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HaushaltsSteuerung.de » Weblog » Pro-Kopf-Kassenkredite der 30 verbandsfreien, kreisangehörigen Städte und Gemeinden in Rheinland-Pfalz

Pro-Kopf-Kassenkredite der 30 verbandsfreien, kreisangehörigen Städte und Gemeinden in Rheinland-Pfalz
9. August 2015  |  Autor: Andreas Burth



Das Land Rheinland-Pfalz zählt (neben Hessen, Nordrhein-Westfalen und dem Saarland) bereits seit mehreren Jahren zu den Flächenländern mit den im Durchschnitt konsolidierungsbedürftigsten Kommunalfinanzen. Erkennbar wird die Krisensituation u.a. an hohen Kassenkreditbeständen und merklichen Defiziten im kommunalen Finanzierungssaldo. Ein besonderer Problemdruck geht dabei von den einwohnerstärksten Städten und Gemeinden, namentlich den kreisfreien Städten, aus (siehe z.B. nachfolgende Links). Ende 2013 war keine der zwölf Städte kassenkreditschuldenfrei. Die Kassenkreditspannweite reicht von 469 Euro je Einwohner in Neustadt an der Weinstraße bis 7.171 Euro je Einwohner in Pirmasens.

Die kreisfreien Städte in Rheinland-Pfalz stehen derzeit vor großen Konsolidierungsaufgaben und damit zweifelsohne auch vor einigen unangenehmen Entscheidungen. Sofern der zur Haushaltskonsolidierung nötige Wille aufgebracht wird, sind die bestehenden Finanzprobleme für die kreisfreien Städte aber lösbar. Letztlich ist jeder Kommunalhaushalt konsolidierbar. Die kreisfreien Städte haben eine enorme Kraft, die durch jahrelange Defizit- und Schuldenwirtschaft mit der Zeit aber in Vergessenheit geraten ist.

» Schulden-Ranking der 103 kreisfreien Städte in Deutschland, Blog-Eintrag vom 3. August
    2014

    Autor: Andreas Burth

» Doppische Haushaltssatzungen 2014 der zwölf kreisfreien Städte in Rheinland-Pfalz im
    Vergleich, Blog-Eintrag vom 26. Oktober 2014

    Autor: Andreas Burth

» Pro-Kopf-Schulden aus Kassenkrediten in den 103 kreisfreien Städten der Flächenländer
    in den Jahren 2011 bis 2013 im Vergleich, Blog-Eintrag vom 30. Juni 2015

    Autor: Andreas Burth

Auch die Haushalte einiger Landkreise in Rheinland-Pfalz sind konsolidierungsbedürftig (siehe z.B. untenstehende Links). Um die Versäumnisse der Vergangenheit zu beseitigen, werden in einzelnen Landkreisen ebenfalls unangenehme, aber dennoch notwendige Konsolidierungsmaßnahmen zu ergreifen sein.

» Schulden-Ranking der 295 Landkreise in Deutschland, Blog-Eintrag vom 3. August 2014
    Autor: Andreas Burth

» Ergebnisplanung 2014 der 24 Landkreise in Rheinland-Pfalz im Vergleich, Blog-Eintrag
    vom 3. Dezember 2014

    Autor: Andreas Burth

Auf HaushaltsSteuerung.de bislang nicht explizit untersucht wurde die Gruppe der kreisangehörigen Städte und Gemeinden in Rheinland-Pfalz. Einen ersten Schritt zur Schließung dieser Lücke, soll dieser Blog-Eintrag leisten. Aus Gründen der Datenverfügbarkeit sowie vor dem Hintergrund ihrer finanzwirtschaftlichen Relevanz fokussiert sich der vorliegende Beitrag dabei auf die größeren Körperschaften, namentlich die 30 verbandsfreien, kreisangehörigen Städte und Gemeinden. Der inhaltliche Schwerpunkt liegt auf einer Analyse der Kassenkredite, die als besonders problematische Verschuldungsform gelten. Dauerhafte Kassenkreditbestände sind ein klassisches Symptom eines Lebens über die eigenen Verhältnisse. Ergänzend werden auch Daten zu den Realsteuerhebesätzen berichtet.

