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HaushaltsSteuerung.de » Weblog » Eindrücke aus der Rechtswissenschaft zur doppischen Kommunalschuldenbremse

Eindrücke aus der Rechtswissenschaft zur doppischen Kommunalschuldenbremse
24. Februar 2014  |  Autor: Marc Gnädinger



Mit dem Konzept einer Schuldenbremse für Städte und Gemeinden auf Basis der Doppik und unter Berücksichtigung eines Generationenbeitrages liegt ein konkretes Gesamtkonzept zur verbindlichen Manifestation einer wissenschaftlichen Kriterien standhaltenden generationengerechten Kommunalfinanzpolitik vor. Eine interdisziplinär arbeitende Autorengruppe hat im Jahr 2013 im Auftrag der Bertelsmann Stiftung Erkenntnisse unterschiedlicher Wissenschaftsdisziplinen zu einem Gesamtsystem (Doppische Schuldenbremse mit Generationenbeitrag) zusammengeführt. Damit wurden die dahinterstehenden Gedanken erstmals einer breiten bundesweiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht und haben die Sphäre einer rein akademischen und mit Praktiker-Augen geprägten Sicht verlassen.

» Kommunaler Finanzreport 2013 - Einnahmen, Ausgaben und Verschuldung im
    Ländervergleich (S. 156 ff.)

    Autoren: Andreas Burth, René Geißler, Marc Gnädinger, Dennis Hilgers

» Diskussion um doppische Schuldenbremse für Kommunen, Blog-Eintrag vom 30. Januar 2014
    Autor: Marc Gnädinger

Stark vereinfacht fußt eine funktionstüchtige Lösung für eine generationengerechte Schuldenbremse für Städte und Gemeinden (auch Gemeindeverbände können einbezogen werden) im Kern ähnlich eines guten Stuhls auf vier Beinen:

