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HaushaltsSteuerung.de » Weblog » Mittlere Realsteuerhebesätze: Vergleich von vier Berechnungsmethoden

Mittlere Realsteuerhebesätze: Vergleich von vier Berechnungsmethoden
2. August 2015  |  Autor: Andreas Burth



Neben den niedrigsten und höchsten Realsteuerhebesätzen werden regelmäßig auch Durchschnittswerte gebildet, um z.B. Größenklassen-, Länder- und Zeitvergleiche durchzuführen. Die Frage nach der Höhe des durchschnittlichen Hebesatzes ist dabei weniger trivial als man auf den ersten Blick vermuten mag. Grund hierfür ist, dass es verschiedene Berechnungsmethoden gibt, um den mittleren Realsteuerhebesatz zu bestimmen.

Auf HaushaltsSteuerung.de wird, sofern die Statistik über den Realsteuervergleich bereits vorliegt, zumeist der gewogene Durchschnittshebesatz verwendet. Falls erst die Statistik über die Hebesätze der Realsteuern (noch nicht aber die Statistik über den Realsteuervergleich) publiziert wurde, wird im Regelfall auf das arithmetische Mittel und in einzelnen Fällen zusätzlich auf den Median zurückgegriffen. Eine vierte Möglichkeit besteht in der Gewichtung nach Einwohnerzahlen. Die vierte Variante ist ebenfalls bereits auf Basis der Statistik über die Hebesätze der Realsteuern flächendeckend berechenbar.

Die vier Varianten zur Berechnung mittlerer Realsteuerhebesätze führen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Die Abweichungen können erhebliche Größenordnungen annehmen. Dies gilt im Besonderen, wenn die Fallzahl einbezogener Kommunen gering ist (z.B. nur kreisfreie Städte eines Landes). Es ist daher wichtig zu wissen, in welchem Maße und in welcher Richtung die Abweichungen tendenziell bestehen. Vorliegender Blog-Eintrag untersucht die vier Berechnungsmethoden daher auf vergleichender Basis unter Differenzierung nach Realsteuerarten (Grundsteuer A; Grundsteuer B; Gewerbesteuer), nach Kommunaltypen (kreisfreie Städte; kreisangehörige Städte und Gemeinden) sowie nach den 13 Flächenländern. Der Betrachtungszeitraum deckt die Jahre 2011 bis 2013 ab.

Überblick:
- Allgemeine Vorbemerkungen
- Mittlere Hebesätze der Grundsteuer A in den Jahren 2011 bis 2013
- Mittlere Hebesätze der Grundsteuer B in den Jahren 2011 bis 2013
- Mittlere Hebesätze der Gewerbesteuer in den Jahren 2011 bis 2013
- Ergebnisse
- Weitere Informationen



Allgemeine Vorbemerkungen

Die Realsteuern sind für die Städte und Gemeinden von herausgehobener Bedeutung für die Steuerung ihrer Finanzen, da ihr Aufkommen durch die Festsetzung der Hebesätze unmittelbar beeinflusst werden kann. Hinzu kommt, dass die Realsteuern (mit Ausnahme der Grundsteuer A) ein beträchtliches Aufkommen generieren. 2014 belief sich das Aufkommen der Grundsteuer A in den Städten und Gemeinden der Flächenländer auf 381,9 Mio. Euro (gemäß
Statistik über den Steuerhaushalt 2014). Die Grundsteuer B kommt im Jahr 2014 auf ein Aufkommen von 10,93 Mrd. Euro. Das Bruttoaufkommen der Gewerbesteuer ist mit 39,73 Mrd. Euro das höchste der Realsteuern. Bedingt durch die an Bund und Land abzuführende Gewerbesteuerumlage verbleibt allerdings nicht das komplette Gewerbesteueraufkommen bei den Städten und Gemeinden. Im Jahr 2014 betrug das Gesamtvolumen der Gewerbesteuerumlage 6,65 Mrd. Euro. Den Städten und Gemeinden bleibt damit ein Nettoaufkommen von 33,08 Mrd. Euro. Das Nettoaufkommen aus der Gewerbesteuer ist neben dem gemeindlichen Einkommensteueranteil (2014: 30,26 Mrd. Euro) die wichtigste Steuereinnahmequelle der Städte und Gemeinden der Flächenländer.

