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Kassenkredite der Städte und Gemeinden in Mecklenburg-Vorpommern mit mindestens 5.000 Einwohnern
Kassenkredite der Städte und Gemeinden in Mecklenburg-Vorpommern mit mindestens 5.000 Einwohnern
20. April 2016 |
Autor: Andreas Burth
Kassenkredite
gelten gemeinhin als eine besonders problematische Form der kommunalen Verschuldung. Ihre Bestände werden daher
in den Blog-Einträgen des Portals HaushaltsSteuerung.de häufiger im Ländervergleich oder im interkommunalen Vergleich untersucht.
Zu Mecklenburg-Vorpommern ist dabei in der jüngeren Vergangenheit noch kein Beitrag publiziert worden. Diese Lücke soll durch den
vorliegenden Beitrag geschlossen werden. Er untersucht für den kreisfreien und den kreisangehörigen Raum die Kassenkreditbestände
der Städte und Gemeinden mit mindestens 5.000 Einwohnern.
Datengrundlage der Untersuchung ist der Wegweiser Kommune der Bertelsmann Stiftung. Er enthält einzelgemeindliche Kassenkreditdaten
für deutsche Städte und Gemeinden (jeweils nur
Kernhaushalt). Erfasst werden dabei jedoch nur die Städte und Gemeinden mit mindestens
5.000 Einwohnern. Für die Städte und Gemeinden unter 5.000 Einwohnern stehen keine Daten zur Verfügung, weshalb sie an dieser Stelle nicht
betrachtet werden können. Abgedeckt werden insgesamt neun Stichtage. Es handelt sich jeweils um den 31.12. der Jahre 2006 bis 2014
(ab dem 31.12.2013 inkl.
Kassenkredite beim öffentlichen Bereich).
Dies sind sämtliche Stichtage, zu denen im Wegweiser Kommune Daten
veröffentlicht worden sind. Ein Vorteil einer solchen Langzeitbetrachtung von neun Stichtagen ist, dass sie dem kurzfristigen Charakter
von Kassenkrediten besser Rechnung tragen als reine Analysen eines einzelnen Stichtags.
Der Fokus dieses Beitrags liegt, wie bereits erwähnt, auf den Kassenkreditschulden im Kernhaushalt. Diese Schuldenart gilt aus
verschiedenen Gründen als besonders problembehaftet. Dauerhafte Kassenkreditschulden sind ein typischer Indikator für Finanzprobleme.
Kassenkredite dienen eigentlich der kurzfristigen Sicherung der Zahlungsfähigkeit, weshalb ihr Bestand die meiste Zeit des Jahres bei
0,00 Euro liegen müsste. Jede andere Verwendung (insbesondere zur dauerhaften Finanzierung von laufenden Haushaltsdefiziten) stellt
per Definition eine Zweckentfremdung dar. In einigen Kommunen werden Kassenkredite dennoch zur dauerhaften Defizitfinanzierung
zweckentfremdet. Je höher das dauerhafte Kassenkreditniveau ausfällt, desto größer ist das Ausmaß, zu dem die betreffende Kommune
in der Vergangenheit über ihre Verhältnisse gelebt hat. Von hohen Kassenkreditschulden kann bereits ab 500 Euro je Einwohner gesprochen werden.
Im Gegensatz zu
Investitionskrediten
sind dauerhafte Kassenkredite nicht durch Vermögenswerte gedeckt. Die Mittel aus der Aufnahme von
Kassenkreditschulden werden vielmehr für konsumtive Zwecke verausgabt. Die in Form von Kassenkrediten angesammelten
Lasten werden demnach nachrückenden Generationen aufgebürdet, ohne dass diesen Generationen aus der Verschuldung (z.B. in Form
investiv geschaffener Vermögenswerte) ein Vorteil erwächst.
Eines der wichtigsten Ziele kommunaler Haushaltspolitik muss daher - neben dem dauerhaften Haushaltsausgleich - darin bestehen,
die meiste Zeit des Jahres einen Kassenkreditbestand von exakt 0,00 Euro je Einwohner zu erreichen (und zu bewahren). Dauerhafte Kassenkreditschulden sind unbedingt zu vermeiden.
Für die Gesamtheit der Kommunen in Mecklenburg-Vorpommern zeigt sich im Zeitablauf keine positive Entwicklungstendenz in den Kassenkreditbeständen - im Gegenteil.
Die in der vierteljährlichen
Kassenstatistik
des Statistischen Bundesamtes berichteten Kassenkreditschulden der kommunalen Kern- und
Extrahaushalte sind
binnen dreier Jahre (hier: vom 30.9.2012 bis zum 30.9.2015) von 370,8 auf 758,5 Mio. Euro (d.h. um 104,6 Prozent) angestiegen. Dieser
Zuwachs fällt bedenklich stark aus. Die Kommunen und das Land (und hier v.a. die Kommunalaufsicht) sind gefordert, den Trend umzukehren.
Auf der Suche nach möglichen Konsolidierungsmaßnahmen kann auch ein Blick in die Haushaltssicherungskonzepte anderer Kommunen
als Inspiration dienen (siehe Link).
