|
|
HaushaltsSteuerung.de »
Weblog »
Gemeinden in Nordrhein-Westfalen ohne Kassenkredite trotz eines starken Bevölkerungsrückgangs
Gemeinden in Nordrhein-Westfalen ohne Kassenkredite trotz eines starken Bevölkerungsrückgangs
11. September 2015 |
Autor: Andreas Burth
Auf HaushaltsSteuerung.de sind jüngst mehrere Blog-Einträge erschienen, die die
Kassenkredite im kreisangehörigen Raum
untersucht haben. Darin wurde offenkundig, dass auch sehr steuerschwache Gemeinden kassenkreditfrei sein können. Gleiches
gilt für Gemeinden mit schwierigen sozialen Rahmenbedingungen. Ebenso ist deutlich geworden, dass weder eine besonders hohe
oder niedrige Einwohnerstärke noch ein hohes oder geringes Maß an der Zersiedelung als Begründung für Kassenkreditschulden
herhalten können. Es zeigte sich, dass selbst Gemeinden mit besonders schwierigen Rahmenbedingungen ohne Kassenkredite
wirtschaften können, wenn sie das wollen.
» Kreisangehörige NRW-Gemeinden ohne Kassenkredite trotz schwieriger Rahmenbedingungen im Sozialbereich, Blog-Eintrag vom 8. September 2015
Autor: Andreas Burth
» Kassenkreditfreie Gemeinden in Nordrhein-Westfalen mit geringer Steuereinnahmekraft, Blog-Eintrag vom 6. September 2015
Autor: Andreas Burth
» Steuerschwache Gemeinden in Hessen ohne Kassenkreditschulden, Blog-Eintrag vom 4. September 2015
Autor: Andreas Burth
In den bisherigen Beiträgen noch nicht explizit untersucht worden sind die Herausforderungen des demographischen Wandels.
Mit dem demographischen Wandel geht in vielen Gemeinden insbesondere ein Rückgang der Bevölkerungszahlen einher. In Gemeinden
mit besonders starken Bevölkerungsrückgängen muss die einst für mehr Einwohner ausgelegte Infrastruktur zurückgefahren werden.
Zugleich ist das Leistungsportfolio an die Bedürfnisse einer älter werdenden Bevölkerung anzupassen. Mit diesen Herausforderungen
gehen einige Gemeinden besser um als andere. Vor diesem Hintergrund untersucht der vorliegende Beitrag, ob es Gemeinden gibt,
denen es gelingt, trotz starker Bevölkerungsrückgänge ohne Kassenkredite zu wirtschaften. Gegenstand der Untersuchung sind die
374 kreisangehörigen Gemeinden in Nordrhein-Westfalen, dem einwohnerstärksten Flächenland Deutschlands. Die Gemeindefinanzen
Nordrhein-Westfalens zählen - neben Hessen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland - zu kritischsten in Deutschland, was sich u.a.
an hohen Kassenkreditbeständen ablesen lässt.
Kassenkredite gelten gemeinhin als eine besonders problematische Form der Kommunalverschuldung, da sie für laufende Ausgaben
aufgenommen werden, nicht durch Vermögenswerte gedeckt sind und einem hohen Zinsänderungsrisiko unterliegen. Ihr eigentlicher
Zweck ist die kurzfristige Liquiditätssicherung. Die Kassenkreditbestände müssten daher eigentlich (die meiste Zeit des Jahres)
bei exakt 0,00 Euro liegen. Werden sie jedoch zur Dauereinrichtung liegt eine Zweckentfremdung vor. Insbesondere hohe
Kassenkreditniveaus (z.B. über 500 Euro je Einwohner) sind ein typischer Indikator für eine finanzielle Krisensituation. Je
höher die dauerhaften Kassenkreditbestände sind, desto höher ist mithin das Ausmaß, zu dem die betreffende Gemeinde in der
Vergangenheit über ihre Verhältnisse gelebt hat.
