|
|
HaushaltsSteuerung.de »
Weblog »
Kassenkreditschulden der steuerstärksten kreisangehörigen Gemeinden in Nordrhein-Westfalen
Kassenkreditschulden der steuerstärksten kreisangehörigen Gemeinden in Nordrhein-Westfalen
12. Oktober 2015 |
Autor: Andreas Burth
In den letzten Wochen sind auf HaushaltsSteuerung.de mehrere Blog-Einträge erschienen, die untersucht haben, ob auch Gemeinden mit schwierigen
Rahmenbedingungen (geringe Steuereinnahmen, hohe Zersiedelung, schwierige soziale Lage, starke Bevölkerungsrückgänge etc.) ohne
Kassenkredite auskommen können. Wie gezeigt werden konnte, ist
Kassenkreditschuldenfreiheit unabhängig von den
Rahmenbedingungen möglich. Im Kern kommt es darauf an, nicht über die eigenen Verhältnisse zu wirtschaften (nur so viel ausgeben,
wie man auch einnimmt).
» Steuerschwache Gemeinden in Hessen ohne Kassenkreditschulden, Blog-Eintrag vom 4. September 2015
Autor: Andreas Burth
» Kassenkreditfreie Gemeinden in Nordrhein-Westfalen mit geringer Steuereinnahmekraft, Blog-Eintrag vom 6. September 2015
Autor: Andreas Burth
» Kreisangehörige NRW-Gemeinden ohne Kassenkredite trotz schwieriger Rahmenbedingungen im Sozialbereich, Blog-Eintrag vom 8. September 2015
Autor: Andreas Burth
» Gemeinden in Nordrhein-Westfalen ohne Kassenkredite trotz eines starken Bevölkerungsrückgangs, Blog-Eintrag vom 11. September 2015
Autor: Andreas Burth
Kassenkredite sind kurzfristige Schulden, deren eigentlicher Zweck die kurzfristige Liquiditätssicherung ist. Die meiste Zeit
des Jahres müsste der Kassenkreditbestand daher bei 0,00 Euro liegen. Kassenkredite dienen nicht der Finanzierung von
Investitionsvorhaben. Aufgrund ihrer kurzen Laufzeit unterliegen sie einem hohen
Zinsänderungsrisiko. Hohe Kassenkreditschulden sind ein typischer Indikator für Finanzprobleme. Zugleich zeigt ihr Bestand
auf, in welchem Maße in der Vergangenheit über die eigenen Verhältnisse gelebt worden ist. Insbesondere dauerhafte Kassenkreditbestände
von über 500 Euro je Einwohner sind als kritisch anzusehen. Übersteigen sie sogar die Schwelle von 1.000 Euro je Einwohner
kann von einem ausschweifenden Leben über die eigenen Verhältnisse gesprochen werden.
Die oben verlinkten Analysen zu Gemeinden, die trotz schwieriger Rahmenbedingungen kassenkreditfrei sind, werfen
indes auch umgekehrt die Frage auf, ob es einzelne Gemeinden gibt, die zwar sehr gute wirtschaftliche
Rahmenbedingungen haben, aber dennoch hohe Kassenkreditbestände aufweisen. Um dieser Frage nachzugehen, wird im vorliegenden
Beitrag betrachtet, in welchem Maße die steuerstärksten Gemeinden in Nordrhein-Westfalen (NRW) auf Kassenkredite zur Finanzierung laufender Defizite zurückgreifen.
Untersucht wird der kreisangehörige Raum in Nordrhein-Westfalen.
In einem ersten Schritt werden die 374 kreisangehörigen NRW-Gemeinden in Einwohnergrößenklassen unterteilt. Konkret werden
folgende Größenklassen gebildet:
- bis 9.999 Einwohner: 57 Gemeinden
- 10.000 bis 14.999 Einwohner: 76 Gemeinden
- 15.000 bis 19.999 Einwohner: 57 Gemeinden
- 20.000 bis 29.999 Einwohner: 71 Gemeinden
- 30.000 bis 49.999 Einwohner: 61 Gemeinden
- ab 50.000 Einwohner: 52 Gemeinden
Für die Bildung der Einwohner-Größenklassen wurden die Einwohnerzahlen zum 31.12.2013 auf Basis des Zensus 2011 zugrundegelegt.
Eine Unterteilung in Einwohner-Größenklassen wird durchgeführt, da kleinere Gemeinden z.B. aufgrund von Unterschieden in der
Aufgabenstruktur (zentralörtliche Funktionen etc.) nur begrenzt mit ihren größeren Pendants vergleichbar sind.