Vier-Komponenten-System einer doppischen Kommunalschuldenbremse
  1. Doppik: Es bedarf des Rechnungsstils der Doppik, um zweifelsfrei feststellen zu können, ob eine Gebietskörperschaft auf Kosten nachrückender Generationen wirtschaftet oder nicht. Auf Grundlage der Kameralistik (Einnahmen und Ausgaben) ist das faktisch nicht möglich. Hier muss der Wunsch nach Etablierung einer generationengerechten Finanzpolitik zwangsläufig im virtuellen Raum bleiben, weil mittels der verfügbaren Informationen nicht feststellbar ist, ob der Interperiodengerechtigkeit entsprochen wird. Der komplette Ressourcenverbrauch muss dem Ressourcenaufkommen gegenübergestellt werden können. Das geschieht auf Basis der Doppik. Das in einzelnen wenigen Flächenländern noch immer bestehende Optionsrecht zwischen Doppik und Kameralistik bzw. lange Umstellungsfristen auf die Doppik sind zur flächendeckenden Abbildbarkeit generationengerechter Finanzpolitik nicht hilfreich. Es war und ist (u.a. nach den IMK-Empfehlungen) neben Transparenz und verbesserten Steuerungsofferten das wesentliche Ziel der kommunalen Doppik-Einführung, letztlich eine generationengerechte Kommunalfinanzpolitik zu bewirken. Wer insofern die Doppik-Reform befürwortet (hat), muss konsequenterweise auch hinter dem Ziel der Generationengerechtigkeit stehen.
  2. Ergebnisausgleich: Mit der Doppik werden Erträge und Aufwendungen erfasst. Mit dem regelmäßigen Ausgleich des ordentlichen Ergebnisses (inkl. Finanzerträge und -aufwendungen) ist der Maxime der Periodengerechtigkeit Genüge getan: Jede Generation erwirtschaftet die von ihr verbrauchten Ressourcen selbst. Generationengerechtigkeit wird mathematisch einwandfrei fassbar. Entsprechend sind die Haushaltsausgleichsregelungen hiernach auszurichten. Damit wird ebenfalls der bislang unbestimmte/unkonkrete Rechtsbegriff der Aufrechterhaltung der dauerhaften finanziellen Leistungsfähigkeit im Detail definiert. Einer Auslegungs- oder Ermessensinterpretation bedarf es aufgrund der klaren Fassbarkeit nicht mehr.
  3. Generationenbeitrag: Das Ziel, mithin der Ausgleich des ordentlichen Ergebnisses, muss im Sinne der Generationengerechtigkeit zwingend eingehalten werden. Bei (drohenden) Abweichungen bedarf es eines zwingenden und verbindlichen Mechanismus, der geeignet ist, eine etwaige Lücke zwischen ordentlichen Erträgen und Aufwendungen als Ultima Ratio zu schließen. Hierzu dient der Generationenbeitrag (als Drohkulisse und nötigenfalls als Durchsetzungsinstrument der Periodengerechtigkeits-Maxime) - grundsätzlich obliegt es in diesem Rahmen allein der gewählten Vertretungskörperschaft, mittels der entsprechenden Weichenstellungen und in Ableitung der örtlichen Präferenzen Erträge und Aufwände in Übereinklang zu bringen. Nur sofern der Kommunalpolitik das ungeachtet der Gründe wiederholt nicht gelingt, greift der Generationenbeitrag in Gestalt einer Erhöhung der Grundsteuer B in Höhe des notwendigen Lückenschlusses zum ordentlichen Ergebnisausgleich bei Städten und Gemeinden. So ist der hohe Anspruch kommunaler Selbstverwaltung und -verantwortung umgesetzt und gleichzeitig ausgeschlossen, dass heute lebende Generationen ihre Nachfolger finanziell "ausbeuten".
  4. Öffentliches Informationssystem: Der Aufbau bzw. Ausbau eines transparenten und öffentlich zugänglichen kennzahlengestützten Informationssystem (etwa über das Internet) ist keine zwingende Komponente einer doppischen Schuldenbremse. Gleichwohl rundet ein derartiges Vorgehen bzw. eine derartige Komponente das Gesamtmodell ab. Da mit dem Generationenbeitrag das Interesse der Einwohner an der Kommunal(finanz)politik tendenziell merklich zunehmen dürfte (Fühlbarkeit wird erhöht), wird ihr Bedürfnis zur sachbezogenen und objektiven Beurteilung der finanziellen Situation zunehmen.
