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Hebesatzrecht findet Grenze im Haushaltsausgleich
Hebesatzrecht findet Grenze im Haushaltsausgleich
25. November 2013 |
Autor: Marc Gnädinger
Das
Hebesatzrecht über kommunale
Realsteuern ist verfassungsrechtlich manifestiert. Nach Artikel 106 Abs. 6 Grundgesetz steht das Aufkommen der
Grundsteuer und der
Gewerbesteuer den Gemeinden zu. Gleichzeitig wird den Gemeinden das Recht eingeräumt, die
Hebesätze der Grundsteuer und der Gewerbesteuer im Rahmen der Gesetze festzusetzen. Diese Regelung stärkt letztlich die
kommunale Selbstverwaltung nach Artikel 28 Abs. 2 Grundgesetz. Letzterer bestimmt insb. auch, dass die Gewährleistung der kommunalen Selbstverwaltung auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung umfasst: Kommunale Selbstverwaltung ist ohne (zumindest partiell vor Ort selbst der Höhe nach zu bestimmende) finanzielle
Basis nicht möglich.
Gleichzeitig findet das garantierte Hebesatzrecht seine natürliche Grenze in den landesseitig aufgestellten Regelungen
zum regelmäßigen kommunalen
Haushaltsausgleich, mithin dem Erfordernis zum Ausgleich des
(ordentlichen) Ergebnisses.
Das ist schon dahingehend nötig und zweckmäßig, weil ein dauerhaftes Verfehlen des Ergebnisausgleiches Eigenkapital
vernichtet, also die finanzielle Grundlage für kommunale Selbstverwaltung aushöhlt. Ohne steten Haushaltsausgleich ist
kommunale Selbstverwaltung auf Basis eines entsprechenden finanziellen Fundamentes nicht möglich. Und die Realsteuern
auf Basis entsprechender Hebesätze spielen auf gemeindlicher Seite eine bedeutende Rolle für das regelmäßige Erreichen
des Haushaltsausgleiches, also des finanziellen Fundamentes der kommunalen Selbstverwaltung. Entsprechend hat auch das Bundesverwaltungsgericht in einem entsprechenden Fall entschieden, in dem eine Gemeinde trotz Nicht-Erreichen des Haushaltsausgleiches eine Hebesatzsenkung vornehmen wollte und in diesem Unterfangen letztlich gebremst wurde. Das Hebesatzrecht findet seine Grenze in dem Erfordernis des Haushaltsausgleiches, so der Tenor des Urteils.
» BVerwG, Urteil vom 27.10.2010 - 8 C 43.09
Hrsg.: Bundesverwaltungsgericht
Vor dem Hintergrund dieses Urteils und seines Duktus gewinnt insofern auch das derzeit in der kommunalen Welt viel diskutierte
Modell einer doppischen Kommunalschuldenbremse unter Kombination mit einem
Generationenbeitrag an zusätzlicher Attraktivität. Es
sieht im Kern die Erreichung des ordentlichen Ergebnisausgleiches vor und stimmt daher 1:1 mit der wissenschaftlichen
Forderung nach einer
generationengerechten Kommunalfinanzpolitik (Interperiodengerechtigkeit zur Manifestation der
ökonomischen Schutzfunktion) überein. Wie dieser Ausgleich erreicht wird, obliegt im Rahmen dieses Konzeptes allein der
Kommunalpolitik vor Ort. Die örtliche Vertretungskörperschaft entscheidet im Rahmen ihrer kommunalen Selbstverwaltung und
-verantwortung im Rahmen der Gesetze über die zu generierenden Erträge und aus der Aufgabenwahrnehmung resultierenden Aufwendungen.
Hier wird es in der Praxis unterschiedliche Kombination geben. So kann sich eine Gemeinden auf Basis der wahrgenommenen
Präferenzen ihrer Einwohner für ein höheres Leistungsbündel entscheiden als eine andere - sofern sie das tut, muss sie allerdings
auch für die entsprechend höheren Erträge sorgen, also die erhöhten Aufwendungen unter der Maxime des Haushaltsausgleiches kompensieren.
Geldschulden werden in einem derartigen Modell indirekt begrenzt. Sie können nur so lange aufgenommen werden, wie die daraus
resultierenden Zinssaufwendungen nicht zu einem Verfehlen des ordentlichen Ergebnisausgleiches führen. Es greift insofern nicht
notwendigerweise ein absolutes Geldschuldenverbot, obgleich sich die Kommunalpolitik natürlich selbst dafür entscheiden könnte,
um Zinsbelastungen etc. zu vermeiden. Das gibt der Kommunalpolitik Offerten in die Hand, in gewissen Grenzen das Instrument der
Geldverschuldung einzusetzen, z.B. für ohnehin über Gebühren (öffentlich-rechtliche Leistungsentgelte) refinanzierte Investitionen
im Bereich Versorgung (Wasser, Abwasser, Abfall etc.).
