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Aktuelle Trends im Bereich der Kommunalfinanzen
Aktuelle Trends im Bereich der Kommunalfinanzen
28. Juli 2014 |
Autoren: Andreas Burth, Marc Gnädinger
Fernab des Tagesgeschäfts gibt es im kommunalen Raum immer wieder Entwicklungen, die auf dem Feld der Kommunalfinanzen
Innovationscharakter haben. Zuweilen werden diese von Vorreiter-Kommunen vorangetrieben, in anderen Fällen sind Externe
Motor der Entwicklung. Ein Merkmal solcher aktuellen Trends ist, dass noch nicht (immer) absehbar ist, ob sie sich mittel-
bis langfristig im Bereich der Kommunalfinanzen fest etablieren werden. Insofern wird es spannend sein, zu beobachten,
welche der nachfolgend vorgestellten Trends sich in der kommunalen Familie langfristig durchsetzen werden.
Zehn wichtige, aktuelle Trends im Bereich der kommunalen Finanzen sind:
1. Ziel der Schuldenfreiheit
2. Doppische Kommunalschuldenbremse mit Generationenbeitrag
3. Nachhaltigkeitssatzungen
4. Konsolidierungs-Bürgerhaushalte
5. Kommunale Schuldenuhren
6. Offene Haushalte
7. Haushaltsbroschüren
8. Kommunales Risikomanagement
9. European Public Sector Accounting Standards (EPSAS)
10. Neue Konzernsteuerung
Trends der Vergangenheit waren z.B.:
Bürgerhaushalte, kommunale
Doppik, produktorientierte
Ziele &
Kennzahlen,
Gender Budgeting,
interkommunale Kooperationen im Bereich der Finanzverwaltung, Online-Stellen kompletter
Haushaltspläne, kommunale
Leitbilder mit Passus zu den Kommunalfinanzen,
Kontraktmanagement,
Controlling &
Berichtswesen. Einige dieser Trends haben es zum Quasi-Standard geschafft (z.B. kommunale Doppik in den meisten Ländern);
andere sind nur in sehr wenigen Kommunen zu finden (z.B. Gender Budgeting); wiederum andere werden teilweise trotz einer in
einigen Ländern bestehenden gesetzlichen Verpflichtung dort (noch) nicht flächendeckend genutzt (z.B. produktorientierte
Ziele und Kennzahlen gemäß § 12 GemHVO Nordrhein-Westfalen).
Trend 1: Ziel der Schuldenfreiheit
In der kommunalen Familie ist eine interessante Entwicklung zu beobachten: Während die als besonderes Krisenphänomen zu
qualifizierenden Kassenkredite in der Gesamtheit der Kommunen in Deutschland tendenziell steigen, kommen dennoch regelmäßig
neue Kommunen zur Gruppe derer dazu, die sich ihrer (Geld-)Schulden komplett entledigt haben. Ein jüngeres Beispiel ist
etwa die Stadt Offenburg in Baden-Württemberg, die deutlich schneller als ursprünglich geplant, die Schuldenfreiheit im
Bereich des Kernhaushalts erreicht hat. Diese Kommunen haben sich das Entschuldungsziel häufig schon vor einigen Jahren
vorgenommen. Auffällig ist gleichwohl, dass sich in den letzten Jahren immer mehr Kommunen das Ziel der Schuldenfreiheit gesetzt haben
und dies auch öffentlich kommunizieren.
Trend 2: Doppische Kommunalschuldenbremse mit Generationenbeitrag
Intensiv diskutiert wird aktuell in Wissenschaft und Praxis das Modell einer doppischen Kommunalschuldenbremse. Das Modell basiert
im Kern auf der Verpflichtung zum jährlichen Haushaltsausgleich im doppischen ordentlichen Ergebnis (in Planung und Rechnungslegung).
Im Sinne einer Ultima Ratio wird der Haushaltsausgleich in jedem Jahr sichergestellt, indem nötigenfalls in Höhe des drohenden Defizits
der sog. Generationenbeitrag als Aufschlag auf den Grundsteuer-Hebesatz (Gemeinden) bzw. den Umlage-Hebesatz (Gemeindeverbände) erhoben
wird. Das Modell einer doppischen Kommunalschuldenbremse kann auch als Hilfsmittel zur Erreichung der Schuldenfreiheit (Trend 1)
genutzt werden.
