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Die Hebesatzpolitik bei der Grundsteuer B im Saarland
Die Hebesatzpolitik bei der Grundsteuer B im Saarland
31. Juli 2016 |
Autor: Andreas Burth
Das Saarland hat unrühmliche Bekanntheit dafür erlangt, dass es seine Finanzen sowohl auf Landesebene als auch auf kommunaler
Ebene von allen 13 Flächenländern am wenigsten im Griff hat. Kein Flächenland hat eine höhere Pro-Kopf-Verschuldung oder höhere
Pro-Kopf-Finanzierungsdefizite (siehe nachfolgende Links). Das Wirtschaften über die eigenen Verhältnisse ist im Saarland leider
trauriger Alltag. Das gilt sowohl für die Landesebene als auch für die kommunale Ebene.
» Finanzierungssaldo der Länder im Jahr 2015, Blog-Eintrag vom 5. Mai 2016
Autor: Andreas Burth
» Pro-Kopf-Schuldenstände der Bundesländer zum 31.12.2015, Blog-Eintrag vom 7. Mai 2016
Autor: Andreas Burth
» Kommunaler Finanzierungssaldo im Jahr 2015, Blog-Eintrag vom 5. Mai 2016
Autor: Andreas Burth
» Pro-Kopf-Schulden der Gemeinden und Gemeindeverbände in Deutschland zum 31.12.2015 im Ländervergleich, Blog-Eintrag vom 7. Mai 2016
Autor: Andreas Burth
Als Ursache für die kommunalen Finanzprobleme wird teilweise auch darauf verwiesen, dass die Rahmenbedingungen im Saarland
schwierig seien. Das dies jedoch keine grundsätzliche Ausrede sein kann, zeigen Kommunen in anderen Kommunalfinanzkrisenländern
(z.B. Hessen und Nordrhein-Westfalen). Dort gibt es mehrere Kommunen, die ihre Haushalte trotz sehr schwieriger Rahmenbedingungen
(z.B. geringe Steuereinnahmen, zergliederte Siedlungsstruktur, starke Bevölkerungsrückgänge, schwierige Soziallage) ohne
Kassenkredite
führen (siehe nachfolgende Links). Ebenso gibt es Länder, wie z.B. Sachsen, deren Rahmenbedingungen insgesamt
betrachtet tendenziell eher schlechter sind als im Saarland. Dennoch wirtschaften in Sachsen die meisten Kommunen (unabhängig
vom Problemdruck der Rahmenbedingungen) mit nur geringen Schulden und quasi ohne Kassenkredite. Hieran wird deutlich: Wer will,
der kann - auch unter schwierigen Rahmenbedingungen.
» Stark zersiedelte Gemeinden in Hessen ohne Kassenkredite, Blog-Eintrag vom 20. Oktober 2015
Autor: Andreas Burth
» Gemeinden in Nordrhein-Westfalen ohne Kassenkredite trotz eines starken Bevölkerungsrückgangs, Blog-Eintrag vom 11. September 2015
Autor: Andreas Burth
» Kreisangehörige NRW-Gemeinden ohne Kassenkredite trotz schwieriger Rahmenbedingungen im Sozialbereich, Blog-Eintrag vom 8. September 2015
Autor: Andreas Burth
» Kassenkreditfreie Gemeinden in Nordrhein-Westfalen mit geringer Steuereinnahmekraft, Blog-Eintrag vom 6. September 2015
Autor: Andreas Burth
» Steuerschwache Gemeinden in Hessen ohne Kassenkreditschulden, Blog-Eintrag vom 4. September 2015
Autor: Andreas Burth
» Kassenkreditschulden der Städte und Gemeinden in Sachsen, Blog-Eintrag vom 16. September 2015
Autor: Andreas Burth
Zudem sind die Rahmenbedingungen im Saarland gar nicht so schlecht wie man in Anbetracht der Finanzlage meinen mag. Immerhin
hat das Saarland das fünfhöchste
Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt
der 13 Flächenländer (siehe nachfolgender Link).
» Netto-Steuereinnahmen und Wirtschaftskraft der Kommunen im Ländervergleich, Blog-Eintrag vom 4. Mai 2016
Autor: Andreas Burth
Wie in dem zuvor verlinkten Beitrag vom 4. Mai 2016 gezeigt werden konnte, ist ein wesentliches Problem der Kommunen im Saarland,
dass die Kommunen ihre Wirtschaftskraft nicht in Einnahmen umwandeln (u.a. aufgrund niedriger
Hebesätze der
Realsteuern). Die
Bürger und Unternehmen im Saarland werden vor dem Hintergrund ihrer wirtschaftlichen Potenz mithin deutlich weniger belastet als
die Bürger und Unternehmen der anderen Flächenländer.
