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Zinseinnahmen der 28 EU-Staaten im Vergleich
Zinseinnahmen der 28 EU-Staaten im Vergleich
27. April 2016 |
Autor: Andreas Burth
In den letzten Jahren war kein Mitgliedsstaat der Europäischen Union (EU)
schuldenfrei. Eine Folge der Staatsverschuldung
sind die zu leistenden Zinsausgaben. Zinsen sind jedoch nicht nur für die Ausgabenseite der Staatshaushalte relevant. Die
EU-Staaten verzeichnen vielmehr auch Einnahmen aus Zinsen. Zwar fallen die Zinsausgaben typischerweise deutlich niedriger
aus als andere Einnahmearten, wie z.B. die Steuereinnahmen. Dennoch bilden sie einen Teil des Einnahmeportfolios eines Staates,
der für Ausgaben (z.B. für Bildung, innere Sicherheit) zur Verfügung steht. Der vorliegende Beitrag zielt vor diesem Hintergrund
darauf ab, das Volumen der staatlichen Zinseinnahmen zu quantifizieren und auf vergleichender Grundlage zu untersuchen.
Datengrundlage dieses Blog-Eintrags sind Statistiken, die am 21.4.2016 von Eurostat publiziert worden sind. Abdeckt ist jeweils
der gesamte
Sektor Staat, d.h. die Summe der
Kern- und
Extrahaushalte von Bund/Zentralstaat, Gliedstaaten, Kommunen und
Sozialversicherung. Gliedstaaten gibt es laut Eurostat-Statistik nur in vier EU-Staaten (Belgien, Deutschland, Österreich
und Spanien). Die übrigen 24 EU-Staaten sind zentralstaatlich strukturiert.
Der Begriff der Zinseinnahmen wird im hier zugrunde gelegten Europäischen System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen 2010
(ESVG 2010) wie folgt definiert: Zinseinnahmen (Code: D.41) sind das Vermögenseinkommen, das der Eigentümer von Forderungen
(hier z.B. der Bund/Zentralstaat oder eine Kommune) dafür erhält, dass er die Forderung einer anderen institutionellen Einheit (z.B. einem privaten Unternehmen)
zur Verfügung stellen. Zinsen werden für die folgenden Forderungstypen berücksichtigt: Einlagen, Schuldverschreibungen, Kredite
und sonstige Forderungen.
Im Kontext der Zinseinnahmen befindet sich der Staat folglich nicht in der Position des Schuldners, sondern ist vielmehr
Gläubiger. Die Zinseinnahmen sind ein grober Indikator für Höhe des Finanzvermögens (hier: Einlagen, gehaltene Schuldverschreibungen,
vergebene Kredite und sonstige Forderungen) eines Staates. In den staatlichen Zinseinnahmen nicht enthalten sind Ausschüttungen (z.B.
Dividenden), die der Staat als Eigentümer von Anteilsrechten als Gegenleistung dafür erhält, dass er z.B. staatlichen Unternehmen in
der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft (in Deutschland z.B. GmbHs oder AGs) finanzielle Mittel zur Verfügung stellt.
Insgesamt verzeichnen die 28 EU-Mitglieder im Jahr 2015 Zinseinnahmen in Höhe von 46,3 Mrd. Euro. Davon entfallen 11,9 Mrd.
Euro bzw. 25,7 Prozent auf den deutschen Staat. Das absolute Volumen der österreichischen Zinseinnahmen liegt bei 1,7 Mrd.
Euro (3,6 Prozent der EU-28).
Die höchsten Pro-Kopf-Zinseinnahmen 2015 verzeichnen Luxemburg (527 Euro je Einwohner), Dänemark (393 Euro je Einwohner)
und Finnland (382 Euro je Einwohner). Am wenigsten nehmen Litauen (5 Euro je Einwohner), Rumänien (10 Euro je Einwohner) und
Ungarn (12 Euro je Einwohner) ein. Der deutsche Staat liegt bei 147 Euro je Einwohner, der österreichische Staat bei 196
Euro je Einwohner.
Im Verhältnis zur Wirtschaftskraft ist im Jahr 2015 eine Spannweite von 0,04 Prozent des nominalen BIP in Litauen bis 1,01
Prozent des nominalen BIP in Finnland. In Deutschland belaufen sich die Zinseinnahmen auf 0,39 Prozent des nominalen BIP.
Der österreichische Wert liegt bei 0,50 Prozent des nominalen BIP.
Der Anteil der Zinseinnahmen an den gesamten Staatseinnahmen ist, wie bereits zu Beginn erwähnt, eher gering. Für die
Gesamtheit der 28 EU-Staaten ist im Jahr 2015 ein Anteil von 0,70 Prozent festzustellen. Der niedrigste Wert entfällt auf
Litauen mit 0,11 Prozent. Der höchste Anteil ist Finnland zuzurechnen (1,82 Prozent). Deutschlands Zinseinnahmen machen
0,88 Prozent der gesamten Staatseinnahmen aus. In Österreich sind es 0,99 Prozent.
Interessant ist auch die Frage, wie hoch die Zinseinnahmen im Verhältnis zu den Zinsausgaben ausfallen. Die ungünstigsten
Zinseinnahmen-Zinsausgaben-Verhältnisse verzeichnen Litauen (2,5 Prozent), Ungarn (3,1 Prozent) und Malta (3,2 Prozent).
Die EU-28 liegen bei 13,8 Prozent. Wie die Daten in untenstehender Tabelle zeigen, gibt es allerdings auch drei EU-Staaten,
deren Zinseinnahmen im Jahr 2015 ausreichen, um die Zinsausgaben in voller Höhe zu decken. Es handelt sich um Estland,
Luxemburg und Schweden. Der deutsche Staat könnte rein rechnerisch 24,5 Prozent der Zinsausgaben durch Zinseinnahmen decken. Bei Österreich sind es 21,2 Prozent.
Bei direkten Zinseinnahmen-Zinsausgaben-Vergleichen ist jedoch allgemein darauf hinzuweisen, dass die Zinseinnahmen und
Zinsausgaben innerhalb eines Staates nicht notwendigerweise homogen verteilt sind. So haben z.B. Kommunen mit hohem
Finanzvermögen (d.h. hohen Zinseinnahmen) häufig niedrige Schulden (d.h. niedrige Zinsausgaben). Umgekehrt haben Kommunen
mit hohen Schulden (d.h. hohe Zinsausgaben) meist ein eher geringes Finanzvermögen (d.h. niedrige Zinseinnahmen).
Weiterführende Datenangebote und Analysen zu den Staatsfinanzen der EU-Mitglieder sind auf HaushaltsSteuerung.de z.B.
auf folgenden Seiten verfügbar.
» Schuldenuhren der EU-Mitgliedsstaaten
Hrsg.: HaushaltsSteuerung.de
» Staatsverschuldung in der Europäischen Union (EU)
Hrsg.: HaushaltsSteuerung.de
» Zinsuhr von Deutschland und Österreich
Hrsg.: HaushaltsSteuerung.de
» EU-Vergleich zu Primärsaldo und Zinsausgaben 2015, Blog-Eintrag vom 23. April 2016
Autor: Andreas Burth
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