Das Modell ist bereits von drei Kommunen freiwillig auf dem Satzungswege ins Ortsrecht integriert worden. Es handelt sich hierbei
um die Stadt Taunusstein in Hessen, die Ortsgemeinde Stadtkyll in Rheinland-Pfalz und die Stadt Freudenberg in Nordrhein-Westfalen.
Eingang in das kommunale Haushaltsrecht, welches von den Landesgesetzgebern verantwortet wird, hat das Modell bislang noch nicht
gefunden.
Trend 3: Nachhaltigkeitssatzungen
Ohne regelmäßigen Haushaltsausgleich müssen langfristig alle kommunalpolitischen Ziele scheitern, weil die finanzielle Substanz
verloren geht. Einige Kommunen haben erkannt, dass das kommunale Haushaltsrecht häufig keine ausreichend strikten Vorgaben zur
Sicherstellung der dauerhaften finanziellen Leistungsfähigkeit bereitstellt bzw. es letztlich immer auf die konkreten Entscheidungen
vor Ort ankommt. Auf dem Wege einer freiwilligen finanziellen Selbstbeschränkung haben sie daher sog. Nachhaltigkeitssatzungen
verabschiedet (in einigen Fällen ist alternativ auch die Hauptsatzung ergänzt worden). Ein besonderes Wesensmerkmal einer
Nachhaltigkeitssatzung besteht darin, dass sie Regelungen enthält, die strikter sind als die im kommunalen Haushaltsrecht verankerten Regelungen.
Inhaltlich kann eine Nachhaltigkeitssatzung z.B. das unter Trend 2 beschriebene Modell einer doppischen Kommunalschuldenbremse
enthalten (z.B. Taunusstein, Freudenberg). Es gibt jedoch auch andere Modelle, die z.B. auf die Begrenzung der Nettoneuverschuldung
oder eine Verpflichtung zum Abbau von Geldschulden abzielen.
Trend 4: Konsolidierungs-Bürgerhaushalte
Bürgerhaushalte können heute kaum noch als aktueller Trend bezeichnet werden. Aus der in den letzten Jahren in einigen Kommunen
sehr deutlich gewordenen Konsolidierungsnotwendigkeit heraus, hat sich jedoch ein neuer Typus der Bürgerhaushalte entwickelt:
Konsolidierungs-Bürgerhaushalte. Merkmal von Konsolidierungs-Bürgerhaushalten ist es, dass die Bürger/Einwohner nur Vorschläge
über Ausgabe-/Aufwendungssenkungen und Einnahme-/Ertragssteigerungen machen dürfen (d.h. nur Maßnahmen, die einen Beitrag zur
Wiedererlangung bzw. zum Bewahren des Haushaltsausgleichs leisten) oder von anderer Stelle (etwa Verwaltung) entwickelte
Konsolidierungsvorschläge bewerten. Konsolidierungs-Bürgerhaushalte zielen somit darauf ab, die Bürger in die Entscheidungsfindung
zu den meist unangenehmen und unpopulären Konsolidierungsmaßnahmen einzubeziehen.
Trend 5: Kommunale Schuldenuhren
Je einfacher und komprimierter Informationen zu den Kommunalfinanzen dargestellt werden, desto größer ist tendenziell
die Gruppe derer, die sich die Informationen anschaut (Beflügelung der Informationsfunktion). Eine besonders starke Form
der Vereinfachung und Komprimierung der kommunalen Finanzlage sind sog. Schuldenuhren. Schuldenuhren sind sekündlich
aktualisierte Zähler, die den geschätzten aktuellen Stand der Schulden (meist nur Geldschulden) einer Kommune anzeigen. Die
Anzeige umfasst typischerweise den absoluten Schuldenstand, den Pro-Kopf-Schuldenstand und die Veränderung des absoluten
Schuldenstandes pro Sekunde. Eine Schuldenuhr kann entweder online auf der Webseite der Kommune bereitgestellt werden und/oder
"offline", z.B. am Rathaus der Kommune, angebracht werden. Insbesondere Online-Schuldenuhren sind technisch i.d.R. relativ
einfach umzusetzen. Eine wichtige Voraussetzung ist lediglich die Verfügbarkeit aktueller Plandaten.
