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Taunusstein etabliert generationengerechte Nachhaltigkeitssatzung
Taunusstein etabliert generationengerechte Nachhaltigkeitssatzung
17. August 2014 |
Autor: Marc Gnädinger
Die Stadt Taunusstein hat exakt 28.535 Einwohner zum 31.12.2012. Geographisch liegt die statistisch als
Mittelstadt zu qualifizierende Gemeinde im hessischen Rheingau-Taunus-Kreis (Regierungsbezirk Darmstadt).
Als erste hessische Kommune ist es Taunusstein gelungen, eine sog.
Nachhaltigkeitssatzung zu erarbeiten
und im Ortsrecht zu verankern.
Beeindruckend ist die umfassende Kommunikationsarbeit der Stadt (im Vorfeld der Satzungsverabschiedung).
So wurde u.a. per Internet über die Hintergründe und Ziele der Satzung berichtet, womit sich die Einwohner
ein umfassendes Bild machen konnten. Beispielsweise wurden u.a. nachfolgende Fragen in einfachen Worten beantwortet:
- Haushaltsausgleich: Welche gesetzlich vorgeschriebenen Maßnahmen gibt es und wie sieht die Systematik
unserer Nachhaltigkeitssatzung für Taunusstein aus?
- Wie wirkt denn nun die Nachhaltigkeitssatzung?
» Fragen & Antworten zur Nachhaltigkeitssatzung
Hrsg.: Stadt Taunusstein
» Information: Heute Abend Entscheidung zur Nachhaltigkeitssatzung und dem generationengerechten Haushalt
Hrsg.: Stadt Taunusstein
» Vorlage (Vorlage RS. 14/011-2) für die Stadtverordnetenversammlung zur Nachhaltigkeitssatzung
Hrsg.: Stadt Taunusstein
Bemerkenswert ist neben diesen allgemeinen Informationen die Verknüpfung der Satzungsthematik mit den sog.
Produktvorstellungen: Hier wird aufgezeigt, welchen "Preis" einzelne Verwaltungsleistungen/Produkte haben
und wie viele Einwohner davon profitieren. Additiv werden mögliche Konsolidierungsmaßnahmen zu den einzelnen
Produkten (vorgestellt werden die Produkte Stadt- und Schulbücherei, Museum, Bestattungswesen, Vereinsförderung,
Betreuung städtischer Gremien, Jugendpflege, Brand- und Katastrophenschutz, Freizeiteinrichtungen, Offene
Seniorenarbeit, Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen, Liegenschaften) wertungsfrei (also ohne, dass
diese bei anderen Präferenzen tatsächlich umgesetzt werden müssten) angesprochen. Dabei wird stets ein
3-Schritte-System angewendet:
- Schritt 1: Versuch, Ausgaben zu senken
- Schritt 2: Versuch, Einnahmen zu erhöhen
- Schritt 3: Verlustausgleich durch
"Generationenbeitrag" (Erhöhung
Grundsteuer B)
Schritt drei greift, wenn die Schritte eins und zwei nicht zur Deckung des Fehlbetrages ausreichen. Durch
dieses System wird die Funktionsweise einer qua Nachhaltigkeitssatzung definierten doppischen Schuldenbremse
nebst Generationenbeitrag transparent und für die Einwohner konkret fassbar. Ziel ist zuvorderst nicht die
Erhebung des Generationenbeitrages, sondern die Recherche nach alternativen Konsolidierungsmaßnahmen zur
Erreichung des Haushaltsausgleiches - gerade durch den permanent "drohenden" Generationenbeitrag (der alle
Einwohner direkt oder indirekt über die Einrechnung der Grundsteuer B in die Mietpreise treffen würde und
der damit "politisch unangenehm" ist) wird der Druck auf Konsolidierungsmaßnahmen auf der Aufwandseite und
zur Generierung alternativer Erträge zu Gunsten nachfolgender Generationen deutlich erhöht. Interessant ist
ebenfalls, dass für einzelne Produkte gefragt wird, ob alternative Konsolidierungsmaßnahmen seitens der
Einwohner gesehen werden.
