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HaushaltsSteuerung.de » Weblog » Stadt Offenburg will bis (spätestens) 2019 im Kernhaushalt schuldenfrei werden

Stadt Offenburg will bis (spätestens) 2019 im Kernhaushalt schuldenfrei werden
15. Februar 2012  |  Autor: Marc Gnädinger



Die Kernhaushaltsverschuldung der Kommunen in Baden-Württemberg erscheint Ende 2010 im Vergleich zu anderen Ländern als vergleichsweise niedrig. Insbesondere die als Krisenindikator geltenden Kassenkredite spielen in Baden-Württemberg in der Summe eine geringere Rolle als das in zahlreichen anderen Ländern der Fall ist. Kassenkredite werden i.d.R. so eingesetzt, wie sie ursprünglich gedacht sind, zur kurzfristigen Liquiditätssicherung - hierfür dürften u.a. auch die vergleichsweise restriktiv ausgestalteten Rechtsregelungen zur Aufnahme dieser Schulden einen Beitrag leisten. Dennoch gibt es auch in Baden-Württemberg einzelne Kommunen, bei denen die Verschuldung als problematisch einzustufen ist.

» Kommunalverschuldung in Baden-Württemberg
    Hrsg.: HaushaltsSteuerung.de

» Kassenkredit-Schuldenbremsen in der kommunalen Doppik, Blog-Eintrag vom 7. März 2011
    Autor: Marc Gnädinger

Gleichzeitig gibt es in Baden-Württemberg bereits einige Städte und Gemeinden die als schuldenfrei qualifiziert werden können - teilweise schon seit mehreren Jahren. Die einwohnerkstärkste, komplett schuldenfreie Stadt des Landes ist Ende 2010 Bietigheim-Bissingen mit 42.748 Einwohnern zum 30. Juni 2010.

» Schuldenfreie Gemeinden 2010 in Baden-Württemberg, Blog-Eintrag vom 3. Juli 2011
    Autor: Marc Gnädinger

Mit der Stadt Offenburg plant eine Stadt, die in Baden-Württemberg zu den elf Oberzentren gehört, das Erreichen der Schuldenfreiheit - allerdings in Bezug auf ihre Kernhaushaltsschulden (d.h. ohne Auslagerungen). Offenburg hat zum 30. Juni 2010 exakt 59.229 Einwohner.

Nach Angaben des Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg weist die Stadt Offenburg zum 31. Dezember 2010 noch nachfolgende Schuldenbestände (Nachweis der Schulden in nicht-konsolidierter Form) aus:
  1. Kernhaushaltsschulden (Kredite, Wertpapierschulden und Kassenkredite) beim öffentlichen Bereich: 323.000 Euro
  2. Kernhaushaltsschulden (Kredite, Wertpapierschulden und Kassenkredite) beim nicht-öffentlichen Bereich: 28.449.000 Euro
  3. Schulden der Eigenbetriebe beim öffentlichen Bereich: 220.000 Euro
  4. Schulden der Eigenbetriebe beim nicht-öffentlichen Bereich: 70.893.000 Euro
Hieraus ergibt sich ein Schuldenstand (Kernhaushalt und Eigenbetriebe) beim öffentlichen und nicht-öffentlichen Bereich von zusammen 99.885.000 Euro, also 1.686 Euro je Einwohner. Hierbei ist darauf hinzuweisen, dass mit den seitens der Statistiker ausgewiesenen Schulden noch nicht die komplette Kommunalverschuldung ausgewiesen ist. So werden etwa Rückstellungen als bedeutende Schuldenkategorie noch immer nicht finanzstatistisch berichtet.

