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Doppische Investitionskredit-Schuldenbremse
Doppische Investitionskredit-Schuldenbremse
29. März 2011 |
Autor: Marc Gnädinger
Kommunale Investitionskredite stellen im Portfolio der Verbindlichkeiten der Gemeinden und
Gemeindeverbände die voluminöseste Kategorie dar. Im Gegensatz zu den
Kassenkrediten (umgangssprachlich:
"Kommunaler Dispo") sind Investitionskredite durch materiell geschaffene Werte gedeckt. Ihnen stehen
zuweilen auch Erträge aus dem finanzierten Investitionsprojekt, z.B. Gebühreneinnahmen, gegenüber. Ein
finanzwirtschaftliches Problem sind Investitionskredite nicht notwendigerweise. Sie werden erst dann
zu einem ernsten Problem, wenn die betroffene Kommune den
Schuldendienst (Zins und Tilgung) nicht mehr tragen kann.
Im Kontext der Generationengerechtigkeitsdebatte werden Investitionskredite dann heikel, wenn die aus
ihnen resultieren Zinsaufwendungen (nebst anteiligen Personal- und Sachaufwendungen für das Schuldenmanagement)
dazu führen, dass der
Ausgleich des
ordentlichen Ergebnisses in
Ergebnishaushalt bzw.
-rechnung nicht mehr
gelingt. In diesem Fall ist nach gängiger wissenschaftlicher Definition die dauerhafte finanzielle
Leistungsfähigkeit nicht mehr gewährleistet: Die Kommune lebt auf Kosten kommender Generationen. Die
ökonomische Schutzfunktion, nach der u.a. kommende Generationen vor Ausbeutung durch die aktuelle Generation
bewahrt werden sollen, ist verletzt. Der Ressourcenverbrauch wird im Haushaltsjahr nicht mehr erwirtschaftet.
Alle Flächenländer kennen daher Begrenzungsregelungen für die Investitionskreditaufnahme ihrer Kommunen.
Sofern die entsprechenden Regelungen mit dem Generationengerechtigkeitsprinzip abgestimmt sind, dienen sie
dem Schutz der betreffenden Kommunen und sind damit als kommunalfreundlich zu qualifizieren. Sie bewahren
die Kommunen vor einer (selbstverursachten) drohenden finanziellen Handlungsunfähigkeit - sofern die Regeln
seitens der Aufsichtsbehörden mit Konsequenz und Nachdruck durchgesetzt werden.
Auf einer ersten Stufe entsprechen sich die in diesem Sinne aufgestellten Rechtsregelungen der einzelnen
Länder. In allen Gesetzestexten finden sich unter der Überschrift
"Grundsätze der Erzielung von Erträgen und Einzahlungen" (teils unter der Überschrift
"Grundsätze der Einnahmebeschaffung", "Erträge und Kredite",
"Grundsätze der Finanzmittelbeschaffung") Bestimmungen für die kommunale Investitionskreditaufnahme. Nach
ihnen dürfen Kommunen Kredite (für Investitionen und Investitionsförderungsmaßnahmen) nur dann aufnehmen,
wenn eine andere Finanzierung nicht möglich ist oder wirtschaftlich unzweckmäßig wäre. Damit
kommt der Investitionskreditaufnahme eine nachrangige Bedeutung zu: Bevorzugt wird eine Finanzierung über verfügbare
allgemeine Deckungsmittel oder angesparte Mittel - zumindest dann, wenn eine alternative Finanzierung nicht
wirtschaftlich unzweckmäßig wäre. Derartige Rechtsregelungen sind manifestiert in § 78 (3) Gemeindeordnung
für Baden-Württemberg, Art. 62 (3) Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern, § 64 (3) Kommunalverfassung des
Landes Brandenburg, § 93 (3) Hessische Gemeindeordnung, § 44 (3) Kommunalverfassung für das Land
Mecklenburg-Vorpommern, § 83 (3) Niedersächsische Gemeindeordnung, § 77 (3) Gemeindeordnung für das Land
Nordrhein-Westfalen, § 94 (3) Gemeindeordnung Rheinland-Pfalz, § 83 (3), S.1 Kommunalselbstverwaltungsgesetz
Saarland, § 73 (4) Gemeindeordnung für den Freistaat Sachsen, § 91 (3) Gemeindeordnung für das Land Sachsen-Anhalt,
§ 76 (3) Gemeindeordnung für Schleswig-Holstein und § 5 (3) Thüringer Gesetz über die kommunale Doppik sowie § 54 (3)
Thüringer Gemeinde- und Landkreisordnung. Das Saarland präzisiert in § 83 (3), S.2, dass Straßenausbaubeiträge für
die Fahrbahnen von öffentlichen Straßen nicht zu den anderen Finanzierungsmöglichkeiten zählen. Eine vergleichbare
Regelung findet sich im Recht der anderen Länder nicht.