» Produktvorstellungen
Hrsg.: Stadt Taunusstein
» Aufforderung an die Einwohner zur Eingabe von Konsolidierungsideen
Hrsg.: Stadt Taunusstein
Insgesamt sollten die ausführlichen kommunalen Informationsangebote dazu beigetragen, die Akzeptanz für die
Satzung zu erhöhen - eine Empfehlung, für Kommunen, die ähnliche Unterfangen planen.
Am 5. Juni 2014 wurde die Nachhaltigkeitssatzung in Taunusstein einstimmig (38 Ja-Stimmen und 1 Enthaltung)
verabschiedet. Mit Verabschiedung der Satzung hört in Taunusstein die Einbeziehung der Einwohner bei der
Haushaltskonsolidierung und vor dem Hintergrund der Nachhaltigkeitssatzung nicht auf. Bereits mit der Meldung
zur Satzungsverabschiedung wurden die Einwohner erneut (via Homepage, Facebook und als Zusammenfassung im
städtischen Newsletter) zum "Mitmachen" aufgefordert.
» Meldung zur verabschiedeten Nachhaltigkeitssatzung und Aufforderung zum Dialog auf unterschiedlichen Kanälen
Hrsg.: Stadt Taunusstein
In der medialen Berichterstattung zur Verabschiedung/Diskussion der Nachhaltigkeitssatzung wird zwar ebenfalls
regelmäßig das Ziel der Generationengerechtigkeit reflektiert, aber auch die angedachten Konsolidierungsmaßnahmen
benannt (siehe exemplarisch nachfolgenden Beitrag.
» Taunusstein wird Grundsteuer kräftig anheben
Autor: Mathias Gubo
Im überarbeiteten Haushaltssicherungskonzept (HSK) für das Jahr 2014 der Stadt Taunusstein wird auf die
Nachhaltigkeitssatzung an zwei Stellen eingegangen (siehe Seite 19 und Seite 28): Auf Seite 19 wird dargestellt,
dass die Finanzaufsicht von der Stadt für das Jahr 2016 einen Ausgleich des ordentlichen Ergebnisses (Ebene
Erträge und Aufwendungen) erwartet. Im Nachgang zu diesem Hinweis finden sich in nachfolgendem Kasten
dargestellte Hinweise zur Nachhaltigkeitssatzung, die das Erreichen des Ausgleiches im Jahr 2016, mithin die
Vorgabe der Aufsicht, absichern soll.
Daraufhin wurde von der Stadtverordnetenversammlung eine Nachhaltigkeitssatzung als Selbstverpflichtung der
kommunalen Mandatsträger in Taunusstein beschlossen.
Das Grundmodell eines an der Maxime der Generationengerechtigkeit ausgerichteten, doppischen Haushalts setzt
sich aus drei Hauptkomponenten zusammen:
- erstens dem doppischen Haushalts- und Rechnungswesen als Datengrundlage,
- zweitens einer Pflicht zum Haushaltsausgleich (in Ergebnishaushalt und -rechnung) und
- drittens der Einführung eines sogenannten Generationenbeitrags als Automatismus im Falle des drohenden
Verfehlens der Haushaltsausgleichsvorgabe
Beim Generationenbeitrag handelt es sich um einen Aufschlag auf die Grundsteuer B, welcher in jedem Jahr genau
die Höhe annimmt, die benötigt wird, um den Haushalt im jeweiligen Jahr vollständig auszugleichen. Der Beitrag
soll in jeder Periode die Maxime der generationengerechten Haushaltspolitik sichern - daher wird er als
Generationenbeitrag und nicht als Einwohner- oder Bürgerbeitrag bezeichnet. Die Abgabe wird hierbei jedoch nur
dann im Sinne einer Ultima Ratio erhoben, wenn der Haushaltsausgleich nicht anderweitig erreicht wird. Dies bedeutet,
dass § 93 HGO hier Anwendung findet.