Überblick:
- Methodische Anmerkungen
- Stand und Entwicklung der Kassenkreditschulden 2006 bis 2013
- Die Realsteuern als potenzielles, ertragsseitiges Konsolidierungsfeld
- Weitere Informationen



Methodische Anmerkungen

Die herangezogenen Daten zu den Einwohnerzahlen und Kassenkreditbeständen (in Rheinland-Pfalz werden Kassenkredite auch als "Kredite zur Liquiditätssicherung" oder "Liquiditätskredite" bezeichnet) sind der Datenbank des Wegweisers Kommune der Bertelsmann Stiftung entnommen worden, welche im aktuellsten Jahr auf der
Kassenstatistik und in den früheren Jahren meist auf der Jahresrechnungsstatistik basiert. Betrachtungshorizont sind die Jahre 2006 bis 2013. Dies ist der längstmögliche Zeitraum, für den der Wegweiser Kommune Kassenkreditdaten bereitstellt.

» Wegweiser Kommune
    Hrsg.: Bertelsmann Stiftung

Die genutzten Kassenkreditdaten decken aus Gründen der Datenverfügbarkeit lediglich den Kernhaushalt ab. Nachteilig an ausschließlichen Kernhaushaltsbetrachtungen ist, dass auch die kreisangehörigen Städte und Gemeinden umfangreiche Auslagerungen haben (können). Diese Auslagerungen können ebenfalls Schulden dieses Typs haben, weshalb die Kassenkreditschulden hier nicht vollständig erfasst sind.

Der vorliegende Blog-Eintrag fokussiert sich, wie bereits erwähnt, auf eine Analyse der Kassenkredite. Bei den Kassenkrediten handelt es sich jedoch nicht um die einzige kommunale Schuldenart. Weitere wichtige Schuldenarten sind z.B. die Investitionskredite und die Rückstellungen (z.B. für Pensionen). Erstere wären im Wegweiser für die Kernhaushalte abrufbar, letztere sind nicht flächendeckend einzelgemeindlich verfügbar. Die Investitionskredite finden hier keine Berücksichtigung, da der Fokus auf die problematischste Schuldenart (d.h. die Kassenkredite) gelegt werden soll. Der Gesamtschuldenstand der Städte und Gemeinden ist indes in der Folge merklich höher als hier dargestellt.

Neben den bereits beschriebenen Kassenkredit-Informationen für die verbandsfreien, kreisangehörigen Städte und Gemeinden werden nachrichtlich stets auch die Einwohnerzahlen zum 30.6.2014 ausgewiesen. Es handelt sich hierbei um die aktuellsten Einwohnerzahlen, die derzeit einzelgemeindlich verfügbar sind. Die Spannweite der Einwohnerzahlen reicht von 8.185 in Kirn bis 63.904 in Neuwied. Die Pro-Kopf-Berechnung bei den Kassenkreditbeständen erfolgt jeweils mittels der Einwohnerzahlen zum 31.12. des jeweiligen Jahres. Die Einwohnerdaten der Jahre 2011 bis 2013 basieren auf dem Zensus 2011. Im Falle der Jahre bis einschließlich 2010 werden frühere Zählungen zugrunde gelegt.

Die Analyse beschränkt sich auf die verbandsfreien Städte und Gemeinden im kreisangehörigen Raum. Daten zu den verbandsangehörigen Städten und Gemeinden können auf Grundlage des Wegweisers Kommune ab einer Größe von 5.000 Einwohnern abgerufen werden. In die vorliegende Untersuchung sind sie nicht einbezogen worden, da ab 2013 eine wichtige methodische Änderung im Datensatz vorgenommen wurde, die Vergleiche der Jahre 2006 bis 2012 mit dem Jahr 2013 unmöglich macht.

Zum Verständnis der methodischen Änderung im verbandsangehörigen Bereich ist es zunächst wichtig zu wissen, dass jede Verbandsgemeinde zusammen mit ihren verbandsangehörigen Städten/Gemeinden ein Cash-Pool-System (sog. Einheitskasse) nutzt. Der Cash Pool ist bei der Verbandsgemeinde angesiedelt. In diesem System legen diejenigen Städte/Gemeinden, die überschüssige Liquidität haben, selbige in den Cash Pool. Umgekehrt greifen Städte/Gemeinden, die kurzfristige Liquidität benötigen, auf den Cash Pool zu. Städte/Gemeinden mit überschüssiger Liquidität haben damit Finanzvermögen gegenüber der Verbandsgemeinde (sog. Finanzvermögen beim öffentlichen Bereich). Städte/Gemeinden, die Liquidität aus dem Cash Pool beziehen, haben demgegenüber Kassenkreditschulden gegenüber der Verbandsgemeinde (sog. Kassenkredite beim öffentlichen Bereich). Sofern der Cash Pool zusätzliche Liquidität benötigt (d.h. die Liquiditätsüberschüsse einzelner Städte/Gemeinden und der Verbandsgemeinde reichen nicht aus) nimmt die Verbandsgemeinde (und nicht die einzelne Stadt/Gemeinde) Kassenkredite beim nicht-öffentlichen Bereich (z.B. bei einem Kreditinstitut) auf.

