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Pro-Kopf-Kassenkredite 2010 bis 2013 in den 48 kreisangehörigen Stärkungspakt-Gemeinden in Nordrhein-Westfalen im Vergleich
Pro-Kopf-Kassenkredite 2010 bis 2013 in den 48 kreisangehörigen Stärkungspakt-Gemeinden in Nordrhein-Westfalen im Vergleich
10. Juli 2015 |
Autor: Andreas Burth
Die Kommunalfinanzen Nordrhein-Westfalens zählen zu den kritischsten in Deutschland. Der Problemdruck konzentriert sich dabei
v.a. auf die Städte und Gemeinden und weniger auf die Kreise. Besonders bedenklich ist die Finanzsituation tendenziell in
denjenigen NRW-Kommunen, die Teil der Stufe 1 (verpflichtende Teilnahme) oder der Stufe 2 (freiwillige Teilnahme) des
Stärkungspakts Stadtfinanzen sind. Der Stärkungspakt Stadtfinanzen ist ein Programm des Landes Nordrhein-Westfalen, das
konsolidierungsbedürftige Kommunen finanziell unterstützen und damit die finanzielle Leistungsfähigkeit der betreffenden
Kommunen dauerhaft verbessern soll.
Die Kommunen der Stufe 1 (= Kommunen, die akut von
Überschuldung betroffen sind oder bei denen eine solche bis zum Jahr 2013
zu erwarten ist) werden seit 2011 mit Landesmitteln von jährlich 350 Mio. Euro bei der
Haushaltskonsolidierung unterstützt.
Bis 2020 stehen für die Kommunen der Stufe 1 insgesamt 3,5 Mrd. Euro zur Verfügung. Die Kommunen der Stufe 2 (= Kommunen, bei
denen die Haushaltsdaten 2010 eine Überschuldung bis 2016 erwarten lassen) werden seit 2012 in den Stärkungspakt einbezogen und
erhalten Mittel in Höhe von 65 Mio. Euro im Jahr 2012, 115 Mio. Euro im Jahr 2013 und jährlich rund 296 Mio. Euro ab 2014. Diese
Mittel in Höhe von insgesamt 2,26 Mrd. Euro sollen über das Gemeindefinanzierungsgesetz (GFG) bereitgestellt werden. Die Kommunen
der Stufen 1 und 2 sind im Gegenzug verpflichtet, ihre Konsolidierungsanstrengungen zu intensivieren. Der Haushalt muss mit dem
Geld aus dem Stärkungspakt innerhalb von fünf Jahren (Stufe 1) bzw. sieben Jahren (Stufe 2) ausgeglichen sein. Bis spätestens
2021 muss der
Haushaltsausgleich aus eigener Kraft gelingen.
» Stärkungspakt Stadtfinanzen
Hrsg.: Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen
Die
Kassenkredit-Verschuldung der Kommunen des Landes Nordrhein-Westfalen zählt zu den höchsten in Deutschland. Neben dem
Erreichen des dauerhaften Ergebnisausgleichs aus eigener Kraft (d.h. ohne die ertragswirksamen Hilfen aus dem Stärkungspakt)
muss der Abbau der Kassenkreditbestände eines der Hauptziele für die Kommunen sein. Das gilt im Besonderen für die
Stärkungspakt-Gemeinden. Kassenkredite gelten als besonders problembehaftet, da sie für laufende Ausgaben aufgenommen werden,
nicht durch Vermögenswerte gedeckt sind und aufgrund ihrer kurzen Laufzeit einem hohen Zinsänderungsrisiko unterliegen. Ihr
eigentlicher Zweck ist die kurzfristige Liquiditätssicherung. Dauerhafte Kassenkreditbestände deuten mithin auf eine
Zweckentfremdung hin. Zugleich sind Kassenkredite ein typischer Indikator für eine finanzielle Krisensituation. Hohe dauerhafte
Kassenkreditbestände geben Hinweise darauf, in welchem Umfang Kommunen in der Vergangenheit über ihre eigenen Verhältnisse gelebt haben.
