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Kommunen in Nordrhein-Westfalen ohne dauerhafte Kassenkredite
Kommunen in Nordrhein-Westfalen ohne dauerhafte Kassenkredite
27. Dezember 2016 |
Autor: Andreas Burth
Jüngst ist in einem Blog-Eintrag auf HaushaltsSteuerung.de der Status quo der kommunalen
Kassenkreditschulden
Nordrhein-Westfalens untersucht wurden (siehe untenstehender Link). Ebenso interessant ist indes ein Blick auf die
Entwicklung der Kassenkredite im Zeitablauf und die Frage, welche Kommunen nicht nur kurzfristig, sondern auch
langfristig ohne Kassenkredite auskamen. Eine entsprechende Analyse wird im vorliegenden Beitrag vorgenommen.
» Kommunale Kassenkredite in NRW, Blog-Eintrag vom 21. Dezember 2016
Autor: Andreas Burth
Überblick:
- Methodische Anmerkungen
- Entwicklung der Kassenkreditschulden
- Entwicklung der Anzahl kassenkreditfreier Kommunen
- Kassenkreditfreie Kommunen
- Zu keinem Stichtag kassenkreditfreie Kommunen
- Weitere Informationen
Methodische Anmerkungen
Datengrundlage dieses Beitrags ist eine Statistik aus der Landesdatenbank NRW, die von IT.NRW herausgegeben wird. Sie
enthält für den 31.12. der Jahre 2000 bis 2015 Daten zur Höhe der Kassenkredite in den kommunalen
Kernhaushalten. Nicht
einbezogen werden können aus Gründen der Datenverfügbarkeit etwaige unterjährige Kassenkreditaufnahmen. Betrachtet werden
damit insgesamt 16 Stichtage.
In Nordrhein-Westfalen gibt es 430 Kommunen. Sie setzen sich zum 31.12.2015 zusammen aus:
- Drei höhere Kommunalverbände
- 22 kreisfreie Städte
- 31 Kreise
- 374 kreisangehörige Städte und Gemeinde
Im Betrachtungszeitraum ist die Gesamtzahl nordrhein-westfälischer Kommunen konstant geblieben. Allerdings gab es innerhalb
der kommunalen Familie einzelne Verschiebungen. Die Veränderungen hängen mit der Gründung der Städteregion Aachen zum
21.10.2009 zusammen. Die Städteregion Aachen löste den Kreis Aachen ab und erstreckt sich über das Gebiet des ehemaligen
Kreises Aachen und der kreisfreien Stadt Aachen. Die Stadt Aachen wird aufgrund ihrer Regionsangehörigkeit seit dem 21.10.2009
statistisch zu den kreisangehörigen Städten gezählt. Zuvor war die Stadt Aachen eine kreisfreie Stadt.
Bei den drei höheren Kommunalverbänden in Nordrhein-Westfalen handelt es sich um den Landschaftsverband Rheinland, den
Regionalverband Ruhr und den Landschaftsverband Westfalen-Lippe. Weitere Informationen zu den nordrhein-westfälischen
Kommunalstrukturen können Sie den folgenden Links entnehmen.
» Kommunalstrukturen in Nordrhein-Westfalen, Blog-Eintrag vom 25. Mai 2016
Autor: Andreas Burth
» Entwicklung der Anzahl der Kommunen in Deutschland seit 2002, Blog-Eintrag vom 19. November 2016
Autor: Andreas Burth
» Kommunalstrukturen in Deutschland im Ländervergleich, Blog-Eintrag vom 5. Mai 2015
Autor: Andreas Burth
Kassenkredite sind Schulden, die eigentlich der kurzfristigen Liquiditätssicherung dienen (ähnlich einem Kontokorrentkredit
oder Dispokredit im privaten Bereich). Tatsächlich werden Kassenkredite jedoch von einigen Kommunen in Nordrhein-Westfalen
und anderen Flächenländern zur langfristigen Finanzierung laufender Defizite zweckentfremdet. Dies ist u.a. deshalb
problematisch, weil den Kassenkrediten - im Gegensatz zu den
Investitionskrediten - keine materiell geschaffenen
Vermögenswerte (z.B. Schulgebäude, Brücke) gegenüber stehen. Die in Form von konsumtiven Kassenkrediten angesammelten
Lasten werden demnach nachrückenden Generationen aufgebürdet, ohne dass diesen Generationen aus der Verschuldung (z.B. in
Form investiv geschaffener Vermögenswerte) ein Vorteil erwächst. Hinzu tritt bei den Kassenkrediten das Problem eines
erheblichen Zinsänderungsrisikos. Hohe dauerhafte Kassenkreditbestände (z.B. von 500 Euro je Einwohner oder mehr) sind
ein Indikator für ein Wirtschaften über die eigenen Verhältnisse.
