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Kassenkredite und Finanzierungssalden der kreisangehörigen Gemeinden in Hessen nach Einwohnergrößenklassen
Kassenkredite und Finanzierungssalden der kreisangehörigen Gemeinden in Hessen nach Einwohnergrößenklassen
9. Oktober 2015 |
Autor: Andreas Burth
Am kritischsten gelten gemeinhin die Kommunalfinanzen im Saarland, in Rheinland-Pfalz und in Nordrhein-Westfalen. Größere
Finanzprobleme sind indes auch in Hessens kommunaler Familie zu beobachten. So haben sich auch in den hessischen Kommunalhaushalten
inzwischen beträchtliche
Kassenkreditschulden
angesammelt. Kassenkredite gelten gemeinhin als ein Indikator für das Vorliegen
einer finanziellen Krisensituation, da sie i.d.R. zur Finanzierung laufender Defizite aufgenommen werden. Je höher die
Kassenkreditbestände ausfallen, desto größer ist das Ausmaß, zu dem die betreffende Kommune in der Vergangenheit über ihre
Verhältnisse gelebt hat (d.h. sie hat mehr ausgegeben als sie eingenommen hat). Bereits dauerhafte Kassenkreditbestände von
über 500 Euro je Einwohner sind als hoch zu kategorisieren. Liegen sie sogar über 1.000 Euro je Einwohner, kann von einem
ausufernden Leben über die eigenen Verhältnisse gesprochen werden.
In Hessen gibt es Gemeinden, die trotz schwierigster Rahmenbedingungen ohne Kassenkredite auskommen. So ist es z.B. auch den
steuerschwächsten Gemeinden möglich, den Haushalt ohne Kassenkredite zu führen (siehe Link unten). Wenn dies sogar für den
steuerschwächsten Teil der kommunalen Familie machbar ist, muss dies umso mehr für die übrigen, steuerstärkeren Gemeinden
gelten. Kassenkreditschuldenfreiheit
ist insofern für alle hessischen Gemeinden möglich - sofern der notwendige Konsolidierungswille
vorhanden ist.
» Steuerschwache Gemeinden in Hessen ohne Kassenkreditschulden, Blog-Eintrag vom 4. September 2015
Autor: Andreas Burth
In ihrer Summe haben die 421 kreisangehörigen Gemeinden in Hessen zum Stichtag 31.12.2014 in ihren
Kernhaushalten (d.h. ohne
Auslagerungen) Kassenkredite in Höhe von 2,41 Mrd. Euro (521,52 Euro je Einwohner). Hierunter sind sowohl 128 kassenkreditfreie
Gemeinden als auch 63 Gemeinden mit Kassenkreditbeständen über 1.000 Euro je Einwohner. Die höchsten Kassenkreditbestände zum 31.12.2014 haben im Kernhaushalt
folgende kreisangehörige Gemeinden: Bad Karlshafen (3.500 Euro je Einwohner), Bad Sooden-Allendorf (2.712 Euro je Einwohner), Großkrotzenburg
(2.538 Euro je Einwohner), Hanau (2.461 Euro je Einwohner) und Rüsselsheim (2.444 Euro je Einwohner).
Die Existenz von kassenkreditfreien Gemeinden einerseits und hoch verschuldeten Gemeinden andererseits wirft die Frage auf, ob
sich die Kassenkreditproblematik eventuell auf einzelne Einwohnergrößenklassen konzentriert. Um dieser Frage nachzugehen, sind
die Kassenkreditschulden zum 31.12.2014 nach Größenklassen differenziert in Tabelle 1 dargestellt. Hierbei zeigt sich zunächst,
dass in jeder Größenklasse sowohl kassenkreditfreie Gemeinden als auch als auch Gemeinden mit sehr hohen Kassenkreditschulden
(über 1.000 Euro je Einwohner) existieren. Es gibt gleichwohl einzelne Größenklassen, in denen die Kassenkreditprobleme weniger
stark ausgeprägt sind. Die niedrigsten durchschnittlichen Kassenkreditschulden haben die Gemeinden in der Größenklasse 5.000 bis
5.999 Einwohner. Im Bereich der Einwohnergrößenklassen von 4.000 bis 9.999 Einwohner liegen die Durchschnittswerte zudem jeweils
unter 400 Euro je Einwohner. Alle übrigen Größenklassen haben höhere durchschnittliche Kassenkreditschulden. Die höchsten
Kassenkredite haben die sog. Sonderstatusstädte (ab 50.000 Einwohner).
Die Kassenkredite sind eine häufig genutzte Kenngröße zur Beurteilung der Finanzlage einer Kommune. Eine weitere solche Kennzahl
ist der kommunale Finanzierungssaldo.
