|
|
HaushaltsSteuerung.de »
Weblog »
Vereinbarungen zur Haushaltsstabilität nach Maastricht-Vertrag
Vereinbarungen zur Haushaltsstabilität nach Maastricht-Vertrag
15. Juli 2015 |
Autor: Andreas Burth
Am 7. Februar 1992 wurde in der niederländischen Stadt Maastricht der Vertrag über die Europäische Union (auch kurz: Maastricht-Vertrag)
unterzeichnet. Ein Kernbestandteil des Maastricht-Vertrags ist die Schaffung der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion. Unter diese
Europäische Wirtschafts- und Währungsunion fällt insbesondere die Einführung des Euro als gemeinsame Währung.
Damit ein EU-Mitglied den Euro als Währung einführen kann, hat es bestimmte Voraussetzungen (sog.
EU-Konvergenzkriterien oder auch
Maastricht-Kriterien) zu erfüllen, die die Stabilität des Euro gewährleisten sollen. Konkret handelt es sich um Kriterien zur Haushalts-,
Preisniveau-, Wechselkurs- und Zinssatzstabilität. Eine besondere Relevanz entfaltet hierbei das Kriterium der Haushaltsstabilität
(Defizitquote
betragsmäßig max. -3,0 Prozent des nominalen
BIP und
Schuldenquote max. 60,0 Prozent des nominalen BIP), das als
dauerhaft einzuhaltendes Kriterium konzipiert wurde. Die übrigen Kriterien müssen von den Mitgliedsstaaten nur vor der Euro-Einführung
erfüllt werden.
Nicht zuletzt mit dem Ausbruch der jüngsten Finanz- und Wirtschaftskrise und im Besonderen im Zuge der sich daran anschließenden
Staatsfinanzkrise Griechenlands ist das Maastricht-Kriterium zur Haushaltsstabilität wieder verstärkt in den Fokus der Öffentlichkeit
geraten.
Vor diesem Hintergrund untersucht der vorliegende Blog-Eintrag für die Jahre 2000 bis 2015 (wobei 2015 nur Schätzwerte umfasst),
inwieweit die EU-Mitglieder die Referenzwerte zum Kriterium der Haushaltsstabilität eingehalten haben. Über den genannten
16-Jahres-Zeitraum analysiert werden alle 28 Staaten, die zum 1.1.2015 Mitglieder der Europäischen Union sind. Betrachtet werden
folglich auch die Staaten, die den Euro (noch) nicht als Währung eingeführt haben (z.B. Dänemark). Ebenso über den kompletten Zeitraum
eingeschlossen sind diejenigen Staaten, die erst im Betrachtungszeitraum der EU (z.B. Kroatien) und/oder der Eurozone (z.B. Lettland)
beigetreten sind.
Überblick:
- Bestimmungen des Maastricht-Vertrags im Wortlaut
- Staatsschulden 2000 bis 2015 in Prozent des nominalen BIP
- Staatsdefizit 2000 bis 2015 in Prozent des nominalen BIP
- Fazit
- Weitere Informationen
Bestimmungen des Maastricht-Vertrags im Wortlaut
Gerade in der jüngeren Vergangenheit ist über das Maastricht-Kriterium zur Haushaltsstabilität viel diskutiert worden. Vermutlich
haben die Originalpassagen des zugrundeliegenden Vertrags aber nur wenige Bürger im Wortlaut gelesen. Um dem Abhilfe zu schaffen,
finden Sie nachfolgend einige wichtige Artikel des Maastricht-Vertrags inkl. dazugehöriger Protokolle.