In einem ersten Schritt sind diejenigen NRW-Gemeinden zu identifizieren, die besonders starke Bevölkerungsrückgänge zu
verzeichnen haben. Hierzu wird konkret betrachtet, wie sich die Einwohnerzahl vom 31.12.2000 bis zum 31.12.2013 (entspricht 13 Jahren) entwickelt
hat. Herangezogen werden dabei Bevölkerungsdaten auf Basis der Fortschreibung der Volkszählung 1987. Die Daten des Zensus 2011
werden nicht genutzt, da sie bislang nur Betrachtungen über kürzere Zeiträume (ab 2011) erlauben bzw. da eine (teilweise)
Verwendung für die Jahre ab 2011 einen methodischen Bruch verursachen würde.
Im Zeitraum 31.12.2000 bis 31.12.2013 sind in insgesamt 154 Gemeinden Bevölkerungszuwächse und in 220 Gemeinden
Bevölkerungsverluste zu verzeichnen. Die Spannweite reicht von einem Wachstum von 13,19 Prozent in Hürth bis zu einem
Rückgang von ‑21,15 Prozent in Altena. Die Summe der 374 kreisangehörigen Gemeinden hat in besagtem Zeitraum einen
Rückgang von 10.828.607 auf 10.691.254 Einwohner (‑1,27 Prozent) zu verzeichnen. Nachfolgende Abbildung enthält Informationen
zur Streuung der Bevölkerungsentwicklung in den 374 kreisangehörigen NRW-Gemeinden.
Als Gemeinden mit besonders stark rückläufiger Bevölkerungszahl werden hier Gemeinden bezeichnet, die im 13-jährigen Betrachtungszeitraum (31.12.2000 bis
31.12.2013) mindestens 6,50 Prozent ihrer Einwohner verloren haben. Dies trifft auf 69 Gemeinden zu. Die 69 Gemeinden
mit den stärksten Bevölkerungsrückgängen entsprechen einem Anteil von 18,45 Prozent an allen 374 Gemeinden bzw. einem Anteil
von 31,36 Prozent an den 220 Gemeinden mit Bevölkerungsverlusten.
Bei den 69 Gemeinden mit Bevölkerungsverlusten von mindestens 6,50 Prozent handelt es sich um (die Werte in Klammern zeigen
die prozentuale Bevölkerungsveränderung vom 31.12.2000 zum 31.12.2013): Altena (‑21,15%), Lügde (‑15,53%), Werdohl (‑15,23%),
Beverungen (‑13,14%), Extertal (‑12,56%), Rüthen (‑12,03%), Barntrup (‑11,71%), Plettenberg (‑11,55%), Ennepetal (‑11,52%),
Radevormwald (‑11,50%), Kalletal (‑11,49%), Blomberg (‑11,30%), Schieder-Schwalenberg (‑11,27%), Schalksmühle (‑10,87%),
Winterberg (‑10,55%), Marsberg (‑10,10%), Dörentrup (‑9,90%), Borgentreich (‑9,71%), Hallenberg (‑9,59%), Inden (‑9,41%),
Bad Berleburg (‑9,39%), Hilchenbach (‑9,39%), Nieheim (‑9,21%), Olsberg (‑9,19%), Warstein (‑9,17%), Hellenthal (‑9,14%),
Willebadessen (‑8,98%), Bad Laasphe (‑8,88%), Herten (‑8,81%), Erndtebrück (‑8,69%), Blankenheim (‑8,67%), Menden (Sauerland)
(‑8,62%), Kirchhundem (‑8,44%), Schwelm (‑8,40%), Bestwig (‑8,23%), Steinheim (‑8,23%), Höxter (‑8,22%), Meschede (‑8,01%),
Wickede (Ruhr) (‑7,98%), Vlotho (‑7,90%), Marienmünster (‑7,79%), Spenge (‑7,79%), Unna (‑7,71%), Brakel (‑7,68%), Kierspe
(‑7,66%), Marl (‑7,64%), Velbert (‑7,61%), Neunkirchen (‑7,59%), Petershagen (‑7,54%), Lüdenscheid (‑7,53%), Herdecke (‑7,50%),
Nachrodt-Wiblingwerde (‑7,43%), Espelkamp (‑7,36%), Medebach (‑7,26%), Gevelsberg (‑7,24%), Morsbach (‑7,21%), Heiligenhaus
(‑7,19%), Stemwede (‑7,18%), Dorsten (‑7,18%), Wetter (Ruhr) (‑7,10%), Horn-Bad Meinberg (‑6,77%), Finnentrop (‑6,76%),
Meinerzhagen (‑6,70%), Wülfrath (‑6,70%), Schmallenberg (‑6,66%), Hiddenhausen (‑6,64%), Herscheid (‑6,59%), Halver (‑6,54%),
Nörvenich (‑6,51%).