Die Stadt Offenburg weist darauf hin, dass die Schulden in den Eigenbetrieben, die mit 1.197 Euro je Einwohner den größten Teil ihrer Verschuldung ausmachen, nicht mit den Schulden im Kernhaushalt gleichgesetzt werden sollten: Während die Schulden im Kernhaushalt aus Steuermitteln bedient werden müssten und daher nachfolgende Generationen belasten würden, dienen die Kredite in den Eigenbetrieben einer Unternehmensfinanzierung, die sich selbst trage und im Fall von Offenburg laufende Zuflüsse in die Daseinsvorsorge ermögliche. So könne z.B. die Stadtentwässerung die Kredite vollständig aus den Abwassergebühren decken. Bei den Technischen Betrieben Offenburg sind die Energiebeteiligungen Offenburgs (Gas, Wasser, Strom) im Sinne einer Holding angesiedelt. Die dort vorhandenen Vermögenswerte übertreffen nach Aussage der Stadt Offenburg die Verschuldung um ein Mehrfaches und finanzieren im Ergebnis andere defizitäre Bereiche (ÖPNV, Bäder, Messe) und entlasten damit den Kernhaushalt. Eine Debatte über die öffentliche Verschuldung sollte daher nach Auffassung der Stadt Offenburg die Unterscheidung zwischen rentierlichen und unrentierlichen Schulden einbeziehen. (siehe hierzu auch das nachfolgend verlinkte Interview mit Dr. Christoph Jopen, dem 1. Beigeordneten der Stadt Offenburg)

» Projekt "Schuldenfreies Offenburg" voll auf Kurs - Interview mit Dr. Christoph Jopen
    Hrsg.: HaushaltsSteuerung.de

» Zur Pflicht kommt auch die Kür - Entspannte Haushaltslage eröffnet Gestaltungsspielraum,
    Pressemeldung vom 6. Juni 2011

    Hrsg.: Stadt Offenburg

» Schulden der Gemeinden und deren Eigenbetriebe in Baden-Württemberg am 31.12.2010
    Hrsg.: Statistisches Landesamt Baden-Württemberg

» Schulden in der kommunalen Doppik, Blog-Eintrag vom 20. März 2011
    Autor: Marc Gnädinger

Die Entwicklung der Kommunalverschuldung in Offenburg von 1998 bis 2009 kann ebenfalls über das Webportal des Statistischen Landesamtes abgerufen werden. Hierbei ist allerding darauf zu achten, dass bis inklusive des Jahres 2009 mit einer anderen Abgrenzung des Schuldenbegriffes gearbeitet wurde. Die Daten sind insofern nicht mit den jüngeren Daten für das Jahr 2010 vergleichbar.

» Schuldenstand der Stadt Offenburg von 1998 bis 2009
    Hrsg.: Statistisches Landesamt Baden-Württemberg

Die Initiative zum Schuldenabbau im Kernhaushalt in Offenburg hat mittlerweile eine längere Tradition. Auf diese weist die Stadt auf ihrer Internetpräsenz hin:
"Im Rahmen der Verabschiedung des Doppelhaushalts 2000/2001 wurde auf Vorschlag der Verwaltung vom Gemeinderat einvernehmlich beschlossen, die Schulden der Stadt [...] bis Ende 2019 vollständig abzubauen."
(Stadt Offenburg: Finanzen - Doppelhaushalt der Stadt 2010/11 (in Mio. Euro))

Damit hat sich die Stadt aus eigener Initiative ein eindeutiges Zeit-Ziel gesetzt, binnen dessen die Schuldenfreiheit erreicht werden soll. Die öffentliche Artikulation solch eindeutiger Zeit-Ziele (hier 2019) hat stets den Vorteil, dass sie einen selbstdisziplinierenden Effekt hervorruft: Kommunalpolitiker möchten sich keine Zielverfehlung (Scheitern) vorwerfen lassen und werden insofern selbst unter schwierigsten Rahmenbedingungen alle Hebel in Bewegung setzen, um das selbstauferlegte Ziel zu erreichen.

Der stete Entschuldungskurs der Stadt wird mittlerweile auch von Dritten gewürdigt. So wies z.B. der Bund der Steuerzahler Baden-Württemberg e.V. im Rahmen einer Meldung zu seiner Kommunalumfrage 2011 auf die Erfolge der Stadt hin:
"Lob verdient an dieser Stelle die Stadt Offenburg. Zwar wurde die Verschuldung nur leicht zurückgefahren, dies allerdings zum wiederholten Mal. Im Rahmen der Verabschiedung des Doppelhaushaltes 2000/2001 wurde beschlossen, die städtischen Schulden [...] bis Ende 2019 vollständig abzubauen. Man ist auf einem guten Weg, denn von den ursprünglichen Verbindlichkeiten sollen am Jahresende 2011 noch 25,6 Mio. Euro vorhanden sein."
(Bund der Steuerzahler Baden-Württemberg e.V. (2011))

Die Würdigung des Entschuldungskonzeptes durch Externe (hier den Bund der Steuerzahler) ist für eine Entschuldungspolitik hilfreich. Dritten wird bei der Beurteilung von Haushalts- und Verschuldungssituation regelmäßig eine gewisse Unabhängigkeit zugesprochen. Durch ihre Würdigung wird die Glaubwürdigkeit der Kommunalpolitik gestärkt - auch in den Augen ihrer Einwohner und etwaiger Skeptiker.

