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Stadt Ingelheim am Rhein verabschiedet "Satzung über die nachhaltige Haushaltswirtschaft"
Stadt Ingelheim am Rhein verabschiedet "Satzung über die nachhaltige Haushaltswirtschaft"
14. Januar 2016 |
Autor: Marc Gnädinger
In Rheinland-Pfalz war bis dato die empirische Evidenz zu sog.
Nachhaltigkeitssatzungen gering. Mit der Ortsgemeinde Stadtkyll
(1.515 Einwohner Ende des Jahres 2014) gab es in Rheinland-Pfalz bislang erst eine Gemeinde, die eine Nachhaltigkeitssatzung
verabschiedet hat. Kurz vor dem Jahreswechsel 2016 hat nun auch die große kreisangehörige Stadt Ingelheim am Rhein (24.155 Einwohner
Ende des Jahres 2014) eine derartige Satzung verabschiedet. Das dürfte die Attraktivität der im Hinblick auf die Kommunalfinanzsituation
als gut ausgestattet geltenden Kommune weiterhin und dauerhaft erhöhen.
» Ortsgemeinde Stadtkyll verabschiedet "Satzung generationengerechte Finanzen" mit Generationenbeitrag, Blog-Eintrag vom 10. Juli 2014
Autor: Marc Gnädinger
Die Satzung der Stadt Ingelheim am Rhein ist dabei in mehrerlei Hinsicht bemerkenswert. Im Kern handelt es sich um eine
Nachhaltigkeitssatzung der zweiten Generation: Es wurde eine
doppische Schuldenbremse (Ausgleich
ordentliches Ergebnis nach
§ 2 der Satzung) mit
Generationenbeitrag als Ultima Ratio (§ 7 der Satzung) und einer
Bürgerdividende (§ 8 der Satzung) als
Spiegelbild zum Generationenbeitrag etabliert. Damit orientiert sich die Regelung an der Faustformel für
generationengerechtes
Handeln in gemeindefinanzpolitischer Hinsicht. Das ordentliche Ergebnis soll ausgeglichen, mithin das Eigenkapital erhalten
bleiben. Für das Vorliegen extremer Haushaltslagen, die ein Abweichen von der doppischen Schuldenbremse ermöglichen, wurden
vergleichsweise hohe Grenzwerte definiert (§ 9 Abs. 3 der Satzung). Das senkt die Wahrscheinlichkeit des Eintritts derartiger
Fälle, was die Glaubwürdigkeit der Regelung erhöht.
» Satzung der Stadt Ingelheim über die nachhaltige Haushaltswirtschaft
Hrsg.: Stadt Ingelheim am Rhein
Ansonsten weist die Satzung aus Ingelheim am Rhein im Vergleich zu Nachhaltigkeitssatzungen der zweiten Generation anderer
Kommunen einige interessante Besonderheiten auf:
- Bereits in der Präambel wird unterstrichen, dass sich die Satzung aus den Zielen des Leitbildes 2022 der Stadt ableitet.
Die Erreichung dieser Ziele bedinge den dauerhaften Erhalt der finanziellen Leistungsfähigkeit. Damit wird die Satzung in den
Kontext des Leitbildes eingeordnet: Dauerhafte Haushaltsstabilität ermöglicht das Erreichen politischer Ziele. Additiv wird
in der Präambel herausgearbeitet, dass die Satzung das Ziel der finanziellen Generationengerechtigkeit (dauerhaft) absichern soll.
- Mit § 4 der Satzung wird dem Feld der freiwilligen Leistungen und Standards ein eigener Paragraph gewidmet. So ist nach
§ 4 Abs. 1 der Satzung die Einführung neuer oder die inhaltliche Erweiterung freiwilliger Aufgaben sowie der Ausbau freiwilliger
Standards bei Pflicht- und Funktionsaufgaben, die die Haushalte künftiger Jahre mit Personal-, Sach- und Dienstleistungsaufwand
oder mit Abschreibungen belasten, nur zulässig, wenn dafür andere Aufgaben abgebaut werden. Und nach § 4 Abs. 3 der Satzung sind
zur Verringerung der Risiken die freiwilligen Aufgaben oder freiwilligen Standards bei Pflicht- und Funktionsaufgaben jährlich auf
ihre Notwendigkeit und nachhaltige Wirkung hin zu überprüfen.
- Mit § 5 der Satzung wird eine weitere wichtige Rahmenbedingung kommunaler Haushaltspolitik in den Fokus der Betrachtung gerückt:
Die demografische Entwicklung. Nach § 5 Abs. 1 der Satzung sollen Investition nur zulässig sein, wenn der Bedarf auch unter dem
Gesichtspunkt der demografischen Entwicklung nachgewiesen ist und die Folgekosten das Ziel der nachhaltigen Haushaltswirtschaft
(§ 2) nicht gefährden. Dies gilt auch für Ersatzinvestitionen. Zur steten Sensibilisierung von Kommunalpolitik und Einwohnern in
Bezug auf demografische Belange wird mit § 5 Abs. 2 der Satzung darüber hinaus festgelegt, dass im Vorbericht zum Haushaltsplan
künftighin die Auswirkungen der absehbaren demografischen Entwicklung auf die Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit wesentlicher
bestehender und geplanter Infrastruktureinrichtungen darzustellen ist.
Die Erfolgsaussichten der Satzung erscheinen als gut - auch, weil die Satzung von der politischen Führungsspitze der Stadt mitgetragen
wird. Das wird u.a. aus der Rede des Oberbürgermeisters zur Einbringung des Haushalts 2016 deutlich. Dort heißt es:
"Lassen Sie mich [...] hinweisen, dass wir mit dem Haushalt 2016 auch eine Satzung zur nachhaltigen Haushaltswirtschaft beschließen wollen. Darin bekennt sich der
Stadtrat dazu, die günstigen finanziellen Rahmenbedingungen auch zu nutzen Vorsorge dafür zu treffen, dass wir auch im Fall negativer
Veränderungen in der Lage sind, unsere Aufgaben zu erfüllen. Mit dieser Nachhaltigkeitssatzung will der Rat sich und die Verwaltung auf
eine generationengerechte Haushaltswirtschaft verpflichten und nimmt damit seine Verantwortung für diese und künftige Generationen wahr.
Kern der Satzung ist, dass wir dafür Sorge tragen wollen, dass eine Mindestliquiditätsreserve definiert wird, die nicht unterschritten
werden darf. Zusätzliche Aufgaben und freiwillige Leistungen sollen künftig grundsätzlich nur erfolgen, wenn ihre Finanzierbarkeit
sichergestellt ist; Investitionen sind auf den Bedarf insbesondere vor dem Hintergrund des demografischen Wandels zu prüfen."
» Rede des Oberbürgermeisters zur Einbringung des Haushaltsentwurfes 2016
Hrsg.: Stadt Ingelheim am Rhein
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