Die vier Konvergenzkriterien zur Haushalts-, Preisniveau-, Wechselkurs- und Zinssatzstabilität sind in Artikel 109 j des Vertrags
über die Europäische Union manifestiert (siehe Absatz 1):
Vertrag über die Europäische Union
Artikel 109 j
(1) Die Kommission und das EWI berichten dem Rat, inwieweit die Mitgliedstaaten bei der Verwirklichung der Wirtschafts- und Währungsunion
ihren Verpflichtungen bereits nachgekommen sind. In ihren Berichten wird auch die Frage geprüft, inwieweit die innerstaatlichen Rechtsvorschriften
der einzelnen Mitgliedstaaten einschließlich der Satzung der jeweiligen nationalen Zentralbank mit Artikel 107 und Artikel 108 dieses Vertrags
sowie der Satzung des ESZB vereinbar sind. Ferner wird darin geprüft, ob ein hoher Grad an dauerhafter Konvergenz erreicht ist; Maßstab hierfür
ist, ob die einzelnen Mitgliedstaaten folgende Kriterien erfüllen:
- Erreichung eines hohen Grades an Preisstabilität, ersichtlich aus einer Inflationsrate, die der Inflationsrate jener - höchstens drei -
Mitgliedstaaten nahekommt, die auf dem Gebiet der Preisstabilität das beste Ergebnis erzielt haben;
- eine auf Dauer tragbare Finanzlage der öffentlichen Hand, ersichtlich aus einer öffentlichen Haushaltslage ohne übermäßiges Defizit im Sinne
des Artikels 104 c Absatz 6;
- Einhaltung der normalen Bandbreiten des Wechselkursmechanismus des Europäischen Währungssystems seit mindestens zwei Jahren ohne Abwertung
gegenüber der Währung eines anderen Mitgliedstaats;
- Dauerhaftigkeit der von dem Mitgliedstaat erreichten Konvergenz und seiner Teilnahme am Wechselkursmechanismus des Europäischen Währungssystems,
die im Niveau der langfristigen Zinssätze zum Ausdruck kommt.
Die vier Kriterien in diesem Absatz sowie die jeweils erforderliche Dauer ihrer Einhaltung sind in einem diesem Vertrag beigefügten Protokoll
näher festgelegt. Die Berichte der Kommission und des EWI berücksichtigen auch die Entwicklung der ECU, die Ergebnisse bei der Integration der
Märkte, den Stand und die Entwicklung der Leistungsbilanzen, die Entwicklung bei den Lohnstückkosten und andere Preisindizes.
(2) Der Rat beurteilt auf der Grundlage dieser Berichte auf Empfehlung der Kommission mit qualifizierter Mehrheit,
- ob die einzelnen Mitgliedstaaten die notwendigen Voraussetzungen für die Einführung einer einheitlichen Währung erfüllen,
- ob eine Mehrheit der Mitgliedstaaten die notwendigen Voraussetzungen für die Einführung einer einheitlichen Währung erfüllt,
und empfiehlt seine Feststellungen dem Rat, der in der Zusammensetzung der Staats- und Regierungschefs tagt. Das Europäische Parlament wird
angehört und leitet seine Stellungnahme dem Rat in der Zusammensetzung der Staats- und Regierungschefs zu.
(3) Unter gebührender Berücksichtigung der Berichte nach Absatz 1 sowie der Stellungnahme des Europäischen Parlaments nach Absatz 2 verfährt
der Rat, der in der Zusammensetzung der Staats- und Regierungschefs tagt, spätestens am 31. Dezember 1996 mit qualifizierter Mehrheit wie folgt:
- er entscheidet auf der Grundlage der in Absatz 2 genannten Empfehlungen des Rates, ob eine Mehrheit der Mitgliedstaaten die notwendigen
Voraussetzungen für die Einführung einer einheitlichen Währung erfüllt;
- er entscheidet, ob es für die Gemeinschaft zweckmäßig ist, in die dritte Stufe einzutreten;
sofern dies der Fall ist,
- bestimmt er den Zeitpunkt für den Beginn der dritten Stufe.
(4) Ist bis Ende 1997 der Zeitpunkt für den Beginn der dritten Stufe nicht festgelegt worden, so beginnt die dritte Stufe am 1.