» Kommunalumfrage 2011, Meldung vom 6. Juni 2011
    Hrsg.: Bund der Steuerzahler Baden-Württemberg e.V.

Durch eine eigene Initiative der Stadt Offenburg wird die Glaubwürdigkeit in Bezug auf das Entschuldungsprojekt noch einmal erhöht. Direkt auf der Startseite der Webpräsenz der Stadt findet sich eine sog. Schuldenuhr. Sie läuft rückwärts und zeigt die städtische Verschuldung zum 01.01.2000 und zum 31.12.2011 an. Daneben ist stets der aktuelle (sinkende) Schuldenstand eingeblendet, die Verschuldung pro Kopf und der Schuldenabbau pro Tag werden ebenfalls angezeigt. Auf diese Weise werden die Verschuldung und der Schuldenabbau der Stadt unmittelbar für Jedermann transparent. Quasi bei jedem Besuch der Webpräsenz können sich Interessierte über den aktuellen Schuldenstand informieren.

Bemerkenswert ist insb. die Verankerung des Entschuldungsprojektes im Haushalt der Stadt. Hier wurden Chancen des neuen Haushaltsrechts auf Basis der Doppik genutzt. Dieses sieht eine Aufwertung der Steuerung vor. So soll insb. auch eine Steuerung über Ziele und Kennzahlen (Output- oder Wirkungssteuerung) etabliert werden. Im Nachtragshaushalt 2011 der Stadt Offenburg findet sich dazu folgender Hinweis:
"Mit dem Doppelhaushalt 2008/2009 hat der Gemeinderat 21 strategischen Zielen zugestimmt, von denen zehn als "strategische Ziele 1. Ordnung" eine besondere Bedeutung zukommt. Sie repräsentieren die Ebene unter dem Leitbild der Stadt (Offenburg 21), das als oberster Orientierungsrahmen nach wie vor Gültigkeit hat. Der Charakter strategischer Ziele bringt es mit sich, dass sie sich nicht nur auf den Zeitraum eines Doppelhaushaltes beziehen, sondern eher auf den 4jährigen Planungshorizont der Mittelfristigen Finanzplanung (bis 2013) ausgerichtet sind und teilweise auch darüber hinausgehen. Um die Zielerreichung überprüfen zu können, wurden die Ziele durch Kennzahlen messbar gemacht - soweit nötig bzw. soweit die Kennzahlen mit vertretbarem Aufwand zu erheben sind. Zusätzlich wurden bei jedem Ziel konkrete Maßnahmen zur Umsetzung benannt. Für den Doppelhaushalt 2010/2011 mussten lediglich bei einzelnen Zielen Maßnahmen zur Umsetzung angepasst werden."
(Stadt Offenburg: Nachtragshaushalt 2011, S. 14 f.)

Als strategisches Ziel Nr. 3 (Die Nummern der Ziele sind reine Ordnungsbegriffe und stellen keine Prioritätensetzung innerhalb der beiden Kategorien "Strategische Ziele 1. Ordnung" und "Weitere strategisch Ziele" dar.) findet sich unter den Zielen 1. Ordnung das Ziel "Abbau der bis Ende 1999 aufgelaufenen Altschulden in Höhe von 60 Mio. EUR bis Ende 2019". Als weitere strategische Ziele (nicht strategische Ziele 1. Ordnung) Nr. 12 und Nr. 13 finden sich weitere Ziele mit Berührungspunkten zum neuen Haushaltsrecht und zum Entschuldungsziel. So heißt Ziel Nr. 12: "Eine wirkungsorientierte Steuerung wird noch stärker Grundlage der Arbeit. Basis hierfür sind die strategischen Ziele der Stadt." Ziel Nr. 13 lautet: "Absicherung zukünftiger Pensionslasten unter Berücksichtigung der prioritären Finanzierung des Entschuldungskonzeptes und laufender Aufgaben."