Teilnehmer des Stärkungspakts Stadtfinanzen sind sowohl kreisfreie Städte als auch kreisangehörige Städte und Gemeinden. Die
Entwicklung der Kassenkredite der 103 kreisfreien Städte (inkl. der kreisfreien NRW-Städte, die am Stärkungspakt Stadtfinanzen
teilnehmen) sind bereits im unten verlinkten Blog-Eintrag analysiert worden. Der vorliegende Beitrag fokussiert sich daher
auf die Analyse der Kassenkredit-Entwicklung in den 48 kreisangehörigen Stärkungspakt-Gemeinden.
» Pro-Kopf-Schulden aus Kassenkrediten in den 103 kreisfreien Städten der Flächenländer in den Jahren 2011 bis 2013 im Vergleich, Blog-Eintrag vom 30. Juni 2015
Autor: Andreas Burth
Überblick:
- Methodische Anmerkungen
- Allgemeine Informationen zu den kreisangehörigen Stärkungspakt-Gemeinden
- Kassenkredit-Schulden der kreisangehörigen Stärkungspakt-Gemeinden
- Weitere Informationen
Methodische Anmerkungen
Die herangezogenen Daten der Einwohnerzahlen und der Kassenkreditbestände sind der Datenbank des Wegweisers Kommune der
Bertelsmann Stiftung entnommen worden, welche im aktuellsten Jahr auf der
Kassenstatistik und in den früheren Jahren meist
auf der Jahresrechnungsstatistik basiert. Die genutzten Kassenkreditdaten decken lediglich den
Kernhaushalt ab. Der Grund
hierfür ist, dass bislang noch keine aktuelleren Daten inkl.
Auslagerungen statistisch verfügbar sind. Nachteilig an
ausschließlichen Kernhaushaltsbetrachtungen ist, dass auch die kreisangehörigen Städte und Gemeinden umfangreiche Auslagerungen
haben (können). Diese können ebenfalls Schulden dieses Typs haben, weshalb die Kassenkredit-Schulden hier nicht vollständig
erfasst sind.
Der vorliegende Blog-Eintrag fokussiert sich auf eine Analyse der Kassenkredite. Bei den Kassenkrediten handelt es sich jedoch
nicht um die einzige kommunale Schuldenart. Weitere wichtige Schuldenarten sind z.B. die
Investitionskredite und die
Rückstellungen
(z.B. für Pensionen). Diese Schuldenarten finden hier keine Berücksichtigung, da der Fokus auf die problematischste Schuldenart
(d.h. die Kassenkredite) gelegt werden soll. Der Gesamtschuldenstand der kreisfreien Städte ist folglich merklich höher als hier
dargestellt. Ein umfassenderes Bild der
Geldschulden der kreisangehörigen Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen (inkl. der
Nicht-Stärkungspakt-Teilnehmer) finden Sie zum Stichtag 31.12.2012 unter folgendem Link.
» Ranking zur Verschuldung der 374 kreisangehörigen Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen, Blog-Eintrag vom 8. August 2014
Autor: Andreas Burth
Neben den bereits beschriebenen Kassenkredit-Informationen werden nachrichtlich stets auch die Einwohnerzahlen zum 31.12.2013
ausgewiesen. Die Pro-Kopf-Berechnung bei den Kassenkreditbeständen erfolgt mittels der Einwohnerzahlen zum 31.12. des jeweiligen
Jahres. Die Einwohnerdaten der Jahre 2011 bis 2013 basieren auf dem Zensus 2011. Im Falle des Jahres 2010 werden frühere Zählungen
zugrundegelegt.
Allgemeine Informationen zu den kreisangehörigen Stärkungspakt-Gemeinden
Die Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen sind als Gruppe nicht homogen. Gerade im Hinblick auf die Einwohnerzahlen
bestehen erhebliche Unterschiede. So liegt die Spannweite der Bevölkerungsgröße zwischen 6.508 (Nachrodt-Wiblingwerde) und
115.320 (Recklinghausen). Aus der verschiedenen Einwohnerzahl erwachsen auch Unterschiede im Umfang des Leistungsportfolios.