Januar 1999. Vor dem 1. Juli 1998 bestätigt der Rat, der in der Zusammensetzung der Staats- und Regierungschefs tagt, nach einer
Wiederholung des in den Absätzen 1 und 2 - mit Ausnahme von Absatz 2 zweiter Gedankenstrich - vorgesehenen Verfahrens unter
Berücksichtigung der Berichte nach Absatz 1 sowie der Stellungnahme des Europäischen Parlaments mit qualifizierter Mehrheit auf
der Grundlage der Empfehlungen des Rates nach Absatz 2, welche Mitgliedstaaten die notwendigen Voraussetzungen für die Einführung
einer einheitlichen Währung erfüllen.
|
In Artikel 109 j wird bezüglich des Kriteriums der Haushaltsstabilität auf den Artikels 104 c verwiesen. Darin wird konkretisiert,
was der Vertrag unter einer öffentlichen Haushaltslage ohne/mit übermäßiges/m Defizit versteht. Konkret sollen der Schuldenstand
und das Defizit im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt einen an dieser Stelle noch nicht näher konkretisierten Referenzwert nicht
überschreiten.
Vertrag über die Europäische Union
Artikel 104 c
(1) Die Mitgliedstaaten vermeiden übermäßige öffentliche Defizite.
(2) Die Kommission überwacht die Entwicklung der Haushaltslage und der Höhe des öffentlichen Schuldenstands in den Mitgliedstaaten
im Hinblick auf die Feststellung schwerwiegender Fehler. Insbesondere prüft sie die Einhaltung der Haushaltsdisziplin anhand von
zwei Kriterien, nämlich daran,
a) ob das Verhältnis des geplanten oder tatsächlichen öffentlichen Defizits zum Bruttoinlandsprodukt einen bestimmten Referenzwert
überschreitet, es sei denn, daß
- entweder das Verhältnis erheblich und laufend zurückgegangen ist und einen Wert in der Nähe des Referenzwerts erreicht hat
- oder der Referenzwert nur ausnahmsweise und vorübergehend überschritten wird und das Verhältnis in der Nähe des Referenzwerts
bleibt,
b) ob das Verhältnis des öffentlichen Schuldenstands zum Bruttoinlandsprodukt einen bestimmten Referenzwert überschreitet, es
sei denn, daß das Verhältnis hinreichend rückläufig ist und sich rasch genug dem Referenzwert nähert.
Die Referenzwerte werden in einem diesem Vertrag beigefügten Protokoll über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit im
Einzelnen festgelegt.
(3) Erfüllt ein Mitgliedstaat keines oder nur eines dieser Kriterien, so erstellt die Kommission einen Bericht. In diesem Bericht
wird berücksichtigt, ob das öffentliche Defizit die öffentlichen Ausgaben für Investitionen übertrifft; berücksichtigt werden
ferner alle sonstigen einschlägigen Faktoren, einschließlich der mittelfristigen Wirtschafts- und Haushaltslage des Mitgliedstaats.
Die Kommission kann ferner einen Bericht erstellen, wenn sie ungeachtet der Erfüllung der Kriterien der Auffassung ist, daß in
einem Mitgliedstaat die Gefahr eines übermäßigen Defizits besteht.
(4) Der Ausschuß nach Artikel 109 c gibt eine Stellungnahme zu dem Bericht der Kommission ab.
(5) Ist die Kommission der Auffassung, daß in einem Mitgliedstaat ein übermäßiges Defizit besteht oder sich ergeben könnte, so
legt sie dem Rat eine Stellungnahme vor.
(6) Der Rat entscheidet mit qualifizierter Mehrheit auf Empfehlung der Kommission und unter Berücksichtigung der Bemerkungen,
die der betreffende Mitgliedstaat gegebenenfalls abzugeben wünscht, nach Prüfung der Gesamtlage, ob ein übermäßiges Defizit besteht.