Bis einschließlich 2012 erfasst die Datenbank des Wegweisers Kommune nach Auskunft des Statistischen Landesamtes Rheinland-Pfalz bei den verbandsangehörigen Städten/Gemeinden nur die Kassenkredite beim nicht-öffentlichen Bereich. Da eine verbandsangehörige Stadt/Gemeinden im Cash-Pool-System keine Kassenkredite beim nicht-öffentlichen Bereich aufnimmt (sondern dies immer nur die Verbandsgemeinde tut), wird bei den verbandsangehörigen Städten/Gemeinden stets ein Wert von 0 Euro berichtet. Ab 2013 werden bei den Kassenkreditbeständen der verbandsangehörigen Städten/Gemeinden indes auch die Kassenkredite beim öffentlichen Bereich (d.h. z.B. Kassenkredite einer Gemeinde bei ihrer Verbandsgemeinde) ausgewiesen. Im Ergebnis kommt es zu enormen Sprüngen im Kassenkreditschuldenstand gegenüber dem Vorjahr. Während der Wegweiser Kommune beispielsweise in der Stadt Rockenhausen für die Jahre 2006 bis 2012 Kassenkreditschulden von 0 Euro je Einwohner berichtet, liegen sie 2013 aufgrund der methodischen Überarbeitung bei 3.320 Euro je Einwohner. Analoge Kassenkreditsprünge von null in den Jahren bis 2012 auf hohe Pro-Kopf-Werte 2013 sind in vielen anderen verbandsangehörigen Städten und Gemeinden (z.B. Bad Hönningen mit 2.858 Euro je Einwohner, Oppenheim mit 1.818 Euro je Einwohner, Eisenberg (Pfalz) mit 1.596 Euro je Einwohner, Daun mit 1.444 Euro je Einwohner, Birkenfeld mit 1.210 Euro je Einwohner, Gerolstein mit 1.034 Euro je Einwohner) zu beobachten.

Kassenkredite sind kurzfristige Verbindlichkeiten, die zur Deckung kurzfristiger Liquiditätsengpässe dienen. Die meiste Zeit des Jahres hat ihr Bestand daher bei 0,00 Euro zu liegen. Kassenkredite unterliegen als kurzfristige Schuldenart regelmäßigen Umschuldungen. Dies macht sie anfällig für Änderungen im Zinsniveau. Zugleich sind sie dadurch charakterisiert, für laufende Aufgaben aufgenommen worden zu sein. Sie sind folglich nicht durch Vermögenswerte gedeckt.

Der kurzfristige Charakter der Kassenkredite zeigt zugleich eine Limitation von Zeitraumbetrachtungen mit jeweils nur einem Stichtag pro Jahr auf. So kann es sein, dass die Kassenkreditbestände unterjährig höher oder niedriger liegen als zum hier gewählten Betrachtungszeitpunkt, dem 31.12. des jeweiligen Jahres. Dies gilt es bei der Interpretation der folgenden Analysen zu beachten.

Werden Kassenkredite zu einer Dauerfinanzierungsquelle, liegt per Definition eine Zweckentfremdung dieser Schuldenart vor. Zugleich zeigen dauerhafte Kassenkreditbestände auf, dass die betreffende Körperschaft über ihre Verhältnisse lebt. Je höher das dauerhafte Kassenkreditniveau, desto größer ist das Ausmaß des Lebens über die eigenen Verhältnisse.