Je größer eine Stadt bzw. Gemeinde, desto umfangreicher ist tendenziell das Volumen der wahrgenommenen Aufgaben. So nehmen
größere Städte und Gemeinden insbesondere mehr zentralörtliche Funktionen wahr.
Auch aus der Kreiszugehörigkeit können Unterschiede zwischen den Städten und Gemeinden erwachsen. Beispielhaft sei
verwiesen auf die Kreisumlage, die in ihrer Höhe zwischen den Kreisen variiert. Je höher die Kreisumlage, desto höher ist
die finanzielle Belastung für den Haushalt der kreisangehörigen Stadt bzw. Gemeinde. Die höchste Fallzahl an Stärkungspakt-Gemeinden hat der
Kreis Recklinghausen mit zehn Städte und Gemeinden.
Neben den beiden zuvor genannten Informationen (Einwohnerzahl, Kreiszugehörigkeit) ist in Tabelle 1 nachrichtlich auch
die Stärkungspakt-Stufenzugehörigkeit ausgewiesen. Städte und Gemeinden in der Stufe 1 sind zur Teilnahme am Stärkungspakt
Stadtfinanzen verpflichtet (insg. 28 kreisangehörige Gemeinden), für Städte und Gemeinden in der Stufe 2 ist die Teilnahme
freiwillig (insg. 20 kreisangehörige Gemeinden).
Kassenkredit-Schulden der kreisangehörigen Stärkungspakt-Gemeinden
Tabelle 2 enthält Kassenkreditdaten zu den 48 kreisangehörigen Teilnehmern des Stärkungspaktes Stadtfinanzen. Abgedeckt
wird der Zeitraum 2010 bis 2013. Die Kommunen der Stufe 1 erhalten seit 2011 Finanzhilfen aus dem Stärkungspakt, für die
Kommunen der Stufe 2 begannen die Hilfsleistungen 2012. Der Betrachtungszeitraum deckt damit für beiden Stufen sowohl
mindestens ein Jahr vor dem Start des Stärkungspaktes als auch mindestens ein Jahr nach Start des Stärkungspaktes ab.
In ihrer Summe haben die 48 Städte und Gemeinden zum 31.12.2013 Kassenkredite im Kernhaushalt im Umfang von rund 3,8 Mrd.
Euro. Dies entspricht 2.027 Euro je Einwohner. Der höchste Pro-Kopf-Kassenkreditbestand findet sich Ende 2013 in Herten mit
4.478 Euro je Einwohner. Den niedrigsten Stand der Kassenkredite hat demgegenüber Welver mit 124 Euro je Einwohner.
Grundsätzlich können bereits Kassenkreditbestände von dauerhaft über 100 Euro je Einwohner als kritisch angesehen werden.
Je höher die dauerhaften Kassenkreditbestände sind, desto höher ist tendenziell der Umfang, zu dem die betreffende Stadt
bzw. Gemeinden in der Vergangenheit über ihre eigenen Verhältnisse gelebt hat.
Im Vergleich der Jahre 2010 und 2013 haben 41 von 48 Städten und Gemeinden (85,42 Prozent) ihre Bestände erhöht. Die
stärkste relative Zunahme findet sich in Übach-Palenberg mit 123,97 Prozent (wenn man von Bönen absieht; Bönen war zum
31.12.2010 kassenkreditschuldenfrei und liegt inzwischen bei über 800 Euro je Einwohner). In absoluten Größen entfällt der
merklichste Pro-Kopf-Zuwachs der Kassenkredite auf Herten mit einer Steigerung von 1.843 Euro je Einwohner. Bei den sieben
Städten und Gemeinden, die ihren Kassenkreditstand gesenkt haben, handelt es sich um Burscheid, Kürten, Marienheide, Minden,
Selm, Sprockhövel und Stolberg. Die höchste relative Reduktion hat Minden realisiert (-28,83 Prozent). In absoluten Werten
entfällt die stärkste Abnahme auf Sprockhövel mit einer Verminderung in Höhe von -206 Euro je Einwohner.
Tabelle 2 enthält lediglich Kassenkreditdaten. Interessant wäre im Grunde auch eine Gegenüberstellung der Finanzstärke
der Kommunen. Einzelgemeindliche Steuerdaten zu den NRW-Gemeinden können unter folgendem Link abgerufen werden.