(7) Wird nach Absatz 6 ein übermäßiges Defizit festgestellt, so richtet der Rat an den betreffenden Mitgliedstaat Empfehlungen
mit dem Ziel, dieser Lage innerhalb einer bestimmten Frist abzuhelfen. Vorbehaltlich des Absatzes 8 werden diese Empfehlungen
nicht veröffentlicht.
(8) Stellt der Rat fest, daß seine Empfehlungen innerhalb der gesetzten Frist keine wirksamen Maßnahmen ausgelöst haben, so
kann er seine Empfehlungen veröffentlichen.
(9) Falls ein Mitgliedstaat den Empfehlungen des Rates weiterhin nicht Folge leistet, kann der Rat beschließen, den Mitgliedstaat
mit der Maßgabe in Verzug zu setzen, innerhalb einer bestimmten Frist Maßnahmen für den nach Auffassung des Rates zur Sanierung
erforderlichen Defizitabbau zu treffen.
Der Rat kann in diesem Fall den betreffenden Mitgliedstaat ersuchen, nach einem konkreten Zeitplan Berichte vorzulegen, um
die Anpassungsbemühungen des Mitgliedstaats überprüfen zu können.
(10) Das Recht auf Klageerhebung nach den Artikeln 169 und 170 kann im Rahmen der Absätze 1 bis 9 dieses Artikels nicht
ausgeübt werden.
(11) Solange ein Mitgliedstaat einen Beschluß nach Absatz 9 nicht befolgt, kann der Rat beschließen, eine oder mehrere der
nachstehenden Maßnahmen anzuwenden oder gegebenenfalls zu verschärfen, nämlich
- von dem betreffenden Mitgliedstaat verlangen, vor der Emission von Schuldverschreibungen und sonstigen Wertpapieren vom
Rat näher zu bezeichnende zusätzliche Angaben zu veröffentlichen,
- die Europäische Investitionsbank ersuchen, ihre Darlehenspolitik gegenüber dem Mitgliedstaat zu überprüfen,
- von dem Mitgliedstaat verlangen, eine unverzinsliche Einlage in angemessener Höhe bei der Gemeinschaft zu hinterlegen,
bis das übermäßige Defizit nach Ansicht des Rates korrigiert worden ist,
- Geldbußen in angemessener Höhe verhängen.
Der Präsident des Rates unterrichtet das Europäische Parlament von den Beschlüssen.
(12) Der Rat hebt einige oder sämtliche Entscheidungen nach den Absätzen 6 bis 9 und 11 so weit auf, wie das übermäßige
Defizit in dem betreffenden Mitgliedstaat nach Ansicht des Rates korrigiert worden ist. Hat der Rat zuvor Empfehlungen
veröffentlicht, so stellt er, sobald die Entscheidung nach Absatz 8 aufgehoben worden ist, in einer öffentlichen Erklärung
fest, daß in dem betreffenden Mitgliedstaat kein übermäßiges Defizit mehr besteht.
(13) Die Beschlußfassung des Rates nach den Absätzen 7 bis 9 sowie 11 und 12 erfolgt auf Empfehlung der Kommission mit
einer Mehrheit von zwei Dritteln der gemäß Artikel 148 Absatz 2 gewogenen Stimmen der Mitgliedstaaten mit Ausnahme der
Stimmen des Vertreters des betroffenen Mitgliedstaats.
(14) Weitere Bestimmungen über die Durchführung des in diesem Artikel beschriebenen Verfahrens sind in dem diesem
Vertrag beigefügten Protokoll über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit enthalten.
Der Rat verabschiedet einstimmig auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments sowie der
EZB die geeigneten Bestimmungen, die sodann das genannte Protokoll ablösen.
