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Rechnerische Durchschnittszinssätze der Schulden von Bund, Ländern und Kommunen in Deutschland
Rechnerische Durchschnittszinssätze der Schulden von Bund, Ländern und Kommunen in Deutschland
7. Juni 2016 |
Autor: Andreas Burth
Das Zinsniveau ist aktuell ausgesprochen niedrig. Hiervon profitiert auch der deutsche Staat, der für neue Schulden derzeit
nur noch geringe Zinssätze zu zahlen hat. Im Schuldenportfolio des Staates finden sich sowohl ältere Schulden (z.B. vor zehn
Jahren aufgenommener Kredit) als auch jüngere Schulden (z.B. regelmäßig umgeschuldete
Kassenkredite). Die Zinssätze älterer
Schulden sind dabei i.d.R. höher als die Zinssätze der jüngeren Schulden.
Eine interessante Frage ist vor diesem Hintergrund, wie hoch aktuell der Durchschnittszinssatz für die deutschen Staatsschulden
ist (wobei sowohl die älteren als auch die jüngeren Schulden einbezogen werden). Dieser Frage soll im Rahmen des vorliegenden
Beitrags für das Jahr 2015 nachgegangen werden. Dabei wird eine Differenzierung zwischen den staatlichen Ebenen (Bund, Länder
und Kommunen) vorgenommen. Für die Landesebene und die kommunale Ebene werden zudem Ländervergleiche erstellt.
Überblick:
- Methodische Anmerkungen
- Rechnerische Durchschnittszinssätze im Jahr 2015
- Weitere Informationen
Methodische Anmerkungen
Datengrundlage dieses Beitrags ist sind die vierteljährlichen
Kassenstatistiken des Statistischen Bundesamtes. Die Kassenstatistik
deckt die
Kern- und
Extrahaushalte von Bund, Ländern und Kommunen ab. Nicht erfasst wird an dieser Stelle die gesetzliche
Sozialversicherung, da zu ihr in der Kassenstatistik keine Schuldeninformationen abrufbar sind. Aus Gründen der Datenverfügbarkeit
können auch die sonstigen
FEUs von Bund, Ländern und Kommunen nicht einbezogen werden.
Die Kassenstatistik berichtet folgende Schuldenarten:
Kreditmarktschulden, Kassenkredite und
Schulden bei öffentlichen Haushalten.
Der in diesem Beitrag für die weiteren Berechnungen genutzte (Gesamt-)Schuldenstand wird als die Summe dieser drei Schuldenarten bestimmt.
Die Kassenkredite umfassen auch die kurzfristigen Kredite bei kaufmännisch buchenden Extrahaushalten. Unter die Kreditmarktschulden
fallen auch die
kreditähnlichen Rechtsgeschäfte bei
kameral
buchenden Kommunen und die Schulden der Kernhaushalte des Bundes, der
Länder und Kommunen sowie der kameral/doppisch
buchenden Extrahaushalte bei der Sozialversicherung. Teil der Schulden bei öffentlichen
Haushalten sind auch die Schulden der kaufmännisch buchenden Extrahaushalte bei der Sozialversicherung.
Im vorliegenden Beitrag soll der rechnerische Durchschnittszinssatz für das Jahr 2015 bestimmt werden. Der Durchschnittszinssatz
ergibt sich, indem die Zinsausgaben des Jahres 2015 durch den durchschnittlichen Schuldenstand des Jahres 2015 geteilt werden.
Durchschnittliche Schuldenstände für das Jahr 2015 sind statistisch nicht verfügbar. Aus diesem Grund müssen stichtagsbezogene
Schuldenstände als Hilfsgrößen verwendet werden. Der durchschnittliche Schuldenstand wird an dieser Stelle aus den Schuldenständen
zum Quartalsende berechnet. Insgesamt werden fünf Schuldenstände in die Analyse einbezogen: der 31.12.2014, der 31.3.2015, der
30.6.2015, der 30.9.2015 und der 31.12.2015. Jeder dieser Schuldenstände repräsentiert für die Zwecke dieses Beitrags einen
Zeitraum von anderthalb Monaten vor und anderthalb Monaten nach dem Stichtag (siehe Abbildung 1). Beim 31.12.2014 fallen jeweils
nur die anderthalb Monate nach und beim 31.12.2015 nur die anderthalb Monate vor dem Stichtag in das betrachtete Jahr 2015.
Der Schuldenstand zum 31.12.2014 repräsentiert für das Jahr 2015 den Schuldenstand im Zeitraum Anfang Januar 2015 bis
Mitte Februar 2015. Für den Schuldenstand zum 31.3.2015 ist es der Zeitraum Mitte Februar 2015 bis Mitte Mai 2015. Dem Stichtag
30.6.2015 wird die Zeit von Mitte Mai 2015 bis Mitte August 2015 zugerechnet. Beim 30.9.2015 ist es der Zeitraum Mitte August
bis Mitte November 2015. Dem Schuldenstand zum 31.12.2015 wird die Zeit von Mitte November 2015 bis Ende Dezember 2015 zugeordnet.