Erst, wenn die Kommunalpolitik keinen dauerhaften Haushaltsausgleich herbeiführt, greift in diesem Konzept der sog.
Generationenbeitrag als eindeutige Verhaltensnorm. Der Generationenbeitrag nimmt exakt die Höhe ein, die quantitativ zum
Ausgleich des ordentlichen Ergebnisses notwendig wird. Und weil der ordentliche Ergebnisausgleich der Maxime generationengerechten
Wirtschaftens entspricht, ist der Terminus des Generationenbeitrages an dieser Stelle gerechtfertigt. Konkret bedeutet
Generationenbeitrag die Erhöhung des Hebesatzes der Grundsteuer B, bis die daraus resultierenden zusätzlichen Erträge für den
ordentlichen Ergebnisausgleich ausreichen. Ein Wirtschaften auf Kosten nachrückender Generationen, mithin eine stetige
Eigenkapitalvernichtung wie sie derzeit vielerorts praktiziert wird, wäre auf Basis einer solchen Regelung nicht mehr möglich.
Das Ventil dauerhaft unausgeglichener Haushalte wäre verschlossen.
Eine derartige Regelung würde die Finanzaufsicht allerorts massiv erleichtern und deren Verhältnis zu den Kommunalvertretern
verändern. Die Aufsicht würde zum Sparringspartner für die Kommunen, denn jede Kommune würde von ihrer Beratung profitieren, weil
das Erreichen des Haushaltsausgleiches nötigenfalls über den Generationenbeitrag sichergestellt wird. Das heißt, dass jeder
konstruktive Konsolidierungsvorschlag der Aufsicht die Zielerreichung in den Kommunen erleichtern würde. Kleinteilige und
zuweilen auf dem Fundament rechtlicher Unsicherheit stattfindende Auseinandersetzungen zwischen Kommune und Aufsicht, wie
sie derzeit mancherorts beobachtet werden können, würden der Vergangenheit angehören.
Das schwierige an einer derartigen Regelung ist ihre Komplexität in der Vermittlung gegenüber den Einwohnern. Eine reine
Geldschuldenbremse ist leichter zu erklären. Der Laie würde bei einer doppischen Schuldenbremse mit Generationenbeitrag in
Gestalt der Grundsteuer B zuweilen zunächst vermuten, dass eine solche Veränderung zu massiven Hebesatzerhöhungen in besonders
konsolidierungsbedürftigen Kommunen führt. Tatsächlich könnte das nicht allerorts definitiv ausgeschlossen werden - aber das
kann es auch heute nicht. In einigen Kommunen erscheint unter den gegebenen Bedingungen die Wiedererreichung des Haushaltsausgleiches
allein über die Aufwandseite und ohne Anpassungen auf der Ertragsseite als nicht möglich.
Der Regelfall bei Etablierung einer entsprechenden Änderung wäre allerdings unter Zugrundelegung ökonomischer Anreizgedanken
gewiss ein anderer: Von den meisten kommunalen Leistungen profitiert nur ein Teil der Einwohner, von einer Erhöhung der
Grundsteuer B wären aber alle Einwohner (z.B. über die Einrechnung in die Mietpreise) und Unternehmen betroffen (wenige Begünstigte
stehen vielen potentiell Betroffenen gegenüber). Vor diesem Hintergrund würden sich zahlreiche Räte sehr viel schwerer als heute tun,
neue aufwandträchtige Projekte zu beschließen oder auf Erträge zu verzichten. Auch die wirtschaftliche (effiziente) Aufgabenwahrnehmung
würde an Bedeutung gewinnen. Das Interesse der Einwohner an Kommunalpolitik dürfte gleichsam mit einer derartigen Regel (massiv)
zunehmen, weil neue Kommunalaufgaben oder Ertragsverzichte unmittelbar über die Grundsteuer B ihr persönliches Budget betreffen
könnten (Fühlbarkeit). Insofern wäre es unwahrscheinlich, dass es flächig zu unangemessen hohen Grundsteuererhöhungen kommen würde -
sofern das mancherorts der Fall wäre, wären die Kommunalpolitiker (und vielleicht auch die Staatspolitik bei etwaig geringer
Finanzausstattung der Kommunen) in einem sehr starken Rechtfertigungszwang gegenüber ihren eigenen Einwohnern.
» Modell einer ressourcenverbrauchsorientierten Kommunalschuldenbremse
Autor: Andreas Burth
» Zur Funktionsweise einer doppischen Kommunalschuldenbremse, Blog-Eintrag vom 25. März 2012
Autor: Andreas Burth
» Kommunaler Finanzreport 2013 - Einnahmen, Ausgaben und Verschuldung im Ländervergleich (S. 156 ff.)
Autoren: Andreas Burth, René Geißler, Marc Gnädinger, Dennis Hilgers
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