Der Rat beschließt vorbehaltlich der sonstigen Bestimmungen dieses Absatzes vor dem 1. Januar 1994 mit qualifizierter
Mehrheit auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments nähere Einzelheiten und Begriffsbestimmungen
für die Durchführung des genannten Protokolls.
|
Konkretisiert werden die in Artikel 104 c angesprochenen Referenzwerte in dem Protokoll über das Verfahren bei einem
übermäßigen Defizit, das dem Vertrag beigefügt ist. In dem Protokoll wird der Referenzwert für das Defizit auf 3,0 Prozent des
nominalen Bruttoinlandsprodukts und der Referenzwert für den Schuldenstand auf 60,0 Prozent des nominalen Bruttoinlandsprodukts
festgelegt.
Protokoll über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit
Artikel 1
Die in Artikel 104 c Absatz 2 dieses Vertrags genannten Referenzwerte sind:
- 3 % für das Verhältnis zwischen dem geplanten oder tatsächlichen öffentlichen Defizit und dem Bruttoinlandsprodukt zu
Marktpreisen,
- 60 % für das Verhältnis zwischen dem öffentlichen Schuldenstand und dem Bruttoinlandsprodukt zu Marktpreisen.
Artikel 2
In Artikel 104 c dieses Vertrags und in diesem Protokoll bedeutet
- "öffentlich" zum Staat, d. h. zum Zentralstaat (Zentralregierung), zu regionalen oder lokalen Gebietskörperschaften oder
Sozialversicherungseinrichtungen gehörig, mit Ausnahme von kommerziellen Transaktionen, im Sinne des Europäischen Systems
volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen;
- "Defizit" das Finanzierungsdefizit im Sinne des Europäischen Systems volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen;
- "Investitionen" die Brutto-Anlageinvestitionen im Sinne des Europäischen Systems volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen;
- "Schuldenstand" den Brutto-Gesamtschuldenstand zum Nominalwert am Jahresende nach Konsolidierung innerhalb und zwischen
den einzelnen Bereichen des Staatssektors im Sinne des ersten Gedankenstrichs.
Artikel 3
Um die Wirksamkeit des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit zu gewährleisten, sind die Regierungen der Mitgliedstaaten
im Rahmen dieses Verfahrens für die Defizite des Staatssektors im Sinne von Artikel 2 erster Gedankenstrich verantwortlich.
Die Mitgliedstaaten gewährleisten, daß die innerstaatlichen Verfahren im Haushaltsbereich sie in die Lage versetzen, ihre
sich aus diesem Vertrag ergebenden Verpflichtungen in diesem Bereich zu erfüllen. Die Mitgliedstaaten müssen ihre geplanten
und tatsächlichen Defizite und die Höhe ihres Schuldenstands der Kommission unverzüglich und regelmäßig mitteilen.
Artikel 4
Die zur Anwendung dieses Protokolls erforderlichen statistischen Daten werden von der Kommission zur Verfügung gestellt.
|
Gerade im Kontext der aktuellen Staatsschuldenkrise und der damit verbundenen Rettungsmaßnahmen für einzelne Krisenstaaten
(z.B. Griechenland) ist auch folgender Artikel des Maastricht-Vertrags interessant. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses war
demnach eine Schulden- und Haftungsunion nicht angedacht.
Vertrag über die Europäische Union
Artikel 104 b
(1) Die Gemeinschaft haftet nicht für die Verbindlichkeiten der Zentralregierungen, der regionalen oder lokalen Gebietskörperschaften
oder anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaften, sonstiger Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder öffentlicher Unternehmen von
Mitgliedstaaten und tritt nicht für derartige Verbindlichkeiten ein; dies gilt unbeschadet der gegenseitigen finanziellen Garantien
für die gemeinsame Durchführung eines bestimmten Vorhabens. Ein Mitgliedstaat haftet nicht für die Verbindlichkeiten der
Zentralregierungen, der regionalen oder lokalen Gebietskörperschaften oder anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaften, sonstiger
Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder öffentlicher Unternehmen eines anderen Mitgliedstaats und tritt nicht für derartige
Verbindlichkeiten ein; dies gilt unbeschadet der gegenseitigen finanziellen Garantien für die gemeinsame Durchführung eines bestimmten
Vorhabens.