Entwicklung der Kassenkreditschulden
Nordrhein-Westfalen zählt aktuell - neben dem Saarland, Rheinland-Pfalz und Hessen - zur Gruppe der Kassenkreditkrisenländer.
Dies darf indes nicht darüber hinwegtäuschen, dass es auch in Nordrhein-Westfalen Zeiten gab, in denen Kassenkredite ein auf
wenige Kommunen begrenztes Problem waren. Aufgrund des steilen Anstiegs der kommunalen Kassenkredite in den letzten Jahren
hat sich das Bild jedoch radikal gewandelt. Gewissermaßen im Gleichschritt haben zahlreiche NRW-Kommunen über mehrere Jahre
hinweg deutlich über ihre Verhältnisse gewirtschaftet. Das Ergebnis sind enorme Berge an Kassenkrediten.
Zwar konnte von 2014 auf 2015 erstmals im Betrachtungszeitraum wieder eine leichte Verringerung der Kassenkreditschulden
erreicht werden. Hierbei von einer strukturellen Trendwende zu sprechen, erscheint jedoch verfrüht. Aktuell ist die gesamtwirtschaftliche
Situation vergleichsweise gut. Hinzu kommen extrem niedrige Zinsen und ein Landesprogramm zur Unterstützung besonders
konsolidierungsbedürftiger Kommunen (sog. Stärkungspakt Stadtfinanzen). Trotz dieser guten Rahmenbedingungen ist es den
nordrhein-westfälischen Kommunen nicht gelungen, ihre Kassenkredite substanziell zu reduzieren sowie ihre Haushalte
strukturell zu konsolidieren. Hierfür tragen auch der Landesgesetzgeber und die Kommunalaufsicht eine Mitverantwortung.
Bei sich verschlechternden Rahmenbedingungen (z.B. im Falle einer neuen Wirtschaftskrise) ist zu erwarten, dass sich das Kassenkreditproblem wieder deutlich verschärft.
Land und Kommunen sind gefordert, ihre Anstrengungen zu intensivieren.
Entwicklung der Anzahl kassenkreditfreier Kommunen
Ungeachtet der hohen Anzahl von Kassenkreditkrisenkommunen gibt es auch eine Reihe positiver Beispiele: Kommunen, die ohne
Kassenkredite auskommen. Einigen gelingt dies aktuell sogar trotz relativ schlechter Rahmenbedingungen (siehe u.a. auch nachfolgende
Links).
» Gemeinden in Nordrhein-Westfalen ohne Kassenkredite trotz eines starken Bevölkerungsrückgangs, Blog-Eintrag vom 11. September 2015
Autor: Andreas Burth
» Kreisangehörige NRW-Gemeinden ohne Kassenkredite trotz schwieriger Rahmenbedingungen im Sozialbereich, Blog-Eintrag vom 8. September 2015
Autor: Andreas Burth
» Kassenkreditfreie Gemeinden in Nordrhein-Westfalen mit geringer Steuereinnahmekraft, Blog-Eintrag vom 6. September 2015
Autor: Andreas Burth
Die Zahl der kassenkreditfreien Kommunen hat im Zeitablauf jedoch immer weiter abgenommen. Während zum 31.12.2000 insgesamt
339 Kommunen kassenkreditfrei waren, sind es zum 31.12.2015 nur noch 156 Kommunen. Einige Kommunen sind mit schlechtem Beispiel
vorangegangen, indem sie über ihre Verhältnisse wirtschafteten. Leider folgten diesem "Vorbild" auch viele andere Kommunen.
Der Landesgesetzgeber und die Kommunalaufsicht versäumten es offenkundig, in ausreichendem Maße gegenzusteuern.
Da die Fallzahlen zu den höheren Kommunalverbänden (orange) und zu den kreisfreien Städten (grün) aus Platzgründen nicht in
Abbildung 2 integriert werden konnten und die betreffenden Fallzahlen auch anhand der Säulenhöhe nur schwer abzuschätzen sind,
werden sie in Tabelle 1 nochmals nachrichtlich aufgeführt.
Die 156 Kommunen, die zum jüngsten Stichtag (d.h. zum 31.12.2015) im Kernhaushalt kassenkreditfrei waren, werden in Tabelle 2
aufgelistet.
