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Zur Idee eines kommunalen Finanzklimaindex
Zur Idee eines kommunalen Finanzklimaindex
26. August 2016 |
Autor: Andreas Burth
Die kommunalen Finanzen sind insbesondere auf aggregierter Ebene für viele Bürger nur schwer zu
greifen. So beliefen sich die Einnahmen und Ausgaben der kommunalen
Kern- und
Extrahaushalte im Jahr 2015 auf rund 230
Mrd. Euro. Der Schuldenstand liegt zum 31.12.2015 bei etwa 150 Mrd. Euro. Derartige Milliardenbeträge sind wenig intuitiv
und gerade für Nicht-Experten kaum einzuordnen. Ein Beitrag zur Verbesserung der Interpretierbarkeit der kommunalen
Gesamtfinanzlage kann indes zumindest durch die Berechnung von Pro-Kopf-Werten geleistet werden.
Ein interessanter, ergänzender Ansatz könnte in der Etablierung eines "kommunalen Finanzklimaindex" liegen.
Eine ähnliche Idee hat für den privatwirtschaftlichen Bereich das ifo Institut mit dem Geschäftsklimaindex umgesetzt.
Das ifo Institut befragt Unternehmen u.a. zur gegenwärtigen Geschäftslage, zu den Geschäftserwartungen und zur
Nachfragesituation. Darüber hinaus publiziert das Marktforschungsunternehmen GfK regelmäßig einen Konsumklimaindex.
Die GfK befragt in einer repräsentativen Stichprobe rund 2.000 Privatpersonen ab 14 Jahren zu ihren Konjunktur-,
Einkommens- und Konsumerwartungen. Sowohl der Geschäftsklimaindex als auch der Konsumklimaindex erfahren regelmäßig
eine hohe mediale Aufmerksamkeit. Es ist davon auszugehen, dass dies bei einem kommunalen Finanzklimaindex ähnlich wäre.
Neben der medialen Aufmerksamkeit wäre ein kommunaler Finanzklimaindex auch für die Fachöffentlichkeit (Ministerien,
Kommunen, Wissenschaftler etc.) eine relevante, hoch aggregierte Informationsquelle zur Beurteilung der Lage der
Kommunalfinanzen in Deutschland. Während statistische Daten einen vergangenheitsbezogenen Blickwinkel anlegen, kann
im Rahmen eines kommunalen Finanzklimaindex eine zukunftsgerichtete Perspektive gewählt werden.
Überblick:
- Auswahl der befragten Kommunen
- Fragenkatalog
- Berechnung der Indexwerte
- Häufigkeit der Befragung
Auswahl der befragten Kommunen
Eine wichtige Frage für die Umsetzung eines kommunalen Finanzklimaindex ist, welche Kommunen in den 13 Flächenländern
(d.h. hier ohne Stadtstaaten) befragt werden sollen. In Anbetracht ihrer jeweils überschaubaren Fallzahl bietet sich bei
den 103 kreisfreien Städten und 295 Landkreisen jeweils eine Vollerhebung an. Anders gestaltet sich die Situation in der
Gruppe rund 11.000 kreisangehörigen Städte und Gemeinden. Gerade für die kleineren Gemeinden ist zu hinterfragen, ob es
einer Vollerhebung bedarf oder ob es genügt, nur einen repräsentativen Teil per Stichprobe zu befragen und diese
Stichprobe auf die kreisangehörige Grundgesamtheit hochzurechnen. Hintergrund ist die Frage nach dem Verhältnis von
Erhebungsaufwand zu zusätzlichem Informationsnutzen. Dieser Grenznutzen einer weiteren Kommune nimmt mit sinkender
Einwohnerzahl dieser Kommune tendenziell ab. Besonders deutlich wird dies an den 200 Kleinstkommunen mit weniger als
100 Einwohnern.
Ein gangbarer Weg für die kreisangehörigen Städte und Gemeinden wäre, eine Mischung aus einer Vollerhebung und einer
Stichprobenauswahl zu nutzen. So könnten die (größeren) Städte und Gemeinden ab einer bestimmten Einwohnerzahl (z.B.
ab 5.000 oder ab 10.000 Einwohner) vollständig befragt werden, während für die (kleineren) Städte und Gemeinden unter
der Schwelle eine repräsentative Stichprobe gezogen wird. Die Stichprobe der kleineren Städte und Gemeinden könnte im
Zeitablauf beibehalten werden (Paneldesign) oder von Jahr zu Jahr neu gezogen werden. Im Sinne einer intertemporalen
Vergleichbarkeit bietet sich die Beibehaltung der Auswahl an. Die regelmäßige Neuziehung hat ihrerseits den Vorteil,
dass z.B. Paneleffekte bei diesem Teil der kommunalen Familie vermieden werden können.