(2) Der Rat kann erforderlichenfalls nach dem Verfahren des Artikels 189 c Definitionen für die Anwendung der in Artikel 104
und in diesem Artikel vorgesehenen Verbote näher bestimmen.
|
Den kompletten Vertragstext können Sie unter folgendem Link abrufen
» Vertrag über die Europäische Union
Hrsg.: Europäische Union
Staatsschulden 2000 bis 2015 in Prozent des nominalen BIP
Aus Tabelle 1 ist für den Zeitraum 2000 bis 2015 der Stand der Staatsverschuldung nach Maastricht-Vertrag ersichtlich (wobei
die Tabelle für 2015 nur Schätzwerte enthält). Die Schuldendaten betreffen jeweils den 31.12. des Jahres. Gemäß Maastricht-Vertrag
soll der Schuldenstand 60,0 Prozent des BIP nicht überschreiten. Jahre, in denen ein Staat die Schuldengrenze überschreitet, sind
in der Tabelle rot markiert. Die übrigen Jahre sind grün hervorgehoben.
Zu Beginn des Betrachtungszeitraums hatten lediglich sechs EU-Staaten Staatsschulden über 60,0 Prozent des nominalen BIP
(darunter auch Deutschland). Belgien, Griechenland, Italien und Österreich lagen in keinem einzigen Jahr unter 60,0 Prozent des
nominalen BIP. Deutschland schaffte dies nur 2001. Seit 2002 liegt auch Deutschland wieder ohne Unterbrechung über den Schwellenwert.
Die fünf größten EU-Mitglieder (Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien, Vereinigtes Königreich) liegen seit 2010 ausnahmslos über
der 60-Prozent-Schwelle. Gerade von den großen EU-Staaten geht eine wichtige Vorbildfunktion für andere (kleinere) EU-Mitglieder aus.
Zum 31.12.2014 liegen nur noch zwölf von 28 Staaten unterhalb der Schwelle, wobei Finnland erwartet, 2015 aus dieser Gruppe
herauszufallen. Insgesamt sechs Staaten erwarten zum 31.12.2015 sogar über 100 Prozent des BIP zu liegen (Belgien, Griechenland,
Irland, Italien, Portugal, Zypern). Spanien wird sich mit 99,7 Prozent des nominalen BIP nur leicht darunter befinden. Im Kontext
der 2015er-Werte Griechenlands ist allerdings darauf hinzuweisen, dass selbige bedingt durch die dort jüngst deutlich intensivierte
Krisensituation inzwischen überholt sein dürften.
Staatsdefizit 2000 bis 2015 in Prozent des nominalen BIP
Tabelle 2 zeigt für den Zeitraum 2000 bis 2015 die Höhe des Überschusses/Defizits nach Maastricht-Vertrag (wobei die Tabelle für
2015 nur Schätzwerte enthält). Das Defizit soll drei Prozent des nominalen BIP nicht überschreiten. Jahre, in denen ein Staat die
Defizitgrenze überschreitet, sind in der Tabelle rot markiert. Alle übrigen Jahre sind grün, wobei Überschuss-Jahre durch ein
dunkleres grün hervorgehoben werden.
Die Daten in Tabelle 2 zeigen, dass mit Estland, Luxemburg und Schweden nur drei Staaten in keinem der Jahre die Defizit-Grenze
überschritten haben. Dänemark hat den Schwellenwert nur einmal (2012) überschritten. Deutschland kommt auf sechs Überschreitungen.
Umgekehrt gibt es mit Griechenland einen Staat, der 2000 bis 2014 in keinem einzigen Jahr die Schwelle nicht überschritten hat.
Zwar soll gemäß der Plandaten vom April 2015 für das Jahr 2015 erstmals wieder ein Maastricht-konformes Defizit erwirtschaftet
werden - in Anbetracht der aktuellen Griechenlandkrise erscheint dieser Planwert jedoch unrealistisch.
