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Politische Steuerung über Kennzahlen in Wiesloch
Politische Steuerung über Kennzahlen in Wiesloch
Ein Interview mit Dr. Lars Castellucci (SPD-Fraktionsvorsitzender in Wiesloch)
16. Juni 2008
Kennzahlen sind ein elementares Steuerungsinstrument für Politiker. Gerade im Neuen Kommunalen Haushalts- und Rechnungswesen (NKHR)
haben sie erheblich an Bedeutung gewonnen, da sie es dem Rat ermöglichen das Verwaltungshandeln zu steuern.
Im Zuge einer Interview-Reihe befragte HaushaltsSteuerung.de Gemeinderäte von baden-württembergischen Doppik-Kommunen zur
Kennzahlenbildung in ihrer Kommune.
In Teil 2 der Reihe sprach HaushaltsSteuerung.de mit Dr. Lars Castellucci (Bild), dem Vorsitzenden der SPD-Fraktion
im Rat der Reformkommune Wiesloch.
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HaushaltsSteuerung.de: Herr Dr. Castellucci, die Stadt Wiesloch hat als erste deutsche Kommune
ihren Haushalt auf die Doppik umgestellt. Welche Bedeutung messen Sie im Zusammenhang mit der Doppik-Einführung den Bilanzkennzahlen
(z.B. Verschuldungsgrad, Eigenkapitalquote) zu? Handelt es sich bei Bilanzkennzahlen Ihrer Meinung nach um aussagefähige Kennzahlen?
Castellucci: Man muss bei dieser Frage zwischen Gemeinderat und Verwaltung unterscheiden. Die
Entwicklung der Liquidität ist sicherlich für den Kämmerer eine entscheidende Größe, die er im operativen Geschäft im Auge behält.
Die Verschuldung, gerade im Vergleich zu Vorjahren oder zu Gemeinden ähnlicher Einwohnerzahl und Struktur, ist dagegen immer wieder
Thema im Gemeinderat. Kennzahlen sind in einem Geschäft, das mindestens so sehr von Emotionen wie von Fakten bestimmt ist, sicherlich
bedeutsam. Ihre Aussagefähigkeit hängt aber entscheidend an der Interpretationsfähigkeit ihrer Betrachter und der politischen Kultur,
die die Beratungen prägt. Sie sind kein Selbstzweck und ersetzen keine politischen Bewertungen und Entscheidungen.
HaushaltsSteuerung.de: Werden in Wiesloch auch produktorientierte Kennzahlen erhoben und im Haushalt
dargestellt? Wie beurteilen Sie die Aussagefähigkeit und die Anzahl der erhobenen Kennzahlen?
Castellucci: Es gibt diese produktorientierten Kennzahlen. Sie erlauben dem Gemeinderat eine
politische Steuerung und Schwerpunktsetzung. Da geht es darum, wie viele neue Medien in der Bibliothek angeschafft werden oder
wie hoch die Investitionen für unter Dreijährige in Kindergärten und -krippen sind. Was die Darstellung und Anzahl der Kennzahlen
betrifft, geht es um eine Balance zwischen Interessantem und Notwendigem, damit der Haushaltsplan auch lesbar bleibt.
HaushaltsSteuerung.de: Wurden Sie als Ratsmitglieder bei der Formulierung der Kennzahlen
einbezogen? Wenn ja, nach welchen Kriterien haben Sie Kennzahlen zu den einzelnen Bereichen erhoben?
Castellucci: Der Rat ist über mehrere Budgetberichte, die Aufstellung von Eckwerten, Investitionslisten
und schließlich der Haushaltssatzung und des Haushaltsplans eng und kontinuierlich einbezogen. Wir haben zum Beispiel gefordert, dass 90
Prozent der Kinder eines Jahrgangs den Kindergarten besucht. Das entscheidende Kriterium ist ein politisches: Wie schaffen wir mehr
Chancengerechtigkeit und damit Teilhabechancen für zukünftige Generationen? 90 Prozent Kindergartenbesuch schienen uns dabei einerseits
wünschenswert - frühkindliche Bildung ist entscheidend für die Entwicklung von Kindern - andererseits auch realistisch, wenn man die
Kennzahlen anderer Städte oder aus früheren Jahren heranzieht.
HaushaltsSteuerung.de: Wurden im Haushalt bereits Konsequenzen aus der Erreichung bzw. Nicht-Erreichung
von Kennzahlen gezogen?
Castellucci: Sicher. Es wurden schon ganze Haushaltspläne erst gar nicht verabschiedet und an die
Verwaltung zurücküberwiesen. Das ist sicherlich der Extremfall und zeugt eher von schlechtem Management oder destruktivem Geist.
Allerdings trifft diese Frage einen wunden Punkt: Wir haben hervorragende Steuerungsmittel, doch oftmals fehlt die Konsequenz, sich
ihrer zu bedienen.
Die Interview-Reihe im Überblick:
» Politische Steuerung über Kennzahlen in Heidelberg - ein Interview mit Jan Gradel (Interview-Reihe Teil 1/3)
» Politische Steuerung über Kennzahlen in Wiesloch - ein Interview mit Lars Castellucci (Interview-Reihe Teil 2/3)
» Politische Steuerung über Kennzahlen in Horb am Neckar - ein Interview mit Thomas Mattes (Interview-Reihe Teil 3/3)
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