In einem zweiten Schritt ist nun zu untersuchen, welche der 69 Gemeinden mit besonders starken Bevölkerungsrückgängen im
Kernhaushalt kassenkreditschuldenfrei sind. Die hierzu nötigen Daten sind dem Wegweiser Kommune der Bertelsmann Stiftung
entnommen worden. Zu beachten ist dabei allerdings, dass der Wegweiser Kommune nur für die Gemeinden ab 5.000 Einwohner
entsprechende Werte berichtet. Unter den 69 Gemeinden ist mit Hallenberg allerdings eine Gemeinde, die weniger als 5.000
Einwohner zählt (4.278 Einwohner zum 31.12.2013 auf Basis der Volkszählung 1987). Im weiteren Verlauf können daher nur 68
Gemeinden hinsichtlich ihrer Kassenkreditschulden untersucht werden.
Als kassenkreditschuldenfrei wird im vorliegenden Blog-Eintrag eine Gemeinde nur dann bezeichnet, wenn sie zu den Stichtagen
31.12.2011, 31.12.2012 und 31.12.2013 im Kernhaushalt keine Kassenkredite ausweist. In anderen Analysen wird häufig statt
mehreren Stichtagen nur ein Stichtag für die Beurteilung der Kassenkreditschuldenfreiheit genutzt. Hier wird davon abgewichen,
um den kurzfristigen Charakter der Kassenkredite zu betonen und um eine etwas strengere Definition der Kassenkreditfreiheit zu nutzen.
Insgesamt sind zwölf der 68 analysierbaren Gemeinden (17,65 Prozent) an den drei Stichtagen kassenkreditfrei. Es handelt
sich dabei um Borgentreich, Brakel, Espelkamp, Lügde, Marienmünster, Morsbach, Nieheim, Plettenberg, Schalksmühle,
Schmallenberg, Steinheim und Willebadessen. Weitere sieben Gemeinden (Barntrup, Blomberg, Dörentrup, Finnentrop, Kirchhundem,
Medebach und Stemwede) haben an zwei der drei Stichtage keine Kassenkredite. Drei Gemeinden (Horn-Bad Meinberg, Höxter und
Vlotho) weisen zumindest an einem der drei Stichtage Kassenkredite von null Euro aus. In den zehn Gemeinden mit temporären
Kassenkreditbeständen ist es denkbar, dass die Kassenkredite tatsächlich nur entsprechend ihrer eigentlichen Zweckbestimmung
(d.h. der kurzfristigen Liquiditätssicherung) genutzt werden. Eine Ausnahme ist die Stadt Blomberg. Die Stadt hatte zu den
Stichtagen 31.12.2011 und 31.12.2012 zwar keine Kassenkredite, zum 31.12.2013 lagen sie indes bei 650 Euro je Einwohner,
was bereits einem hohen Kassenkreditniveau entspricht. Eine solche Entwicklung der Kassenkreditbestände ist mit dem Argument
der kurzfristigen Liquiditätssicherung kaum mehr zu erklären.
Bemerkenswert ist, dass unter den zwölf Gemeinden ohne Kassenkredite auch einzelne Gemeinden sind, deren Bevölkerungsverluste
besonders groß ausfallen. So hat z.B. Lügde die zweithöchsten und Plettenberg die achthöchsten Bevölkerungsverluste aller
kreisangehörigen NRW-Gemeinden im Zeitraum 31.12.2000 bis 31.12.2013 zu verzeichnen. Ebenfalls unter den 20 Gemeinden mit
den größten Bevölkerungsrückgängen sind Schalksmühle (Platz 14) und Borgentreich (Platz 18). Dies zeigt, dass selbst diejenigen
NRW-Gemeinden, die in den letzten Jahren am stärksten von rückläufigen Einwohnerzahlen betroffen waren, ihren Haushalt ohne
Kassenkredite steuern können.