Die zugrundeliegenden Daten sind den Statistiken über die Hebesätze der Realsteuern und den Statistiken über den Realsteuervergleich der Jahre 2011 bis 2013 entnommen worden. Eine Berücksichtigung der Hebesätze des Jahres 2014 ist aktuell noch nicht möglich, da der Realsteuervergleich 2014 erst für den September/Oktober 2015 erwartet wird. Die Daten aus dem Realsteuervergleich sind notwendig, um die gewogenen Durchschnittshebesätze ausweisen und den anderen drei Berechnungsmethoden gegenüberstellen zu können. Zwar haben einzelne Statistische Landesämter bereits entsprechende Zahlen für 2014 veröffentlicht, flächendeckend liegen sie allerdings noch nicht vor. Aus diesem Grund wird im vorliegenden Beitrag nur mit den Daten der Jahre 2011 bis 2013 gerechnet.

Im Falle des Landes Mecklenburg-Vorpommern ist darauf hinzuweisen, dass sich durch eine Gebietsreform die Anzahl kreisfreier Städte zum 4.9.2011 von sechs auf zwei verringert hat. Aus Gründen der Vergleichbarkeit mit den Jahren 2012 und 2013 sind auch 2011 nur Rostock und Schwerin als kreisfreie Städte kategorisiert worden. Die vier ehemals kreisfreien Städte Greifswald, Neubrandenburg, Stralsund und Wismar werden folglich in den drei betrachteten Jahren dem kreisangehörigen Raum zugeordnet. In Sachsen-Anhalt wurde aus Datenverfügbarkeitsgründen bei den Einzelhebesätzen 2011 Mühlanger außen vor gelassen.

Für das Saarland fehlen Werte zu den kreisfreien Städten, da die Statistik keine saarländische Stadt als kreisfrei führt. Die Landeshauptstadt Saarbrücken wird aufgrund ihr Zugehörigkeit zum Regionalverband Saarbrücken als kreisangehörig eingestuft. Gleiches gilt für die Landeshauptstadt Hannover in Niedersachsen, die der Region Hannover angehört und damit zum kreisangehörigen Raum gezählt wird.

Wie bereits erwähnt, vergleicht der vorliegende Beitrag vier Berechnungsmethoden zur Bestimmung der mittleren Realsteuerhebesätze. Konkret werden das arithmetische Mittel, der Median, der gewogene Durchschnitt und der gewichtete Durchschnitt einander gegenüber gestellt. Die vier Berechnungsmethoden werden im Folgenden kurz erläutert.

Das arithmetische Mittel ist der Durchschnitt der Einzelwerte, d.h. der Quotient aus der Summe sämtlicher Werte und der Anzahl der Werte. Alle Städte und Gemeinden werden dabei gleich gewichtet, d.h. der Hebesatz einer Kleinstgemeinde mit 50 Einwohnern fließt in gleicher Form ein wie der Hebesatz einer Großstadt mit 110.000 Einwohnern. Gleichwohl haben Extremwerte in der Hebesatzhöhe (d.h. besonders hohe oder besonders niedrige Hebesätze) einen Einfluss auf das arithmetische Mittel.

Der Median ist derjenige Wert einer Auflistung von Zahlenwerten, der an der mittleren Stelle steht, wenn die einzelnen Werte nach ihrer Größe sortiert werden (gilt bei einer ungeraden Anzahl Werte; bei einer geraden Anzahl Zahlenwerte ist der Median das arithmetische Mittel der beiden an mittlerer Stelle stehenden Werte). Der Median teilt einen Datensatz in zwei Hälften. Auch beim Median wird keine Gewichtung der Einzelwerte vorgenommen. Extremwerte in der Hebesatzhöhe haben keinen Einfluss auf den Median.