    1. Bereits heute existieren in einzelnen Ländern Kommunale Frühwarnsysteme (vgl. z.B. sächsisches Frühwarnsystem oder RUBIKON in Mecklenburg-Vorpommern), die technisch leicht und zeitnah zu derartigen Systemen aufgewertet werden könnten. In anderen Flächenländern müsste der Aufbau derartiger Systeme, die Informationen/Finanzkennzahlen zu jeder einzelnen Kommune enthalten und somit sinnvolle Vergleiche (z.B. auch unter Beachtung sozioökonomischer und struktureller Unterschiede zwischen einzelnen Städten und Gemeinden) und damit den Wettbewerb erhöhen erst beginnen. Zentrale Kennzahlen wären bei derartigen Systemen in jedem Fall das ordentliche Ergebnis als Leitkennzahl für die Generationengerechtigkeitsfrage sowie der Hebesatz der Grundsteuer B, aufgrund seiner Funktion als Generationenbeitrag.
    2. Daneben wäre es hilfreich und der Information der Einwohner sowie dem Wettbewerb dienlich, selbsterklärende Vergleiche auf Ebene des Gesamtergebnishaushaltes (Ertrags- und Aufwandsarten) sowie in der Differenzierung nach Aufgabenbereichen (Produktbereiche und nach Möglichkeit Produktgruppen) anzubieten. Damit würde Jedermann unmittelbar klar, an welchen Stellen die Heimatkommune einen höheren Ressourceneinsatz vornimmt als eine vergleichbare andere Kommune - das kann aus Perspektive der Einwohner und in Ableitung ihrer Präferenzen erwünscht sein. Falls nicht, wird es aber den Druck zu Anpassungen und damit zu einer Verminderung des fühlbaren Generationenbeitrages sichtlich erhöhen. Dass es einem derartigen Vorgehen dienlich wäre, zumindest in einem ersten Schritt innerhalb der Flächenländer (sofern noch nicht geschehen) die Haushaltsgliederung zu vereinheitlichen (zumindest bis auf die Ebene der Produktebereiche und bestenfalls -gruppen und ggf. unter Streichung der Option zur Aufstellung organisationsbezogener Haushalte), ist trivial.
    3. Gleichzeitig würde von einem derartigen Öffentlichen Informationssystem eine eindeutige Signalfunktion an Dritte ausgehen. So ist es durchaus denkbar, dass neben endogenen Ursachen ggf. auch durch exogene Gründe (z.B. staatliches Agieren) Kommunalfinanzsituationen beeinflusst werden. In der kommunalen Praxis wird etwa zuweilen über zu wenig restriktive Berücksichtigung von Konnexitätsregelungen geklagt. Gerade hiergegen würde eine doppische Schuldenbremse mit Generationenbeitrag die kommunale Ebene indes (stärker) schützen. Sollten bei doppischer Schuldenbremse mit Generationenbeitrag etwa im "Worst Case" flächendeckend die Hebesätze der Grundsteuer B zum Erreichen des Haushaltsausgleiches steigen müssen und wäre das weder auf Ineffizienzen oder Ertragspotentialverzichte an anderer Stelle noch auf besonders üppige Aufgabenwahrnehmung zurückzuführen, wäre das ein sicheres (An-)Zeichen, dass ebenfalls Finanzausstattungsfragen zu beleuchten wären. Damit hätte die kommunale Familie gute Argumente für entsprechende Dialoge mit der Staatsebene in der Hand.
Ein Mehrwert der oben genannten Studie (Kommunalfinanzreport 2013, S. 156 ff.) besteht darin, dass sie oben genannte rudimentäre und stichpunktartige (keinesfalls abschließende) Gedanken logisch zu einem stimmigen Gesamtsystem zusammenfasst und mit einer Übergangslösung für besonders konsolidierungsbedürftige Kommunen verbindet (Politikkompatibilität). Damit wird das Konzept praxistauglich und könnte bei entsprechenden politisch-normativen Interessen für eine messbar generationengerechte Kommunalfinanzpolitik rasch umgesetzt bzw. in den Wirkbetrieb überführt werden. Daneben werden in das Gesamtsystem Mechanismen eingebaut, die der an den Haushaltsausgleich im ordentlichen Ergebnis angelehnten impliziten doppischen Schuldenbremse ihre prozyklische Wirkung nehmen (ökonomische, wirtschaftspolitische Steuerungsfunktion).