Da der Finanzierungssaldo im Zeitablauf starken Schwankungen unterliegen kann, bietet es sich an,
einen Mehrjahresdurchschnitt zu bilden. Die online frei verfügbaren Daten des Hessischen Statistischen Landesamtes ermöglichen
maximal eine Betrachtung des Zeitraums 2007 bis 2014 (jeweils
kassenstatistische
Daten für die Kernhaushalte). Vorteilhaft an diesem Zeitraum ist, dass
er sowohl wirtschaftlich gute Jahre (z.B. 2007, 2008, 2014) als auch wirtschaftlich schlechtere Jahre (z.B. 2009, 2010) abdeckt.
Zur Beurteilung der Finanzierungssalden nach Größenklassen ist für jede Gemeinde das arithmetische Mittel der acht Einzelwerte
berechnet worden (durchschnittlicher Finanzierungssaldo für die Jahre 2007 bis 2014). Mithilfe der Einwohnerzahlen zum 30.6.2014
auf Basis des Zensus 2011 wurden die Gemeinden analog zu oben in Einwohnergrößenklassen kategorisiert. Für jede Einwohnergrößenklasse
ist sodann der größenklassenbezogene Durchschnitt bestimmt worden, indem die Summe der durchschnittlichen Finanzierungssalden der
Gemeinden der Größenklasse durch die Summe der Einwohnerzahlen der Gemeinden der Größenklasse geteilt wurde. Die errechneten Werte
sind in nachstehender Abbildung ausgewiesen.
Die Finanzierungssalden sind in allen Größenklassen im deutlich negativen Bereich, wobei sie in den kleinsten Gemeinden betragsmäßig
am höchsten ausfallen. Dies bekräftigt v.a. für die Gemeinden unter 4.000 Einwohnern die bereits oben im Kontext der Kassenkredite
gewonnenen Erkenntnisse. Die Einwohnergrößenklasse 4.000 bis 4.999 Einwohner steht indes bei Betrachtung der Finanzierungssalden
vergleichsweise schlechter da als bei der Analyse der Kassenkredite.
Für die übrigen Größenklassen ab 5.000 Einwohnern ist kein eindeutiger Trend zu beobachten. Mithin ist auch nicht festzustellen,
dass die größten Gemeinden die höchsten Finanzierungsdefizite haben. Vielmehr sind die durchschnittlichen Finanzierungsdefizite
der sieben Sonderstatusstädte sogar (mit geringem Abstand) die niedrigsten aller Größenklassen.
Die vorstehenden Ergebnisse werfen die Frage auf, wie sich die Verteilung der Kassenkreditschulden und auch der Finanzierungssalden
begründen lässt.
Eine Erklärung für die Finanzprobleme kleinerer Gemeinden kann darin liegen, dass sie einen Mindestbestand an Personal vorhalten
müssen, sich diese Personalaufwendungen jedoch auf weniger Einwohner verteilen. Dies gilt z.B. auch für den hauptamtlichen Bürgermeister.
Je höher die Einwohnerzahl ausfällt, desto mehr Bürger tragen die Entlohnung des Bürgermeisters. Hinzu kommen weitere Schwierigkeiten
für kleinere Gemeinden. Zu nennen sind hier z.B. Vertretungsprobleme in Krankheitsfällen bzw. die Notwendigkeit der Einstellung von
Generalisten statt von Spezialisten. In der Folge kann es sein, dass in kleineren Gemeinden bestimmtes Spezialwissen nicht oder nur
in geringerem Maße vorhanden ist. Weitere finanzielle Herausforderungen können sich aus dem
Kommunalen Finanzausgleich ergeben. So
fallen die Pro-Kopf-Schlüsselzuweisungen größerer Gemeinden tendenziell höher aus als die
Pro-Kopf-Schlüsselzuweisungen kleinerer
Gemeinden (Einwohnerveredelung).
Gleichwohl haben kleinere Gemeinden auch Vorteile. So sind Bürger kleinerer Gemeinden tendenziell eher bereit, kommunale Aufgaben
selbst in ehrenamtlichen Engagement zu erbringen. Hinzu kommt, dass die Verwaltungen und Vertretungskörperschaften kleinerer Gemeinden vielfach einen
besseren Überblick über die jeweilige Gemeinde als Ganzes haben. In größeren Gemeinden (z.B. in Sonderstatusstädten) fällt es schwerer sich diesen
Komplettüberblick zu bewahren.
Umgekehrt haben aber auch größere Gemeinden Besonderheiten, die das Wirtschaften erschweren. Zu nennen ist hier z.B. die tendenziell
geringere Sichtbarkeit einzelner Kommunalpolitiker, die zu ausgabeträchtigen Versprechen und Prestigeprojekten führen kann. Hinzu
kommt oftmals ein stärkeres politisches Denken in Parteilagern, was sich ebenfalls in Wahlgeschenken etc. niederschlagen kann. Darüber
hinaus sind Bürger größerer Gemeinden seltener bereit, an der kommunalen Leistungserstellung mitzuwirken. Gerade in größeren Gemeinde
wird seitens der Bürger eher erwartet, dass die Gemeindeverwaltung die geforderten Leistungen vollständig erbringt. Aufgrund der
Wahrnehmung zentralörtlicher Funktionen fällt zudem das Leistungsportfolio größerer Gemeinden i.d.R. umfangreicher aus. Weitere
Probleme können sich z.B. aus höheren Mietpreisen ergeben. Im Hinblick auf die Verwaltungssteuerung haben größere Gemeinden ferner
häufig das Problem, dass ihre Verwaltung zunehmend unübersichtlicher wird und damit auch schwerer zu steuern ist.