Keine der zwölf an allen drei Stichtagen kassenkreditfreien Gemeinden ist Teilnehmer am Stärkungspakt Stadtfinanzen, d.h. die
Kassenkreditfreiheit liegt dort nicht in Finanzhilfen des Landes begründet.
Im Folgenden werden die kassenkreditschuldenfreien Gemeinden im Detail untersucht. Betrachtet werden dabei jedoch nur die
zwölf Gemeinden, die an keinem der drei Stichtage Kassenkredite hatten. In Tabelle 1 finden Sie nachrichtlich Informationen
zur Bevölkerungsentwicklung in den zwölf Gemeinden. Dabei wird deutlich, dass unter den zwölf Gemeinden für NRW-Verhältnisse
sowohl sehr kleine Gemeinden (z.B. Marienmünster) als auch mittelgroße Gemeinden (z.B. Plettenberg) sind. Große Gemeinden
(z.B. ab 50.000 Einwohner) finden sich indes nicht darunter.
Mittels obiger Daten ist ein Blick in die Vergangenheit geworfen worden. Ebenso relevant für die zwölf Gemeinden ist ein Ausblick
auf die erwartete zukünftige Entwicklung der Einwohnerzahlen. Entsprechende Vorausberechnungen werden von der Bertelsmann Stiftung
im Wegweiser Kommune bereitgestellt (hier auf Grundlage des Zensus 2011). Für zehn der zwölf Gemeinden wird erwartet, dass sich
die Einwohnerzahlen von 2012 bis 2030 um mindestens zehn Prozent verringern. Der größte relative Bevölkerungsrückgang wird für
Steinheim (‑17,2 Prozent) erwartet. Brakel (‑9,6 Prozent) und Espelkamp (‑7,0 Prozent) liegen jeweils betragsmäßig noch unter der 10-Prozent-Schwelle.
Letztlich ist festzustellen, dass alle zwölf Gemeinden mit weiterhin schrumpfenden Einwohnerzahlen zu rechnen haben, sofern nicht
gegengesteuert wird (Ausweis neuer Wohngebiete etc.).
Tabelle 2 enthält ferner Daten zum Durchschnitts- und Medianalter der Bevölkerung im Jahr 2013 nach Zensus 2011. Ebenso werden Werte
zum Jugend- und Altenquotient 2013 berichtet. Der Jugend- und der Altenquotient sind Kenngrößen, die grobe Hinweise auf die Versorgungslasten
der mittleren Generation (20 bis 64 Jahre) für die jüngeren und älteren Menschen geben.
Neben den Daten zur Bevölkerungsentwicklung sind auch Finanzdaten interessant zur Interpretation der Ergebnisse. Aus Tabelle 3
wird dabei deutlich, dass sich unter den zwölf kassenkreditfreien Gemeinden mit schwierigen demographischen Rahmenbedingungen
sowohl sehr steuerstarke Gemeinden (z.B. Schalksmühle) als auch sehr steuerschwache Gemeinden (z.B. Willebadessen) finden. Zu
den zwölf Gemeinden zählen insbesondere auch fünf Gemeinden (Borgentreich, Marienmünster, Nieheim, Schmallenberg und Willebadessen),
die in einem früheren Blog-Eintrag zur Kassenkreditfreiheit trotz sehr geringer
Steuereinnahmekraft (Link siehe unten) ebenfalls
aufgeführt worden sind. Die fünf Gemeinden gehören mithin zu den steuerschwächsten Gemeinden Nordrhein-Westfalens - dennoch führen
sie ihren Haushalt ohne Kassenkredite. Diese Leistung ist umso bemerkenswerter, da sich besagte Gemeinden zusätzlich auch besonderen
demographischen Herausforderungen gegenüber sehen.