» Linksammlung zu Haushaltssicherungskonzepten
Hrsg.: HaushaltsSteuerung.de
In Mecklenburg-Vorpommern gibt es seit der Kreisgebietsreform 2011 nur noch zwei kreisfreie Städte: Rostock und Schwerin.
Es handelt sich bei Rostock und Schwerin zugleich um die beiden einwohnerkräftigsten Städte des Landes. Sie zählen zum 31.12.2014
zusammen 296.305 Einwohner (auf Basis des Zensus 2011). Die vier ehemals kreisfreien
Städte Greifswald, Neubrandenburg, Stralsund und Wismar haben seit der Kreisgebietsreform 2011 den Status von kreisangehörigen Städten.
Sehr hohe Kassenkreditschulden finden sich zum 31.12.2014 in der Landeshauptstadt Schwerin mit 1.522 Euro je Einwohner. Bei
Betrachtung der Vorjahre wird deutlich, dass es sich hierbei auch um dauerhafte Kassenkreditschulden handelt. Durch das Argument
kurzfristiger Liquiditätssicherung ist die in Schwerin zu beobachtende Kassenkreditentwicklung nicht zu begründen. Die Stadt hat
das Instrument der Kassenkredite mithin zweckentfremdet. Sie hat in der Vergangenheit zudem merklich über ihre Verhältnisse
gewirtschaftet. In der Stadt Rostock finden sich mit 757 Euro je Einwohner ebenfalls hohe Kassenkreditbestände, wenngleich in
den letzten Jahren zumindest eine Senkungstendenz zu beobachten ist. In Schwerin sind die Kassenkredite demgegenüber im gesamten
Betrachtungszeitraum weiter angestiegen.
Der Befund hoher Kassenkreditschulden in Schwerin und Rostock ist durchaus bedenklich. Es handelt sich bei Schwerin und Rostock
um die beiden einzigen kreisfreien Städte in Mecklenburg-Vorpommern. Zugleich sind es die einwohnerkräftigsten Städte des Landes.
Im Falle der Stadt Schwerin kommt noch der Status einer Landeshauptstadt hinzu. Die zwei Städte haben in der kommunalen Familie
Mecklenburg-Vorpommerns damit eine herausgehobenere Stellung. Hieraus erwächst allerdings auch eine gewisse "Vorbildfunktion"
für die übrigen Kommunen im Land. Dieser "Vorbildfunktion" würden die beiden Städte in haushaltspolitischen Fragen eher gerecht
werden, wenn sie ihre Haushalte ohne dauerhafte Kassenkreditschulden führen würden.
Eine vergleichende Analyse zu den Kassenkreditschulden der kreisfreien Städte in Mecklenburg-Vorpommern mit den kreisfreien
Städten der anderen zwölf Flächenländer finden Sie unter dem ersten Link. Für eine Untersuchung, die neben den Kassenkrediten
auch weitere Schuldenarten einbezieht und auch ausgegliederte Schulden berücksichtigt, sei auf den zweiten Link verwiesen.
» Kassenkredite der kreisfreien Städte in Deutschland, Blog-Eintrag vom 24. März 2016
Autor: Andreas Burth
» Pro-Kopf-Verschuldung der kreisfreien Städte Deutschlands, Blog-Eintrag vom 30. März 2016
Autor: Andreas Burth
Die kommunale Familie Mecklenburg-Vorpommerns zählt in der Summe 38 Städte und Gemeinden, die zwar einem Landkreis angehörigen,
aber nicht Teil eines Amtes sind. Es handelt sich tendenziell v.a. um die einwohnerstärkeren Städte und Gemeinden des jeweiligen
Landkreises. Von diesen 38 Städten und Gemeinden haben 24 auch mehr als 5.000 Einwohner. Die 24 Städte und Gemeinden haben zum
31.12.2014 in ihrer Summe 451.595 Einwohner (auf Basis des Zensus 2011).
Bedenklich ist die Kassenkreditverschuldung der Stadt Neubrandenburg. Mit 1.337 Euro je Einwohner hat sie sehr hohe
Kassenkreditschulden und führt das Kassenkredit-Ranking an. In Anbetracht der Vorjahreswerte handelt es sich auch um dauerhafte
Kassenkreditschulden, d.h. es liegt eine Zweckentfremdung vor. Die Stadt hat in der Vergangenheit deutlich über ihre
Verhältnisse gewirtschaftet.
Hohe dauerhafte Kassenkreditschulden finden sich auch in Teterow. Zum 31.12.2014 liegen die Kassenkredite bei 636 Euro je
Einwohner. Seit 2009 hatte die Stadt zu jedem Jahresende Kassenkreditschulden im Kernhaushalt. Weitere Städte mit
Kassenkreditschulden zum 31.12.2014 sind Wismar (278 Euro je Einwohner), Greifswald (251 Euro je Einwohner), Stralsund
(131 Euro je Einwohner), Pasewalk (65 Euro je Einwohner) und Ueckermünde (34 Euro je Einwohner).