Grundsätzlich wird der Terminus "Investitionskredite" nicht in allen Länder verwendet. Zuweilen wird
im jeweiligen Haushaltsrecht teilweise von "Krediten", "Krediten für Investitionen und
Investitionsförderungsmaßnahmen"
(nur in Mecklenburg-Vorpommern), "Kredite für Investitionen" (nur im Saarland) gesprochen. In Brandenburg,
Rheinland-Pfalz und Thüringen wird von Investitionskrediten gesprochen. Das Recht in Baden-Württemberg, Bayern,
Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und von Schleswig-Holstein kennt hingegen
den Begriff der Kredite.
Auf einer zweiten Ebene beschränken alle Flächenländer die kommunale (Investitions-)Kreditaufnahme, indem sie
den möglichen Verwendungszweck einengen (siehe Abbildung 2). So dürfen Kredite i.d.R. nur für Investitionen,
Investitionsförderungsmaßnahmen und zur Umschuldung aufgenommen werden. Derartige Regeln kennen zwölf der 13
Flächenländer. Entsprechende Bestimmungen sind normiert in § 87 (1) Gemeindeordnung Baden-Württemberg, Art 71
(1) Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern, § 74 (1) Kommunalverfassung des Landes Brandenburg, §§ 103 und
114j Hessische Gemeindeordnung, § 52 (1) Kommunalverfassung für das Land Mecklenburg-Vorpommern, § 92 (1)
Niedersächsische Gemeindeordnung, § 103 (1) Gemeindeordnung Rheinland-Pfalz, § 92 (1) Kommunalselbstverwaltungsgesetz
Saarland, § 82 (1) Gemeindeordnung für den Freistaat Sachsen, § 100 (1) Gemeindeordnung für das Land Sachsen-Anhalt,
§ 95g (1) Gemeindeordnung für Schleswig-Holstein und § 14 (1) Thüringer Gesetz über die kommunale Doppik sowie § 63
(1) Thüringer Gemeinde- und Landkreisordnung. Nordrhein-Westfalen stellt mit seinen Rechtsregelungen zur Einschränkung
der Kreditaufnahme nach dem Verwendungszweck eine Ausnahme dar: Hier dürfen zwar auch Kredite nur für Investitionen und
zur
Umschuldung aufgenommen werden, allerdings ist in § 86 (1) Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen, in
Abweichung zu den anderen Ländern, nicht von Investitionsförderungsmaßnahmen die Rede.
Als weitere Schranke sehen nahezu alle Flächenländer das Institut der Gesamtgenehmigung vor. Nach diesem ist der
Gesamtbetrag der (Investitions-)Kredite für Investitionen und Investitionsförderungsmaßnahmen im Rahmen der
Haushaltssatzung durch die Aufsicht zu genehmigen. Und die Genehmigung soll/kann unter dem Gesichtspunkt einer
geordneten Haushaltswirtschaft erteilt oder versagt werden. Sie ist in der Regel zu versagen, wenn die
Kreditverpflichtungen mit der
dauernden Leistungsfähigkeit der Kommune nicht im Einklang stehen bzw. diese gefährden.
