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Zur Funktionsweise einer doppischen Kommunalschuldenbremse
Zur Funktionsweise einer doppischen Kommunalschuldenbremse
25. März 2012 |
Autor: Andreas Burth
Die Kommunalverschuldung hat in den vergangenen Jahren mancherorts eine bedrohliche Höhe erreicht.
Selbst in guten Haushaltsjahren ist die Gesamtverschuldung der Kommunen in Deutschland nur unwesentlich
zurückgeführt worden. Auch die bestehenden Regelungen im Haushaltsrecht (z.B. Pflicht zur Aufstellung eines
Haushaltssicherungskonzepts)
sind häufig nicht in der Lage, sicherzustellen, dass die heutige Generationen
nicht auf Kosten künftiger Generationen leben.
Um dem Grundsatz der Generationengerechtigkeit der kommunalen Haushaltswirtschaft wieder gerecht zu werden,
wird seitens der Wissenschaft in der jüngsten Zeit vermehrt die Einführung einer
Kommunalschuldenbremse
auf
doppischer
Basis diskutiert. Die beiden Kernkomponenten dieser doppischen Kommunalschuldenbremse sind erstens eine Pflicht zum
Ausgleich des
ordentlichen Ergebnisses
(in Planung und Rechnung) und zweitens die Einführung eines sog.
Generationenbeitrags.
Das ordentliche Ergebnis als Saldo der ordentlichen Erträge und Aufwendungen (einschließlich Finanzerträge und -aufwendungen)
ist nach wissenschaftlicher Definition die Konkretisierung des Grundsatzes der
Generationengerechtigkeit.
Ein ausgeglichenes ordentliches Ergebnis stellt sicher, dass Ressourcenaufkommen und Ressourcenverbrauch im Haushaltsjahr
einander entsprechen und die Kenngröße durch außerordentliche Vorgänge, wie z.B. Erträge aus Vermögensveräußerungen über Buchwert,
nicht manipuliert werden kann.
Der Generationenbeitrag stellt seinerseits eine Sonderabgabe in Form einer eigenständigen Abgabe oder eines Aufschlags auf
eine bestehende Abgabe/Ertragsquelle dar. Der Generationenbeitrag ist hierbei im Sinne einer
Haushaltsausgleichs-Abgabe
so konzipiert, dass er in jedem Jahr genau die Höhe annimmt, zu der die aktuelle Generationen
auf Kosten künftiger Generationen lebt (Konsolidierungsbedarf). In anderen Worten: Der Generationenbeitrag entspricht
dem Defizit im ordentlichen Ergebnis. Eine Erhebung des Generationenbeitrags erfolgt hierbei jedoch nur dann als letztes Mittel
(Ultima Ratio), wenn der Haushalt im ordentlichen Ergebnis nicht ausgeglichen ist. Im Falle eines ausgeglichenen Haushalts wird
kein Generationenbeitrag erhoben. Sofern der Haushalt zwar in der Planung ausgeglichen ist, aber in der Rechnung ein Defizit ausweist,
wird der Generationenbeitrag nachträglich erhoben.
Der Generationenbeitrag fungiert in einer doppischen Kommunalschuldenbremse demnach als Drohkulisse und gleichzeitig als
automatischer Sanktionsmechanismus zur Sicherstellung der Generationengerechtigkeit der Haushaltswirtschaft. Unausgeglichene Haushalte
werden damit faktisch unmöglich. Gleichzeitig geht vom Generationenbeitrag ein Anreiz für politische Entscheidungsträger aus,
den Haushalt auszugleichen, weil kaum ein Politiker den Bürgern eine Sonderabgabe (Generationenbeitrag) als Eingeständnis
einer nicht-generationengerechten Haushaltspolitik zumuten kann und will. Denn durch den Generationenbeitrag spürt der Bürger
unmittelbar im eigenen Geldbeutel, in welcher Höhe das aktuelle Leistungsniveau das Abgabenniveau übersteigt, d.h. in welchem Ausmaß auf Kosten
künftiger Generationen gelebt wird. Da der Generationenbeitrag ferner von allen Bürgern (oder zumindest vom Großteil der Bürger)
zu entrichten ist, führt er dazu, dass finanzpolitische Entscheidungen in diejenige "Währung" umgewandelt werden, die für
Politiker i.d.R. die wichtigste Währung darstellt: Wählerstimmen. Es kommt damit zu einer Umkehr der Argumentationskette im Rat/Kreistag:
Da die Politik den Generationenbeitrag vermeiden will, wird bei neuen Ertragssenkungs- und Aufwandssteigerungswünschen
keine Klientelpolitik mehr betrieben. Vielmehr wird hinterfragt, ob die Gesamtbevölkerung bereit ist, für den fraglichen Ertragsverzicht
(z.B. niedrigerer Gewerbesteuerhebesatz) bzw. die fragliche Aufwandserhöhung (z.B. neues Personal, um Bürgerbüro-Wartezeiten zu
verringern) notfalls mittels Generationenbeitrag den Haushaltsausgleich herbeizuführen oder ob in Anbetracht der drohenden
Erhebung eines Generationenbeitrags lieber darauf verzichtet werden soll.
Da es der Politik freigestellt ist, wie (d.h. durch welche Ertragssteigerungs-/Aufwandssenkungsmaßnahmen) sie den Haushaltsausgleich
herbeiführt, um die Erhebung des Generationenbeitrags zu vermeiden, ist gleichzeitig die kommunale Selbstverwaltung sichergestellt.
Der Generationenbeitrag definiert jedoch klar die Grenzen der kommunalen Selbstverwaltung bzw. schützt vor einer selbstverursachten
Aushöhlung kommunaler Selbstverwaltung. Ohne Haushaltsausgleich ist mittel- bis langfristig keine Selbstverwaltung möglich. Sie
setzt eigenverantwortliche, finanzielle Gestaltungsspielräume auch in Zukunft voraus.
Neben der dauerhaften Sicherstellung des Haushaltsausgleichs durch den beschriebenen Mechanismus hat das Konzept
einen wünschenswerten Nebeneffekt. Zwar verbietet das Konzept aufgrund der doppischen Ausrichtung nicht die Aufnahme neuer
Schulden, jedoch stellt es sicher, dass neue
Verbindlichkeiten
sowohl durch Vermögen gedeckt sind
(Aktiv-Passiv-Mehrung)
als auch nur in dem Maße aufgenommen werden, wie die Zinsaufwendungen durch entsprechende Erträge gedeckt werden können (indirekte Schuldenbremse). Die Aufnahme
rentierlicher Schulden
ist weiterhin möglich. Da
Rückstellungen
als durch Erträge zu deckende Aufwendungen Eingang in das ordentliche Ergebnis finden, ist auch diese wichtige doppische Schuldenart
im beschriebenen Konzept einer doppischen Kommunalschuldenbremse enthalten.
Weitere Informationen zum Thema Kommunalschuldenbremse finden Sie hier:
» Modell einer ressourcenverbrauchsorientierten Kommunalschuldenbremse
Autor: Andreas Burth
» Rechtliche Vorgaben für den Haushaltsausgleich und ihre Durchsetzung - Rechtliche und rechtspolitische Überlegungen zur Sanierung der kommunalen Haushalte
Autor: Janbernd Oebbecke
» Deutsche Schuldenbremse(n) - Etablierte Modelle und ökonomisch begründeter Fortentwicklungsbedarf
Autoren: Marc Gnädinger, Dennis Hilgers
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