Bemerkenswert ist, dass zahlreiche der in diesem Konzept enthaltenden Grundgedanken nicht neu sind. Neben der Öffentlichen Betriebswirtschaftslehre und der Finanzwissenschaft entstammen wesentliche Gedanken rechtswissenschaftlich geprägten Arbeiten bzw. einer juristisch geprägten Debatte (insb. Ausführungen des Rechtswissenschaftlers Janbernd Oebbecke). Die praxisnahe Präzision und Schlichtheit der in diesem Rahmen vorgetragenen Argumente sowie die aus den identifizierten Problembeschreibungen resultierenden Vernetzungen von rechtlichen Neuregelungsnotwendigkeiten in Ableitung bzw. unter Berücksichtigung politisch-ökonomischer Anreize ist dabei besonders interessant. Eine Beleuchtung entsprechender Beiträge erscheint insofern als lohnenswert und ergiebig - dazu einige Thesen und ihre Begründung, die inhaltlich/sinngemäß und zuweilen wörtlich den untenstehenden Quellen entnommen sind:

These 1: Haushaltskonsolidierung aus eigener Kraft ist faktisch möglich, aber mit politischen Kosten verbunden.

Es existieren sehr wohl funktionsfähige betriebswirtschaftliche Mechanismen zur Haushaltskonsolidierung, deren fehlende politische Akzeptanz stelle sich jedoch im Zuge des politischen Willensbildungs- und Durchsetzungsprozesses immer wieder heraus. Dies erschwert und verzögert die Entschuldung kommunaler Haushalte. Insbesondere sei in vielen Kommunen unter Berücksichtigung der gegebenen Möglichkeiten die Stärkung der Grundsteuer als Ertragsinstrument und die Anhebung ihrer Hebesätze möglich. In der Praxis werde aber gerade in größeren Kommunen die Durchsetzung einer solchen Steuererhebung aufgrund der komplexeren Gremien- und Ratsstruktur erschwert. Dennoch sei ein solcher Entschuldungskurs sinnvoll, bedarf jedoch der Überwindung des politischen Widerstands.

Viele Kommunen sind nicht bereit, die damit verbundenen politischen Kosten durch die Widerstände und die Kritik der Bürger zu tragen. Zahlreiche Kommunen erhoffen anstelle eigener Maßnahmen eine Entschuldung über steigende Inflationsraten und ohne politischen Widerstand oder durch Stützungsmaßnahmen des Staates zu erreichen. Damit wird deutlich, dass grundsätzlich die Instrumente zur Haushaltskonsolidierung existieren, aber die Bereitschaft zur Konsolidierung unter dem starken kommunalpolitischen Druck nicht ausgeprägt ist. Faktisch hindert die Städte und Gemeinden jedoch nichts daran, ihre Steuern auch um etwaige exogen bedingte Ausfallbeträge zu erhöhen und damit von anderer Seite verursachte Lasten wieder abzuschöpfen. Die Notwendigkeit dieses Schrittes ließe sich den Bürgern durchaus vermitteln. Zugleich ginge damit ein unüberhörbares politisches Signal an die Verursacher etwaiger exogener Verschuldungsursachen. In keinem Fall ist es sachlich/fachlich angemessen, dass einzelne Kommunen suggerieren, sie könnten sich selbst nicht helfen. Im Gegensatz z.B. zu den Ländern, die nach wie vor praktisch über keine/kaum eine der Höhe nach disponible Steuer verfügen, sind die Kommunen in der angenehmen Lage, über eine ganze Reihe von Einnahmequellen zu verfügen, deren Erträge sie selbst bestimmen. Stark vernachlässigt wurde vielerorts insbesondere die Grundsteuer.

These 2: Bürger verstehen häufig die Problematik der Kommunalverschuldung ihrer Heimatkommune nicht oder interessieren sich nicht dafür.

Jeder Einzelne kommt nur dazu sich Gedanken zu machen, wenn er dazu animiert wird. Es ist insofern zweckdienlich, die Verbindung zwischen Erträgen und Aufwendungen fühlbar zu machen - soll heißen: Nur wenn der Bürger zahlt, merkt er, wie ernst die Lage ist. Eine geeignete Methode dazu ist die Erhöhung der Grundsteuer B. Heute weiß kaum ein Einwohner, wie hoch die Grundsteuer B in seiner Heimatgemeinde ist und wie viel er bezahlt. Wenn die Bürger allerdings merken, wie knapp es ist, könnten sie selbst entscheiden (mindestens direkt oder indirekt über Ausübung des aktiven, passiven Wahlrechts), ob sie mehr zahlen möchten oder wollen bzw. dass alternativ Leistungen abgebaut werden (etwa ein Schwimmbad geschlossen wird).