Weiterhin kann die Genehmigung unter Bedingungen und Auflagen erteilt werden. Eine entsprechende Rechtsregelung
findet sich in § 87 (2) Gemeindeordnung für Baden-Württemberg, Art. 71 (2) Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern,
§ 74 (2) Kommunalverfassung des Landes Brandenburg, §§ 103 (2) und 114j (2) Hessische Gemeindeordnung, § 52 (2)
Kommunalverfassung für das Land Mecklenburg-Vorpommern, § 92 (2) Niedersächsische Gemeindeordnung, § 103 (2)
Gemeindeordnung Rheinland-Pfalz, § 92 (2) Kommunalselbstverwaltungsgesetz Saarland, § 82 (2) Gemeindeordnung für
den Freistaat Sachsen, § 100 (2) Gemeindeordnung für das Land Sachsen-Anhalt (hier mit der zusätzlichen Präzisierung
in § 100 (1), S.2 Gemeindeordnung für das Land Sachsen-Anhalt, dass die aus der Kreditaufnahme resultierenden
Verpflichtungen mit der dauerhaften Leistungsfähigkeit in Einklang stehen müssen), §§ 85 (2) und 95g (2) Gemeindeordnung
für Schleswig-Holstein und §§ 14 (2) Thüringer Gesetz über die kommunale Doppik sowie § 63 (2) Thüringer Gemeinde- und
Landkreisordnung. In Nordrhein-Westfalen gilt eine andere Regelung, als bei den sonstigen Ländern. Zwar bestimmt § 86
(1), S.2 Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen, dass die aus den Krediten resultierenden Verpflichtungen mit
der dauernden Leistungsfähigkeit in Einklang stehen müssen, gleichwohl enthält die Vorschrift keine Angaben zu einer
Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde. Ebenfalls findet sich kein Hinweis, dass die Genehmigung unter Bedingungen
erteilt und mit Auflagen verbunden werden kann, wie das in den Vorschriften anderer Länder gehandhabt wird.
So homogen die einzelnen Rechtsregelungen zur Gesamtgenehmigung auf den ersten Blick klingen, sind sie indes nicht
im Detail. Bei der sog. "dauerhaften finanziellen Leistungsfähigkeit" handelt es sich um einen unbestimmten
Rechtsbegriff, der einer näheren Interpretation bedarf. Und an eben dieser Stelle gibt es Unterschiede. Nach
(strenger) wissenschaftlicher Auslegung gilt die dauerhafte finanzielle Leistungsfähigkeit dann als gefährdet, wenn die
Kommune ihr ordentliches Ergebnis (auf Dauer) nicht ausgleichen kann. In diesen Fällen wirtschaftet sie auf Kosten
kommender Generationen - selbst wenn nicht unmittelbar auf das ordentliche Ergebnis abgestellt wird, wäre - wenngleich
weniger restriktiv - zumindest der Erhalt des Eigenkapitals einzufordern (Ausgleich Gesamtergebnis). Eine mit der
interperiodischen Gerechtigkeit abgestimmte Kreditschuldenbremse müsste die Kreditaufnahme dann versagen, wenn die
aus den Krediten resultierenden Zinsaufwendungen (nebst anteiliger Personal- und Sachaufwendungen für das Schuldenmanagement)
dazu führen, dass das ordentliche Ergebnis nicht ausgeglichen werden kann. Dahingehende Bestimmungen zu einer
Konkretisierung der dauerhaften finanziellen Leistungsfähigkeit finden sich allerdings nur vereinzelt in den
Verwaltungsvorschriften der Länder. In den meisten Fällen bleibt eine nähere Definition der dauerhaften finanziellen
Leistungsfähigkeit aus oder bleibt unkonkret.
Eine in diesem Sinne vergleichsweise eindeutige Verwaltungsvorschrift wurde beispielsweise für Sachsen formuliert
(Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums des Innern über die Grundsätze der kommunalen Haushalts-
und Wirtschaftsführung und die rechtsaufsichtliche Beurteilung der kommunalen Haushalte zur dauerhaften Sicherung
der kommunalen Aufgabenerledigung nach den Regeln der
Doppik (VwV Kommunale Haushaltswirtschaft-Doppik - VwV
KommHHWi-Doppik) vom 20. Dezember 2010). Hier heißt es u.a. eindeutig: "Die dauernde Leistungsfähigkeit der Kommune
ist gesichert, wenn im Finanzplanungszeitraum die im Ergebnishaushalt veranschlagten Aufwendungen durch Erträge gedeckt
werden." Schleswig-Holstein nimmt eine Konkretisierung in näherungsweiser Anlehnung an
den Generationengerechtigkeits-Grundsatz bereits auf Ebene des Gesetzes vor,
obgleich in diesem Kontext nicht explizit von dauerhafter finanzieller Leistungsfähigkeit
gesprochen wird. Nach § 95g (5) Gemeindeordnung für Schleswig-Holstein bedarf die Gemeinde
für den Gesamtbetrag der Kredite und die Begründung von Zahlungsverpflichtungen keiner Genehmigung,
wenn der Ergebnisplan des Haushaltsjahres und der drei nachfolgenden Jahre nach dem mittelfristigen
Ergebnisplan ausgeglichen ist sowie der Ergebnisplan oder die Ergebnisrechnung in den beiden
vorangegangenen Haushaltsjahren ausgeglichen war. Sofern der Ergebnisausgleichvorgabe entsprochen wird,
bedarf es demnach keiner Genehmigung der Aufsicht für die Kreditaufnahme. Gleichwohl bedeutet das
allerdings noch nicht notwendigerweise, dass im Umkehrschluss die Kreditaufnahme versagt werden muss,
wenn der daraus resultierende Aufwand zu einem Verfehlen des (ordentlichen) Ergebnisausgleiches führt.