Grundsätzlich ist gegen eine unterdurchschnittliche Realsteuerbelastung der Bürger und Unternehmen nichts einzuwenden. Dies setzt
jedoch zum einen voraus, dass die Kommunalfinanzen in Ordnung sind (d.h. regelmäßiger
Haushaltsausgleich) und Belastungen nicht
über ausschweifenden Kassenkreditmissbrauch auf künftige Generationen verlagert werden. Das ist im Saarland leider keineswegs der
Fall: In keinem anderen Flächenland nutzen die Kommunen Kassenkredite exzessiver zur Verlagerung der Finanzierungslasten auf
kommende Generationen. Zum anderen ist eine Politik niedriger Hebesätze nur zu rechtfertigen, solange nicht die Bürger und
Unternehmen anderer Länder die niedrigen Hebesätze im Saarland (mit)finanzieren müssen. Leider trifft auch das nicht zu: Vielmehr
ist das Saarland in der Gruppe der acht westdeutschen Flächenländer in einer Pro-Kopf-Betrachtung der mit Abstand größte Nehmer im
Bund-Länder-Finanzausgleich.
Der Bund und die Geberländer (z.B. Baden-Württemberg, Bayern, Hessen) transferieren über die
Umsatzsteuerverteilung, den
Länderfinanzausgleich und die
Bundesergänzungszuweisungen
jedes Jahr mehrere hundert Millionen Euro
ins Saarland. Über den kommunalen Finanzausgleich profitieren hiervon indirekt auch die Kommunen im Saarland. Mittelbar finanzieren
damit z.B. auch die Bürger und Unternehmen in Bayern oder Hessen die saarländischen Kommunen.
» Geber und Nehmer im Bund-Länder-Finanzausgleich 2014 unter Einbeziehung von Umsatzsteuervorwegausgleich, Länderfinanzausgleich und Bundesergänzungszuweisungen, Blog-Eintrag vom 21. Dezember 2015
Autor: Andreas Burth
» Umverteilungswirkung der Ergänzungsanteile der Umsatzsteuer, Blog-Eintrag vom 15. März 2016
Autor: Andreas Burth
» Bund-Länder-Finanzausgleich 2015 im Ländervergleich
Hrsg.: HaushaltsSteuerung.de
Keine Frage: Es gibt auch für die Städte und Gemeinden im Saarland Alternativen zu deutlichen Hebesatzerhöhungen. Zum einen
besteht die Möglichkeit, auf der Ausgabenseite zu sparen. Dies ist auch ohne Zweifel möglich und notwendig. Ob aber in
Anbetracht des Ausmaßes der Finanzprobleme der ganze Weg nur über Kürzungen auf der Ausgabenseite beschritten werden kann,
ist zu bezweifeln. Dafür haben die Kommunen im Saarland zu lange und zu intensiv über ihre Verhältnisse gelebt. Insofern
werden die Kommunen kaum über Einnahmeerhöhungen herum kommen. Neben den Hebesätzen der Realsteuern kann z.B. auch über die
übrigen Gemeindesteuern (z.B.
Hundesteuer,
Vergnügungsteuer)
sowie über Gebühren (z.B. kostendeckende Wasser-, Abwasser- und
Friedhofsgebühren) und Beiträge (z.B. Straßenausbaubeiträge) ein einnahmeseitiger Beitrag zur Konsolidierung der Haushalte
geleistet werden.
Im Folgenden wird ein genauerer Blick auf die
Grundsteuer B
gelegt. Die Grundsteuer B ist eine der drei Realsteuern (Grundsteuer A, Grundsteuer B und
Gewerbesteuer).
Nach der Gewerbesteuer (netto) und dem
Gemeindeanteil an der Einkommensteuer
ist die Grundsteuer B i.d.R. die drittwichtigste Steuerquelle der Städte und Gemeinden.