» Kassenkreditfreie Gemeinden in Nordrhein-Westfalen mit geringer Steuereinnahmekraft, Blog-Eintrag vom 6. September 2015
Autor: Andreas Burth
Neben Kassenkrediten können Gemeinden auch
Investitionskredite aufnehmen. Für die zwölf Gemeinden zeigen sich geringe bis mittelhohe
Bestände an Investitionskrediten im Kernhaushalt. Schmallenberg ist im Kernhaushalt sogar komplett
(geld-)schuldenfrei. Brakel liegt mit 44
Euro je Einwohner auf einem sehr niedrigen Niveau. Mit über 1.000 Euro je Einwohner haben sich nur Lügde (1.330 Euro je Einwohner)
und Steinheim (1.048 Euro je Einwohner) verschuldet. Diese Werte sind bei den Investitionskrediten als mittelhoch einzustufen.
Im Kontext der Investitionskredite ist generell darauf hinzuweisen, dass diese anders zu bewerten sind als Kassenkredite.
Investitionskredite werden zumeist als vergleichsweise weniger problematische Schuldenart angesehen. Zum einen sind sie durch
Vermögenswerte gedeckt. Einschränkend ist hier allerdings auch darauf hinzuweisen, dass es kommunale Vermögensgegenstände gibt,
die nicht oder nur schwer veräußerbar sind (z.B. Straßen, Brücken, Schulgebäude), ohne die kommunale Leistungserstellung zu
beeinträchtigen. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von sog.
nicht-realisierbarem Vermögen. Zum zweiten können die
Investitionskredite in gebührenrechnenden Einrichtungen (z.B. Wasser, Abwasser, Friedhof) aufgenommen worden sein. Im Falle
kostendeckender Gebühren belastet diese Schuldenart den Gemeindehaushalt nicht. Nur bei Gebühren, die entgegen der rechtlichen
Vorgaben nicht kostendeckend sind, ist ein Teil des Zinsdienstes über den Gemeindehaushalt aus Steuermitteln zu finanzieren.
Generell ist es unabdingbar, in Gebührenhaushalten eine vollständige Kostendeckung anzustreben (inkl. kalkulatorischer Kosten).
Im arithmetischen Mittel haben die 374 kreisangehörigen Gemeinden in Nordrhein-Westfalen
Hebesätze von 262,4 Prozent bei der
Grundsteuer A, 456,4 Prozent bei der Grundsteuer B und 433,4 Prozent bei der
Gewerbesteuer festgesetzt. Bei der aufkommenstechnisch
i.d.R. wenig relevanten Grundsteuer A liegen sechs Gemeinden über dem Durchschnittswert. Für die Grundsteuer B ist festzustellen,
dass nur eine Gemeinde überdurchschnittliche Hebesätze beschlossen hat (Nieheim mit 619 Prozent). Einen Gewerbesteuerhebesatz über
dem Landesdurchschnitt hat lediglich eine Gemeinde (Morsbach mit 450 Prozent). Es ist damit festzustellen, dass sich die zwölf
Gemeinden tendenziell im niedrigeren Hebesatzniveau befinden. Dies bedeutet, dass viele der Gemeinden - sofern nötig - zusätzliche
Ertragspotenziale erschließen können, ohne sofort Hebesätze im stark überdurchschnittlichen Bereich festsetzen zu müssen. Dies gibt
ihnen in Konsolidierungsfragen zusätzliche Handlungsspielräume.
Eine denkbare Erklärung für die niedrigen Hebesätze sind die geringen Schuldenstände. Während hoch verschuldete Gemeinden einen
Teil ihrer Steuereinnahmen für die Zinsausgaben aufwenden müssen (und daher auch höhere Hebesätze festsetzen müssen), können gering
verschuldete Gemeinden ihre Bürger über niedrige Hebesätze entlasten (ähnlich einer Bürgerdividende für die Sparbemühungen der
Vergangenheit).
Interessant ist darüber hinaus die Beobachtung, dass es bei den Realsteuerhebesätzen 2014 einzelne Werte sehr häufig auftreten.