Für die fixe Einwohnerschwelle bietet sich unter Abwägung von Erhebungsaufwand (gemessen an der Kommunenanzahl) und Einwohneranteil der Wert von 10.000
Einwohnern an. Insgesamt hat der kreisangehörige Raum in Deutschland (d.h. ohne kreisfreie Städte) 55.393.531 Einwohner
zum 30.6.2015 (nach Zensus 2011). 61,44 Prozent davon leben in den 1.459 Städten und Gemeinden ab 10.000 Einwohnern.
Damit ist - v.a. unter Hinzurechnung der kreisfreien Städte und der Landkreise - der weit überwiegende Teil der
kommunalen Budgetvolumina abgedeckt. Die 2.793 Städten und Gemeinden ab 5.000 Einwohnern kommen auf 78,52 Prozent
der Einwohner. Ein Vorteil der 5.000-Einwohner-Schwelle wäre, dass Länder mit vielen einwohnerschwächeren Städten und
Gemeinden vollständiger erfasst werden. Dies erhöht die Aussagekraft der landesspezifischen Berechnungen des Indexwerts.
Ab 20.000 Einwohnern gibt es 576 Städte und Gemeinden mit 39,33 Prozent der Einwohnerzahl des gesamten kreisangehörigen Raums.
Hinsichtlich der Frage der Adressaten der Fragebögen erscheint es sinnvoll, jeweils die Leiter der Finanzverwaltung
anzuschreiben. Sie verfügen über das nötige Wissen, um den kurzen Fragenkatalog (siehe unten) mit nur geringem Zeitaufwand
beantworten zu können.
Fragenkatalog
Bei den gestellten Fragen sollte angestrebt werden, den Zeitaufwand für die Befragten möglichst gering zu halten.
Dies erhöht die Rücklaufquote und damit die Aussagekraft des erhobenen Datensatzes. Im Optimalfall sollte der
Fragebogen binnen weniger Minuten ausgefüllt werden können. Tabelle 2 enthält einen Vorschlag für einen solchen Fragebogen.
Grundsätzlich denkbar ist auch die Integration weiterer Fragen, z.B. zu den
Kassenkrediten oder Investitionen.
Erstere sind hinsichtlich ihrer relativen Veränderung bei dem gewählten Fragedesign allerdings schwieriger zu interpretieren, da sich die
Kassenkreditprobleme nur auf einen Teil der Flächenländer beschränken. Der Teilindex wäre damit für einige
Länder (z.B. Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen, Thüringen) von überschaubarer Aussagekraft. Der
Investitionsbereich ist an dieser Stelle ausgeblendet worden, da die KfW im Rahmen ihres Kommunalpanels bereits
entsprechende Befragungen anstellt. Eine Doppelbefragung erscheint verzichtbar.
Für jede Frage wäre ein eigener Teilindex zu bilden. Die Frage zur finanziellen Gesamtlage stellt den "Hauptindex"
dar. Weitere Teilindizes können nach Kommunaltypen, Einwohnergrößenklassen und Flächenländern gebildet werden. Durch
die Teilindizes ließe sich auch die mediale Aufmerksamkeit steigern. Beispielsweise können Teilindizes für einzelne
Bundesländer wenige Tage nach den gesamtdeutschen Werten veröffentlicht werden. Hiermit ließe sich neben der
überregionalen Presse auch die regionale Presse zielgenauer adressieren und für die gleiche Erhebung
ein erhöhtes Medienecho erzielen.