Dem gewogenen Durchschnittshebesatz liegt ein Berechnungsverfahren der Statistischen Ämter zugrunde. Der gewogene Durchschnittshebesatz für die jeweilige Realsteuerart (Grundsteuer A; Grundsteuer B; Gewerbesteuer) wird nach folgender Formel berechnet:

Berechnung des gewogenen Durchschnittshebesatzes einer Realsteuer (Grundsteuer A/B, Gewerbesteuer)

Für jede Realsteuerart und für jede Stadt/Gemeinde wird der jeweilige Grundbetrag über die unten aufgeführte Formel errechnet:

Berechnung des Grundbetrags einer Realsteuer (Grundsteuer A/B, Gewerbesteuer) beim gewogenen Durchschnittshebesatz

Letztlich handelt es sich beim gewogenen Durchschnittshebesatz um eine Form der Gewichtung der gemeindlichen Hebesätze nach ihrem Istaufkommen (wodurch indirekt auch eine Einwohnergewichtung enthalten ist, da größere Städte und Gemeinden tendenziell ein höheres Istaufkommen haben). Es erfolgt jedoch keine strikte Gewichtung nach dem Istaufkommen, sondern gewissermaßen eine abgewandelte/modifizierte Gewichtung nach dem Istaufkommen.

Beim gewogenen Durchschnittshebesatz der Gewerbesteuer ist das Istaufkommen das Bruttoaufkommen aus dieser Steuer, d.h. die Gewerbesteuerumlage ist noch nicht in Abzug gebracht worden. Bei dem als Gewerbesteuerumlage abzuführenden Anteil des Istaufkommens der Gewerbesteuer gibt es Unterschiede zwischen den neuen und den alten Ländern. In den westdeutschen Kommunen liegt der rechnerische Anteil der Gewerbesteuerumlage am Bruttoaufkommen 2014 bei rund 17,6 Prozent, in den ostdeutschen Kommunen bei etwa 9,3 Prozent. In den alten Ländern ist der prozentuale Anteil demnach deutlich höher als in den neuen Ländern.

Beim gewichteten Durchschnittshebesatz wird der Hebesatz einer jeden Stadt/Gemeinde mit ihrer Einwohnerzahl gewichtet. Das Gewicht des Hebesatzes einer Stadt mit 50.000 Einwohnern ist demzufolge 50 mal größer als das Gewicht des Hebesatzes einer Gemeinde mit 1.000 Einwohnern.

Die zur Gewichtung verwendeten Einwohnerzahlen beziehen sich jeweils auf den 30.6. des betreffenden Jahres. In den Jahren 2011 und 2012 sind dies Einwohnerdaten auf Grundlage früherer Zählungen (Bevölkerungsfortschreibung auf Basis der Volkszählung 1987). Die Bevölkerungszahlen des Jahres 2013 fußen auf der Bevölkerungsfortschreibung nach dem Zensus 2011.

Obige Darstellungen zu den vier Berechnungsmethoden bleiben noch relativ abstrakt. Die Systematik wird Ihnen daher nachfolgend anhand eines fiktiven Beispiels mit einer Gruppe von drei kreisangehörigen Gemeinden erläutert.

Fiktives Rechenbeispiel:

Datengrundlage für beispielhafte Berechnungen

Arithmetisches Mittel:
= (400 + 395 + 500) / 3
= 431,7

Median:
395, 400, 500
= Wert an zentraler Stelle in nach Größe sortierter Liste, d.h. 400

Gewogener Durchschnitt:
= ((3.000.000 + 2.000.000 + 30.000.000) · 100) / (3.000.000 · 100 / 400 + 2.000.000 · 100 / 395 + 30.000.000 · 100 / 500)
= 482,3

Nach Einwohnern gewichteter Durchschnitt:
= (400 · 15.000 + 395 · 5.000 + 500 · 50.000) / (15.000 + 5.000 + 50.000)
= 471,1

Gegenüberstellung der Ergebnisse der vier Berechnungsmethoden

Der gewogene Durchschnittshebesatz nimmt, wie bereits erwähnt, eine abgewandelte/modifizierte Gewichtung nach dem Istaufkommen vor. Der gewogene Durchschnittshebesatz ist daher abzugrenzen von einer strikten Gewichtung nach dem Istaufkommen. Im Falle einer strikten Gewichtung nach dem Istaufkommen läge der Durchschnittshebesatz bei 485,4 Prozent. Der Durchschnittshebesatz bei einer strikten Gewichtung nach dem Istaufkommen errechnet sich im vorliegenden Beispiel wie folgt:

Nach Istaufkommen gewichteter Durchschnitt:
= (400 · 3.000.000 + 395 · 2.000.000 + 500 · 30.000.000) / (3.000.000 + 2.000.000 + 30.000.000)
= 485,4

