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Sachsen-Anhalt bald das fünfte Kassenkredit-Krisenland?
Sachsen-Anhalt bald das fünfte Kassenkredit-Krisenland?
17. August 2016 |
Autor: Andreas Burth
Auf die Frage, welche Länder mit den höchsten
Kassenkrediten auf kommunaler Ebene zu kämpfen haben, werden meist die
vier Länder Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Saarland genannt. Sofern sich der derzeitige Trend
weiter fortsetzt, könnte das "Krisenquartett" indes bald zu einem "Krisenquintett" heranwachsen. Die Kommunen in
Sachsen-Anhalt verzeichneten in den vergangenen Jahren merkliche Zuwächse in der Kassenkreditverschuldung.
» Kommunale Verschuldung in Deutschland
Hrsg.: HaushaltsSteuerung.de
Kassenkredite sind Schulden, die eigentlich der kurzfristigen Liquiditätssicherung dienen (ähnlich einem Dispokredit im
privaten Bereich). Tatsächlich werden sie jedoch von einigen Kommunen zur Finanzierung laufender Defizite zweckentfremdet.
Dies ist u.a. auch deshalb problematisch, weil den Kassenkrediten - im Gegensatz zu den
Investitionskrediten - keine
materiell geschaffenen Vermögenswerte (z.B. Verwaltungsgebäude, Brücke) gegenüber stehen. Die in Form von konsumtiven Kassenkrediten angesammelten
Lasten werden demnach nachrückenden Generationen aufgebürdet, ohne dass diesen Generationen aus der Verschuldung (z.B. in
Form investiv geschaffener Vermögenswerte) ein Vorteil erwächst. Hohe dauerhafte Kassenkreditbestände (z.B. von 500 Euro
je Einwohner oder mehr) sind ein Indikator für ein Wirtschaften über die eigenen Verhältnisse.
Das absolute Volumen der kommunalen Kassenkredite in Sachsen-Anhalt ist vom 31.12.2011 bis zum 31.12.2015 (d.h.
binnen vier Jahren) um rund 43 Prozent gestiegen (siehe Abbildung 1). Den deutlichsten Sprung machten die Kassenkredite
im Jahr 2014: Im Vergleich der Stichtage 31.12.2013 und 31.12.2014 ist eine Zunahme um etwa 24 Prozent festzustellen. Zum
31.12.2015 summieren sich die Kassenkredite der Kommunen in Sachsen-Anhalt auf 1,43 Mrd. Euro.
Die Pro-Kopf-Kassenkreditschulden zeigen eine ähnliche Entwicklung (siehe Abbildung 2). Aufgrund rückläufiger Einwohnerzahlen
fällt das Kassenkreditwachstum im Vergleich der Stichtage 31.12.2011 und 31.12.2015 mit fast 50 Prozent jedoch nochmals etwas
deutlicher aus. Zum 31.12.2015 liegt die Kassenkreditverschuldung bereits bei 642 Euro je Einwohner.
Der Kassenkreditanstieg in Sachsen-Anhalt erscheint nochmals kritischer, wenn man bedenkt, dass die gesamtwirtschaftlichen
Rahmenbedingungen in den letzten Jahren vergleichsweise gut waren (wenngleich das Wachstum des Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukts
in Sachsen-Anhalt etwas schwächer ausfiel als in anderen Bundesländern). Für den Fall einer neuen Wirtschaftskrise sind
in diesem Sinne nochmals erheblich stärkere Zuwächse bei den Kassenkrediten in Sachsen-Anhalt zu befürchten. Hieran wird
deutlich, dass es wichtig ist, bereits heute mit dem Abbau der kommunalen Kassenkredite zu beginnen.
Wie aus dem nachfolgend verlinkten Beitrag vom 27.3.2016 hervorgeht, gibt es in Sachsen-Anhalt inzwischen eine Reihe von
Krisenkommunen. Beispiele für Städte und Gemeinden mit Kassenkrediten von über 1.000 Euro je Einwohner zum 31.12.2014 sind
Bad Schmiedeberg, Bitterfeld-Wolfen, Halle (Saale), Havelberg, Hecklingen, Huy, Nienburg (Saale), Oberharz am Brocken,
Osterwieck, Quedlinburg und Wettin-Löbejün. Die zuvor genannten Städte und Gemeinden haben jeweils über 5.000 Einwohner.
In den Jahren 2011 bis 2014 hat die Zahl der Krisenkommunen merklich zugenommen.
» Kassenkredite der Städte und Gemeinden in Sachsen-Anhalt mit mindestens 5.000 Einwohnern, Blog-Eintrag vom 27. März 2016
Autor: Andreas Burth
Die Kommunalaufsicht und die Kommunen in Sachsen-Anhalt sind aufgefordert, den steigenden Kassenkreditschulden möglich
zeitnah entschieden entgegen zu wirken. Das in immer mehr Kommunen durch kassenkreditfinanzierte Defizite praktizierte
Wirtschaften über die eigenen Verhältnisse ist umzukehren. Die Kassenkreditschulden sollten möglichst flächendeckend auf
0 Euro zurückgeführt werden und - wenn überhaupt - ausschließlich zu ihrem eigentlichen Zweck (der kurzfristigen Liquiditätssicherung)
aufgenommen werden. Sofern die heute notwendigen Konsolidierungsentscheidungen hinausgezögert werden, wird dies in der Zukunft
nur noch tiefere haushaltspolitische Einschnitte erfordern.
Den Kommunen ist durch Artikel 28 Absatz 2 Grundgesetz ein Recht auf kommunale Selbstverwaltung garantiert. Dieses
Selbstverwaltungsrecht ist jedoch untrennbar verknüpft mit der Pflicht zur Selbstverantwortung in finanziellen Angelegenheiten. Insofern ist es
in erster Linie an den Kommunen selbst, über Einnahmesteigerungen und/oder Ausgabesenkungen den Abbau der Kassenkredite
eigenverantwortlich voranzutreiben. Gleichwohl wird auch die Kommunalaufsicht gefordert sein, auf die erforderlichen Maßnahmen zu pochen.
Dies gilt im Speziellen für etwaige weniger konsolidierungswillige Kommunen.
Auf der Suche nach möglichen Konsolidierungsmaßnahmen kann z.B. ein Blick in die Haushaltssicherungskonzepte anderer
Kommunen hilfreich sein.
» Linksammlung zu kommunalen Haushaltssicherungskonzepten
Hrsg.: HaushaltsSteuerung.de
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