Eine explizite Definition für die dauernde Leistungsfähigkeit kennt auch § 23 Gemeindehaushalts- und
Kassenverordnung Niedersachsen. Nach dieser Regel werden Prämissen aufgestellt, nach denen die dauernde
Leistungsfähigkeit angenommen werden kann. Hierzu gehören u.a. der Haushaltsausgleich im Haushaltsjahr
und der Ausgleich der mittelfristigen Ergebnis- und Finanzplanung unter Berücksichtigung eventueller
Fehlbeträge.
Neben der Gesamtgenehmigung sehen nahezu alle Länder für die Kreditaufnahme das Institut der Einzelgenehmigung von
Krediten in ihrem Recht vor. Das heißt, selbst bei Erteilung der Gesamtgenehmigung, bedürfen einzelne Kredite in
bestimmten Fällen der Einzelgenehmigung. In den meisten Ländern ist die Genehmigung einzelner Kredite dann vorgesehen,
wenn nach § 19 des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft die Kreditaufnahme beschränkt
wurde (siehe Abb. 3). In diesen Fällen kann die Einzelgenehmigung nach Maßgabe der Kreditbeschränkung versagt werden.
Regelungen in Anlehnung an § 19 des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft sehen die
Länder Baden-Württemberg (§ 87 (4) Gemeindeordnung Baden-Württemberg), Bayern (Art 71 (4) Gemeindeordnung für den
Freistaat Bayern), Brandenburg (§ 74 (4) Kommunalverfassung des Landes Brandenburg), Hessen (§§ 114j (4), 1. und 103
(4) Hessische Gemeindeordnung), Mecklenburg-Vorpommern (§ 52 (4), 1. Kommunalverfassung für das Land
Mecklenburg-Vorpommern), Niedersachsen (§ 92 (4) Niedersächsische Gemeindeordnung), Nordrhein-Westfalen (§ 86 (3)
Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen), Rheinland-Pfalz (§ 103 (4), 1. Gemeindeordnung Rheinland-Pfalz),
Saarland (§ 92 (4) Kommunalselbstverwaltungsgesetz Saarland), Sachsen-Anhalt (§ 100 (4) Gemeindeordnung für das Land
Sachsen-Anhalt), Schleswig-Holstein (§ 95g (4), 1. Gemeindeordnung für Schleswig-Holstein) und Thüringen (§§ 14 (4),
1. Gesetz über die kommunale Doppik Thüringen und 63 (4), 1. Thüringer Gemeinde- und Landkreisordnung) vor. Sachsen
benennt in seinem Recht zur Kreditaufnahme nicht explizit den § 19 des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des
Wachstumes der Wirtschaft. Gleichwohl heißt es in § 82 (4) Sächsische Gemeindeordnung: "Die Aufnahme der einzelnen
Kredite, deren Gesamtbetrag [...] genehmigt worden ist, bedarf der Genehmigung der Rechtsaufsichtsbehörde (Einzelgenehmigung),
soweit kraft Gesetzes Kreditaufnahmen beschränkt sind."