In den nachfolgenden Analysen wird auf die Integration der fünften Berechnungsmethode (nach Istaufkommen gewichteter Durchschnittshebesatz) verzichtet, da sie erstens zur Gewichtung nach Istaufkommen weit weniger geläufig ist als der gewogene Durchschnittshebesatz. Zweitens war die Berechnung an dieser auch nicht möglich, da den Betreibern von HaushaltsSteuerung.de die dazu erforderlichen einzelgemeindlichen Daten zum Istaufkommen zum Zeitpunkt der Abfassung des vorliegenden Beitrags noch nicht flächendeckend vorlagen.

Auf eine Verbalisierung der folgenden sechs Tabellen ist verzichtet worden. Die einzelnen Tabellen sollen in diesem Sinne v.a. als Datenfundus dienen. Die Ergebnisse werden am Ende des Beitrags in einem eigenen Abschnitt verbalisiert.



Mittlere Hebesätze der Grundsteuer A in den Jahren 2011 bis 2013

Gegenüberstellung der mittleren Grundsteuer-A-Hebesätze 2011 bis 2013 der kreisfreien Städte der Flächenländer nach unterschiedlichen Berechnungsmethoden im Ländervergleich (in Prozent)

Gegenüberstellung der mittleren Grundsteuer-A-Hebesätze 2011 bis 2013 der kreisangehörigen Städte und Gemeinden der Flächenländer nach unterschiedlichen Berechnungsmethoden im Ländervergleich (in Prozent)



Mittlere Hebesätze der Grundsteuer B in den Jahren 2011 bis 2013

Gegenüberstellung der mittleren Grundsteuer-B-Hebesätze 2011 bis 2013 der kreisfreien Städte der Flächenländer nach unterschiedlichen Berechnungsmethoden im Ländervergleich (in Prozent)

Gegenüberstellung der mittleren Grundsteuer-B-Hebesätze 2011 bis 2013 der kreisangehörigen Städte und Gemeinden der Flächenländer nach unterschiedlichen Berechnungsmethoden im Ländervergleich (in Prozent)



Mittlere Hebesätze der Gewerbesteuer in den Jahren 2011 bis 2013

Gegenüberstellung der mittleren Gewerbesteuer-Hebesätze 2011 bis 2013 der kreisfreien Städte der Flächenländer nach unterschiedlichen Berechnungsmethoden im Ländervergleich (in Prozent)

Gegenüberstellung der mittleren Gewerbesteuer-Hebesätze 2011 bis 2013 der kreisangehörigen Städte und Gemeinden der Flächenländer nach unterschiedlichen Berechnungsmethoden im Ländervergleich (in Prozent)



Ergebnisse

Im Vergleich der vier Berechnungsmethoden zeigt sich, dass der Median tendenziell den niedrigsten Wert ausgibt. Hintergrund ist, dass der Großteil der Städte und Gemeinden eines Landes einwohnerschwächer ist (gilt im Besonderen für den kreisangehörigen Raum). Der Median liegt damit typischerweise im niedrigeren Einwohnerbereich. Da kleinere Gemeinden i.d.R. ein kleineres Aufgabenportfolio (weniger zentralörtliche Funktionen) und damit einhergehend einen geringeren Aufwandsbedarf je Einwohner haben, benötigen sie auch weniger Erträge. Die Hebesätze fallen daher üblicherweise geringer aus als bei größeren Städten und Gemeinden.

Den zweitniedrigsten Wert hat tendenziell das arithmetische Mittel. Auch diese Kennzahl ist durch die hohe Anzahl kleinerer Städte und Gemeinden stark beeinflusst, wenngleich den größeren Städten und Gemeinden durch ihre höheren Hebesätze geringfügig mehr Gewicht zuteilwird.

Der nach Einwohnern gewichtete Durchschnittshebesatz und der nach Istaufkommen gewogene Durchschnittshebesatz sind in ihrer Höhe ähnlich und liegen zumeist über dem Median und dem arithmetischen Mittel. Es besteht eine minimale Tendenz, dass der gewichtete Durchschnittshebesatz höher ist als der gewogene Durchschnittshebesatz. Nach Ländern und Realsteuerarten ist das Bild gleichwohl sehr heterogen.

