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10er-Regel der Fehlerkosten
Lexikon zur öffentlichen Haushalts- und Finanzwirtschaft
10er-Regel der Fehlerkosten
Bei der 10er-Regel der
Fehlerkosten handelt es sich um eine Faustformel des
Qualitätsmanagements. Angewendet
wird die 10er-Regel der Fehlerkosten z.B. im Kontext der Entwicklung und Einführung neuer Produkte (z.B.
Autohersteller entwickelt neues Modell) und im Zusammenhang mit der Umsetzung von Projekten. Beispiele für (neue) Produkte bzw.
Projekte im Bereich des öffentlichen Sektors wären z.B.:
- Entwicklung, Einführung und Echtbetrieb des neuen
doppischen
Haushalts- und
Rechnungswesens
- Konzeption, Bau und Inbetriebnahme eines neuen Kreis-Krankenhauses
- Planung, Codierung/Programmierung und Online-Stellen der neuen Webseite einer Stadt
- Entwicklung, Erstellung und Veröffentlichung des neuen Wahlprogramms einer Partei
Der Prozess der Entwicklung und Einführung eines neuen Produkts bzw. der Prozess der Umsetzung eines Projektes
wird in mehrere Phasen (z.B. vier, fünf oder sechs Phasen) untergliedert. Nachfolgend wird dieser Prozess erklärt am Beispiel eines produzierenden Unternehmens:
- Phase 1: Planung der Produktentwicklung und -einführung
- Phase 2: Entwicklung des neuen Produkts
- Phase 3: Arbeits-/Fertigungsvorbereitung (z.B. Gestaltung der Arbeitsprozesse;
Beschaffung von Personal, Maschinen und Fertigungsmaterial)
- Phase 4: Fertigung des neuen Produkts
- Phase 5: Endprüfung des gefertigten Produkts
- Phase 6: Auslieferung des Produkts an den Kunden
In jeder der besagten Phasen können Fehler auftreten, die dem Hersteller Fehlerkosten verursachen. Erfahrungsgemäß entstehen die
meisten Fehler dabei in den frühen Phasen des Gesamtprozesses (insb. Phase 1, 2 und 3).
Die 10er-Regel der Fehlerkosten besagt nun, dass die
Kosten für die Entdeckung und Beseitigung von Produktfehlern mit jeder Phase
des Produktlebenszyklus um den Faktor 10 steigen. Mit anderen Worten: Die Entdeckung und Beseitigung eines Fehlers, der in Phase 1
nicht entdeckt und beseitigt worden ist, kosten in Phase 2 zehn Mal, in Phase 3 100 Mal, in Phase 4 1.000 Mal, Phase 5 10.000 Mal
und in Phase 6 100.000 Mal so viel wie in Phase 1. Die Fehlerkosten steigen folglich exponentiell an. Fehlerkosten reduzieren den
Gewinn (bzw. erhöhen den
Verlust).
Beispiel: Ein Fehler entsteht in Phase 2 (Entwicklungsphase). Die sofortige Entdeckung und Beseitigung würde annahmegemäß
10.000 Euro kosten. Wird der Fehler jedoch nicht gleich entdeckt steigen die Kosten für die Entdeckung und Beseitigung mit dem Faktor
10 von Phase zu Phase an. In Phase 3 (Arbeits-/Fertigungsvorbereitung) lägen die Fehlerkosten demnach bereits bei 100.000 Euro, in
Phase 4 (Fertigung) bei 1.000.000 Euro und in Phase 5 (Endprüfung) 10.000.000 Euro. Wird der Fehler sogar erst nach Auslieferung an
den Kunden entdeckt (Phase 6) lägen die Kosten bei 100.000.000 Euro. Im Kontext eines Automobilherstellers könnte dies z.B. ein
Problem mit dem Motor sein, das in der Entwicklungsphase entstanden ist. Da es erst nach Auslieferung an den Kunden entdeckt worden
ist, müssen die ausgelieferten Autos nun zurückgerufen werden, Teile des Motors neu entwickelt werden, die Arbeits- und Fertigungsprozesse
überarbeitet werden, Verträge mit Zulieferern abgeändert werden usw. Auch sind Reputationsverluste zu befürchten.
Aus der 10er-Regel der Fehlerkosten leitet sich die Handlungsempfehlung ab, Fehler möglichst früh zu erkennen und zu vermeiden (Fehlerverhütung).
Produzenten sollten folglich frühzeitig in die Fehlererkennung und Fehlerbeseitigung investieren, da sich dies wirtschaftlich rechnet.
Besondere Aufmerksamkeit ist hierbei den frühen Phasen (d.h. in obigem Beispiel: Phase 1 bis Phase 3) zu schenken, da hier die meisten Fehler entstehen
und die Fehlererkennung und Fehlerbeseitigung noch relativ einfach möglich ist.
Die 10er-Regel der Fehlerkosten geht beim Übergang von einer Phase in die nächste stets vom Faktor 10 aus. In diesem Kontext ist
darauf hinzuweisen, dass es sich hierbei nicht um einen präzisen Wert, sondern lediglich um eine Faustformel zu Erklärungszwecken
handelt. In der Praxis kann der tatsächliche Faktor (deutlich) kleiner oder größer sein. Auch bleibt der Faktor i.d.R. nicht von Phase
zu Phase konstant. Der Faktor 10 soll in diesem Sinne v.a. den starken exponentiellen Anstieg der Fehlerkosten aufzeigen und damit auch
den gravierenden Einfluss verdeutlichen, den ein nicht frühzeitig entdeckter und beseitigter Fehler für den Anbieter eines Produktes
haben kann. So kann im Extremfall ein Produktfehler (der anfangs vielleicht zu Kosten von 1.000 Euro hätte beseitigt werden können)
letztlich (d.h. wenn der Fehler beim Kunden immer noch vorliegt) sogar zur Insolvenz eines Herstellers führen.
Der oben beispielhaft beschrieben Prozess setzte sich aus sechs Phasen zusammen. In diesem Zusammenhang ist indes anzumerken,
dass der Gesamtprozess - je nach Produkt bzw. je nach Projektgegenstand - nicht notwendigerweise aus sechs Phasen bestehen muss, sondern z.B. auch
aus vier oder fünf Phasen bestehen kann. Dies hat entsprechend Auswirkungen auf den exponentiellen Verlauf der Fehlerkosten-Kurve.
Im Kontext des öffentlichen Sektors ist ferner darauf hinzuweisen, dass nicht immer alle Phasen von den gleichen Akteuren
unmittelbar beeinflusst werden können. So liegen beispielsweise im Falle des Projekts "Umstellung auf die
kommunalen Doppik" Teile
des Prozesses (v.a. Teile der Planungs- und Entwicklungsphase) in der Hand des Landes (z.B. Gestaltung der
haushaltsrechtlichen
Vorgaben). Die Umsetzung/Einführung und der Wirkbetrieb obliegen indes primär den Kommunen selbst.
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