In die Berechnungsformel zur Bestimmung des durchschnittlichen Schuldenstandes fließen die Schulden zum 31.12.2014 und
31.12.2015 in einer einfachen Gewichtung ein (sie repräsentieren jeweils nur anderthalb Monate des Jahres 2015). Die Schulden
zum 31.3.2015, zum 30.6.2015 und zum 30.9.2015 werden doppelt gewichtet, da sie jeweils drei Monate (d.h. zwei Mal anderthalb
Monate) des Jahres 2015 repräsentieren. Der durchschnittliche Schuldenstand wird demnach über nachfolgende Formel berechnet.
Darauf aufbauend bestimmt sich der rechnerische Durchschnittszinssatz im Jahr 2015 über nachstehende Formel. Die Zinsausgaben
umfassen die Zinsausgaben an den öffentlichen Gesamthaushalt und die Zinsausgaben an andere Bereiche.
Die verschiedenen Ebenen und auch die beiden Bundesland-Typen (Flächenländer und Stadtstaaten) werden in diesem Beitrag
gemeinsam analysiert. Generell ist darauf hinzuweisen, dass unterschiedliche Ebenen und auch die beiden Bundesland-Typen
häufig nicht oder nur eingeschränkt miteinander vergleichbar sind, da sie unterschiedliche Aufgaben wahrnehmen. Im Kontext
der Berechnung des Verhältnisses der Zinsausgaben zu den Schulden dürften derartige Vergleichbarkeitsprobleme jedoch weniger
gravierend ausfallen. Gleichwohl bestehen durchaus Unterschiede, z.B. im Bereich der
Bonität. Hinzu kommt, dass größere
Einheiten in stärkerem Maße den Geld- und Kapitalmarkt zur Schuldenaufnahme nutzen, woraus sich Zinsunterschiede ergeben
können. Darüber hinaus ist beispielsweise das Volumen der Schuldenaufnahme in größeren Einheiten tendenziell höher, was
ebenfalls Auswirkungen auf die Zinssätze haben kann.
Hinsichtlich der Interpretation der Zinssätze im nachfolgenden Abschnitt ist zu beachten, dass kurzfristige Schulden
(z.B. Kassenkredite) aktuell häufig zu niedrigeren Zinssätzen aufgenommen werden können als langfristige Schulden (z.B.
Investitionskredite). Ein Problem der kurzfristigen Zinssätze ist allerdings ihr hohes Zinsänderungsrisiko. Änderungen
im Zinsniveau schlagen sich zeitnah in den Zinsausgaben nieder. Bei langfristigen Schulden wirken sich Zinsniveauänderungen
erst mit einer gewissen Verzögerung auf die Zinsausgaben aus. Derzeit ist kaum zuverlässig prognostizierbar, wann und in
welchem Ausmaß die Zinsen wieder steigen.
Insbesondere Kommunen mit hohen Kassenkreditschulden sind aufgrund der i.d.R. kurzen Laufzeiten anfällig gegenüber
Änderungen im Zinsniveau. Einzelne Kommunen sind wegen des Risikos steigender Zinssätze dazu übergegangen, mittel- bis
langfristige Kassenkredite aufzunehmen. Von derartigen Praktiken ist indes eher abzuraten. Es ist davon auszugehen, dass
die kreditgebenden Einrichtungen (z.B. Banken) ihrerseits das Risiko eines steigenden Zinsniveaus einkalkulieren. In der
Folge sind mittel- bis langfristige Kassenkredite heute auch häufig höher verzinst als kurzfristige Kassenkredite. Sofern
das Zinsniveau weiterhin niedrig bleibt oder nur leicht steigt, würden sich mittel- bis langfristige Kassenkredite sich
zu Verlustgeschäften auf Kosten der Steuerzahler entwickeln. Profitieren würden die Kommunen nur im Falle merklich steigender
Zinssätze. Derartige Geschäfte stellen im Kern eine Form der Zinssatzspekulation dar, wobei die Risiken vom Steuerzahler zu
tragen sind. Spekulationsgeschäfte sind keine öffentliche Aufgabe. Ein weiteres Problem mittel- bis langfristiger Kassenkredite
besteht darin, dass sie gegenüber Politik, Verwaltung und Öffentlichkeit das psychologische Signal der "Nicht-Konsolidierbarkeit
auf absehbare Zeit" aussenden können. Eine denkbare Folge sind verringerte Konsolidierungsanstrengungen.