» Nachtragshaushalt 2011 der Stadt Offenburg
    Hrsg.: Stadt Offenburg

Im Haushaltsplan 2010/11 finden sich zu den Zielen Nr. 3, 12 und 13 die Kennzahlen zur Zielerreichung und die Maßnahmen. Daneben finden sich Angaben zu den Verantwortlichkeiten. Im Vorbericht zum Haushalt 2010/11 wird ebenfalls an mehreren Stellen auf das Entschuldungsprojekt hingewiesen. Für das strategische Ziel Nr. 3 sind gegenwärtig drei Kennzahlen und zwei Maßnahmen im Haushaltsplan 2010/11 vorgesehen:
  • Kennzahl 1: Schuldenstand im Haushalt zum 31.12.2019 = 0 Euro (aktuell: 37,3 Mio. Euro)
  • Kennzahl 2: Zinseinsparung ab 2020 im Vergleich zu 2007: 1,9 Mio. Euro
  • Kennzahl 3: Gesamtersparnis Zins und Tilgung ab 2020 im Vergleich zu 2000 bis 2019: 3,8 Mio. Euro
  • Maßnahme 1: Berücksichtigung bei jährlicher Haushaltsplanaufstellung durch Einstellung einer weitgehend gleich bleibenden Annuität von 3,8 Mio. Euro in den Haushaltsjahren 2000 bis 2019
  • Maßnahme 2: Spielraum für Entschuldung schaffen z.B. durch HSK III
» Haushaltsplan 2010/11 der Stadt Offenburg
    Hrsg.: Stadt Offenburg

» Vorbericht zum NKHR-Haushalt 2010/2011 der Stadt Offenburg
    Hrsg.: Stadt Offenburg

Mit diesem Vorgehen wird das Entschuldungsprojekt passgenau in die kommunalpolitisch-strategische Steuerung der Stadt integriert und im Haushalt etabliert bzw. mit diesem vernetzt. Das Ganze erinnert an eine Steuerungspyramide mit dem Leitbild der Stadt als Spitze und Ausgangspunkt (siehe Abbildung).

Einbindung des Entschuldungsprojektes in die kommunalpolitische Steuerung (Stadt Offenburg)

» Beteiligungsbericht 2010/2011 der Stadt Offenburg
    Hrsg.: Stadt Offenburg

» "Schulden der TBO drücken uns nicht", Meldung vom 30. Oktober 2010
    Hrsg.: Badische Zeitung

Nach jüngsten Medienberichten wurde bei der Präsentation des Doppelhaushaltes 2012/2013 bekannt, dass die Stadt das Ziel der Schuldenfreiheit im Kernhaushalt bereits früher als anvisiert erreichen könnte - allerdings nur dann, wenn sich die gegenwärtig günstigen Prognosen zur Finanzentwicklung der Stadt bewahrheiten. Die Schätzungen werden allerdings seitens der Stadt als optimistisch eingeschätzt, weshalb der Finanzbürgermeister nach Angaben des Offenburger Tageblattes die Einrichtung eine Tilgungsfonds vorgeschlagen hat:
"Jopen schlug den Stadträten gestern Abend vor, einen "Tilgungsfonds" zu errichten, der für die vorzeitige Entschuldung der Stadt eingesetzt werden könnte. Der aktuelle Haushaltserlass gehe insbesondere für die Jahre 2014 und 2015 von starken Steigerungsraten aus. Für Jopen sind diese Schätzungen zu optimistisch. Um konjunkturelle Risiken abzufedern - Stichwort Euro-Krise - empfahl er dem Gemeinderat, rund zwei Drittel dieser "nur den guten Prognosen geschuldeten Mehreinnahmen" heute nicht schon zu verplanen, sondern vorläufig im Tilgungsfonds zu parken. Jopen: "Das sind zwölf Millionen Euro. Diese Mittel reichen aus, alle Verbindlichkeiten und Zinsverpflichtungen ab dem 1. Januar 2016 in einem Akt zu bedienen!" Offenburg wäre damit schuldenfrei."
(Wagner, C.: Offenburg schon 2016 schuldenfrei?, in: Offenburger Tageblatt vom 20. Dezember 2011)

» Offenburg schon 2016 schuldenfrei?, Meldung vom 20. Dezember 2011
    Hrsg.: Offenburger Tageblatt

» Der Stadt Offenburg geht es nach wie vor finanziell gut, Meldung vom 20. Dezember 2011
    Hrsg.: Badische Zeitung (hrö)





©  Andreas Burth, Marc Gnädinger