Man muss den Zusammenhang zwischen kommunalen Leistungen, Kosten und Erträgen deutlich machen. Den Bürgern sollte klar vor Augen gestellt werden, dass die von der Kommune unterhaltene Infrastruktur, die von ihr erbrachten Leistungen Geld kosten, das niemand anders aufbringen kann als sie selbst. Dieser Zusammenhang zwischen Leistungen der Kommune und Leistungen der Bürger muss wahrnehmbar gemacht werden. Die Grundsteuer B wäre an dieser Stelle ein geeignetes Mittel und überdies "sozial vertretbar": Wer ein kleines Einkommen hat, lebt meist in einer kleiner Wohnung und wäre nicht so stark betroffen. Ein automatischer Haushaltsausgleich über die Grundsteuer bietet sich an. Die Grundsteuer hat daneben weitere Vorteile: Ihr Aufkommen ist zuverlässig und gut prognostizierbar. Daneben trifft sie die allermeisten Bürger und Unternehmen. Ihre Erhöhung ist deshalb geeignet, den Zusammenhang zwischen kommunalen Leistungen und ihren Kosten ins Bewusstsein zu rücken und eine breite Diskussion darüber in Gang zu setzen, was man sich in der Kommune leisten will und was verzichtbar ist.

These 3: Es bedarf einer eindeutigen Regelung, wie der Haushaltsausgleich herzustellen ist, wenn die eigenen Bemühungen der Stadt oder Gemeinde scheitern.

Für die Gemeinden könnte eine solche Regel lauten: Sie müssen eine bestimmte Steuer erhöhen, wenn durch Aufwandssenkungen und andere Ertragserhöhungen sonst kein Ausgleich zustande kommt. Weil diese Steuer genügend ergiebig sein muss, scheiden die kleinen kommunalen Steuern (Hundesteuer, Spielapparatesteuer etc.) aus - schon weil das Aufkommen genügend sicher prognostizierbar sein muss, ist die Gewerbesteuer ebenfalls ein schlechter Kandidat. Die Grundsteuer dagegen ist mit sehr hoher Sicherheit in ihrem Aufkommen vorhersehbar.

Die Gesetze der Flächenländer zum Kommunalhaushalt sagen derzeit dem Kern nach dagegen bislang nur, die Gemeinde müsse ihren Haushalt ausgleichen. Was fehlt, ist eine Regel, wie sie - sofern ihre eigenen Bemühungen nicht ausreichen - den Ausgleich herbeizuführen hat. Entsprechend liegt es nahe dafür zu plädieren, eine entsprechende Regel in die Gemeindeordnungen aufzunehmen: Wenn das Geld nicht reicht, muss die Gemeinde die Grundsteuer B erhöhen. Die Grundsteuer B ist u.a. deshalb geeignet, weil die Gemeinde ihre Höhe frei bestimmen kann und die Erträge auf lange Sicht sehr zuverlässig sind. Verfassungsrechtlich ist die Grundsteuer unumstritten. Und der verbindliche Haushaltsausgleich über die Grundsteuer erhöht deutlich den Druck, neu über Konsolidierungsmöglichkeiten nachzudenken.

Deshalb bedarf es eines tragfähigen institutionellen Rahmens, der das Entstehen struktureller kommunaler Haushaltsdefizite in Zukunft verlässlich verhindert. Genau daran hapert es jedoch zurzeit. In den Gemeindeordnungen steht zwar unmissverständlich, dass der Haushalt in Plan und Rechnung auszugleichen ist, aber nicht wie. Es bedarf insofern einer Regel, die immer dann greift, wenn andere Wege des Haushaltsausgleichs nicht beschritten werden. Dafür kommt die Grundsteuer in Betracht: Den Gemeinden muss verbindlich eine Erhöhung der Grundsteuer vorgegeben werden, wenn sonst der Haushaltsausgleich nicht gelingt.

These 4: In den Räten gibt es gegenwärtig zu wenig Anreize, sich ernsthaft mit Sparvorschlägen auseinanderzusetzen.

Aktuell bekommen in zahlreichen Kommunen konsolidierungswillige Mandats- und Verantwortungsträger oder auch Mitarbeiter der Kernverwaltung, die konkrete Sparvorschläge machen, sofort Gegenwind (siehe dazu exemplarisch nachfolgenden idealtypischen Beitrag).