Fazit
Die Mehrzahl der EU-Mitglieder hat die Referenzwerte von -3,0 bzw. 60,0 Prozent des nominalen BIP nicht durchgängig eingehalten.
Einzig Estland, Luxemburg und Schweden haben im gesamten Betrachtungszeitrum die Referenzwerte nicht verfehlt. Finnland verfehlte
erstmals 2014 einen Referenzwert. Deutschland zählte zu den ersten EU-Staaten, die die Referenzwerte überschritten haben. Weitere
Mitgliedsstaaten (darunter auch Frankreich) folgten. Zwar ist einschränkend darauf hinzuweisen, dass es im Vertragstext Ausnahmetatbestände
gibt, die in einzelnen Fällen ein Überschreiten erlauben. So sind z.B. nach Artikel 104 c Absatz 2 a) Überschreitungen beim
Defizit-Referenzwert gestattet, wenn "entweder das Verhältnis erheblich und laufend zurückgegangen ist und einen Wert in der Nähe
des Referenzwerts erreicht hat oder der Referenzwert nur ausnahmsweise und vorübergehend überschritten wird und das Verhältnis in der
Nähe des Referenzwerts bleibt".
Es darf gleichwohl nicht übersehen werden, dass auch von geringeren Überschreitungen der Schwellenwerte eine Signalwirkung für
andere EU-Staaten ausgeht. Mit jeder Überschreitung, mit jeder Ausnutzung von Ausnahmetatbeständen und mit jedem Ausschöpfen von
Interpretationsspielräumen in den Vertragswerken hat das Kriterium der Haushaltsstabilität an präventivem Charakter eingebüßt.
Selbst eigentlich offensichtliche Verstöße blieben ohne ernsthafte Konsequenzen. Regierungen ohne ausreichende Haushaltsdisziplin
können sich zunehmend auf immer mehr Präzedenzfälle berufen. Die großen Mitgliedsstaaten haben zugleich ihre beispielgebende Rolle in
Teilen eingebüßt.
Ursprünglich sollte eine Referenzwert-Überschreitung eher die Ausnahme als die Regel sein. Nur in Krisenzeiten und auch dann
nur auf absehbare Zeit wäre sie demnach zulässig gewesen. Tatsächlich ist es inzwischen umgekehrt. Viele Staaten halten die
Referenzwerte auch in wirtschaftlich guten Zeiten nicht ein. Selbst bei massiven Überschreitungen sind kaum ernsthafte Konsequenzen
zu fürchten. Der
Europäische Fiskalpakt
war 2012 bereits ein erster Schritt zur Lösung einzelner Probleme des Maastricht-Vertrags. Ihn
haben mit Ausnahme des Vereinigten Königreichs und Tschechiens alle EU-Mitglieder unterzeichnet. Ob der Fiskalpakt allerdings ausreicht,
wird sich erst noch zeigen müssen. Insbesondere müssen die Vereinbarungen des Fiskalpakts auch tatsächlich gelebt werden. Stetig neue
Präzedenzfälle sind unbedingt zu vermeiden. Dies gilt aufgrund ihrer Vorbildfunktion im Besonderen für die großen EU-Staaten.
» Vertragstext zum Europäischen Fiskalpakt
Hrsg.: Europäische Union
Weitere Informationen
Ergänzende Informationen zu den Staatsfinanzen der 28 EU-Mitgliedsstaaten können Sie über folgende Links abrufen.
» Schuldenuhren der EU-Mitgliedsstaaten
Hrsg.: HaushaltsSteuerung.de
» Staatsverschuldung und Staatsdefizite in der Europäischen Union (EU)
Hrsg.: HaushaltsSteuerung.de
» Zinsuhr zu den staatlichen Zinsausgaben von Deutschland
Hrsg.: HaushaltsSteuerung.de
|
|
|