» Rankings zu den Pro-Kopf-Steuereinnahmen 2013 der Städte und Gemeinden in NRW, Blog-Eintrag vom 13. Dezember 2014
Autor: Andreas Burth
Der Vergleich der Kassenkredit- mit den Steuerdaten liefert interessante Ergebnisse. So finden sich in der Gruppe der Stärkungspakt-Kommunen
durchaus auch finanzstärkere Kommunen. So hat beispielsweise Marl mit Pro-Kopf-Netto-Steuereinnahmen von 1.288 Euro je Einwohner
(zweithöchster Wert in der Größenklasse 70.000 bis 99.999 Einwohner in Nordrhein-Westfalen) dennoch Kassenkreditbestände
von 2.266 Euro je Einwohner. Ein anderes Beispiel ist Engelskirchen mit Pro-Kopf-Netto-Steuereinnahmen von 1.183 Euro je
Einwohner (fünfthöchster Wert in der Größenklasse 15.000 bis 19.999 Einwohner in Nordrhein-Westfalen) und Kassenkrediten
von 1.741 Euro je Einwohner. Hieran wird deutlich: Auch finanzstarke Kommunen sind keineswegs davor gefeit, über ihre Verhältnisse zu leben.
Letztlich kommt es für die NRW-Kommunen (gilt analog auch für die Nicht-Stärkungspakt-Teilnehmer mit dauerhaften
Kassenkreditbeständen und/oder unausgeglichenen Haushalten) darauf an, ihre Haushalte möglichst zeitnah vollständig und dauerhaft zu konsolidieren. Hierzu sind bis zum
Erreichen des Haushaltsausgleichs weiterhin konsequent die Erträge zu steigern und/oder die Aufwendungen zu senken. Zum
Abbau der Kassenkredite sind ferner Überschüsse notwendig. Auch wenn dieser Weg zweifelsohne nicht einfach sein wird, so
ist er dennoch gangbar. Die NRW-Kommunen haben eine enorme Kraft, die mancherorts aufgrund jahrelanger Haushaltsdefizite
aber in Vergessenheit geraten ist.
Weitere Informationen
Ergänzende Analysen zur den nordrhein-westfälischen Kommunalfinanzen sind unter den untenstehenden Links abrufbar.
» Entwicklung der Hebesätze von Grundsteuer A, Grundsteuer B und Gewerbesteuer in Nordrhein-Westfalen von 1977 bis 2014, Blog-Eintrag vom 14. Juni 2015
Autor: Andreas Burth
» Vergleich der NRW-Kommunen zur Anzahl der Vollzeitäquivalente zum 30.6.2013, Blog-Eintrag vom 18. Dezember 2014
Autor: Andreas Burth
» Rankings zu den Pro-Kopf-Steuereinnahmen 2013 der Städte und Gemeinden in NRW, Blog-Eintrag vom 13. Dezember 2014
Autor: Andreas Burth
» Ergebnisplanung 2014 der Kreise in Nordrhein-Westfalen im Vergleich, Blog-Eintrag vom 2. Dezember 2014
Autor: Andreas Burth
» Produktbereich-Ergebnisplanung im Haushaltsplan 2014 der 22 kreisfreien Städte in Nordrhein-Westfalen im Vergleich, Blog-Eintrag vom 15. November 2014
Autor: Andreas Burth
» Ergebnisplanung und Realsteuerhebesätze 2014 in den 48 kreisangehörigen Stärkungspakt-Gemeinden in Nordrhein-Westfalen im Vergleich, Blog-Eintrag vom 29. Oktober 2014
Autor: Andreas Burth
» NKF-Haushaltssatzungen 2014 der 22 kreisfreien NRW-Städte im Vergleich, Blog-Eintrag vom 11. Oktober 2014
Autor: Andreas Burth
» Ranking zur Verschuldung der 374 kreisangehörigen Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen, Blog-Eintrag vom 8. August 2014
Autor: Andreas Burth
» Kommunalverschuldung in Nordrhein-Westfalen
 Autor: Andreas Burth
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