Eine exakte Pro-Kopf-Grenze, ab der ein Kassenkreditbestand problematisch ist, ist schwerlich allgemeingültig zu definieren. Tendenziell kann aber davon ausgegangen werden, dass Bestände von unter 100 Euro je Einwohner noch wenig problematisch sind (zumindest sofern sie keinen dauerhaften Charakter haben). Höhere Bestände (z.B. von mehreren hundert Euro je Einwohner) sind indes bereits sehr bedenklich. Ab einer Höhe von 500 Euro je Einwohner kann bereits von ausgesprochen kritischen Niveaus gesprochen werden. Kassenkreditstände, die sogar die Schwelle von 1.000 Euro je Einwohner überschreiten, offenbaren eine ausufernde Zweckentfremdung und ein exzessives Leben über die eigenen Verhältnisse. Gegenmaßnahmen sind vor Ort schnellstmöglich zu ergreifen. Konsolidierungsmaßnahmen (Steigerung von Erträgen und/oder Reduktion von Aufwendungen) sind in dem Maße zu ergreifen, bis der Haushaltsausgleich dauerhaft erreicht wird und die Liquiditätsüberschüsse ausreichen, um mit dem Abbau der Kassenkredite beginnen zu können.



Stand und Entwicklung der Kassenkreditschulden 2006 bis 2013

Tabelle 1 enthält Informationen zu den Einwohnerzahlen und den Kassenkrediten der Jahre 2006 bis 2013. Ergänzend ist in Tabelle 1 auch verzeichnet, ob die betreffende Stadt bzw. Gemeinde Teilnehmer des Kommunalen Entschuldungsfonds Rheinland-Pfalz (KEF-RP) ist. Der Kommunale Entschuldungsfonds ist ein Programm des Landes Rheinland-Pfalz zur finanziellen Unterstützung konsolidierungsbedürftiger Kommunen (v.a. Abbau von Kassenkrediten). Eine Teilnahme am Kommunalen Entschuldungsfonds deutet damit tendenziell auf eine schlechtere Finanzlage in der jeweiligen Kommune hin. Gleichwohl zielt gerade der Kommunale Entschuldungsfonds darauf ab, die Finanzsituation der Teilnehmer dauerhaft zu verbessern. Teilnehmer am Kommunalen Entschuldungsfonds sind zwölf der 30 verbandsfreien, kreisangehörigen Städte und Gemeinden (Stand: 17.11.2014).

Der Kommunale Entschuldungsfonds startete zum 1.1.2012 mit dem Ziel, die bis zum Stichtag 31.12.2009 angelaufenen Kassenkredite deutlich zu reduzieren. Die Aufnahme in den Entschuldungsfonds wird durch den Abschluss eines Konsolidierungsvertrags zwischen der teilnehmenden Kommune und dem Land begründet. Die teilnehmenden Kommunen sind verpflichtet, eigene Konsolidierungsbeträge in Höhe von einem Drittel der auf die Kommune entfallenden Jahresleistung des Entschuldungsfonds zu leisten.

Das Gesamtvolumen des Entschuldungsfonds soll 3,825 Mrd. Euro betragen und über einen Zeitraum von 15 Jahren jährlich max. 255 Mio. Euro aufbringen. Ziel soll sein, darüber zwei Drittel der Ende 2009 bestehenden Kassenkreditschulden zu tilgen und darüber die fälligen Zinslasten zu vermindern. Die Finanzierung des Fonds erfolgt zu einem Drittel durch die Kommunen (z.B. durch Einsparungen im Haushalt, Steuererhöhungen, Umlageerhöhungen). Ein zweites Drittel wird aus dem kommunalen Finanzausgleich aufgebracht und stammt somit von der Solidargemeinschaft der kommunalen Familie. Das letzte Drittel wird aus dem Haushalt des Landes bereitgestellt.

Aufgrund des in der nahen Vergangenheit liegenden Starttermins und der langen Laufzeit von 15 Jahren sind die Wirkungen des Entschuldungsfonds auf Grundlage der zur Verfügung stehenden Kassenkreditdaten der Jahre 2006 bis 2013 nur sehr eingeschränkt beurteilbar. Eine abschließende Beurteilung der Wirksamkeit des Programms wird vermutlich erst nach Ablauf der 15-jährigen Laufzeit möglich sein. Weitere Informationen zum Kommunalen Entschuldungsfonds Rheinland-Pfalz können Sie unter nachfolgendem Link abrufen.

