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Der Bürgerhaushalt als Instrument der Haushaltskonsolidierung
Der Bürgerhaushalt als Instrument der Haushaltskonsolidierung
15. Juni 2010
Zugegeben, in einigen Städten und Gemeinden war die Haushalts- und
Verschuldungssituation bereits vor der Finanz- und Wirtschaftskrise schwierig.
Dennoch dürfte letztere die Situation sicherlich noch einmal verschärfen. Vor
diesem Hintergrund setzen einige Kommunen aktuell verstärkt auf das
Instrument des internetgestützten Bürgerhaushalts - auch um
herauszufinden, welche Einnahmeerhöhungs- und Ausgabesenkungsvorschläge
von der Bürgerschaft mitgetragen werden bzw. welche Ideen aus den Reihen
der Bürger kommen. Im vorliegenden Artikel stellt HaushaltsSteuerung.de drei
interessante Bürgerhaushaltsprojekte vor.
Stadt Trier
Einen besonders interessanten und erfolgreichen Ansatz zu einem Bürgerhaushalt
praktizierte die Stadt Trier in Rheinland-Pfalz. Insofern kann der Bürgermeister K.
Jensen, wie im Manager Magazin formuliert,1 zu Recht stolz auf dieses Projekt sein. Auf
der Startseite des Webportals
www.buergerhaushalt-trier.de formuliert der
Oberbürgermeister:
"Mit dem Bürgerhaushalt werden die städtischen Finanzen und kommunalpolitischen
Entscheidungen ein Stück nachvollziehbarer. In Zeiten knapper
Kassen ist es umso wichtiger, rechtzeitig die richtigen Schwerpunkte zu
setzen."
Dieses Zitat weist eindeutig darauf hin, dass es hier nicht um blindes Streichen einzelner
Positionen geht. Das dürfte die Bürger der Stadt motivieren und hat sie auch beim ersten
Bürgerhaushalt zu einer guten Beteiligung gebracht: Beim ersten Trierer Bürgerhaushalt
haben sich laut Angaben auf dem Webportal 1.538 Bürger aktiv beteiligt. Sie haben 411
Vorschläge (werden die 101 Vorschläge aus dem vorangegangenen Bürgergutachten
hinzuaddiert handelt es sich um 512 Vorschläge) und 628 Kommentare formuliert sowie
57.538 Bewertungen vorgenommen. Am 16. Dezember 2009 wurde der erste Trierer
Bürgerhaushalt vom Stadtrat verabschiedet und dabei über 143 Maßnahmenvorschläge
der Bürger entschieden. Dabei wurden alle Spar- und Einnahmeideen beraten, die besser
als Null bewertet wurden. Interessant ist, dass die Bürger keinesfalls nur teure Wünsche
formuliert haben, welche die Stadt dann nicht erfüllen kann. Insgesamt gab es nach
Angaben der Betreiber des Webportals 43 Einnahmeideen und 49 Sparvorschläge, die
vom Rat beraten wurden. Einige werden auch bereits umgesetzt bzw. der Rat hat ihnen
zugestimmt, wie z.B. einer Erhöhung des Hebesatzes der Grundsteuer B von 370 v.H. auf
dann 390 v.H., was zu einer Mehreinnahme für die Stadt führt.
Zwar handelt es sich bei einem Bürgerhaushalt in erster Linie um ein
Beteiligungsinstrument und nicht um ein Konsolidierungsinstrument, aber
selbstverständlich erleichtern es solche professionellen Verfahren der Kommunalpolitik
mit den Bürgern in einen guten Dialog über Aufgabenerfüllung und Konsolidierung
vertieft einzusteigen.