Daneben sehen zwei Länder in einem darüber hinausgehenden Zusammenhang weitere Einzelgenehmigungen im Kontext
gesamtwirtschaftlicher Überlegungen vor. So z.B. in Bayern nach Art 71 (5) Gemeindeordnung für den Freistaat
Bayern. Hier heißt es: "Das Staatsministerium des Innern kann im Einvernehmen mit den Staatsministerien der
Finanzen und für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie durch Rechtsverordnung die Aufnahme von
Krediten von der Genehmigung (Einzelgenehmigung) abhängig machen, wenn der Konjunkturrat für die öffentliche
Hand nach § 18 Abs. 2 des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft eine Beschränkung
der Kreditaufnahme durch die Gemeinden und Gemeindeverbände empfohlen hat. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn
dies zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts geboten ist oder wenn die Kreditbedingungen
wirtschaftlich nicht vertretbar sind. Solche Rechtsverordnungen sind auf längstens ein Jahr zu befristen." Ein
ähnlicher Verweis auf die Empfehlungen des Konjunkturrates findet sich in den §§ 14 (5) Gesetz über die kommunale
Doppik Thüringen und 63 (5) Gemeinde- und Landkreisordnung Thüringen.
Ohne Verweis auf das Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft, aber gleichwohl unter
gesamtwirtschaftlichen Aspekten, formulieren einige Länder weitere Regelungen zur Einzelgenehmigung von kommunalen
Krediten. So z.B. Brandenburg mit § 74 (4), 2. Kommunalverfassung des Landes Brandenburg. Hier bedarf die Aufnahme
der einzelnen Kredite, deren Gesamtbetrag genehmigt worden ist, der Genehmigung der Kommunalaufsichtsbehörde
(Einzelgenehmigung), wenn "bei Gefährdung des Kreditmarktes die Aufnahme von Krediten durch Rechtsverordnung der
Landesregierung von der Genehmigung der Kommunalaufsichtsbehörde abhängig gemacht worden ist; die Rechtsverordnung
kann vorsehen, dass die Genehmigung versagt werden kann, wenn die Kreditbedingungen die Entwicklung am Kreditmarkt
ungünstig beeinflussen oder die Versorgung der Gemeinden mit wirtschaftlich vertretbaren Krediten stören können."
Eine ähnliche Regel gilt für Niedersachsen nach § 92 (5) der niedersächsischen Gemeindeordnung sowie für Rheinland-Pfalz
nach § 103 (4), 3. Gemeindeordnung Rheinland Pfalz. Eine verwandte Regel findet sich auch für Hessen. Nach § 114j (5)
Gemeindeordnung Hessen kann die für das Kommunalrecht zuständige Ministerin oder der hierfür zuständige Minister im
Einvernehmen mit der Ministerin oder dem Minister der Finanzen durch Rechtsverordnung bestimmen, dass die Aufnahme
von Krediten von der Genehmigung (Einzelgenehmigung) der Aufsichtsbehörde abhängig gemacht wird - mit der Maßgabe,
dass die Genehmigung versagt werden kann, wenn die Kreditbedingungen die Entwicklung am Kreditmarkt ungünstig
beeinflussen oder die Versorgung der Gemeinden mit Krediten zu wirtschaftlich vertretbaren Bedingungen stören könnten.
Eine solche Rechtsverordnung ist unverzüglich nach ihrer Verkündung dem Landtag mitzuteilen, Sie ist aufzuheben, wenn
es der Landtag verlangt. Eine wiederum ähnliche Regel, wenngleich sich die Details unterscheiden, findet sich auch in
§ 95g (7), 1. Gemeindeordnung für Schleswig-Holstein.
Neben gesamtwirtschaftlichen Gründen sehen einzelne Länder auch das Institut der Einzelgenehmigung bei
weiteren Sachverhalten vor, wenn:
- ein
Haushaltssicherungskonzept aufgestellt worden ist und die Kommunalaufsichtsbehörde sich die Genehmigung
der Aufnahme einzelner Kredite vorbehalten hat (Regelung nach § 74 (4), 3. Kommunalverfassung des Landes Brandenburg).
- sich die Aufsichtsbehörde dies im Einzelfall wegen der Gefährdung der dauernden Leistungsfähigkeit der Gemeinde
in der Gesamtgenehmigung vorbehalten hat (§ 114j (4), 2. Gemeindeordnung Hessen, § 52 (4), 2. Kommunalverfassung für
das Land Mecklenburg-Vorpommern, § 103 (4), 2. Gemeindeordnung Rheinland-Pfalz, § 95g (4), 2. Gemeindeordnung für
Schleswig-Holstein, § 14 (4), 2. Gesetz über die kommunale Doppik Thüringen und § 63 (4), 2. Thüringer Gemeinde- und
Landkreisordnung).