Quelle: Überarbeitetes HSK 2014 der Stadt Taunusstein, S. 19
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Wichtig ist an dieser Stelle der Hinweis auf § 93 Hessische Gemeindeordnung (HGO). Die Vorschrift gibt die Grundsätze der Erzielung von
Erträgen und Einzahlungen wieder. Nach § 93 Abs. 2 HGO hat die Gemeinde die zur Erfüllung ihrer Aufgaben
erforderlichen Erträge und Einzahlungen
1. soweit vertretbar und geboten aus Entgelten für ihre Leistungen,
2. im Übrigen aus Steuern zu beschaffen, soweit die sonstigen Erträge und Einzahlungen nicht ausreichen.
Auf Seite 28 des überarbeiteten HSKs wird die Nachhaltigkeitssatzung als erster "richtungsweisender Meilenstein"
auf dem Weg zu einem ausgeglichenen (generationengerechten) Haushalt benannt.
» Überarbeitetes Haushaltssicherungskonzept 2014 (Situation, Maßnahmen, Ziele)
Hrsg.: Stadt Taunusstein
Interessant ist im Zusammenhang mit der Nachhaltigkeitssatzung die Stellungnahme des Hessischen Städtetages,
einem kommunalen Spitzenverband. Dieser nimmt in einem Schreiben zur rechtlichen Zulässigkeit des Generationenbeitrags
Stellung. Hierbei werden u.a. nachfolgende Positionen vertreten:
- Es ist wichtig, dass gegenüber dem Bürger auf dem Steuerbescheid nur ein einziger Betrag als Grundsteuerzahlbetrag
erwähnt ist (keine Auftrennung von "regulärer" Grundsteuer und Generationenbeitrag).
- Ein Generationenbeitrag kann nur politisch, nicht aber rechtlich mit einem bestimmten Ziel verknüpft werden.
Andernfalls würde die Erhebung der Grundsteuer rechtlich angreifbar werden.
Daneben werden in der Stellungnahme des Verbandes zwei wesentliche Schlussfolgerungen bzw. Empfehlungen für die
Nachhaltigkeitssatzung abgeleitet:
- Für die Ausgestaltung der Nachhaltigkeitssatzung folgt, dass deren politischer Charakter deutlich erkennbar
sein muss. Auch muss klar sein, dass die Höhe des Grundsteuerhebesatzes ausschließlich durch den Haushalt oder
durch eine Hebesatzsatzung festgelegt wird und die Beschlussfassung über die Höhe des Generationenbeitrags damit
nur den Charakter eines vorbereitenden Beschlusses hat.
- Ein wesentlicher Teil kommunaler Sparanstrengungen ist die Einbeziehung der Bürger. Daher muss das Konzept den
Bürgern vermittelt werden, ohne dass eine rechtliche Unsicherheit entsteht.
» Stellungnahme: Haushaltskonsolidierung durch Einführung eines Generationenbeitrags
Hrsg.: Hessischer Städtetag
Der politische Charakter, der als politische Selbstfestlegung ausgestalteten Nachhaltigkeitssatzung von Taunusstein,
kommt deutlich zum Vorschein. So werden bereits die Vorbemerkungen mit dem Titel "Verantwortung für die kommenden
Generationen" unterlegt. Dort heißt es wörtlich:
"Nicht zuletzt durch die Umstellung des kommunalen Rechnungswesens
auf eine ressourcenorientierte, nachhaltige und damit der "intergenerativen Gerechtigkeit" unterworfene
Haushaltswirtschaft ist die kommunale Politik verpflichtet, Belastungen der zukünftigen Generation durch
Eigenkapitalabbau, Vernachlässigung der kommunalen Infrastruktur und Anstieg der Verschuldung zu verhindern.
Zur Erreichung dieser Ziele hat die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Taunusstein in ihrer Verantwortung
für zukünftige Generationen diese Nachhaltigkeitssatzung beschlossen."