Zu jeder Größenklasse werden nun diejenigen zehn Gemeinden ausgewählt, die im Durchschnitt der Jahre 2010 bis 2014 die höchste
Steuereinnahmekraft
je Einwohner hatten. Ein Mehrjahresschnitt wird berechnet, um Sondereffekte einzelner Jahre zu nivellieren.
Die Steuereinnahmekraft wird statt den tatsächlichen Netto-Steuereinnahmen herangezogen, da die Kenngröße für alle Gemeinden
dieselben
gewogenen Realsteuer-Durchschnittshebesätze
ansetzt, d.h.
hebesatzbedingte Unterschiede in den Steuereinnahmen beeinflussen die
Steuereinnahmekraft nicht. Dies erhöht die Vergleichbarkeit.
In den folgenden Tabellen wird jeweils die durchschnittliche Pro-Kopf-Steuereinnahmekraft der Jahre 2010 bis 2014 berichtet. Die Tabellen
enthalten jeweils nur diejenigen zehn Gemeinden, die in der betreffenden Größenklasse die höchste Pro-Kopf-Steuereinnahmekraft haben.
Zu jeder der Gemeinden werden auch die Kassenkreditschulden im Kernhaushalt ausgewiesen. Kassenkreditschulden der Auslagerungen stehen den
Betreibern von HaushaltsSteuerung.de nicht einzelgemeindlich zur Verfügung und können daher nicht in die Analyse integriert werden.
Als kurzfristige Schulden unterliegen Kassenkredite stärkeren Schwankungen. Aus diesem Grund werden mehrere Zeitpunkte (31.12.2009, 31.12.2010,
31.12.2011, 31.12.2012 und 31.12.2013) in den Tabellen berichtet. Der 31.12.2009 ist als Startstichtag gewählt worden, da die Schulden zum
31.12.2009 regelmäßig den Schulden am 1.1.2010 entsprechen und damit den Schuldenstand zu Beginn des Betrachtungszeitraums der
Pro-Kopf-Steuereinnahmekraft von 2010 bis 2014 markieren.
Die Kassenkreditschulden zum 31.12.2014 konnten nicht einbezogen werden, da sie in dem als Datenbasis verwendeten Wegweiser Kommune noch nicht
verfügbar sind. Die Steuereinnahmekraft 2014 ist dennoch in die Analyse integriert worden, um jeweils mit den aktuellsten Daten zu arbeiten. Zudem sind
die Abweichungen zum Durchschnitt der Jahre 2010 bis 2013 i.d.R. überschaubar. Bitte beachten Sie bei der Interpretation der Daten dennoch die
Limitationen, die sich aus den nicht ganz deckungsgleichen Betrachtungszeitraumen ergeben.
Zu beachten ist zudem, dass zwischen den fünf Kassenkredit-Stichtagen weitere Schwankungen bestehen können. Gemeindescharfe Daten, die z.B.
auf vierteljährlicher Basis berichtet werden, sind den Betreibern von HaushaltsSteuerung.de jedoch nicht bekannt bzw. zugänglich. Daher muss
auf Jahresendwerte abgestellt werden.
Die Gemeinden mit der höchsten Steuereinnahmekraft sind unzweifelhaft in der Lage, ihre Haushalte dauerhaft ohne Kassenkredite zu führen.
Selbst zu Zwecken der kurzfristigen Liquiditätssicherung sollte es ihnen möglich sein, ohne Kassenkredite auszukommen. Die hohen
Steuereinnahmen eröffnen den steuerstarken Gemeinden die Chance, Rücklagen anzulegen. Diese finanziellen Polster können in schlechteren
Jahren zur Sicherstellung der Zahlungsfähigkeit herangezogen werden. Vor diesem Hintergrund wäre zu erwarten, dass die steuerstärksten
Gemeinden keine Kassenkredite (oder zumindest keine hohen Kassenkreditbestände über 500 Euro je Einwohner) haben. Inwieweit diese Vermutung
zutrifft, wird nachfolgend untersucht.
In der kleinsten Einwohnergrößenklasse (bis 9.999 Einwohner) gibt es mit der Stadt Hallenberg eine steuerstarke Gemeinde, zu der keine
Kassenkreditdaten berichtet werden können. Grund hierfür ist, dass sie weniger als 5.000 Einwohner hat und für sie im Wegweiser Kommune
daher keine Kassenkreditschulden ausgewiesen werden. Von den übrigen neun Gemeinden sind vier an allen fünf Stichtagen kassenkreditfrei.