» Kommunaler Entschuldungsfonds Rheinland-Pfalz (KEF-RP)
    Hrsg.: Ministerium des Innern, für Sport und Infrastruktur des Landes Rheinland-Pfalz

In ihrer Summe haben die 30 verbandsfreien, kreisangehörigen Städte und Gemeinden Ende 2013 Kassenkreditschulden von etwas mehr als 300 Mio. Euro. Die höchsten Pro-Kopf-Kassenkredite hat Idar-Oberstein mit 2.399 Euro je Einwohner. Ebenfalls über 1.000 Euro je Einwohner liegen Mayen, Lahnstein und Kirn. Kassenkreditschuldenfrei sind Ende 2013 nur Bobenheim-Roxheim, Böhl-Iggelheim, Grafschaft, Ingelheim am Rhein, Limburgerhof, Morbach, Mutterstadt, Wittlich und Wörth am Rhein. Die fünf Kommunen Bobenheim-Roxheim, Böhl-Iggelheim, Grafschaft, Morbach und Mutterstadt haben im Zeitraum 2006 bis 2013 zu keinem Jahresende Kassenkredite berichtet.

Im Zeitablauf zeigt sich eine deutliche Steigerungstendenz. Im Vergleich zum 31.12.2006 haben sich die durchschnittlichen Pro-Kopf-Kassenkreditbestände bis zum 31.12.2013 um 195,47 Prozent erhöht (und damit fast verdreifacht). Nur von 2006 auf 2007 ist eine leichte Reduktion zu beobachten (Rückgang in Höhe von -8,78 Prozent). Die deutlichste Zunahme im Kassenkreditniveau zeigt sich ab 2009 mit Beginn der Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise auf die öffentlichen Haushalte. Im Vergleich zum 31.12.2008 liegt der Schuldenstand zum 31.12.2009 um 79,73 Prozent höher. Das stärkste Pro-Kopf-Kassenkreditwachstum haben im Betrachtungszeitraum die beiden "Spitzenreiter" Idar-Oberstein (+1.908 Euro je Einwohner) und Mayen (+1.367 Euro je Einwohner). In den Jahren 2006 und 2007 war Mayen im Bereich der Kassenkredite noch unauffällig. Mit Eintritt der Finanz- und Wirtschaftskrise ab 2009 sind die Kassenkreditschulden allerdings enorm angewachsen. Die dringend notwendige Trendwende ist bislang weder in Idar-Oberstein noch in Mayen erkennbar.

Die hohen Kassenkreditbestände einiger verbandsangehöriger Städte und Gemeinden zeigen, dass dort in der Vergangenheit über die eigenen Verhältnisse gelebt wurde. Die Kommunen sind gefordert, das Kassenkreditwachstum zu stoppen und über Haushaltsüberschüsse schrittweise auf null Euro zurückzuführen. Unterjährige Kassenkreditschuldenfreiheit muss die Regel und nicht die Ausnahme sein. Es muss sichergestellt werden, dass Kassenkredite nur zu ihrem eigentlichen Zweck - der kurzfristigen Liquiditätssicherung - eingesetzt werden.

Ranking über den Stand und die Entwicklung der Pro-Kopf-Kassenkredite in den Kernhaushalten der 30 verbandsfreien, kreisangehörigen Städte und Gemeinden in Rheinland-Pfalz von 2006 bis 2013



Die Realsteuern als potenzielles, ertragsseitiges Konsolidierungsfeld

Zum Abbau der Kassenkreditschulden ist das Ergreifen von Konsolidierungsmaßnahmen dringend geboten. Die bisher ergriffenen Maßnahmen scheinen mancherorts indes noch nicht auszureichen. Wichtig wird daher sein, zeitnah die Aufwendungen weiter zu senken und/oder die Erträge weiter zu steigern. Auf der Ertragsseite bieten sich zu Konsolidierungszwecken z.B. die
Realsteuern (Grundsteuer A/B, Gewerbesteuer) an. Das Realsteueraufkommen können die Städte und Gemeinden über die Festsetzung der Hebesätze steuern. Tabelle 2 enthält hierzu die Realsteuerhebesätze der Jahre 2012 bis 2014. 2014 ist das aktuellste, statistisch verfügbare Jahr, zu dem einzelgemeindliche Hebesatzdaten verfügbar sind. Die Jahre 2012 und 2013 sind ergänzend in die Tabelle integriert worden, um zumindest zwei Jahre aus dem Betrachtungszeitraum der obigen Kassenkreditanalyse abzudecken. Die Städte und Gemeinden sind in Tabelle 2 abweichend zu Tabelle 1 alphabetisch (und nicht nach der Höhe der Pro-Kopf-Kassenkreditschulden zum 31.12.2013) sortiert worden.

