HaushaltsSteuerung.de »
Lexikon »
K »
Kommunalschuldenbremse (Doppik)
Lexikon zur öffentlichen Haushalts- und Finanzwirtschaft
Kommunalschuldenbremse (Doppik)
Unter dem Begriff der doppischen Kommunalschuldenbremse versteht man ein auf dem
doppischen
Haushalts- und
Rechnungswesen basierendes Schuldenbremsen-Konzept für
Gemeinden und
Gemeindeverbände. Das Modell zielt u.a. darauf ab, die
dauerhafte finanzielle Leistungsfähigkeit der Kommunen sicherzustellen sowie die
Generationengerechtigkeit der
Haushaltswirtschaft zu gewährleisten, indem
unausgeglichene
Haushalte unmöglich gemacht werden. Der Wirkungsmechanismus des Modells stellt einen Ansatz für die Lösung endogener Ursachen für kommunale
Defizite und
Schulden dar. Funktionierende
Konnexitätsregeln sind eine wesentliche Voraussetzung für die Anwendung des Modells.
Das Modell der doppischen Kommunalschuldenbremse basiert aus drei Kernkomponenten: erstens dem doppischen Haushalts- und Rechnungswesen
als Datengrundlage; zweitens einer Pflicht zum Haushaltsausgleich im
ordentlichen Ergebnis (in Planung und Rechnung); drittens der Implementierung eines
Generationenbeitrags als automatischem Sanktionsmechanismus zur dauerhaften Sicherstellung des Haushaltsausgleichs.
Der Generationenbeitrag ist eine im Sinne einer
Haushaltsausgleichs-Abgabe ausgestaltete
Sonderabgabe, die in jedem Jahr exakt die Höhe des Defizits im ordentlichen Ergebnis annimmt. Er wird folglich nur im Falle
eines Defizits erhoben. Ist das ordentliche Ergebnis ausgeglichen bzw. wird ein
Überschuss im ordentlichen Ergebnis realisiert, so ist kein Generationenbeitrag zu erheben. Der Generationenbeitrag hat damit
den Charakter eines letzten Mittels (einer "Ultima Ratio"), das nur dann zur Anwendung kommt, wenn die betreffende Kommune nicht
aus eigener Initiative heraus ihren Haushalt ausgleicht.
Der Generationenbeitrag ist im Falle der Gemeinden ein Aufschlag auf den
Hebesatz der
Grundsteuer B und im Falle der Gemeindeverbände ein Aufschlag auf die Gemeindeverbandsumlage. Alternativ besteht die Möglichkeit
den Generationenbeitrag als Pro-Kopf-Abgabe auszugestalten. Durch die beschriebenen Alternativen (Aufschläge bzw. Pro-Kopf-Abgabe)
ist gewährleistet, dass der Generationenbeitrag alle Bevölkerungsgruppen direkt oder indirekt belastet. Dies ist wichtig für die Funktionsweise
der Anreizwirkungen der doppischen Kommunalschuldenbremse.
Das ordentliche Ergebnis bezeichnet den
Saldo aus
ordentlichen Erträgen und
ordentlichen Aufwendungen. Es ist eine Kenngröße, die die
Generationengerechtigkeit der Haushaltswirtschaft widerspiegelt. So wird
finanzwirtschaftlich per Definition immer dann auf Kosten künftiger Generationen gelebt, wenn das ordentliche Ergebnis defizitär ist. Die Höhe
des Defizits entspricht dem Umfang, zu dem künftige Generationen wirtschaftlich belastet werden. Das ordentliche Ergebnis ist in Planung
und Rechnung auszugleichen. Auf diesem Wege ist sichergestellt, dass durch eine zu optimistische Planung keine Defizite in der
Rechnungslegung entstehen. Die
außerordentlichen Erträge und
Aufwendungen
(außerordentliches Ergebnis) werden nicht berücksichtigt, um die Kenngröße weniger manipulierbar zu machen. So kann das außerordentliche Ergebnis z.B. durch Erträge aus
Vermögensverkäufen über
Buchwert manipuliert werden.
Die Grundidee hinter dem Generationenbeitrag in Verbindung mit einer Pflicht zum Ausgleich des ordentlichen Ergebnisses besteht gleichwohl nicht darin,
dass der Generationenbeitrag tatsächlich erhoben wird - im Gegenteil: Der Generationenbeitrag fungiert als Drohkulisse und zugleich als Sanktions-
und Anreizmechanismus, der die Entscheidungsträger vor Ort dazu veranlassen soll, den Haushalt aus eigener Kraft über geeignete
ertragssteigernde und/oder
aufwandssenkende Maßnahmen auszugleichen. In welchen Bereichen konkret Erträge gesteigert bzw. Aufwendungen gesenkt werden, bleibt den Entscheidungsträgern
vor Ort vorbehalten. Der Generationenbeitrag stellt lediglich in letzter Instanz sicher, dass der Haushalt tatsächlich ausgeglichen ist und somit
die Generationengerechtigkeit der Haushaltswirtschaft gewährleistet ist.