Insgesamt sind kommunale Schuldenuhren noch spärlich gesät, in den letzten Jahren ist jedoch eine zunehmende Tendenz
zu beobachten. Teilweise wird die Schuldenuhr auch im Rahmen von Entschuldungsprojekten (Trend 1) genutzt, um Bürgern die
Fortschritte im Entschuldungsprozess vor Augen zu führen. In einigen Fällen werden Schuldenuhren auch nicht von den Kommunen
selbst, sondern Bürgervereinigungen, politischen Organisationen oder sonstigen Interessensgruppen (z.B. Bund der Steuerzahler)
vor Ort bereitgestellt.
Teilweise wird das Konzept der Schuldenuhr auch auf andere kommunale Finanzgrößen übertragen (z.B. Zinsuhr zu den
Zinsausgaben, Steueruhr zu den Steuereinnahmen oder Defizituhr zum Haushaltsdefizit).
Trend 6: Offene Haushalte
Wer als Laie einen kommunalen Haushalt zum ersten Mal in der Hand hält, wird buchstäblich "erschlagen" von sich über teilweise
hunderte Seiten hinziehenden Zahlenkolonnen. Dasselbe gilt für Bundes- und Landeshaushalte. Der ungeübte Leser muss oft lange
suchen, bis er die gewünschte Information gefunden hat. Viele Interessierte schreckt dies ab, sich überhaupt mit den Finanzen
ihrer Kommune, ihres Landes oder des Bundes zu beschäftigen.
Einen Ansatz, zumindest die Bedienbarkeit und Übersichtlichkeit öffentlicher Haushalte zu erhöhen, sind sog. "offene Haushalte".
Dies sind webseitenbasierte Darstellungen, die das Zahlenmaterial des Haushaltsplans graphisch visualisieren und durch Mausklicks
intuitiver bedienbar machen. Gesuchte Informationen sind leichter auffindbar. Verhältnisse zwischen einzelnen Haushaltspositionen
werden grafisch gegenübergestellt (z.B. über die Größe farbiger Flächen). Der offene Haushalt kann z.B. auf der Webseite einer
Kommune als Ergänzung zum eigentlichen Haushalt (PDF-Datei) angeboten werden.
Trend 7: Haushaltsbroschüren
Haushaltsbroschüren - also Broschüren, die Bürgern die Kommunalfinanzen und hier v.a. den Kommunalhaushalt in Kurzform nahe
bringen - sind an sich nichts Neues. In jüngerer Vergangenheit hat ihre Nutzung jedoch zugenommen. Der häufigste Fall ist
hierbei eine Kurzdarstellung des jeweiligen Haushaltsplans (z.T. auch in Form eines Flyers); es gibt jedoch auch erste Broschüren
zum Jahresabschluss. Perspektivisch denkbar sind insofern auch Broschüren zum Gesamt-/Konzernabschluss.
Das Hauptziel solcher Broschüren ist es, die Informationen aus den oftmals unhandlichen und nur schwer les- und verstehbaren
Hauptdokumenten (Haushaltsplan, Jahresabschluss, Gesamt-/Konzernabschluss etc.) für Interessierte verständlich und aufs Wesentliche
beschränkt darzustellen. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass einige wenige Kommunen auch den Hauptdokumenten (z.B. dem
Haushaltsplan) ein broschürenartiges Design gegeben haben, was die optische Attraktivität dieser Dokumente merklich steigert.
Beispielhaft zu nennen ist hier der
Haushaltsplan des Landkreises Lörrach.