Der Höchsthebesatz der Grundsteuer A im Jahr 2014 liegt in den 30 Städten und Gemeinden bei 400 Prozent (Bitburg). Ingelheim am Rhein hat mit 67 Prozent den niedrigsten Grundsteuer-A-Hebesatz. Bei der Grundsteuer B haben Bad Kreuznach und Bitburg mit 400 Prozent den höchsten Hebesatz für 2014 beschlossen. In Ingelheim am Rhein liegt der Grundsteuer-B-Hebesatz demgegenüber mit 80 Prozent auf dem geringsten Niveau. Im Bereich der Gewerbesteuer reicht die Spannweite 2014 von 330 Prozent in Grafschaft bis 405 Prozent in Bad Kreuznach und Neuwied.

Entwicklung der Realsteuerhebesätze (Grundsteuer A/B, Gewerbesteuer) der 30 verbandsfreien, kreisangehörigen Städte und Gemeinden in Rheinland-Pfalz von 2012 bis 2014

Im Zeitablauf ist eine Erhöhungstendenz im Hebesatzniveau festzustellen. Dies gilt gleichermaßen für die Hebesätze der Grundsteuer A, der Grundsteuer B und der Gewerbesteuer. Inwiefern die bisherigen Erhöhungen ausreichen, um das Kassenkreditwachstum einiger Städte und Gemeinden zu stoppen, hängt vom Umfang der anderweitig vorgenommen Konsolidierungsmaßnahmen ab.

Das aktuelle Hebesatzniveau in Rheinland-Pfalz stellt keineswegs die Obergrenze des Möglichen dar. In anderen Ländern mit Kommunalfinanzproblemen liegen die durchschnittlichen Realsteuerhebesätze teilweise deutlich höher. Zum Vergleich sei beispielhaft auf das Nachbarland Nordrhein-Westfalen verwiesen: Dort haben die kreisangehörigen Städte und Gemeinden in der einschlägigen Größenklasse (hier: 8.000 bis 65.000 Einwohner) im Jahr 2014 im arithmetischen Mittel Hebesätze von 259,5 Prozent bei der Grundsteuer A, 451,8 Prozent bei der Grundsteuer B und 431,6 Prozent bei der Gewerbesteuer beschlossen. Nur der Hebesatz der aufkommensseitig wenig bedeutsamen Grundsteuer A ist damit in Rheinland-Pfalz höher als in Nordrhein-Westfalen. Bei den zwei anderen, weitaus aufkommensstärkeren Steuern (Grundsteuer B und Gewerbesteuer) bleiben die verbandsfreien Städte und Gemeinden in Rheinland-Pfalz deutlich hinter ihren nordrhein-westfälischen Pendants zurück. Hier können in Rheinland-Pfalz erhebliche Ertragssteigerungspotenziale erschlossen werden.

Gerade in Städten und Gemeinden mit besonders kritischer Finanzlage kann der dauerhafte Haushaltsausgleich eventuell nicht erreicht werden, sofern bei der Grundsteuer B und der Gewerbesteuer die Hebesätze nur bis zum nordrhein-westfälischen Durchschnittshebesatz erhöht werden. In diesem Sinne kann es hier auch relevant sein, die aktuellen Höchstwerte im Hebesatzniveau auszuloten, falls der strukturelle Haushaltsausgleich nicht über anderweitige Konsolidierungsmaßnahmen (Aufwandssenkungen und/oder Ertragssteigerungen außerhalb des Realsteuerbereichs) erreicht werden kann.

Der Höchsthebesatz der Grundsteuer B im kreisangehörigen Raum in Deutschland in der Einwohnergrößenklasse 8.000 bis 65.000 Einwohner liegt 2014 bei 960 Prozent. Er ist von der rund 10.000 Einwohner zählenden Gemeinde Nauheim in Hessen beschlossen worden. Andere Städte und Gemeinden mit Grundsteuer-B-Hebesätzen von mindestens 800 Prozent sind z.B. die nordrhein-westfälischen Kommunen Haltern am See (825 Prozent; 37.278 Einwohner), Selm (825 Prozent; 25.583 Einwohner) und Werl (800 Prozent; 29.895 Einwohner).