Neben Gesamt- und Einzelgenehmigung kennen einige Länder darüber hinaus weitere Sonderregeln für die Kreditaufnahme:
- § 114 j (6) Gemeindeordnung Hessen: Die Aufnahme eines vom Land Hessen gewährten Kredits bedarf keiner
Einzelgenehmigung, wenn an der Bewilligung die für das Kommunalrecht zuständige Ministerin oder der hierfür
zuständige Minister beteiligt ist.
- § 52 (6) Kommunalverfassung für das Land Mecklenburg-Vorpommern: Das Innenministerium wird ermächtigt,
durch Rechtsverordnung die Begründung von Zahlungsverpflichtungen von der Genehmigungspflicht freizustellen,
wenn sie zur Erfüllung bestimmter Aufgaben entstehen oder ihrer Natur nach regelmäßig wiederkehren oder wenn
bestimmte Beträge nicht überschritten werden.
- § 16 (2) Kommunalhaushaltsverordnung Saarland: Übersteigen die Einzahlungen aus laufender Verwaltungstätigkeit
die Auszahlungen aus laufender Verwaltungstätigkeit, ist der hierdurch sich ergebende Überschuss nach Abzug der
für die Tilgung von Investitionskrediten erforderlichen Auszahlungen zur Verminderung von Verbindlichkeiten aus
Kreditaufnahmen zur Liquiditätssicherung zu verwenden.
- § 92 (1), S.2 Niedersächsische Gemeindeordnung: Die Gemeinde hat Richtlinien für die Aufnahme von Krediten
aufzustellen.
Die wichtigste Regel zur Begrenzung der Investitionskreditaufnahme findet sich nicht unter den speziellen
Investitionskreditschranken bzw. sie lässt sich dort lediglich indirekt aus der Forderung nach Aufrechterhaltung
der dauerhaften finanziellen Leistungsfähigkeit ableiten. Es handelt sich um die Bestimmungen zum doppischen
Haushaltsausgleich. Mit Einführung des neuen Haushaltsrechts haben hier alle Länder neue Rechtsregeln aufgestellt.
Diese unterscheiden sich allerdings im Detail (siehe Abb. 5).
Im Kern kann dennoch festgehalten werden, dass alle Länder im Grundsatz den Ausgleich auf der Ergebnisebene des
Haushaltes suchen. Gleichwohl unterscheiden sich die Normen in ihrer Strenge. Unter dem Blickwinkel der
Generationengerechtigkeits-Maxime wäre der Ausgleich stets im ordentlichen Ergebnis zu suchen. Selbstredend
ist diese Regel nicht statistisch zu verstehen, sondern dynamisch. In wirtschaftlichen Schwächephasen (z.B.
im Zuge der jüngsten Finanzkrise) kann das Eigenkapital temporär auch einmal als Puffer genutzt werden. Im
Mittel ist aber der Ausgleich im ordentlichen Ergebnis zu suchen: Wer in der wirtschaftlichen Schwächephase
Eigenkapital abbaut, muss es in Zeiten wirtschaftlicher Prosperität auch wieder aufbauen - ansonsten droht je
nach Ausgangslage irgendwann die Überschuldung ("nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag"; vereinfacht
ausgedrückt sind in dieser Situation die Schulden höher als das Vermögen).