Ohne Kassenkredite kommen zum 31.12.2014 17 der 24 Kommunen (70,8 Prozent) aus: Binz, Boizenburg/Elbe, Demmin, Dummerstorf,
Grevesmühlen, Grimmen, Güstrow, Hagenow, Heringsdorf, Kühlungsborn, Ludwigslust, Neustrelitz, Parchim, Sanitz, Sassnitz,
Satow und Waren (Müritz). Nachfolgende 14 von 24 Kommunen (58,3 Prozent) waren sogar an allen neun Stichtagen
kassenkreditfrei: Binz, Boizenburg/Elbe, Demmin, Dummerstorf, Grevesmühlen, Grimmen, Güstrow, Hagenow, Kühlungsborn,
Neustrelitz, Parchim, Sanitz, Satow und Waren (Müritz).
In Mecklenburg-Vorpommern gibt es 717 Städte und Gemeinden, die einem Landkreis und auch einem Amt angehören. Hiervon haben
24 Städte und Gemeinden auch eine Einwohnerzahl, die über der 5.000er-Schwelle liegt. Zusammen haben die 24 Städte und
Gemeinden zum Stichtag 31.12.2014 185.667 Einwohner (auf Basis des Zensus 2011).
Den mit Abstand höchsten Kassenkreditbestand hat zum 31.12.2014 die Stadt Stavenhagen mit 2.305 Euro je Einwohner. In den
Vorjahren war die Stadt noch kassenkreditfrei. Der starke Anstieg der Kassenkredite in der Stadt Stavenhagen hängt nach
telefonischer Auskunft der Stadtverwaltung mit
Gewerbesteuerrückzahlungen zusammen.
Die zweithöchsten Kassenkreditbestände hat die Stadt Burg Stargard mit 751 Euro je Einwohner. In Anbetracht der
Vorjahresbestände handelt es sich im Falle der Stadt Burg Stargard offenbar um dauerhafte Kassenkredite. Ähnliche Befunde
sind für die Stadt Torgelow (670 Euro je Einwohner) und die Stadt Lübz (459 Euro je Einwohner) festzustellen.
Weitere Städte und Gemeinden mit Kassenkreditschulden zum 31.12.2014 sind Friedland (243 Euro je Einwohner), Wittenburg
(127 Euro je Einwohner), Neustadt-Glewe (76 Euro je Einwohner) und Anklam (38 Euro je Einwohner). Die Bestände dieser
vier Kommunen sind indes noch nicht als hoch einzustufen.
Kassenkreditfrei sind zum 31.12.2014 insgesamt 16 von 24 Städten und Gemeinden (66,7 Prozent). Es handelt sich konkret um:
Altentreptow, Bad Doberan, Barth, Bergen auf Rügen, Bützow, Gadebusch, Grabow, Laage, Lüdersdorf, Malchin, Malchow,
Plau am See, Ribnitz-Damgarten, Röbel/Müritz, Sundhagen und Wolgast. Zwölf der 24 Städte und Gemeinden (50,0 Prozent)
waren sogar an allen neun Stichtagen kassenkreditfrei: Altentreptow, Bad Doberan, Barth, Bergen auf Rügen, Bützow,
Gadebusch, Grabow, Laage, Lüdersdorf, Malchin, Ribnitz-Damgarten und Röbel/Müritz.
Insgesamt betrachtet sind die Kassenkreditprobleme in Mecklenburg-Vorpommern überschaubar. Der überwiegende Teil
der Städte und Gemeinden in Mecklenburg-Vorpommern scheint Kassenkredite nur zu ihrem eigentlichen Zweck - der
kurzfristigen Liquiditätssicherung - zu gebrauchen. Es gibt nur wenige Problemfälle.
Der große Anteil kassenkreditfreier Städte und Gemeinden stellt auch einen interessanten Befund für andere Länder - insbesondere
die westdeutschen Krisenländer Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und das Saarland - dar. So sind die Kommunen in
Mecklenburg-Vorpommern zumeist durch schwierigere wirtschaftliche Rahmenbedingungen geprägt als ihre Pendants in den
westdeutschen Krisenländern. Im Ländervergleich hat Mecklenburg-Vorpommern
regelmäßig das geringste nominale Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt aller 16 Bundesländer (siehe Link). Hieran zeigt sich einmal
mehr: Selbst unter schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen kann ein kommunaler Haushalt ohne dauerhafte Kassenkredite geführt
werden.
» Bruttoinlandsprodukt der Jahre 2014 und 2015 in Deutschland im Ländervergleich, Blog-Eintrag vom 7. April 2016
Autor: Andreas Burth
» Rankings über das Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt der kreisfreien Städte und Landkreise in Deutschland, Blog-Eintrag vom 30. Januar 2016
Autor: Andreas Burth
Weitere Informationen zu den Kommunalfinanzen in Mecklenburg-Vorpommern sind auf HaushaltsSteuerung.de z.B. auf folgenden
Seiten abrufbar.
» Verschuldung der Kommunen in Mecklenburg-Vorpommern
Hrsg.: HaushaltsSteuerung.de
» Kommunale Schuldenstände in Mecklenburg-Vorpommern zum 31.12.2014, Blog-Eintrag vom 14. November 2015
Autor: Andreas Burth
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