» Nachhaltigkeitssatzung der Stadt Taunusstein
Hrsg.: Stadt Taunusstein
Mit § 1 der Nachhaltigkeitssatzung der Stadt Taunusstein wird der generationengerechte Haushalt definiert, wobei
der in der Public-Management-Literatur etablierten Definition gefolgt wird. Im Kern soll keine Generation
mehr Ressourcen verbrauchen als sie erwirtschaftet, mithin das
ordentliche Ergebnis ausgeglichen und eine
Eigenkapitalvernichtung verhindert werden. Konkret heißt es in § 1 der Satzung, dass sich aus der
Verantwortung für die zukünftigen Generationen das zu erreichende Ziel eines generationengerechten Haushalts
ergibt. Dieses Ziel, so die Satzungsregelung, gilt als erreicht, wenn:
- das ordentliche Ergebnis im Ergebnishaushalt mindestens ausgeglichen ist und
- der Finanzmittelsaldo aus Investitionstätigkeit maximal so hoch ist, dass der Finanzhaushalt
ohne Nettoneuverschuldung finanziert werden kann.
Die Stadtverordnetenversammlung verpflichtet sich in diesem Sinne nach § 1 Abs. 2 Nachhaltigkeitssatzung
Taunusstein selbst, neue Aufgaben bzw. finanzielle Belastungen nur einzugehen, wenn deren Finanzierung in
oben genanntem Sinne gesichert ist.
Zum Erreichen des Zieles eines generationengerechten Haushaltes im Sinne des § 1 Nachhaltigkeitssatzung der
Stadt Taunusstein wird in § 2 der Satzung ein Generationenbeitrag definiert und eingeführt, der jährlich neu
anzupassen ist. Der Generationenbeitrag wird nach § 2 Abs. 2 der Satzung über eine jährliche Anpassung des
gemeindlichen Hebesatzes der Grundsteuer B erhoben. Als Basisgröße wird der Hebesatz von 340 v.H.
(Stand: Haushaltsjahr 2014) angenommen. Anpassung bedeutet, dass der Generationenbeitrag nur in der Höhe erhoben
wird, der notwendig ist, um die Vorgaben des generationengerechten Haushalts nach § 1 der Satzung zu erfüllen.
Der Generationenbeitrag wird dabei als "Ultima Ratio" verstanden, das heißt als das letztmögliche Mittel des
Haushaltsausgleiches. Dies bedeutet ebenfalls, dass § 93 HGO an dieser Stelle Anwendung findet.
Mit § 3 Nachhaltigkeitssatzung der Stadt Taunusstein wird u.a. eine Bürgerdividende als Spiegelbild des
Generationenbeitrags etabliert. Wörtlich wird definiert: Sinkt die Höhe des für einen Haushaltsausgleich
erforderlichen Generationenbeitrages (und damit auch die Höhe des Grundsteuer-B-Hebesatzes), so ist diese
Reduzierung zum jeweiligen Vorjahreswert als "Bürgerdividende" anzusehen.
Durch § 4 Nachhaltigkeitssatzung werden Ausnahmeregelungen für die vollumfängliche Erhebung des Generationenbeitrags
benannt - auf diese soll bei extremer Haushaltslage verzichtet werden. Eine derartige extreme Haushaltslage liegt
nach der Satzung vor, wenn:
- die ordentlichen Erträge des betroffenen Haushaltsjahres im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 5% sinken oder
- die ordentlichen Aufwendungen im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 5% steigen und
- diese Ertragsrückgänge bzw. die Aufwandssteigerungen aus externen Ursachen herrühren, die von der Stadt
Taunusstein nicht zu vertreten sind.
Über das Vorliegen einer extremen Haushaltslage entscheidet nach § 4 Abs. 3 der Nachhaltigkeitssatzung die
Stadtverordnetenversammlung. Gleichzeitig beschließt diese die Höhe des in diesem Fall zu erhebenden Generationenbeitrags.
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