Der gewogene Durchschnittshebesatz wird überdurchschnittlich stark durch die aufkommensstarken und einwohnerstarken Städte und Gemeinden beeinflusst (z.B. Frankfurt am Main in Hessen). Beim gewichteten Durchschnittshebesatz gilt dies analog für die einwohnerstarken Städte und Gemeinden (z.B. Saarbrücken im Saarland oder Hannover in Niedersachsen).

Eine Besonderheit des gewogenen Durchschnitts und des gewichteten Durchschnitts ist, dass sich die beiden Größen auch ändern können, wenn keine der betrachteten Städte und Gemeinden ihren Hebesatz angepasst hat. Hintergrund ist, dass Veränderungen im Istaufkommen (gewogener Durchschnitt) bzw. in der Einwohnerzahl (gewichteter Durchschnitt) die Berechnung ebenfalls beeinflussen.

Die Unterscheidung zwischen gewogenem und gewichtetem Durchschnittshebesatz kann v.a. bei der Gewerbesteuer sehr relevant werden. Während die Grundsteuer A und die Grundsteuer B auch in Krisenzeiten kaum Rückgänge im Aufkommen aufweisen, ist dies bei der Gewerbesteuer anders. Sie gilt als die konjunkturabhängigste Gemeindesteuer. Während der gewichtete Durchschnitt durch Aufkommensschwankungen unbeeinflusst bleibt (gilt analog ebenso für den Median und das arithmetische Mittel), wird der gewogene Durchschnitt durch selbige maßgeblich determiniert. Verschiebungen der Aufkommensanteile innerhalb der Betrachtungsgruppe haben demzufolge Einfluss auf die Höhe des gewogenen Durchschnittshebesatzes. In einzelnen Fällen kann dies dazu führen, dass der gewogene Durchschnittshebesatz aus dem zeitlichen Trend der übrigen Mittelwertberechnungen ausschert (z.B. gewogener Durchschnittshebesatz der Gewerbesteuer im kreisangehörigen Raum in Nordrhein-Westfalen).

Sofern die vier Berechnungsmethoden im Zeitvergleich untersucht werden fällt ferner auf, dass sich das arithmetische Mittel, der gewogene Durchschnitt und der gewichtete Durchschnitt relativ stetig verändern. Der Median ist demgegenüber träger in der zeitlichen Veränderung. Häufig bleibt er entweder konstant oder ändert sich sprunghaft. Dies gilt in besonderer Weise bei kleineren Fallzahlen, wie z.B. im kreisfreien Raum.

Im Hinblick auf Zeitraumbetrachtungen hat der nach Einwohnern gewichtete Durchschnitt den Vorteil, dass sich die Gewichtungsgrundlage im Zeitablauf meist nur leicht ändern. Der gewichtete Durchschnitt ist damit ähnlich wie der gewogene Durchschnitt bei der Grundsteuer A und der Grundsteuer B im Zeitablauf i.d.R. keinen großen Schwankungen in der Gewichtungsgrundlage ausgesetzt. Die Aufkommensentwicklung läuft eher stetig (mit ansteigender Tendenz). Anders gestaltet sich dies, wie bereits oben erwähnt, beim gewogenen Durchschnittshebesatz der Gewerbesteuer, dessen Gewichtungsgrundlage (hier: Gewerbesteuer-Istaufkommen) konjunkturellen Schwankungen unterliegt.

Obige Feststellungen gelten tendenziell v.a. für den kreisangehörigen Raum, der durch größere Fallzahlen an gemeindlichen Hebesätzen geprägt ist. In Teilen sind sie auch auf kreisfreie Städte übertragbar. Generell ist aber darauf hinzuweisen, dass der kreisfreie Raum anders zu bewerten ist als der kreisangehörige Raum. Im kreisfreien Raum haben einzelne Extremwerte aufgrund der geringen Fallzahl kreisfreier Städte einen größeren Einfluss auf die mittleren Hebesätze. Ähnliche Einschränkungen können auch im kreisangehörigen Raum auftreten, sofern hier kleinere Gruppen gebildet werden (z.B. zwecks Mittelwertberechnung für eine bestimmte Einwohnergrößenklasse). Auf der Aggregationsebene "Flächenland" gilt dies auch für das Saarland, das mit nur 52 kreisangehörigen Städten und Gemeinden z.B. stark durch die Situation in der kreis-/regionsangehörigen Landeshauptstadt Saarbrücken beeinflusst wird.