Die Städte und Gemeinden verfügen bei der Grundsteuer B über ein Hebesatzrecht, das es ihnen erlaubt, die Einnahmen aus der
Grundsteuer B unmittelbar zu beeinflussen. Ein Vorteil der Grundsteuer B ist, dass sie weit weniger konjunktursensibel ist
als z.B. die Gewerbesteuer. Dies erleichtert die Planbarkeit des Aufkommens. Hebesatzänderungen schlagen sich quasi 1-zu-1
im Aufkommen nieder. Im Gegensatz zur Gewerbesteuer müssen Teile des Aufkommens auch nicht an Bund und Länder weitergeleitet
werden (Gewerbesteuerumlage).
Hinzu kommt, dass die Grundsteuer B von allen Bürgern und Unternehmen direkt (Eigentümer) oder
indirekt (Mieter) getragen wird. Mittelbar wird auch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit bei der Grundsteuer B berücksichtigt,
da wirtschaftlich leistungsfähigere Bürger i.d.R. auch besser wohnen und demzufolge mehr Grundsteuer B zahlen. Eine weitere
Besonderheit der Grundsteuer B ist, dass sie an der allgemeinen Preisentwicklung nicht automatisch partizipiert. Die
Inflationsanpassung muss daher über Hebesatzsteigerungen erfolgen. Um das inflationsbereinigte Aufkommen der Grundsteuer B
konstant zu halten, sind somit im Zeitablauf entsprechende Hebesatzerhöhungen notwendig.
Für eine Untersuchung der Grundsteuer B im Saarland sind einzelgemeindliche Daten unerlässlich. Sie werden daher für alle 52
Städte und Gemeinden in der unten aufgeführten Tabelle 1 dargestellt. Die aktuellsten verfügbaren Daten beziehen sich auf das
Jahr 2015. Eine Differenzierung zwischen kreisfreien Städten und kreisangehörigen Städten und Gemeinden ist hier nicht
vorgenommen worden. Das Saarland ist das einzige Flächenland, in dem es keine kreisfreien Städte gibt. Selbst die Landeshauptstadt
Saarbrücken ist aufgrund ihrer Zugehörigkeit zum Regionalverband Saarbrücken im statistischen Sinne als kreisangehörig einzustufen.
Der Regionalverband Saarbrücken zählt in der Statistik zur Gruppe der Landkreise.
Neben Daten zur Grundsteuer B finden sich in Tabelle 1 auch Informationen zur Höhe der Pro-Kopf-Kassenkredite zum 31.12.2015.
Von hohen Kassenkrediten kann ab 500 Euro je Einwohner gesprochen werden. Ab 1.000 Euro je Einwohner sind sie als sehr hoch
einzustufen. Sehr hohe Kassenkreditschulden deuten auf ein entsprechend starkes Wirtschaften über die eigenen Verhältnisse hin.
Die Extremwerte bei den Pro-Kopf-Einnahmen aus der Grundsteuer B bilden Spiesen-Elversberg mit 67 Euro je Einwohner und
Saarbrücken mit 197 Euro je Einwohner. Bei den Hebesätzen der Grundsteuer B ist eine Spannweite von 280 Prozent in Spiesen-Elversberg
bis 550 Prozent in Mandelbachtal festzustellen.
Wie aus Tabelle 1 deutlich wird, sind gerade einmal drei Kommunen (Losheim am See, Saarwellingen, St. Ingbert) zum 31.12.2015
kassenkreditfrei. Fünf weitere liegen zumindest unterhalb der 500-Euro-je-Einwohner-Schwelle. Für 36 Städte und Gemeinden sind
sehr hohe Kassenkredite von über 1.000 Euro je Einwohner festzustellen. In 19 Städten und Gemeinden liegt das Niveau sogar über
2.000 Euro je Einwohner. Derartige Niveaus zeigen ein ausschweifendes Leben über die eigenen Verhältnisse auf. Unrühmliche
Spitzenreiter sind Gersheim mit 4.779 Euro je Einwohner und Saarbrücken mit 4.449 Euro je Einwohner.
Zu erwarten wäre, dass Städte und Gemeinden mit hohen Kassenkreditschulden (als kumuliertes Spiegelbild der Defizite der vergangenen Jahre) auch hohe Hebesätze bei der Grundsteuer B beschlossen
haben, um ihre Finanzen in den Griff zu bekommen. Um der Frage nachzugehen, inwieweit dies der Fall ist, erscheint eine direkte
Gegenüberstellung beider Kenngrößen in einer eigenen Grafik sinnvoll. Sie wird in nachstehender Abbildung vorgenommen. Hierbei ist
kaum eine eindeutige Tendenz zu erkennen, dass Städte und Gemeinden mit höheren Kassenkrediten auch höhere Hebesätze beschlossen
haben. Vielmehr ist das Hebesatzniveau (von vier "Ausreißern" abgesehen) relativ ähnlich - unabhängig vom Volumen der Kassenkreditschulden.