Trend 8: Kommunales Risikomanagement
Insbesondere die Finanz- und Wirtschaftskrise hat verdeutlicht, wie wichtig es auch für Kommunen ist, Risiken (Finanzrisiken,
aber z.B. auch soziale Risiken) frühzeitig zu erkennen und Gegenmaßnahmen einzuleiten. So kann beispielweise die Insolvenz eines
wichtigen Gewerbesteuerzahlers eine Gemeinde in erhebliche finanzielle Schwierigkeiten bringen. Um derartigen Fehlentwicklungen
rechtzeitig zu erkennen, ihnen entgegen zu wirken und hierfür zu sensibilisieren, haben einige Kommunen damit begonnen,
Risikomanagement-Systeme aufzubauen. In einigen Ländern (z.B. Nordrhein-Westfalen) schreibt auch das Haushaltsrecht vor, z.B.
im Rahmen des Lageberichts zum doppischen Jahresabschluss, auf Chancen und Risiken der künftigen Entwicklung einzugehen.
Gerade bei aufgrund gesetzlicher Verpflichtungen vorgenommenen Risikoberichterstattungen mangelt es teilweise jedoch (noch)
daran, dass v.a. externe Risiken dargestellt werden, während interne Risiken, z.B. aus lokalpolitischen Gründen, weniger stark
einbezogen werden.
Trend 9: European Public Sector Accounting Standards (EPSAS)
Dass das neue kommunale Haushaltsrecht in Deutschland im Ländervergleich sehr heterogen ist, ist bereits länger bekannt.
Die Erkenntnis hat bislang jedoch keine Harmonisierung des Haushaltsrechts in Kernbereichen bewirkt. Auf EU-Ebene zeichnet
sich aktuell möglicherweise eine Lösung für das Problem ab. So plant die EU einheitliche öffentliche Rechnungslegungsstandards
EU-weit (sowohl für Bund und Länder als auch für die Kommunen) einzuführen, wobei diese EPSAS auf den sog.
IPSAS basieren
sollen. Zwar soll das Haushaltswesen von dem Reformprojekt nicht unmittelbar betroffen sein, gleichwohl ist zu erwarten, dass
mit einer Harmonisierung des externen Rechnungswesens wohl seitens der einzelnen Mitgliedsstaaten auch eine entsprechende
Anpassung des Haushaltswesens einher gehen wird, um nicht zwei Systeme parallel aufrecht erhalten zu müssen.
Die definitive Entscheidung über die Einführung der EPSAS ist noch nicht gefallen. Vielmehr befindet sich das Projekt
aktuell noch in der Diskussions- und Entwicklungsphase. Hierbei gibt es sowohl befürwortende als auch ablehnende Stimmen
in der Fachwelt. Es wird daher abzuwarten bleiben, ob die EPSAS tatsächlich auf die kommunale Familie zukommen werden.
Trend 10: Neue Konzernsteuerung
Mit der Einführung des neuen kommunalen Haushalts- und Rechnungswesens wird die Steuerung des "Konzerns Kommune"
(d.h. Kernverwaltung + Auslagerungen) auf eine neue Grundlage gestellt. Der bereits in der Kameralistik erstellte
Beteiligungsbericht wird ergänzt durch den Gesamt-/Konzernabschluss, der die Finanzdaten aus den Jahresabschlüssen
von Kernverwaltung und Auslagerungen konsolidiert darstellt. Die Aufstellung solcher Gesamt-/Konzernabschlüsse sieht
das doppische Haushaltsrecht aller Flächenländer vor (mit Unterschieden im Detail). Insofern werden mittel- bis langfristig
alle doppisch rechnenden Kommunen solche Gesamt-/Konzernabschlüsse aufstellen (müssen). Bis heute liegen indes erst
vergleichsweise wenige Beispiele vor. Die Anzahl wächst jedoch stetig.
Zusätzlich hat in den letzten Jahren auch das privatwirtschaftliche Konzept eines "Corporate Governance Kodex"
Einzug in die kommunale Konzernsteuerung erhalten. In Form von Beteiligungsrichtlinien und Public Corporate Governance
Kodizes werden Regelwerke zur guten und verantwortungsvollen Führung kommunaler Unternehmen aufgestellt. Die Regelwerke
können sich inhaltlich voneinander unterscheiden.
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