Stadt Solingen
In der Stadt Solingen (Nordrhein-Westfalen) wurde ebenfalls auf ein
Bürgerbeteiligungsverfahren gesetzt. Im Internet konnten die Bürger (allerdings nicht
nur die Bürger der Stadt, sondern auch Interessierte, die nicht in Solingen gemeldet
sind) unter www.solingen-spart.de Spar- und Einnahmeerhöhungsvorschläge der
Verwaltung einsehen, diskutieren und bewerten. Daneben konnten sie auch eigene
Vorschläge einbringen. Der Stadtrat hatte zuvor die Verwaltung beauftragt, einen
Bürgerhaushalt zu entwickeln. Die Internetplattform wurde am 4. März 2010
freigeschaltet. Insgesamt 3.566 Teilnehmer haben sich über das Portal registriert. Seit
dem 26. März ist die Beteiligungsphase abgeschlossen. Bis Mitte Mai werden die
Bewertungen der Teilnehmer in einem Bericht zusammengestellt. Im Juli entscheidet der
Rat über die Vorschläge. Im Anschluss daran erhalten die Teilnehmer Rückmeldung
darüber, wie mit den Ergebnissen der Bürgerbeteiligung umgegangen wurde. Die
einzelnen Vorschläge können noch heute über das Internetportal eingesehen werden.
Und interessant ist auch hier, dass die Teilnehmer durchaus einigen
Konsolidierungsvorschlägen sehr wohlwollend gegenüberstehen. Für den Rat dürften
diese Angaben wichtige Entscheidungshilfen sein. Lob für diese
Bürgerbeteiligungsinitiative erhält die Solinger Kommunalpolitik mittlerweile auch seitens
der Medien.2
Stadt Essen
In der Stadt Essen in Nordrhein-Westfalen wird ebenso der Weg zur Onlinebeteiligung
der Bürger eingeschlagen. Unter www.essen-kriegt-die-kurve.de konnten die Bürger ab
dem 29. April 2010 drei Wochen lang über Sparvorschläge der Verwaltung diskutieren
und abstimmen. Weiterhin konnten die Einwohner auch eigene Vorschläge einbringen.
Einwohner, die keinen Computer oder Internetzugang haben, konnten im Rathaus, im
Bürgeramt, den Bezirksrathäusern sowie der Volkshochschule Computerterminals nutzen,
damit das Angebot jedermann zu Verfügung steht. Alle Vorschläge, Bewertungen und
Anregungen der Bürger sollen nach Angaben der Stadt zeitnah ausgewertet,
zusammengefasst und dem Rat der Stadt für seine weiteren Beratungen zur Verfügung
gestellt werden. Ob die Webadresse in Anspielung auf die so genannte Klieve-Kurve
gewählt wurde, auf deren Basis der Kämmerer die drohende Überschuldung der Stadt
abwenden will,3 sei dahingestellt. In jedem Fall benennen sowohl Oberbürgermeister als
auch Kämmerer bereits auf der Begrüßungsseite des Internetangebotes das Ziel eine
drohende Überschuldung der Stadt abzuwenden. Besonders gelungen und hervorzuheben
ist auch, dass nicht ausdrücklich allein auf Basis von Zahlenkolonnen argumentiert wird.
So wird die Überschuldung und der Wunsch zur Vermeidung dieses Zustandes
folgendermaßen erklärt:
""Die Gemeinde darf sich nicht überschulden. Sie ist überschuldet, wenn nach
der Bilanz das Eigenkapital aufgebraucht ist." Bildlich gesprochen "gehört"
eine Stadt dann nicht mehr den Bürgerinnen und Bürgern, sondern den
Banken.