Wie kleine Gemeinden, so haben auch größere Gemeinden einzelne Vorteile. Zu nennen sind hier z.B. die positiven Effekte der
Einwohnerveredelung im Kommunalen Finanzausgleich, die einige der oben genannten Nachteile kompensieren (sollen). Des Weiteren
haben größere Gemeinden auch tendenziell höhere Netto-Steuereinnahmen je Einwohner. Auf der Aufwandsseite ist es den größeren
Gemeinden eher möglich, in einzelnen Bereichen Skaleneffekte auszunutzen. Hinzu kommen bessere Möglichkeiten der Spezialisierung
einzelner Mitarbeiter, was sich positiv auf die
Effektivität und
Effizienz der Leistungserbringung auswirken dürfte. Auch
Vertretungsregelungen in Krankheitsfällen etc. werden erleichtert.
Vorstehende Ausführungen lassen die Vermutung zu, dass die Gemeinden der mittleren Einwohnergrößenklassen möglicherweise im Bereich
einer Art "optimalen Gemeindegröße" liegen könnten. Sie könnten in diesem Fall sowohl von den Vorteilen kleinerer als auch größerer Gemeinden profitieren,
ohne deren Nachteile in vollem Umfang zu spüren. Die Vermutung wird indes nur beim Blick auf die Kassenkredite bekräftigt. Bei den
Finanzierungssalden ist kein eindeutiges Ergebnis für die mittleren Größenklassen im Vergleich zu den übrigen Größenklassen feststellbar.
Sowohl die Kassenkreditbestände als auch die Finanzierungssalden deuten darauf hin, dass die kleinsten Gemeinden von allen Größenklassen
die größten Finanzprobleme haben. Bedenkt man zudem, dass kleinere Gemeinden typischerweise geringere Pro-Kopf-Einnahmen als größere
Gemeinden haben, so erscheinen sowohl die Kassenkreditschulden als auch die Finanzierungsdefizite im Verhältnis zum Einnahmeniveau nochmals etwas
höher. Gerade kleine Gemeinden sollten vor diesem Hintergrund prüfen, ob nicht Verwaltungskooperationen oder sogar
Gemeindefusionen einen Verbesserungsbeitrag leisten können.
Unabhängig von den spezifischen Problemfeldern einzelner Gemeindegrößen darf jedoch nicht übersehen werden, dass jede Gemeinde
(unabhängig von ihrer Einwohnerzahl) ihren Haushalt stetig auszugleichen hat und ohne dauerhafte Kassenkredite auskommen sollte. Zwar
mag es sein, dass bestimmte Rahmenbedingungen (z.B. sehr geringe Einwohnerzahl) dies erschweren - dennoch ist der stetige
Haushaltsausgleich
notwendig. Denn ohne stabile Finanzen geht auf Dauer jeglicher politische Handlungs- und Gestaltungsspielraum in den kommunalen
Aufgabenbereichen (z.B. Kindertagesstätten, Kultur, Sportförderung) verloren. Dass stabile Kommunalfinanzen auch unter schwierigen
Rahmenbedingungen möglich sind, zeigen mehrere Beispiele sowohl aus Hessen (siehe Link oben) als auch aus anderen Ländern (z.B.
Nordrhein-Westfalen). In einigen Ländern (z.B. Sachsen) sind (unabhängig von dem Schwierigkeitsgrad der Rahmenbedingungen) sogar
fast alle Gemeinden kassenkreditschuldenfrei. Für weitere Informationen sei auf folgende Links verwiesen.
» Kassenkreditfreie Gemeinden in Nordrhein-Westfalen mit geringer Steuereinnahmekraft, Blog-Eintrag vom 6. September 2015
Autor: Andreas Burth
» Kreisangehörige NRW-Gemeinden ohne Kassenkredite trotz schwieriger Rahmenbedingungen im Sozialbereich, Blog-Eintrag vom 8. September 2015
Autor: Andreas Burth
» Gemeinden in Nordrhein-Westfalen ohne Kassenkredite trotz eines starken Bevölkerungsrückgangs, Blog-Eintrag vom 11. September 2015
Autor: Andreas Burth
» Kassenkreditschulden der Städte und Gemeinden in Sachsen, Blog-Eintrag vom 16. September 2015
Autor: Andreas Burth
Zusätzliche Informationen zu den kommunalen Finanzen in Hessen sind beispielsweise unter nachstehendem Link abrufbar.
» Kommunalverschuldung in Hessen
Hrsg.: HaushaltsSteuerung.de
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