So findet sich in drei von zwölf Gemeinden bei der Grundsteuer A ein Hebesatz von 209 Prozent. Sechs Gemeinden haben als Hebesatz
der Grundsteuer B einen Wert von 413 Prozent. Bei der Gewerbesteuer ist sieben Mal eine Hebesatzhöhe von 411 Prozent (und ein
weiteres Mal von 412 Prozent) anzutreffen. Ein Grund für die Häufung einzelner Hebesätze dürfte in den Gemeindefinanzierungsgesetzen
2013 bzw. 2014 liegen, die bei der Bestimmung der Steuerkraftmesszahl fiktiv einen Grundsteuer-A-Hebesatz von 209 Prozent (2013 und
2014), einen Grundsteuer-B-Hebesatz von 413 Prozent (2013 und 2014) und einen Gewerbesteuerhebesatz von 411 Prozent (2013) bzw. 412
Prozent (2014) zugrundelegen (§ 9 Abs. 2 Gemeindefinanzierungsgesetz 2013; § 9 Abs. 2 Gemeindefinanzierungsgesetz 2014). Mehrere
Gemeinden scheinen sich in ihrer Hebesatzpolitik an den Werten des Gemeindefinanzierungsgesetzes ausgerichtet zu haben. Setzt eine
Gemeinde Hebesätze fest, die unter den fiktiven Hebesätzen des Gemeindefinanzierungsgesetzes liegen, werden der betreffenden Gemeinde
in der Berechnungssystematik des kommunalen Finanzausgleichs höhere Einnahmen zugerechnet als von der Gemeinde tatsächlich
realisiert wurden.
Geographisch verteilen sich die zwölf Gemeinden auf sechs Kreise. Der Kreis Höxter beheimatet mit sechs Gemeinden die Hälfte der
zwölf Gemeinden. Der Märkische Kreis weist eine Fallzahl von zwei Gemeinden auf. Hinzu kommen der Hochsauerlandkreis, der Kreis
Lippe, der Kreis Minden-Lübbecke und der Oberbergische Kreis mit je einer Gemeinde. Von den fünf Regierungsbezirken werden drei
abgedeckt. Die meisten der zwölf Gemeinden finden sich im Regierungsbezirk Detmold (acht Gemeinden).
In obigen Analysen ist zumeist auf die Einwohnerzahlen auf Basis der Fortschreibung der Volkszählung aus dem Jahr 1987 abgestellt worden.
Nachrichtlich finden Sie in Tabelle 4 auch die Einwohnerzahlen zum 31.12.2013 auf Grundlage des Zensus 2011.
Tabelle 4 enthält ferner Daten zur Fläche und zur Einwohnerdichte. Hieraus lassen sich Rückschlüsse auf die Zentralisierung
bzw. Zergliederung der Gemeinden ziehen. Im arithmetischen Mittel haben die 374 kreisangehörigen NRW-Gemeinden eine Fläche von 81,24
Quadratkilometern. Von den zwölf Gemeinden liegen fünf unter und sieben über dieser Schwelle.
Das arithmetische Mittel der Einwohnerdichte der 374 Gemeinden erreicht einen Wert von 415,94 Einwohnern je Quadratkilometer.
Sämtliche zwölf Gemeinden haben eine niedrigere Einwohnerdichte. Hieraus lässt sich ableiten, dass die Gruppe der zwölf Gemeinden
eher dünn besiedelt ist. Die Spannweite in den zwölf Gemeinden reicht von 38,09 Quadratkilometern in Schalksmühle bis 303,10
Quadratkilometer in Schmallenberg. Die Fläche Schmallenbergs ist zugleich die größte aller 374 kreisangehörigen Gemeinden in Nordrhein-Westfalen.
Eine weitere Möglichkeit zur Beurteilung der Zentralisierung bzw. Zersiedelung ist die Anzahl der Stadt-/Ortsteile. Problematisch
an dieser Kenngröße ist allerdings, dass die Gemeindegliederung zwischen Gemeinden häufig nur schwer vergleichbar ist. Die Unterteilung
in Stadt-/Ortsteile wird von den Gemeinden häufig nicht nach gleichen Kriterien vorgenommen. Daten zur Anzahl der Stadt-/Ortsteile
können Sie in Tabelle 4 einsehen.