Und die Regel zum Ausgleich des (ordentlichen) Ergebnisses wirkt wie eine flexible Schuldenbremse, die mit dem
Generationengerechtigkeitsprinzip in Einklang steht. So können unter der Vorgabe des (ordentlichen)
Ergebnisausgleiches Investitionskredite prinzipiell nur so lange aufgenommen werden, bis der daraus resultierende
Zinsaufwand nebst anteiliger Personal- und Sachaufwendungen für das Schuldenmanagement nicht dazu führt, das der
Ausgleich nicht mehr gelingt (s. Abb. 6). In diesem Kontext könnte man von einer doppischen Schuldenbremse unter
Berücksichtigung des ethischen Leitbildes der Periodengerechtigkeit sprechen - einschränkend ist an dieser Stelle
allerdings auf die heterogenen Gliederungsregelungen der Ergebnishaushalte und -rechnungen zw. den Ländern, die
Bewertungsfragen (insb. bei Eröffnungsbilanzierung und der hier gegebenen Wahlrechte, die u.a. die Höhe der
Abschreibungen und damit die potentielle Höhe der Zinsaufwendungen beeinflussen, unter den denen der Haushaltsausgleich
noch gelingt) hinzuweisen. Ebenfalls relevant für die Höhe der möglichen zulässigen Zinsaufwendungen, die aus der
Kreditaufnahme resultieren, ist, ob im Falle eines verfehlten Ausgleiches des (ordentlichen) Ergebnisses Rücklagen
in Anspruch genommen werden können (und wenn ja welche).
Im Sinne einer antizyklischen Haushaltspolitik nach dem Kodex der Generationengerechtigkeit müssten bei
wirtschaftlicher Normallage Überschüsse im ordentlichen Ergebnis erwirtschaftet werden, von denen in wirtschaftlich
schwierigen Zeiten gezehrt werden kann (Pufferfunktion). Insofern wäre das ordentliche Ergebnis über den
Konjunkturzyklus ausgeglichen. In diesem Sinne müsste dann auch die Kreditaufnahmeregel ausgestaltet sein.
Ansonsten führt die strenge Ausrichtung am ordentlichen Ergebnis in Kombination mit einer so gestalteten
Kreditregel u.U. zu einer zyklischen Haushaltspolitik, weil in wirtschaftlich guten Zeiten höhere Kredite
aufgenommen werden können: Da in wirtschaftlich guten Zeiten Erträge (z.B. Steuern) höher ausfallen und
Aufwendungen (z.B. für Soziales) tendenziell niedriger sind, ist das Potential für Zinsaufwendungen, die
nicht zu einem unausgeglichenen ordentlichen Ergebnis führen, größer. Dem hingegen wäre das Potential für
Kredite und daraus resultierende Zinsaufwendungen in wirtschaftlichen Krisenzeiten geringer, weil hier i.d.R.
Steuererträge schwächer ausfallen und demnach der Zinsaufwand leicht zu einem Verfehlen des ordentlichen
Ergebnisausgleiches führt. Diesem Gedankengang folgend wären Kredite in wirtschaftlichen Normalzeiten schon dann
zu untersagen, wenn es durch ihren Zinsaufwand nicht zu einem angemessenen Überschuss im ordentlichen Ergebnis kommt.
Weiterführende online zugängliche Informationen zum Thema Investitionskreditaufnahme und ihre Bedeutung für
die Generationengerechtigkeitsfrage finden Sie hier:
» Deutsche Schuldenbremse(n) - Etablierte Modelle und ökonomisch begründeter Fortentwicklungsbedarf
Autoren: Dennis Hilgers, Marc Gnädinger
» Einführung und Weiterentwicklung des neuen kommunalen Haushalts- und Rechnungswesens unter besonderer Berücksichtigung des ethischen Leitbilds der intergenerativen Gerechtigkeit
Autoren: Andreas Glöckner, Marc Gnädinger, Thomas Grieger
» Generationengerechte Haushaltswirtschaft - Schuldenverbot, HGrGMoG und Ergebnisausgleich
Autoren: Edmund Fischer, Marc Gnädinger
» Kassenkredit-Schuldenbremsen in der kommunalen Doppik, Blog-Eintrag vom 7. März 2011
Autor: Marc Gnädinger
» Neue Regeln für die Kommunalschuldenbremse(n) in Deutschland (Präsentation beim Verwaltungsmanagement-Tag am 17. März 2011 in Linz)
Referent: Marc Gnädinger
» Rechtliche Vorgaben für den Haushaltsausgleich und ihre Durchsetzung
Autor: Janbernd Oebbecke
» Schuldenfreie Kommunen
Autor: Marc Gnädinger
Ein umfassendes Informationsangebot zum Stand sowie zur Entwicklung der Kommunalverschuldung
in den Flächenländern auf Basis finanzstatistischer Daten finden Sie hier:
» Staatsverschuldung in Deutschland
Hrsg.: HaushaltsSteuerung.de
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