Der Stadt Essen droht diese Überschuldung ganz konkret, muss aber
angesichts der drastischen Konsequenzen unbedingt verhindert werden. Denn
eine überschuldete Stadt darf beispielsweise nur im Einzelfall und mit
Zustimmung der Aufsicht führenden Bezirksregierung investieren. Alle
Investitionen in freiwilligen Bereichen wie Kultur oder Sport wären daher
nahezu unmöglich. Insgesamt geraten alle freiwilligen finanziellen Leistungen
der Stadt auf den Prüfstand der Kommunalaufsicht. Hier droht dann eine
drastische Reduzierung, die von der Stadt Essen nicht mehr eigenständig
gesteuert werden kann. Deshalb werden wir nur mit dem Erhalt von
Eigenkapital das kommunale Selbstverwaltungsrecht und die finanzielle
Handlungsfähigkeit der Stadt bewahren sowie viele uns allen lieb gewonnene
Einrichtungen und Leistungen sichern können, die die Lebensqualität in
unserer Stadt letztendlich ausmachen. Aber dazu müssen wir deutlich
sparen."4
Damit wird die schwierige Materie der kommunalen Finanzen auch für den Laien
nachvollziehbar. Und es wird sehr konkret, was die Überschuldung für einzelne
Politikbereiche bedeuten würde. Der Wunsch nach intensiver Bürgerbeteiligung an den
Sparmaßnahmen wird auch anhand der Worte spürbar und greifbar. Auch
Oberbürgermeister und Kämmerer formulieren bereits in ihrem Eingangsstatement auf
der Internetseite den Wunsch nach breiter Akzeptanz der unterbreiteten Sparvorschläge.
Das dürfte wohl auch gelingen - zumindest was die Beteiligung an den Diskussionen zu
einzelnen Vorschlägen betrifft. Selbst der Bund der Steuerzahler in Nordrhein-Westfalen hat auf seiner
Internetseite seine Mitglieder aus Essen explizit zur Beteiligung an diesem Angebot
aufgerufen.5
Besonders die inhaltliche und grafische Aufbereitung der einzelnen Sparvorschläge auf
der Seite ist bestechend und sehr übersichtlich. Einzig an der Methodik bei dem
Aufgreifen von weitergehenden Bürgervorschlägen könnte bei einem Folgeprojekt noch
verbessernd nachgearbeitet werden. Eigene Bürgervorschläge können bis dato nur in die
Kommentarfelder unterhalb der Verwaltungsvorschläge eingegeben werden. Sie finden
sich dann auf der Seite "Ergebnisse" als "Kommentare der Teilnehmenden" und als
Bürgervorschlag gekennzeichnet wieder.

1 Vgl. Kaiser, A./Sorge, N. (2010): Schuldendesaster – Städte schröpfen Immobilienbesitzer, in:
Manager Magazin vom 16.04.2010, abgerufen unter http://www.managermagazin.de/finanzen/geldanlage/0,2828,689209,00.html [Zugriff am 15. Juni 2010].
2 Vgl. Jacobsen, L. (2010): Solingen in der Schuldenfalle – Eine Stadt stemmt sich gegen die Pleite, in: Der
Stern vom 06.05.2010, abgerufen unter http://www.stern.de/wirtschaft/geld/solingen-in-derschuldenfalle-eine-stadt-stemmt-sich-gegen-die-pleite-1564333.html [Zugriff am 15. Juni 2010].
3 Zur so genannten Klieve-Kurve vgl. exemplarisch Blasius, T. (2009): Essen vor drastischem Sparkurs, in: Der Westen vom 08.12.2009, abgerufen unter
http://www.derwesten.de/staedte/essen/Essen-vor-drastischem-Sparkurs-id2231870.html [Zugriff
am 15. Juni 2010]
4 Stadt Essen (2010): Begrüßungstext von Oberbürgermeister und Stadtkämmerer auf http://www.essen-kriegt-die-kurve.de/
5 Vgl. Bund der Steuerzahler NRW (2010): Essen will mit Bürgern "die Kurve kriegen",
Beitrag auf der Webpräsenz vom 30.04.2010, abgerufen im Internet unter
http://www.steuerzahler-nrw.de/Essen-will-mit-Buergern-die-Kurvekriegen/30705c37024i1p137/index.html [Zugriff am 15. Juni 2010].
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