Bei der Gewerbesteuer liegt der deutsche Höchsthebesatz 2014 in besagter Einwohnergrößenklasse bei 520 Prozent in der 20.962 Einwohner zählenden Stadt Elsdorf in Nordrhein-Westfalen. Weitere Beispiele von kreisangehörigen Städten und Gemeinden mit Gewerbesteuerhebesätzen von mindestens 500 Prozent sind die nordrhein-westfälischen Kommunen Siegburg (515 Prozent; 39.654 Einwohner), Haltern am See (500 Prozent; 37.278 Einwohner), Hünxe (500 Prozent; 13.547 Einwohner) und Kerpen (500 Prozent; 63.931 Einwohner).

Die derzeitige Hebesatzhöhe bei der Grundsteuer B und der Gewerbesteuer verdeutlicht den großen ertragsseitigen Handlungsspielraum, den die verbandsfreien Städte und Gemeinden in Rheinland-Pfalz noch haben. Unter ergänzender Konsolidierung auf der Aufwandsseite und unter Ausschöpfung sonstiger Ertragspotenziale (z.B. kostendeckende Gebühren, Erhöhung von Bagatellsteuern) dürften der dauerhafte Haushaltsausgleich sowie der Abbau der Kassenkreditverschuldung flächendeckend aus eigener Kraft möglich sein.

Ein sehr interessanter Ansatz zur Haushaltskonsolidierung findet sich in einigen deutschen Städte und Gemeinden in Form sog. Nachhaltigkeitssatzungen. Kern dieser Satzungen ist es, dass der doppische Ergebnisausgleich in Form des sog. Generationenbeitrags an den Hebesatz der Grundsteuer B gekoppelt wird. Hierdurch entstehen vor Ort politische Anreize zur Haushaltskonsolidierung. Man spricht in diesem Zusammenhang auch vom Modell einer doppischen Kommunalschuldenbremse. Das Konzept hilft über den dauerhaften Ergebnisausgleich indirekt auch dabei, die Kassenkreditverschuldung in den Griff zu bekommen.

In Deutschland gibt es bereits eine Reihe von kommunalen Beispielen, die eine derartige Satzung beschlossen haben. In Rheinland-Pfalz hat dies bereits die Ortsgemeinde Stadtkyll mit rund 1.500 Einwohner im Nordwesten von Rheinland-Pfalz getan. Aber auch in der hier einschlägigen Größenklasse "8.000 bis 65.000 Einwohner" gibt es in anderen Ländern einige beispielgebende kreisangehörige Städte und Gemeinden. Genannt werden können u.a. die Stadt Taunusstein in Hessen (rund 29.000 Einwohner) und die nordrhein-westfälischen Städte Freudenberg (rund 18.000 Einwohner), Overath (rund 27.000 Einwohner), und Spenge (rund 15.000 Einwohner). Eine detaillierte Beschreibung des Modells einer doppischen Kommunalschuldenbremse können Sie auch im Kommunalen Finanzreport 2013 abrufen (letzter Link).

» Satzung generationengerechte Finanzen der Ortsgemeinde Stadtkyll
    Hrsg.: Ortsgemeinde Stadtkyll

» Nachhaltigkeitssatzung der Stadt Taunusstein
    Hrsg.: Stadt Taunusstein

» Nachhaltigkeitssatzung der Stadt Freudenberg
    Hrsg.: Stadt Freudenberg

» Nachhaltigkeitssatzung der Stadt Overath
    Hrsg.: Stadt Overath

» Nachhaltigkeitssatzung der Stadt Spenge
    Hrsg.: Stadt Spenge

» Kommunaler Finanzreport 2013: Modell einer doppischen Kommunalschuldenbremse
    (S. 166 ff.)

    Autoren: Andreas Burth, René Geißler, Marc Gnädinger, Dennis Hilgers



Weitere Informationen

Ein Datenangebot zur Kommunalverschuldung in Rheinland-Pfalz ist unter dem im Folgenden genannten Link einsehbar.

» Verschuldung in Rheinland-Pfalz: Kommunalverschuldung
    Hrsg.: HaushaltsSteuerung.de





©  Andreas Burth, Marc Gnädinger