Die vorstehende Analyse hat aufgezeigt, dass es selbst unter schwierigsten Rahmenbedingungen möglich ist, kassenkreditschuldenfrei
zu wirtschaften - auch im Kommunalfinanzkrisenland Nordrhein-Westfalen. So gibt es Gemeinden, die gleichzeitig mit starkem
Bevölkerungsschwund, sehr geringen Steuereinnahmen und einer hohen Zersiedelung zu kämpfen haben und ihren Haushalt dennoch ohne
Kassenkredite führen. Hieran zeigt sich einmal mehr: Wenn eine Gemeinde will, kann sie auch unter sehr ungünstigen Rahmenbedingungen
solide wirtschaften. Die Stadt Schmallenberg demonstriert zudem, dass trotz schwieriger Rahmenbedingungen neben der
Kassenkreditschuldenfreiheit sogar zusätzlich eine Investitionskreditschuldenfreiheit (d.h. komplette Geldschuldenfreiheit im Kernhaushalt) realisierbar ist.
Damit wird offenkundig, dass die vielen Gemeinden mit besseren Rahmenbedingungen umso mehr in der Lage sein
müssten, zumindest ohne Kassenkredite (und eventuell sogar ohne Investitionskredite) auszukommen.
Die aus Bevölkerungsrückgängen erwachsenden politischen Herausforderungen werden sich aufgrund des demographischen Wandels in den
kommenden Jahren fortsetzen. In einigen Gemeinden (gerade im ländlichen Raum) ist zu erwarten, dass sich die Bevölkerungsverluste
weiter beschleunigen werden. Hinzu kommt eine stetige Zunahme des Anteils älterer Menschen, woraus sich auch Änderungen in den
Leistungsbedürfnissen ergeben (z.B. wachsende Bedeutung der Barrierefreiheit). Neben den hier untersuchten Gemeinden betrifft dies
auch viele weitere Gemeinden in anderen Bundesländern. Um den Herausforderungen gerecht zu werden, lohnt sich ein Blick auf diejenigen
Gemeinden, die vor ähnlichen Aufgaben stehen und schon Erfahrungen mit ihrem Umgang gesammelt haben. Anzuregen ist ein systematisches
"Lernen von anderen". Hierbei kann auch ein Blick auf die Gemeinden der neuen Länder hilfreich sein, die z.T. mit deutlich höheren
Bevölkerungsrückgängen umgehen müssen als das in Nordrhein-Westfalen der Fall ist.
Ergänzende Analysen speziell zu den Kommunalfinanzen in Nordrhein-Westfalen finden Sie beispielsweise auf nachfolgenden Seiten.
» Kreisangehörige NRW-Gemeinden ohne Kassenkredite trotz schwieriger Rahmenbedingungen im Sozialbereich, Blog-Eintrag vom 8. September 2015
Autor: Andreas Burth
» Kassenkreditfreie Gemeinden in Nordrhein-Westfalen mit geringer Steuereinnahmekraft, Blog-Eintrag vom 6. September 2015
Autor: Andreas Burth
» Pro-Kopf-Schulden der Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen im Größenklassen- Vergleich, Blog-Eintrag vom 21. Juli 2015
Autor: Andreas Burth
» Produktbereich-Ergebnisplanung im Haushaltsplan 2014 der 22 kreisfreien Städte in Nordrhein-Westfalen im Vergleich, Blog-Eintrag vom 15. November 2014
Autor: Andreas Burth
» Ergebnisplanung und Realsteuerhebesätze 2014 in den 48 kreisangehörigen Stärkungspakt-Gemeinden in Nordrhein-Westfalen im Vergleich, Blog-Eintrag vom 29. Oktober 2014
Autor: Andreas Burth
» NKF-Haushaltssatzungen 2014 der 22 kreisfreien NRW-Städte im Vergleich, Blog-Eintrag vom 11. Oktober 2014
Autor: Andreas Burth
» Vergleich der NRW-Kommunen zur Anzahl der Vollzeitäquivalente zum 30.6.2013, Blog-Eintrag vom 18. Dezember 2014
Autor: Andreas Burth
» Rankings zu den Pro-Kopf-Steuereinnahmen 2013 der Städte und Gemeinden in NRW, Blog-Eintrag vom 13. Dezember 2014
Autor: Andreas Burth
» Pro-Kopf-Kassenkredite 2010 bis 2013 in den 48 kreisangehörigen Stärkungspakt- Gemeinden in Nordrhein-Westfalen im Vergleich, Blog-Eintrag vom 10. Juli 2015
Autor: Andreas Burth
|
|
|