In Rödinghausen ist kein kassenkreditfreier Stichtag festzustellen - und das, obwohl es sich um die steuerstärkste Gemeinde dieser
Größenklasse handelt. Die Kassenkredite in Erndtebrück sind mit 512 Euro je Einwohner als hoch einzustufen. Besonders bedenklich ist
die Höhe der Kassenkredite in Inden. Mit 1.621 Euro je Einwohner hat die Gemeinde Kassenkreditschulden in sehr hohen Größenordnungen.
Zwar hatte die Gemeinde in einigen Jahren des Betrachtungshorizonts eine zeitweise etwas niedrigere Steuereinnahmekraft - im Jahr des deutlichsten
Kassenkreditsprungs (2012) war die Steuereinnahmekraft mit 986 Euro je Einwohner aber keineswegs extrem gering.
In der Größenklasse 10.000 bis 14.999 Einwohner sind drei Gemeinden an allen fünf Stichtagen kassenkreditschuldenfrei. Schalksmühle hat
seit 2010 keine Kassenkredite mehr. Alle anderen Gemeinden haben an mindestens vier Stichtagen Kassenkredite im Kernhaushalt. Die
steuerstärkste Gemeinde der Größenklasse, Burbach, ist trotz ihrer beträchtlichen Steuereinnahmekraft zu keinem der fünf Stichtage
kassenkreditfrei. Besonders hohe Niveaus finden sich in Hilchenbach und Linnich. Gerade in der steuerstarken Stadt Linnich erreichen die stetig weiter steigenden Kassenkredite inzwischen
ein extrem hohes Niveau, das mit dem Argument der kurzfristigen Liquiditätssicherung nicht mehr begründbar ist.
Auch unter den Gemeinden mit 15.000 bis 19.999 Einwohnern gibt es Gemeinden mit Kassenkrediten und Gemeinden ohne Kassenkredite. Besonders
bedenklich ist in dieser Größenklasse die Gemeinde Engelskirchen. Mit Kassenkrediten von 1.741 Euro je Einwohner zum 31.12.2013 hat die
Gemeinde in der Vergangenheit erheblich über ihre Verhältnisse gelebt - und das, obwohl die Gemeinde dank ihrer hohen Steuereinnahmekraft
eigentlich größere haushaltspolitische Spielräume hat als die meisten anderen Gemeinden dieser Größenklasse. Mit Blomberg hat zum 31.12.2013
eine weitere steuerstarke Gemeinde Kassenkreditschulden von über 500 Euro je Einwohner. Im Jahr des Kassenkreditsprungs (2013)
hatte Stadt Blomberg eine Steuereinnahmekraft von immerhin 1.379 Euro je Einwohner.
Wie in den vorangegangenen Größenklassen weist auch die Größenklasse 20.000 bis 29.999 Einwohner eine steuerstarke Gemeinde mit sehr
hohen Kassenkrediten auf. Es handelt sich hierbei um die Stadt Ennepetal. Der größte Kassenkreditsprung ereignete sich im Jahr 2010. In diesem
Jahr hatte die Stadt im Steuerbereich mit einer Steuereinnahmekraft von 1.355 Euro je Einwohner keineswegs ein extrem schlechtes Jahr. Vielmehr
hatte Ennepetal im Jahr 2010 die sechzehnt höchste Pro-Kopf-Steuereinnahmekraft aller 374 kreisangehörigen Gemeinden in Nordrhein-Westfalen.
In den Folgejahren stiegen die Kassenkredite in Ennepetal trotz einer enormen Steuereinnahmekraft tendenziell weiter an (Steuereinnahmekraft von 1.691 Euro je Einwohner
im Jahr 2011, von 1.901 Euro je Einwohner im Jahr 2012 und von 1.702 Euro je Einwohner im Jahr 2013).
Positiv ist in der Größenklasse 20.000 bis 29.999 Einwohner anzumerken, dass die anderen neun steuerstarken Gemeinden zum aktuellsten
Stichtag (31.12.2013) keine Kassenkredite haben. Sofern Kassenkredite aufgenommen worden sind, so erfolgte dies dort offenbar nur entsprechend
der eigentlichen Zweckbestimmung von Kassenkrediten (kurzfristige Liquiditätssicherung).