Berechnung der Indexwerte
Als Index-Referenzwert bietet sich für den Hauptindex und die verschiedenen Teilindizes der Wert 100 an. Ein
Index hat in diesem System den Wert 0, wenn alle Befragten "verschlechtern/senken" ankreuzen. Umgekehrt liegt
der Index bei 200, wenn nur "verbessern/erhöhen" angekreuzt wird. Der Wert 100 wird erreicht, wenn alle Befragten
"gleich bleiben" ankreuzen oder sich die Antworten "verschlechtern/senken" und "verbessern/erhöhen" genau in der Waage halten.
Zu beantworten ist allerdings auch die Frage, wie die einzelnen Kommunen gewichtet werden sollen. Der einfachste
Fall wäre eine Gleichgewichtung aller Kommunen. Dies kann jedoch zu Verzerrungen führen, da z.B. eine
200.000-Einwohner-Stadt damit genauso gewichtet würde wie eine 500-Einwohner-Gemeinde.
Eine denkbarer Lösungsansatz bestünde darin, die Kommunen nach der Einwohnerzahl zu gewichten. Die Einwohnerzahl
könnte entweder extra abgefragt werden oder aus statistischen Daten zugeordnet werden. Problematisch an einer
einfachen Einwohnergewichtung ist die Doppelzählung des kreisangehörigen Raums (einmal Landkreis und einmal
kreisangehörige Stadt/Gemeinde). Zur Lösung bietet es sich an, die Landkreise einerseits und die kreisangehörigen
Städte und Gemeinden andererseits jeweils hälftig zu gewichten.
Ein hinsichtlich der Gewichtung nochmals genauerer Ansatz bestünde darin, zusätzlich das Haushaltsvolumen
abzufragen und dieses zu Gewichtungszwecken zu nutzen. Hintergrund ist, dass einwohnerstärkere Kommunen
tendenziell höhere Pro-Kopf-Haushaltsvolumina haben als einwohnerschwächere Kommunen des gleichen Kommunaltyps.
Methodische Ungenauigkeiten können sich indes aus Unterschieden im Haushalts- und Rechnungswesen ergeben. So weichen z.B. die
doppischen Haushaltsgrößen von ihren
kameralen
Pendants ab. Bei der Doppik ergeben sich zudem auch im Ländervergleich weitere Unterschiede,
die sich im Haushaltsvolumen niederschlagen können. Auf aggregierter Ebene dürften sich diese Effekte jedoch
zumindest teilweise gegenseitig ausgleichen.
Häufigkeit der Befragung
Insbesondere vor dem Hintergrund des Erhebungsaufwands erscheint eine monatliche Befragung als zu häufig (wenngleich
eine hohe Befragungsfrequenz andererseits die erzielbare öffentliche Wahrnehmung tendenziell steigert). Auch von
Seiten der Kommunen dürfte ein derart enges Befragungsintervall auf Widerstand stoßen (sichtbar an niedrigen Rücklaufquoten).
Eher denkbar wäre eine vierteljährliche Taktung, wenngleich auch diese noch einen beträchtlichen Aufwand
hervorruft und auf Ablehnung seitens der befragten Kommunen stoßen könnte. In diesem Sinne erscheint eine
halbjährliche oder jährliche Befragung am ehesten geeignet, um einerseits regelmäßige Daten zur kommunalen
Finanzlage zu erhalten sowie andererseits den Aufwand in den Kommunen und bei der erhebenden Institution in
einem angemessenen Rahmen zu halten.
Hinsichtlich der Jahreszeit der Befragung ist zu überlegen, ob Zeiten vermieden werden sollten, in denen die Finanzverwaltungen
typischerweise stärker belastet sind (z.B. durch die Haushaltsaufstellung und -beratung). Dies wären hinsichtlich
der Haushaltsaufstellung insbesondere der Oktober und der November und bezüglich der Haushaltsberatung v.a. der Dezember (sofern der
Grundsatz der Vorherigkeit
eingehalten wird). Denkbar im Falle einer halbjährlichen Befragung wären z.B. Januar und Juni. Ersterer Termin hätte den
Vorteil, dass die Haushaltsberatungen nur kurz zurückliegen
und damit auch aktuelle und durch einen politischen Beschluss manifestierte Haushaltsdaten vorliegen. Durch den
Juni-Termin könnte die Befragung typischen Urlaubszeiten (d.h. Juli/August) zuvorkommen.
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