Kassenkreditfreie Kommunen
Trotz der hohen kommunalen Kassenkreditbestände und der noch immer nicht eingeleiteten Trendwende im Gesamtvolumen der
Kassenkredite gibt es doch auch einige Kommunen, denen es gelingt, die Haushalte dauerhaft kassenkreditfrei zu führen.
Insgesamt haben es 87 Kommunen (zehn Kreise sowie 77 kreisangehörige Städte und Gemeinden) geschafft, an keinem der 16 untersuchten
Stichtage Kassenkredite im Kernhaushalt zu haben. Dies ist sehr positiv zu bewerten. Besagte Kommunen können als
Ausgangspunkt für ein interkommunales "Lernen von anderen" dienen.
Unter den dauerhaft kassenkreditfreien Städten und Gemeinden finden sich auch Kommunen mit schwierigeren Rahmenbedingungen
(z.B. geringe Steuereinnahmen, starke Bevölkerungsrückgänge). Beispielhaft genannt seien bzgl. geringer Steuereinnahmen
die Kommunen Ibbenbüren, Kranenburg, Nieheim, Recke, Rees, Selfkant und Willebadessen. Hinsichtlich starker
Bevölkerungsrückgänge sei beispielhaft verwiesen auf Borgentreich, Marienmünster, Nieheim, Schmallenberg und Willebadessen.
Hieran zeigt sich einmal mehr: Wer will, der kann - auch unter schwierigeren Rahmenbedingungen.
Zu Zwecken der Liquiditätssicherung kann es auch bei sehr solide wirtschaftenden Kommunen vorkommen, dass sie in
Ausnahmesituationen kurzfristig auf Kassenkredite zurückgreifen müssen. Dies ist schließlich auch der Sinn von
Kassenkrediten. Vor diesem Hintergrund führt Tabelle 2 diejenigen Kommunen auf, die zumindest an 15 der 16 Stichtage
ohne Kassenkredite auskamen. Insgesamt trifft dies auf den Landschaftsverband Rheinland, den Kreis Warendorf sowie 23
kreisangehörige Städte und Gemeinden zu.
Zu keinem Stichtag kassenkreditfreie Kommunen
Neben den oben genannten positiven Beispielen gibt es leider auch zahlreiche schlechtere Beispiele. Besonders hervor
stechen diejenigen 61 Kommunen, die an keinem der 16 Stichtage kassenkreditfrei waren. Es handelt sich um 14 kreisfreie
Städte, einen Kreis sowie 46 kreisangehörige Städte und Gemeinden. Sie werden in Tabelle 4 aufgeführt.
Unter den 61 Kommunen gibt es allerdings auch einzelne Fälle, die zwar dauerhaft mit Kassenkrediten wirtschaften, deren
Pro-Kopf-Niveau zum 31.12.2015 aber noch überschaubar ist. Zu nennen sind v.a. Minden (62 Euro je Einwohner), Grevenbroich
(132 Euro je Einwohner) und der Kreis Lippe (113 Euro je Einwohner). Demgegenüber liegen 13 von 14 kreisfreien Städten
und 36 von 46 kreisangehörigen Städten und Gemeinden zum 31.12.2015 über dem als "sehr hoch" zu kategorisierenden Niveau
von 1.000 Euro je Einwohner.
Die Kommunen mit dauerhaften Kassenkrediten sind angehalten, ihre Haushalte möglichst zeitnah zu konsolidieren, um
den Abbau der Kassenkredite voranzutreiben. Auf der Suche nach möglichen Konsolidierungsmaßnahmen kann z.B.
ein Blick in die Haushaltssicherungskonzepte anderer Kommunen helfen.
» Linksammlung zu kommunalen Haushaltssicherungskonzepten
Hrsg.: HaushaltsSteuerung.de
Weitere Informationen
Ergänzende Informationen zu den nordrhein-westfälischen Kommunalfinanzen können Sie auf HaushaltsSteuerung.de über
folgende Links abrufen.
» Kommunalverschuldung in Nordrhein-Westfalen (NRW)
Hrsg.: HaushaltsSteuerung.de
» Entwicklung der Anzahl schuldenfreier Kommunen in Nordrhein-Westfalen, Blog-Eintrag vom 7. November 2016
Autor: Andreas Burth
» Kommunen in Nordrhein-Westfalen ohne Schulden, Blog-Eintrag vom 29. April 2016
Autor: Andreas Burth
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