In der Größenklasse 30.000 bis 49.999 Einwohner sind mehrere interessante Fälle zu beobachten. Zum einen ist dies Monheim am Rhein.
Die immense Steuereinnahmekraft der Stadt rührt v.a. aus den Jahren ab 2011 her. Ab 2012 steigen sie nochmals sehr stark an. Der
Anstieg in der Steuereinnahmekraft erklärt sich u.a. durch deutlich niedrigere Hebesätze ab 2012. So ist der Hebesatz der
Gewerbesteuer
von 435 Prozent im Jahr 2011 auf 300 Prozent im Jahr 2012 reduziert worden. Zudem wurde der
Grundsteuer-B-Hebesatz von 455 Prozent auf 400
Prozent gesenkt. Hierdurch hat sich in Monheim am Rhein neues Gewerbe angesiedelt.
Positiv zu beurteilen ist, dass die Stadt seitdem Kassenkredite in deutlichem Umfang abbaut und auf dem Weg zur Kassenkreditschuldenfreiheit
ist. Dennoch ist zu fragen, ob in Anbetracht der enormen Steuereinnahmekraft nicht ein schnellerer Abbaupfad möglich gewesen wäre. So
belief sich die Pro-Kopf-Steuereinnahmekraft im Jahr 2011 auf 1.645 Euro je Einwohner, im Jahr 2012 auf 5.201 Euro je Einwohner und im
Jahr 2013 auf 8.709 Euro je Einwohner. Diese Steuereinnahmekraft hätte eigentlich ausgereicht, um spätestens Ende 2013 komplett
kassenkreditfrei zu sein - zumindest dann, wenn für die Ablösung der Kassenkredite keine unwirtschaftlichen Vorfälligkeitsentschädigungen
zu entrichten wären. Ein weiterer Erklärungsgrund kann darin liegen, dass sich die Stadt entschieden hat, zuerst höher verzinste
Investitionskredite abzulösen.
Ausgesprochen bedenklich ist die Situation in Siegburg. Trotz ihrer sehr hohen Steuereinnahmekraft hat die Stadt Kassenkredite in
einer enormen Größenordnung aufgebaut und lebt mithin erheblich über ihre Verhältnisse. Sie überschreitet zum 31.12.2013 sogar die Schwelle von 2.000 Euro je Einwohner. Ebenfalls
problematisch ist Erkrath mit Kassenkreditschulden in einem Volumen von 685 Euro je Einwohner zum 31.12.2013.
In den Gemeinden ab 50.000 Einwohnern sind zumindest keine sehr hohen Kassenkreditbestände (über 1.000 Euro je Einwohner) zu beobachten.
Gleichwohl gibt es mit Grevenbroich zumindest eine Stadt mit hohen Kassenkreditschulden (über 500 Euro je Einwohner). Insgesamt vier
Gemeinden sind an allen fünf Stichtagen kassenkreditschuldenfrei.
Letztlich ist festzustellen, dass offenbar auch einige der steuerstärksten NRW-Gemeinden über ihre Verhältnisse leben. Die Gemeinden nehmen
mithin viel ein, geben aber noch mehr aus. Einige Gemeinden (z.B. Engelskirchen, Ennepetal, Inden, Linnich, Siegburg) wirtschaften sogar in
erheblichen Größenordnungen über ihre (eigentlich guten) Verhältnisse. Viele Gemeinden mit deutlich geringeren Steuereinnahmen
schaffen es dauerhaft ohne Kassenkredite auszukommen. Wenn diese steuerschwachen Gemeinden offensichtlich dazu in der Lage sind, muss dies umso mehr für
die steuerstärksten Gemeinden gelten. Insbesondere dauerhafte Kassenkreditbestände von über 500 oder sogar über 1.000 Euro je
Einwohner sind für steuerstarke Gemeinden kaum mehr mit dem Argument der Liquiditätssicherung begründbar. Sie haben die Möglichkeit,
mit Hilfe ihrer hohen Steuereinnahmekraft ausreichende finanzielle Puffer aufzubauen, um nur sehr wenige oder überhaupt keine Kassenkredite
zu benötigen. Diese Möglichkeit haben viele steuerschwächere Gemeinden nur in geringerem Maße.
Weitere Informationen zu den Kommunalschulden in Nordrhein-Westfalen sind z.B. auf folgender Seite abrufbar.
» Kommunalverschuldung in Nordrhein-Westfalen
Hrsg.: HaushaltsSteuerung.de
|
|
|