Ein Charakteristikum des kreisangehörigen Raums ist, dass die einzelnen Städte und Gemeinden im Hinblick auf ihre Einwohnerzahl, ihr Istaufkommen, ihr Hebesatzniveau und weitere Merkmale sehr heterogen sind. So ist z.B. die Gemeinde Gröde in Schleswig-Holstein (9 Einwohner) kaum mit der Stadt Hannover in Niedersachsen (519.942 Einwohner) vergleichbar. Es bietet sich daher an, für tiefergehende Analysen des kreisangehörigen Raums eine Differenzierung nach Einwohnergrößenklassen zu nutzen. Für weitere Informationen zur Heterogenität des kreisangehörigen Raums hinsichtlich allgemeiner Strukturdaten (Fallzahlen, Einwohner, Fläche, Einwohnerdichte, Wirtschaftskraft etc.) sei z.B. auf den folgenden Blog-Eintrag zu den Kommunalstrukturen in Deutschland verwiesen.

» Kommunalstrukturen in Deutschland im Ländervergleich, Blog-Eintrag vom 5. Mai 2015
    Autor: Andreas Burth

Im Vergleich von kreisangehörigem und kreisfreiem Raum ist auffällig, dass die Hebesätze im kreisfreien Raum tendenziell höher sind. Ein Hauptgrund sind die Unterschiede im Aufgabenportfolio, das im kreisfreien Raum typischerweise deutlich größer ausfällt. Dies liegt z.B. an der oben bereits angesprochenen Erfüllung zentralörtlicher Funktionen. Auch übernehmen die kreisfreien Städte die kompletten Aufgaben der Landkreise und sonstigen Gemeindeverbände unterhalb der Kreisebene selbst.

Darüber hinaus sind Besonderheiten bei der Grundsteuer A zu beachten. Hier sind Tendenzen schwieriger ableitbar als bei der Grundsteuer B und der Gewerbesteuer. Dies ist zum einen dem ohnehin regelmäßig sehr niedrigen Aufkommen geschuldet. Eine aktive Hebesatzpolitik bringt demzufolge nur vergleichsweise geringe Zusatzerträge. Darüber hinaus ist die Verteilung land- und fortwirtschaftlicher Flächen im kreisangehörigen Raum schwieriger zu verallgemeinern. Der kreisfreie Raum ist wiederum regelmäßig sehr dicht besiedelt. Demzufolge bleiben den kreisfreien Städten weniger land- und forstwirtschaftliche Flächen.

Die verschiedenen Berechnungsmethoden weisen auch Unterschiede in der Verfügbarkeit und Komplexität der Berechnung auf. Das arithmetische Mittel und der Median sind methodisch sehr einfach zu bestimmen. Auch ist ihre Berechnung bereits möglich, wenn nur die Statistik über die Hebesätze der Realsteuern, noch nicht aber die Statistik über den Realsteuervergleich, vorliegt. Die Statistik über die Hebesätze der Realsteuern wird zumeist im Juni/Juli des Folgejahres publiziert (also z.B. Veröffentlichung der Statistik für das Jahr 2014 im Juni/Juli 2015). Der Realsteuervergleich folgt i.d.R. im September/Oktober (d.h. Veröffentlichung der Statistik für das Jahr 2014 im September/Oktober 2015).

Auch der nach Einwohnern gewichtete Durchschnittshebesatz lässt sich bereits mit der Statistik über die Hebesätze der Realsteuern bestimmen. Die Berechnung ist etwas komplexer als beim arithmetischen Mittel oder beim Median, da zusätzlich die Einwohnerzahlen in die Kalkulation einfließen. Sofern die Daten als Excel-Datei vorliegen, sollte sie indes problemlos durchführbar sein.