Der Generationenbeitrag schafft aus Sicht der Bürger und Unternehmen vor Ort eine unmittelbare Verbindung zwischen dem kommunalen
Leistungsangebot und den zu deren
Finanzierung abzuführenden Abgaben. Ist das Verhältnis zwischen Abgaben- und Leistungsniveau unausgeglichen, so liegt finanzwirtschaftlich
ein Defizit im ordentlichen Ergebnis vor. Da das Modell der doppischen Kommunalschuldenbremse an ein solches Defizit die Erhebung
der Sonderabgabe "Generationenbeitrag" knüpft, der wiederum alle Bürger und Unternehmen direkt oder indirekt belastet, wird erstens
das Gleichgewicht von Leistungs- und Abgabenniveau wieder hergestellt. Es ist somit gewährleistet, dass die heutige Generationen selbst
in vollem Umfange in Form von Abgaben für die ihr bereitgestellten kommunalen Leistungen aufkommt (und nicht nachfolgende Generationen). Zweitens
spürt die Bevölkerung in ihrem Geldbeutel, in welchen Ausmaß Leistungs- und Abgabenniveau ohne Generationenbeitrag nicht übereingestimmt hätten.
Da alle Bürger und Unternehmen eine Erhebung eines Generationenbeitrags finanziell spüren, entsteht aus Sicht der Kommunalpolitik ein Anreiz,
den Haushalt aus eigener Kraft auszugleichen - zumal die Erhebung eines Generationenbeitrags dem Eingeständnis gleich käme, nicht selbst in
der Lage zu sein, eine generationengerechte
Finanzpolitik zu betreiben.
Haushaltskonsolidierung wird politisch attraktiver. Ferner wird Klientelpolitik erschwert, da im Falle eines Defizits der Begünstigung einer
kleinen Gruppe die potenzielle Belastung der Gesamtbevölkerung in Form des Generationenbeitrags gegenüber steht. Damit wird das abstrakte Defizit
im ordentlichen Ergebnis in eine wichtige Währung der Politik übersetzt: Wählerstimmen.
Der schuldenbegrenzende Charakter des Modells der doppischen Kommunalschuldenbremse resultiert aus der Pflicht zum Ausgleich des ordentlichen Ergebnisses.
Verbindlichkeiten (z.B.
Kredite,
Kassenkredite) finden über die durch ordentliche Erträge zu deckenden Zinsaufwendungen Eingang in das Modell. Ebenso werden
Rückstellungen berücksichtigt, da die Rückstellungsbildung den Charakter ordentlicher Aufwendungen hat, welche ebenfalls durch ordentliche Erträge
zu decken sind. Die doppische Kommunalschuldenbremse verbietet insofern nicht die Aufnahme von Schulden (Verbindlichkeiten und Rückstellungen). Sie
bremst jedoch ihr Wachstum, da Schulden nur in dem Maße aufgenommen werden können, wie sie den Ausgleich des ordentlichen Ergebnisses und damit die
Generationengerechtigkeit der Haushaltswirtschaft nicht gefährden.
Ein besonderes Problem stellen hochdefizitäre Kommunen dar. Diese können nicht binnen einen Jahres notfalls über den Generationenbeitrag
konsolidiert werden. Für diese Kommunen besteht die Möglichkeit, eine Übergangslösung festzulegen. Diese Übergangslösung ist dadurch charakterisiert,
dass die hochdefizitären Kommunen zu einem fixen
Defizitabbaupfad (z.B. über fünf Jahre) verpflichtet werden, der einen schrittweisen Defizitabbau vorsieht. Die Einhaltung der
einzelnen Konsolidierungsschritte wird wiederum mittels des Generationenbeitrags sichergestellt. Ein Abweichen vom Defizitabbaupfad ist
damit faktisch unmöglich. Dies führt dazu, dass der Haushalt nach Ablauf der Übergangsfrist der auch tatsächlich ausgeglichen ist.
Das beschriebene Modell der doppischen Kommunalschuldenbremse ist ferner ergänzbar durch eine antizyklische Komponente. Diese ermöglicht
die Berücksichtigung konjunktureller Schwankungen im Modell. Ausgestaltet werden kann die antizyklische Komponente entweder in Form
einer Verpflichtung zum Haushaltsausgleich im Mehrjahreshorizont oder alternativ durch eine Verpflichtung zur Bildung von sog.
Krisenrückstellungen.
Kommunen die sich auf dem Satzungswege freiwillig eine doppische Kommunalschuldenbremse mit Generationenbeitrag gegeben haben sind z.B.
die Städte Overath und Spenge in Nordrhein-Westfalen (sog.
