie immer neue Konsolidierungspakete vorlegen, um zumindest
von der Aufsicht tolerierte Haushalte zu besitzen.
Es gibt sicher viele Gründe dafür, warum sich die Schere zwischen den Kommunen immer weiter öffnet. Doch es sollte klar sein,
dass diese Entwicklung sich nicht fortsetzen darf. Denn die Folge ist, dass in den notleidenden Kommunen die Infrastruktur
Schaden nimmt und Mittel für zukunftsgerichtete Maßnahmen erst recht nicht vorhanden sind. Ausfallende oder vernachlässigte
kommunale Leistungen können nur zu einem begrenzten Teil durch bürgerschaftliches Engagement ersetzt werden - wenn denn ein
solches Engagement auch aktiviert werden kann.
Ein Lösungsweg, der in mehreren Ländern erprobt wird, besteht in Entschuldungshilfen. Er ist sicher ein wichtiger Beitrag,
um zumindest den Anstieg der kurzfristigen Schulden abzubremsen. Von einem Abbau ist aber z.B. in Rheinland-Pfalz, einem Land
mit besonders vielen extrem hoch verschuldeten Städten, bisher nicht die Rede. Seit 2012 sind in den folgenden Jahren die
Liquiditätskredite noch einmal um 400 Mio. Euro gestiegen. Und was geschieht, wenn die Entschuldungsprogramme auslaufen?
Ein zweiter wichtiger Lösungsweg (mit dauerhafter Wirkung) wäre die Entlastung der Kommunen im Bereich der sozialen Sicherung
durch den Bund. Denn die laufenden Zahlungen und der dafür erforderliche Verwaltungsapparat beanspruchen einen immer größeren
Anteil in den kommunalen Haushalten. Das war im Übrigen schon der Anspruch der "Albrecht-Initiative" aus dem Jahr 1986. Damals
wurde daraus ein einmaliges Investitionsförderprogramm - nicht anders verhält es sich mit den Infrastrukturhilfen 2015 in Höhe
von 7 Mrd. Euro, die erfreulicherweise für einen breiten Anwendungsbereich vorgesehen sind. Aber Investitionsprogramme sind eben
nicht auf Dauer angelegt; deshalb bleibt die Forderung nach Entlastung beim laufenden Aufwand in der sozialen Sicherung unverändert.
Das ist - soll die Maßnahme spürbar entlasten - im Zweifel ein erheblicher Betrag. Daher darf man nicht erwarten, dass der Bund
diese Mittel ohne weiteres aus dem laufenden Etat finanzieren kann. Eine Aufweichung der Schuldenbremse für diesen Zweck zu
fordern wäre kontraproduktiv - das würde nur die künftigen Generationen belasten. Insoweit geht es vor allem (auch) um eine
Neuordnung der föderalen Finanzbeziehungen. Das wird ohne einen gewissen Eigenbeitrag der Kommunen wohl nicht möglich sein.
Insoweit müssten die Kommunen einen Teil ihres Steueraufkommens "opfern". Was zunächst wie ein Nullsummenspiel zu wirken scheint,
stellt in Wirklichkeit eine (allerdings über den Bundeshaushalt vermittelte) Umverteilung innerhalb des kommunalen Sektors dar.
Denn gerade in den hochbelasteten Kommunen konzentrieren sich auch die sozialen Probleme wie Armut, Arbeitslosigkeit oder
Schulabbruch. Eine Teil-Refinanzierung der Entlastung der kommunalen Sozialhaushalte über eine erhöhte Gewerbesteuerumlage
würde die "regionalen Disparitäten" abbauen helfen.
Noch weitgehender ist der Gedanke jeder Kommune eine Art "Grundsicherung" in Form eines Pro-Kopf-Betrages, gestaffelt nach
Gemeinden, kreisfreien Städten und Kreisen, zu gewähren. Dieser Betrag sollte vor allem dazu dienen, die Kommunalverwaltung
als die zentrale Anlaufstelle für die Einwohnerinnen und Einwohner und eine Basisinfrastruktur auskömmlich finanzieren zu
können. Bei einer Zahlung von 100 Euro im Durchschnitt (die Zahl ist nur der Berechnung halber gewählt) wären hierfür schon
rund 8 Mrd. Euro notwendig. Diese Grundfinanzierung - die keinem Haushaltsvorbehalt unterliegen dürfte - müsste dann allerdings
auch in großen Teilen aus dem bisherigen Aufkommen der kommunalen Familie gezahlt werden.
Man mag einwenden, das entspreche ja einer erheblichen Umverteilung unter den Kommunen. Das ist vollkommen richtig, muss aber
vor dem Hintergrund folgender Sachverhalte gesehen werden:
- das Gewerbesteueraufkommen ist zwischen den Kommunen höchst ungleich verteilt;
- anders als üblicherweise vermutet gilt dies auch (wenn auch abgeschwächter) für den Einkommensteueranteil;
- verschärft werden könnte die Ungleichheit noch durch eine wertabhängige Grundsteuer.
Ein zweiter Einwand könnte darauf verweisen, dass der kommunale Finanzausgleich Ländersache sei. Die Beobachtung mehrere
Jahrzehnte der Finanzausgleichspolitik lässt an deren Erfolg mehr als nur leise Zweifel aufkommen. Schließlich mag auch
noch angemerkt werden, dass in der Wissenschaft mehr Steuerautonomie der Kommunen - vor allem durch Einführung eines
Hebesatzrechtes auf die Einkommensteuer - gefordert wird. Diese Aussicht dürfte dem Kämmerer einer strukturschwachen
Kommune die Tränen in die Augen treiben.
Vor einem Fehlschluss sei aber gewarnt. Eigenanstrengungen der Kommune zur Sicherung eines ausgeglichenen Haushalts
bleiben ebenso unerlässlich wie eine wirksame Kommunalaufsicht.
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