Die Hebesätze im Saarland sind im Vergleich zu anderen Kommunalfinanzkrisenländern, wie z.B. Nordrhein-Westfalen, niedrig.
Auch Nordrhein-Westfalen hat größere Finanzprobleme auf kommunaler Ebene und ist - wie das Saarland - v.a. durch einwohnerstärkere
Kommunen geprägt. Zudem hat Nordrhein-Westfalen ein ähnlich hohes nominales Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt (2015: 36.602 Euro je Einwohner
in Nordrhein-Westfalen vs. 35.416 Euro je Einwohner im Saarland). Die Durchschnittshebesätze in Nordrhein-Westfalen sind indes
in allen Einwohnergrößenklassen deutlich höher als die Durchschnittshebesätze im Saarland (siehe Tabelle 2).
Sofern alle Städte und Gemeinden im Saarland, die unter dem NRW-Durchschnittshebesatz ihrer Größenklasse liegen, den Hebesatz
auf den jeweiligen NRW-Durchschnittshebesatz anheben, könnten sie jährliche Mehreinnahmen in Höhe von 39,2 Mio. Euro generieren.
Damit ließen sich 15,6 Prozent des kommunalen Finanzierungsdefizits des Jahres 2015 (-251,8 Mio. Euro) abbauen.
Im fiktiven Fall, dass alle Städte und Gemeinden im Saarland den NRW-Höchsthebesatz der jeweiligen Größenklasse beschließen
würden, lägen die zusätzlichen Einnahmen bei 147,2 Mio. Euro. Dies entspräche einer Defizitreduktion um 58,4 Prozent. Allgemein
sei im Kontext der Höchsthebesätze darauf hingewiesen, dass Nordrhein-Westfalen nicht den deutschlandweit höchsten Hebesatz hat.
Selbiger findet sich in der hessischen Gemeinde Nauheim. Nauheim hat einen Hebesatz von 960 Prozent festgesetzt. Die im Landkreis
Groß-Gerau gelegene Gemeinde zählt rund 10.000 Einwohner.
Insgesamt ist festzuhalten, dass die Finanzprobleme im Saarland eine Vielzahl von Ursachen haben. Die verschiedenen Gründe
lassen sich an dieser Stelle nicht erschöpfend untersuchen. Die saarländischen Kommunen werden an vielen Stellschrauben drehen
müssen, um ihre Finanzen wieder in den Griff zu bekommen. Eine dieser Stellschrauben ist der in diesem Beitrag detaillierter
untersuchte Hebesatz der Grundsteuer B.
Die Grundsteuer B kann einen beträchtlichen Beitrag zur Verringerung der kommunalen Defizite leisten. Sie wird den
Konsolidierungsweg aber keinesfalls alleine bewältigen können. Dies wird offenkundig durch die oben durchgeführte,
hypothetische Rechnung unter Übertragung der NRW-Höchsthebesätze auf das Saarland. Letztlich ist der Hebesatz der
Grundsteuer B als eine Art "Ultima Ratio" (d.h. als "letztes Mittel") zu verstehen. Zunächst sollten anderweitige
Konsolidierungspotenziale ausgelotet werden (z.B. kostendeckende Gebühren, Ausgabekürzungen etc.), um den zur Schließung
des verbleibenden Defizits notwendigen Hebesatz der Grundsteuer B möglichst niedrig ausfallen zu lassen.
Den Kommunen ist ein Recht auf Selbstverwaltung garantiert worden. Dieses Recht ist jedoch untrennbar verknüpft mit einer
Pflicht zur Selbstverantwortung. Hierzu gehört auch die Eigenverantwortung für die Stabilität der Kommunalfinanzen. Nach
Prof. Janbernd Oebbecke gilt: "Die Pflicht zum Haushaltsausgleich geht allen anderen Pflichten vor, weil auf die Dauer keine
Pflicht mehr erfüllt werden kann, wenn der Haushaltsausgleich nicht gelingt." In diesem Sinne sind die Städte und Gemeinden
angehalten, ihre Konsolidierungsbemühungen sowohl auf der Einnahme- als auch auf der Ausgabeseite zu intensivieren. Auf der
Einnahmeseite kann (als Ultima Ratio) die Grundsteuer B einen beträchtlichen Beitrag zur Defizitreduktion leisten.
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