Nachhaltigkeitssatzung),
die Stadt Ingelheim am Rhein in Rheinland-Pfalz (sog. Satzung über die nachhaltige Haushaltswirtschaft), die Ortsgemeinde Stadtkyll in Rheinland-Pfalz (sog.
Satzung generationengerechte Finanzen) und die Städte Seligenstadt und Taunusstein in Hessen (sog. Nachhaltigkeitssatzung).
Abschließend sei darauf hingewiesen, dass es im bestehenden doppischen
Haushaltsrecht einiger Länder bereits Regelungen gibt, die eine schuldenbegrenzende Wirkung auf Kredite und Kassenkredite haben. Diese Regelungen
sind indes mit dem Begriff der doppischen Kommunalschuldenbremse explizit nicht angesprochen.
Siehe hierzu auch:
- Linksammlung zu kommunalen Schuldenbremsen-Satzungen
- Stand und Entwicklung der Kommunalschulden in Deutschland
- Staatsverschuldung in der Europäischen Union (EU)
- Linkliste zu Eröffnungsbilanzen (Bundesländer und Kommunen)
- Linkliste zu doppischen Jahresabschlüssen (Bundesländer und Kommunen)
- Linksammlung zu Gesamt-/Konzernabschlüssen (Bundesländer und Kommunen)
- Aufsätze zum Thema "Haushaltskonsolidierung & Verschuldung"
- Vorträge/Präsentationen zum Thema "Haushaltskonsolidierung & Verschuldung"
- Blog-Einträge zum Thema "Verschuldung & Haushaltskonsolidierung"
- Blog-Einträge zum Thema "Schuldenfreie Kommunen"
- Blog-Einträge zum Thema "Nachhaltigkeitssatzungen & kommunale Schuldenbremsen"
- Zitate für Haushaltsreden zum Thema "Schulden | Staatsverschuldung"
Blog-Einträge & Interviews zum Thema:
- Entscheidung zu nachhaltiger Finanzpolitik in Hürtgenwald (Blog-Eintrag vom 17.7.2016)
- Die Kommunen mit freiwilliger Schuldenbremsen-Satzung im Vergleich (Blog-Eintrag vom 30.6.2016)
- Stadt Rotenburg an der Fulda etabliert Nachhaltigkeitssatzung (Blog-Eintrag vom 9.3.2016)
- Stadt Ingelheim am Rhein verabschiedet "Satzung über die nachhaltige Haushaltswirtschaft" (Blog-Eintrag vom 14.1.2016)
- Stadt Freudenberg hebt Nachhaltigkeitssatzung wieder auf (Blog-Eintrag vom 13.1.2016)
- Freiwillige kommunale Schuldenbremsen per Hauptsatzung oder Nachhaltigkeitssatzung in Deutschland (Blog-Eintrag vom 20.9.2015)
- Stadt Spenge verabschiedet eine Nachhaltigkeitssatzung (Blog-Eintrag vom 15.8.2015)
- Stadt Seligenstadt bekommt Nachhaltigkeitssatzung (Blog-Eintrag vom 25.1.2015)
- Hürtgenwald hat Nachhaltigkeitssatzung für das Jahr 2016 im Visier (Blog-Eintrag vom 10.1.2015)
- Stadt Overath verabschiedet Nachhaltigkeitssatzung (Blog-Eintrag vom 6.1.2015)
- Taunusstein etabliert generationengerechte Nachhaltigkeitssatzung (Blog-Eintrag vom 17.8.2014)
- Ortsgemeinde Stadtkyll verabschiedet "Satzung generationengerechte Finanzen" mit Generationenbeitrag (Blog-Eintrag vom 10.7.2014)
- Stadt Freudenberg verabschiedet Nachhaltigkeitssatzung mit doppischer Schuldenbremse (Blog-Eintrag vom 5.10.2014)
- Eindrücke aus der Rechtswissenschaft zur doppischen Kommunalschuldenbremse (Blog-Eintrag vom 24.2.2014)
- Diskussion um doppische Schuldenbremse für Kommunen (Blog-Eintrag vom 30.1.2014)
- Doppische Schuldenbremse mit Generationenbeitrag (Interview vom 13.1.2014 mit Jörg Schrader)
- Zur Funktionsweise einer doppischen Kommunalschuldenbremse (Blog-Eintrag vom 25.3.2012)
- Doppische Investitionskredit-Schuldenbremse (Blog-Eintrag vom 29.3.2011)
- Kassenkredit-Schuldenbremsen in der kommunalen Doppik (Blog-Eintrag vom 7.3.2011)

Weitere Informationen:
» Kommunaler Finanzreport 2013: Teil VII - Doppische Kommunalschuldenbremse
|