Die in diesem Beitrag berechneten Durchschnittszinssätze werden von zahlreichen Faktoren determiniert. Eine vollständige
Auflistung aller Faktoren erscheint in Anbetracht der Vielzahl der Faktoren quasi unmöglich. Gleichwohl sollen im Folgenden
zumindest einzelne Beispiele für solche Einflussfaktoren aufgelistet werden.
- Zinspolitik der Europäischen Zentralbank
- Bonitätsbeurteilung der Gläubiger auf Basis der finanziellen Lage der Gebietskörperschaft (z.B. gemessen an
Schuldenstand, Steuereinnahmen, Haushaltssaldo etc.)
- Qualität des Schuldenmanagements
- Ruf von Deutschland als eine Nation mit einer relativ stabilen Volkswirtschaft und mit vergleichsweise soliden
Staatsfinanzen (strahlt potenziell sowohl auf den Bund als auch auf Länder und Kommunen aus)
- Im Falle der Kommunen: vermutete Einstandspflicht der Länder für ihre Kommunen
- Anteil der (kurzfristigen) Kassenkredite im Schuldenportfolio (je höher der Anteil, desto niedriger ist tendenziell
der Durchschnittszinssatz, da Kassenkredite aktuell häufig niedriger verzinst sind; allerdings besteht auch ein
größeres Zinsänderungsrisiko)
- Anteil der älteren langfristigen Schulden im Schuldenportfolio (je höher der Anteil, desto höher ist tendenziell der
Durchschnittszinssatz, da das Zinsniveau früher höher lag)
Eine konkrete Quantifizierung der Stärke der verschiedenen Einflussfaktoren kann durch die vorliegende Analyse indes
nicht geleistet werden.
Rechnerische Durchschnittszinssätze im Jahr 2015
Im Ebenen- und Ländervergleich offenbaren sich für das Jahr 2015 beträchtliche Unterschiede im rechnerischen
Durchschnittszinssatz. Am niedrigsten ist er bei den Kommunen in Sachsen-Anhalt mit 2,09 Prozent. Der höchste
Wert ist der Freien und Hansestadt Hamburg mit 3,55 Prozent zuzurechnen. Der Bund liegt im Jahr 2015 bei 2,33
Prozent. Die Summe der Flächenländer weist auf Landesebene ein Niveau von 2,53 Prozent und auf kommunaler Ebene
von 2,69 Prozent aus. Für die Gesamtheit der Stadtstaaten errechnet sich ein Wert von 3,03 Prozent.
Generell ist festzustellen, dass die öffentliche Verschuldung in Deutschland mancherorts bereits enorme Ausmaße
annimmt. Beispielhaft sei auf die Krisenländer Bremen und Saarland oder die Kassenkredit-Krisenkommunen (z.B.
Pirmasens, Oberhausen, Kaiserslautern) verwiesen. Auch der Bund ist - sowohl bei einer Pro-Kopf-Betrachtung als
auch im Verhältnis zu seinen Einnahmen - keineswegs als gering verschuldet einzustufen.
» Schulden-Einnahmen-Verhältnis von Bund, Ländern und Kommunen in Deutschland, Blog-Eintrag vom 8. Mai 2016
Autor: Andreas Burth
» Kassenkredite der kreisfreien Städte in Deutschland, Blog-Eintrag vom 24. März 2016
Autor: Andreas Burth
Derzeit ist noch nicht absehbar, wann und in welchem Ausmaß die Zinssätze wieder steigen. Steigende Zinsniveaus
werden die öffentlichen Haushalte aber in jedem Fall (mit einer v.a. von der Fristigkeit des Schuldenportfolios
abhängenden zeitlichen Verzögerung) durch höhere Zinsausgaben zusätzlich belasten. In diesem Sinne gilt es, die
aktuell guten Rahmenbedingungen zu nutzen, um den Schuldenabbau voranzutreiben. Durch eine konsequente
Haushaltskonsolidierung können finanzpolitische Handlungs- und Gestaltungsspielräume für die früher oder später
wiederkehrenden Krisenjahre geschaffen werden.
Weitere Informationen
Ergänzende Datenangebote und Analysen zu den Zinsausgaben des deutschen Staates können Sie auf HaushaltsSteuerung.de
z.B. über nachfolgende Seiten abrufen.
» Zinsuhr zu den staatlichen Zinsausgaben von Deutschland
Hrsg.: HaushaltsSteuerung.de
» Zinssätze langfristiger staatlicher Schuldverschreibungen in den EU-Staaten im Vergleich, Blog-Eintrag vom 20. Mai 2016
Autor: Andreas Burth
» Zinsausgaben der öffentlichen Haushalte in Deutschland, Blog-Eintrag vom 19. Mai 2016
Autor: Andreas Burth
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