Für den normalen Anwender ist dagegen der gewogene Durchschnittshebesatz schwieriger zu berechnen. Dies liegt darin begründet, dass erstens das Berechnungsverfahren komplexer ist und zweitens die notwendigen einzelgemeindlichen Daten schwieriger zugänglich und auswertbar sind. Der notwendige Datensatz ist zwar grundsätzlich über die Regionaldatenbank Deutschland verfügbar und hier über den registrierungspflichtigen Bereich abrufbar (die Registrierung ist kostenlos). Verschiedene Charakteristika des Datensatzes machen Auswertungen allerdings teilweise recht zeitaufwendig. Faktisch sind die meisten normalen Anwender daher auf die Datenlieferung der Statistischen Ämter angewiesen, die jährlich mit der Statistik über den Realsteuervergleich erfolgt.

Die bisherigen Ausführungen haben das Hauptaugenmerk auf die eher technische Interpretation der Vor- und Nachteile der vier Berechnungsmethoden gelegt. Nicht minder wichtig ist allerdings auch der (mutmaßliche) subjektive Blickwinkel der einzelnen Stadt/Gemeinde, in der die Hebesatzentscheidungen letztlich getroffen werden. Aus Sicht der einzelnen Stadt/Gemeinde (bzw. einzelner Entscheidungsträger) ist zu vermuten, dass das arithmetische Mittel der Hebesätze der umliegenden Städte und Gemeinden aufgrund seiner einfachen Nutzbarkeit am ehesten dem "wahrgenommenen Durchschnittshebesatz" entspricht. Wenn z.B. politische Entscheidungsträger die Hebesätze ihrer Gemeinde mit anderen vergleichen, tun sie dies meist in ihrem unmittelbaren geographischen Umfeld (z.B. angrenzende Gemeinden, Gemeinden im eigenen Landkreis). Dabei dürfte der Hebesatz der Nachbargemeinde mit 5.000 Einwohnern subjektiv häufig nicht wesentlich anders gewichtet werden als der Hebesatz der anderen Nachbargemeinde mit 15.000 Einwohnern (d.h. eher keine oder nur eine unterproportionale Gewichtung nach der Einwohnerzahl). Analog dürfte dies für eine etwaige Gewichtung nach dem Istaufkommen gelten. So wird der Hebesatz der Nachbargemeinde mit 10.000 Einwohnern und einem Gewerbesteuer-Istaufkommen von 5,0 Mio. Euro wahrscheinlich nicht wesentlich anders bewertet werden als der Hebesatz der anderen Nachbargemeinde mit 10.000 Einwohnern und einem Istaufkommen von 2,5 Mio. Euro (d.h. eher keine oder nur eine unterproportionale Gewichtung nach dem Istaufkommen).



Weitere Informationen

Weitergehende Informationen zu den Realsteuerhebesätzen und den Realsteuereinnahmen deutscher Kommunen sind auch unter den unten aufgeführten Links verfügbar.

» Steuer-Datenbank der kreisfreien Städte in Deutschland
    Hrsg.: HaushaltsSteuerung.de

» Streuung der Realsteuerhebesätze 2014 in den 103 kreisfreien Städten der
    Flächenländer, Blog-Eintrag vom 27. Juli 2015

    Autor: Andreas Burth

» Streuung der Realsteuerhebesätze 2014 im kreisangehörigen Raum in Deutschland,
    Blog-Eintrag vom 27. Juli 2015

    Autor: Andreas Burth

» Entwicklung der Realsteuer-Hebesätze im Ländervergleich: Gegenüberstellung der Jahre
    2003 und 2014, Blog-Eintrag vom 26. Juli 2015

    Autor: Andreas Burth

» Hebesätze der Grundsteuer A/B und der Gewerbesteuer 2014 nach Ländern und
    Einwohnergrößenklassen, Blog-Eintrag vom 24. Juli 2015

    Autor: Andreas Burth

» Entwicklung der Netto-Steuereinnahmen der Kommunen der Flächenländer von 2004
    bis 2014, Blog-Eintrag vom 3. Juli 2015

    Autor: Andreas Burth

» Entwicklung der Hebesätze von Grundsteuer A, Grundsteuer B und Gewerbesteuer in
    Nordrhein-Westfalen von 1977 bis 2014, Blog-Eintrag vom 14. Juni 2015

    Autor: Andreas Burth

» Kommunale Steuereinnahmen 2014 im Ländervergleich, Blog-Eintrag vom 20. Mai 2015
    Autor: Andreas Burth





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