» Klamme Kommunen - Sparen verboten
    Autor: Michael Hesse

Bei einer verbindlichen Rechtsregel, nach der der fehlende Haushaltsausgleich, wenn es nicht anders geht, über die Grundsteuer hergestellt wird, würde sich diese Situation hingegen verändern (Umkehrung der Argumentationsstruktur/"Gefechtslage"). Wenn z.B. eine Million Euro zum Ausgleich fehlen, weil z.B. gewisse Kommunalleistungen (neu oder weiterhin) angeboten werden sollen, dann müsste in dieser Situation jeder Einwohner (auch jeder Mieter) über seine Grundsteuer das Finanzloch mit stopfen. Exakt in dem Moment kippt die ganze Argumentationssituation um, weil dann nicht mehr derjenige begründungspflichtig ist, der sparen will, sondern der ist begründungspflichtig, der nicht sparen will. Jeder einzelne Konsolidierungsvorschlag würde hingegen jeden einzelnen Bürger ganz konkret entlasten, während zahlreiche kommunale Leistungen nur wenigen Gemeindeeinwohnern einen Nutzen stiften.

Bisher sehen sich diejenigen, die Einsparvorschläge machen, der (zuweilen lautstarken) Kritik der Betroffenen ausgesetzt. Auf Unterstützung können sie dagegen nur vereinzelt hoffen, weil scheinbar ja niemand profitiert. Mit einer Kopplung an die Grundsteuer B kehrt sich diese Lage hingegen um, und zwar spätestens dann, wenn die Erhöhungen der Grundsteuer die Spürbarkeitsgrenze überschreiten.

These 5: Zusätzlich kann der Konsolidierungsdruck mittels der Kommunalaufsicht erhöht werden.

Die Kommunalaufsicht sei gefordert (in denjenigen Ländern/Fällen, in denen das bislang nicht der Fall ist), ihrer Aufgabe stärker zu folgen und den Konsolidierungsdruck gegenüber den politischen Entscheidungsträgern auf kommunaler Ebene zu erhöhen. Dies würde auch implizieren, dass der Ermessensspielraum für Entscheidungen, die den Kommunalhaushalt betreffen, gänzlich abgeschafft werden sollte. Sämtliche Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung sind dabei stets konform zu den rechtlichen Rahmenbedingungen zu treffen.

Eine enge und restriktive Kommunalaufsicht ist wegen der politischen Anreize, denen die (Kommunal-)Politik ausgesetzt ist, unentbehrlich. Vor Ort gibt es häufig (starke) Widerstände gegen Konsolidierungsmaßnahmen. Zwar sind zuweilen von der konkreten Sparmaßnahme nur einige wenige Einwohner unmittelbar betroffen, aber alle anderen interessiert die Sache teilweise nicht, denn was hat die Debatte mit ihnen zu tun? Ziel der Kommunalpolitiker ist u.a. legitimer Weise ihre Wiederwahl. Sie sehen wegen der Proteste ihre Chancen schwinden und geben deshalb nach - wenn die Kommunalaufsicht es zulässt.

Bei Kopplung des Haushaltsausgleiches an die Grundsteuer B würde die Finanzaufsicht massiv entlastet. Der gesetzliche Zwang, die Grundsteuer nötigenfalls in dem Umfang zu erheben, wie dies notwendig ist, um den Haushalt auszugleichen, ist einfach zu überwachen. Damit wäre die Durchführung auch in denjenigen Flächenländern möglich, in denen die Aufsicht in den vergangenen Jahren personell stark ausgedünnt wurde und in denen es viele konsolidierungsbedürftige Kommunen gibt (problemadäquate Begegnung des Phänomens der Massenaufsicht).

These 6: Der in einzelnen Ländern bislang niedrige Konsolidierungsdruck kann durch Schaffung von Transparenz erhöht werden.

Eine Offerte, um das zu erreichen, ist die Entwicklung geeigneter Indikatoren. Ein transparenter Vergleich zwischen den einzelnen Kommunen durch die Implementierung von Kennzahlen würde längerfristig dazu beitragen, einem höheren Konsolidierungsdruck entstehen zu lassen. Das setzt allerdings voraus, dass diese Informationen öffentlich zugänglich gemacht werden.

» Notoperation für Problemkommunen - Städte und Gemeinden müssen für
    Haushaltskonsolidierung an der Steuerschraube drehen - Sparmaßnahmen auch bei
    Pflichtaufgaben erforderlich

    Autor: Janbernd Oebbecke

» Kommunen dürfen nicht mehr ausgeben, als sie einnehmen
    Hrsg.: Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät Münster

» Denkverbote aufheben
    Hrsg.: Come-on.de

» Steuerdebatte ohne Denkverbote
    Autor: Ludger Warnke

» Interview mit Janbernd Oebbecke: "Verdoppeln wir doch die Grundsteuer"
    Hrsg.: Neue Westfälische

» Stärkungspakt: Erhöhung der Grundsteuer: Bürger machten ihrem Unmut Luft
    Autor: Malte Woesmann

» Noch zehn Schritte vor dem Abgrund - Strategien gegen den kommunalen Finanzkollaps
    Autor: Michael Kuhlmann

Bislang hat kein einziges für das Gemeindehaushaltsrecht zuständiges Flächenland Rechtsregelungen installiert, die eine doppische Schuldenbremse nebst Generationenbeitrag vorsehen. Für die Zukunft erscheint das indes nicht als ausgeschlossen. Bislang wurden noch von keiner Seite Fachargumente vorgetragen, welche die Funktionstüchtigkeit und Praktikabilität einer solchen Regel bezweifeln. Insofern wäre die Etablierung eines derartigen Systems geradezu die logische Folge der Doppik-Einführung im kommunalen Raum. Mit der Doppik wird/wurde erstmals konkret sichtbar, ob eine Gebietskörperschaft ihre Haushaltspolitik an der Generationengerechtigkeits-Maxime ausrichtet. Und sofern folglich auch die Umsetzung dieser Maxime allerorts politisch-normativ gewünscht wird, bietet sich eine derartige Lösung an.

Trotzdem gibt es im kommunalen Raum bereits vereinzelt Bestrebungen, auch ohne verbindliche Rechtsregelung das eigene Handeln an derartigen Modellen anzulehnen. Ohne gesetzliche Grundlage bleibt ein derartiges Unterfangen allerdings für die Akteure vor Ort sehr schwer umzusetzen (Vgl. exemplarisch: Doppische Schuldenbremse mit Generationenbeitrag - Ein Interview mit Jörg Schrader). Das Ventil unausgeglichener Haushalte erscheint vielerorts als der politisch bequemere Weg (siehe Argumentation zu den politischen Kosten). Janbernd Oebbecke beschreibt die jetzige Situation (keine gesetzliche Regelung zu einer doppischen Schuldenbremse mit Generationenbeitrag) daher in einem Vortrag skeptisch, wenngleich örtliche Initiativen begrüßt werden (siehe Janbernd Oebbecke: Wege aus der Finanznot, S. 12):
"Diese Regel gibt es aber bisher nicht und ich fürchte, es wird auch noch eine Weile dauern. In der einzelnen Kommune könnte man sich damit behelfen, dass man einen breiten Konsens in der Kommunalpolitik herstellt. Die wichtigen Fraktionen können sich gegenseitig öffentlich versprechen - neudeutsch: sich committen -, den Haushalt auf jeden Fall, notfalls über die Grundsteuer auszugleichen. Das ist möglich; aber es ist deshalb nicht einfach, weil man leicht wie der Dumme aussieht, wenn man sich als einzige oder als eine der wenigen Kommunen richtig verhält. Wenn alle bei roter Ampel über die Straße gehen, kommt man sich blöd vor, wenn man stehen bleibt."

» Wege aus der Finanznot?
    Autor: Janbernd Oebbecke





©  Andreas Burth, Marc Gnädinger